Zur Beschleunigung des Lebens im Hinblick auf mediale Beschleunigung. Entschleunigung als Lösungsansatz und Grenzziehungen in einer beschleunigten Welt


Hausarbeit, 2021

19 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Zum Begriff der Zeit
2.1 Gesellschaft und Zeit
2.2 Medien und Zeit
2.3 Eine permanente Internetverbindung- ständig online

3. Zum Begriff der Beschleunigung
3.1 Resonanz bei Hartmut Rosa
3.2 Beschleunigung und Medien

4. Zum Begriff der Entschleunigung
4.1 Medienspezifische Grenzziehungen in einer beschleunigten Welt
4.2 Zwischenfazit: Entschleunigung als Lösung?

5. Konsequenzen ziehen - Der Kapitalismus musssich ändern

6. Fazit

Quellenverzeichznis

1. Vorwort

In der vorliegenden Hausarbeit mit dem Titel „Zur Beschleunigung des Lebens im Hinblick auf mediale Beschleunigung - Entschleunigung als Lösungsansatz und Grenzziehungen in einer beschleunigten Welt“ soll versucht werden, dem Phänomen der medialen Beschleunigung und der medialen Permanenz, eine mögliche Lösung, nämlich die der Entschleunigung, entgegenzustellen. Dabei soll zunächst auf den Begriff der Zeit eingegangen werden und dieser in die Kontexte Gesellschaft und Medien gesetzt werden. Des Weiteren soll der Aspekt des permanenten Online-Seins erörtert werden. Diese Abhandlungen führen im darauffolgenden zu einer Abhandlung des Phänomens der Beschleunigung. Der Begriff der Beschleunigung soll anhand des Resonanz-Konzeptes von Harmut Rosa verdeutlicht und erläutert werden. Auch wird der Begriff der Beschleunigung in den Kontext der Medien gesetzt [mediale Beschleunigung]. Dabei soll versucht werden, mögliche Konsequenzen permanenter medialer Beschleunigung beziehungsweise Permanenz zu formulieren.

Als möglicher Lösungsansatz soll im darauffolgenden zunächst der Begriff der Entschleunigung dienen. Es werden zudem lösungsorientierte Grenzziehungen formuliert, die dem Individuum in einer beschleunigten Welt eine Möglichkeit bieten, der medialen Permanenz zu entkommen. Am Ende des Kapitels zur Entschleunigung soll dann der Begriff der Entschleunigung als Möglichkeit zur Lösung und Gegenkonzept zur Beschleunigung, diskutiert und in Frage gestellt werden.

Im Kapitel „Konsequenzen ziehen - Der Kapitalismus muss sich ändern“ werden Schlussfolgerungen aus dem bereits Erörterten formuliert. Dazu wird auf einen Diskussionsbeitrag mit Hartmut Rosa und Stephan Lessenich zum Thema „Der Kapitalismus muss sich ändern“ eingegangen. Dieser formuliert konsequente Wandlungsmöglichkeiten bezüglich des Schnellerwerdens einer kapitalistischen Gesellschaft und bezieht klar Stellung.

Im Fazit sollen alle Erkenntnisse gebündelt noch einmal zusammengefasst werden.

2. Zum Begriff der Zeit

Die Zeit ist „nach N. Elias für den Menschen ein kommunizierbares, soziales Symbol zur Orientierung im unablässigen Geschehensfluss. Zeit ist aber auch ein sozialer Zwang von vielen, der im Prozess der Zivilisation zum Selbstzwang wurde. Zeit, Raum und Handeln strukturieren die Wahrnehmung von Welt. Neben der Dreidimensionalität des Raumes ist Zeit die vierte Dimension, in der der Mensch handelt.“1 Somit kann die Zeit als Taktgeber des Lebens verstanden werden. Zeit und Raum sind fundamentale Grundlagen der gesamten Menschheitsgeschichte. „Soziales Handeln ist stets an Zeit und Zeitstrukturen gebunden: Es wird durch vorangegangene Ereignisse bewirkt und hat als Voraussetzung die Vergegenwärtigung von Zukunft. Jede Interaktion setzt eine Synchronisation von Zeit und Zeitbewusstsein der Handlungspartner voraus. Die Grenzen der Zeit sind deshalb keine räumlichen Flächen, sondern Grenzen der Handlungsfähigkeit.“2 In Konflikten wird der Faktor Zeit in besonderer Weise erfahrbar. Beispielsweise dann, wenn ein Individuum Zeitnot erfährt.3 Dieses Gefühl der Zeitnot resultiert beispielsweise aus der Fülle an Angeboten und Reizen, die einem Individuum in einer hochkomplexen Gesellschaft angeboten werden und die das Individuum gleichzeitig niemals alle aktiv ergreifen werden kann. Außerdem ist das Zeitbewusstsein in der modernen Gesellschaft allgemein linear, jedoch erfährt das Individuum die physikalische Lebenszeit zyklisch.4 Der Lauf der Zeit ist zudem kein Abbild der Wirklichkeit. Somit ist Zeit immer relativ.5 „Deswegen muss unterschieden werden zwischen der physikalischen Zeit, dem Zeitverständnis und Zeitmaßstäben für unterschiedliche Systeme. So unterscheidet Fraser fünf Zeitmaßstäbe zwischen der noetischen Zeit (der menschlichen, intellektuellen Zeit), der biologischen Zeit (der Zeit aller Lebewesen mit biologischen Funktionen), der Eozeitlichkeit (dem des Physikers), der Protozeitlichkeit (Zeit der Elementarteilchen) und der Soziozeitlichkeit (dem gesellschaftlichen Aspekt der Zeit und ihrer Einschätzung durch die Gemeinschaft).“6 Zudem haben kulturanthropologische, historische und ethnologische Untersuchungen gezeigt, dass das Zeitempfinden einer Kultur, eines Individuums und einer Gesellschaft bestimmte Spezifika aufweisen.7 Beispielsweise ist das europäische Zeitbewusstsein geprägt vom Judentum und Christentum und dessen religiösen Vorstellungen sowie einer Zeitgliederung durch Kalender oder Uhren.

2.1 Gesellschaft und Zeit

Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, zeichnet sich die europäische und westliche Gesellschaft vor allem durch eine Zeitgliederung und Zeitmessungen durch Gerätschaften (Uhren und Kalender) aus. Diese Messgeräte der Zeit gelten als Beginn für die lineare Zeitmessung seit dem 13. Jahrhundert.8 Die Uhr ist eine der wichtigsten Bedingungen für die Industrialisierung, ähnlich wie die Dampfmaschine. „Sie zeigt die Entwicklung vom individuellen, zyklisch orientierten Arbeitsrhythmus natürlicher Gesellschaften zur arbeitsbestimmten, linearen Zeiteinteilung der industriellen Gesellschaft.“9 Hier zu erwähnen ist die daraus resultierende „Zeitdisziplin“, die sich vor allem im industriellen und frühindustriellen 19. Jahrhundert herausbildete. Diese internalisierte Zeitdisziplin von Fabrikarbeitenden zeichnete sich besonders durch die strikte Unterscheidung und Trennung zwischen institutionell geregelten bezahlten Arbeitszeiten und der unbezahlten Lebenszeit, auch „Eigenzeit“ genannt, aus.10 „Für den in einer hochkomplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft lebenden Menschen ist der Alltag oft aufgefächert in viele Zeiten: Berufszeit, TV-Zeit, Hobbyzeit, Lebensplanungszeit [.].“11 Auch ist die hochkomplexe moderne Gesellschaft von dem Wunsch nach mehr „Eigenzeit“ und dem Phänomen der Zeitnot geprägt.12 Das Mehr an Reizen und Angeboten und dem Druck, alles auf einmal machen zu müssen, um dem Gefühl der Zeitnot entgegenzuwirken, wird mit Synchronisationsstrategien bekämpft. Das meint zum Beispiel das Wäschefalten währendem ein Individuum Fernsehen schaut oder das „am-Handy-sein“ beim Zugfahren.13 „Die Krise des linearen Zeitbewusstseins des industriellen Zeitalters zeigt sich nach Brose in einem neuen sozialen Phänomen: der Zeitarbeit. Zeitarbeiter werden durch die Herstellung von Diskontinuität eine neue Trägergruppe des sozialen Wandels: Zeitarbeit orientiert sich oft am zyklischen Zeitverständnis des Einzelnen, dem neben dem ökonomischen Zwang der Ausübung von Zeitarbeit auch der Wunsch nach mehr Eigenzeit zugrunde liegt.“14

Es lässt sich also sagen, dass die Zeit, repräsentiert durch die Uhr, den Alltag strukturiert und formt. Das Reden von und über Zeit und vor allem das Zeitbewusstsein, also dem Sinn für Zeit, war für Aristoteles eine typisch menschliche Eigenschaft, die sie, die Menschen, von den Tieren unterscheiden würde.15 „Zeit wird als Sinn- und Taktgeber des sozialen Miteinanders gesehen, der im gleichen Maße präfiguriert wie konstruiert. [...] Diese gesellschaftliche Konstitution von Zeit ist im Geld als ein Maß wirksam, durch das mit der „Identität der Zeit gerechnet werden kann“[.]. Begriffe wie Vollzeit, Teilzeit oder auch Zeitarbeit sind Ausdruck dieser, wenn nicht sozialen Konstruktion von Zeit, so doch ihrer (Ein-)Teilung und somit Bestandteil kapitalistischer Gesellschaften.“16

2.2 Medien und Zeit

In das lineare Zeitbewusstsein moderner Gesellschaften treten auch die modernen Medien ein.17 Medien haftet jedoch eine eigene Temporalität an. Sie dienen als Mittler der Zeitinszinierung. „Sie verkürzen Zeit und Raum für die RezipientInnen und sorgen dafür, dass Zeit als gesellschaftlicher Referenzrahmen konstituiert und wahrnehmbar wird [.]. Sie fungieren gleichzeitig aber auch als Zeittreiber, da vor allem die elektronische Kommunikation untereinander zu einem Zeitdruck führen kann.“18 So können moderne Medien dazu führen, dass das Individuum Selbstkontrolle und Selbstverwaltung in zeitlicher Hinsicht auch im Kontext moderner und sozialer sowie telekommunikativer Medien praktiziert. Als Beispiele hier zu nennen, wären das zeitliche Richten nach bestimmten Fernseh-Shows und Radiobeiträgen, das schnelle Beantworten von Nachrichten auf dem Handy oder die sogenannten Schrittzähler und die Funktionen wie „Food-Tracking“. Auch die Langeweile ist ein Aspekt, der in der Kommunikations-und Medienforschung mit einbezogen wird.19 So sind das „Zeit-überbrücken“ und „Zeit-totschlagen“ häufige Motive der Mediennutzung.20 „Telekommunikative Medien dienen [.] dazu, Information über längere Zeiträume hinweg an mehr Adressaten zu verbreiten, als in einer konkreten Situation erreichbar sind. Sie erlauben es, die an einer bestimmten Raum- oder Zeitstelle Abwesenden in die Kommunikation einzubeziehen.“21 Durch die Telekommunikation gewinnt die Gesellschaft eine neue Art der über Raum und Zeit überspannenden Infrastruktur.22 So haben soziale und moderne Medien einen erheblichen Einfluss auf das Zeiterleben eines Individuums und einer Gesellschaft. Sie bestimmen den zeitlichen Rahmen oder die zeitliche Struktur des Alltags. Diese mediale/telekommunikative Infrastruktur, in der die Zeitstruktur der Zeitarbeit und der „Eigenzeit“ eingebunden sind, scheint auf überspannende Weise die Lebenszeiten neu zu regulieren und strukturieren.

2.3 Eine permanente Internetverbindung- ständig online

In besonderer Weise zeichnen sich die mobilen Medien, also Smartphones oder Handys, durch ihre Möglichkeit der permanenten Nutzung aus, da sie ständig mit sich getragen werden können. „Dieses Tragbare, diese Nähe am Körper, verbunden mit dem ubiquitären 24/7- Zugang, lassen somit auch ganz neue Intimitäten und Materialitäten entstehen, wenn das Smartphone sogar beim Schlafen stets griffbereit ist [...] und alle 18 Minuten auf das Mobiltelefon geschaut wird.“23 Die Multimedialität bietet ein ständiges oder ein „zu viel“ der Nutzung medialer Gerätschaften an. Zeitlich gesehen, ist somit die tägliche Struktur durch Medien nicht mehr nur an bestimmte Termine, wie einer Nachrichtensendung, gebunden, sondern diese Struktur der verschiedenen Tagespunkte, wird aufgebrochen und wird eher zu einer zeitlichen 24/7-Nutzung medialer Gerätschaften. Somit kann die mediale Permanenz und der ununterbrochene Internet- und Kommunikationszugang als neues Strukturmerkmal heutiger Medien-und Zeitnutzung betrachtet werden.24 Die lineare Zeitbetrachtung moderner Gesellschaften löst sich langsam durch das Aufkommen des Internets und Smartphones auf.25 „Infolge der nahezu unbegrenzten Speicherkapazität der neuen Medien [.] beginnt die Zeit ihren unilinearen, orientierungstiftenden Charakter zu verlieren, weil sich der Zusammenhang von Sequenzen und Chronologien progressiv aufzulösen scheint.“26 Somit zeichnet sich die Zeit durch eine neue Flexibilität, aber auch ein Nebenher und ebenfalls durch mehrere Zeitkulturen aus: eine Vielzeitigkeit der Gleichzeitigkeit.27 „Konsequenz ist die schrittweise Auflösung des orientierungsstiftenden Charakters von Zeit.“28

[...]


1 Bernhard Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie, 2003 by Leske + Budrich, Opladen Satz: Leske + Budrich, S.442

2 Ebd.

3 Vgl.: Schäfers, S. 422

4 Vgl.: Schäfers, S. 443

5 Ebd.

6 Schäfers, S. 443

7 Vgl.: Schäfers, S. 443

8 Vgl.: Schäfers, S.444

9 Schäfers, S.444

10 Vgl.: Schäfers, S.444

11 Schäfers, S.444

12 Vgl.: Schäfers, S.444

13 Ebd.

14 Schäfers, S.444

15 Vgl.: Stephan O. Görland, Medien, Zeit und Beschleunigung Mobile Mediennutzung in Interimszeiten, S.22

16 Görland, S.23

17 Vgl.: Görland, S.24

18 Görland, S.26

19 Vgl.: Görland, S. 29 f.

20 Vgl.: Görland, S.30

21 Klaus Kuhm, Telekommunikative Medien und Raumstrukturen der Kommunikation, aus: Raum - Zeit - Medialität, Interdisziplinäre Studien zu neuen Kommunikationstechnologien, Christiane Funken Martina Löw (Hrsg.), Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2003, S.104

22 Vgl.: Kuhm, S.100

23 Görland, S.12

24 Görland, S.31

25 Ebd.

26 Hartmut Rosa , Beschleunigung - Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005, S.168

27 Vgl.: Görland, S.31

28 Görland, S. 32

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Zur Beschleunigung des Lebens im Hinblick auf mediale Beschleunigung. Entschleunigung als Lösungsansatz und Grenzziehungen in einer beschleunigten Welt
Veranstaltung
Medien und Macht
Note
1,3
Jahr
2021
Seiten
19
Katalognummer
V1146516
ISBN (eBook)
9783346525802
ISBN (Buch)
9783346525819
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medien Macht Entschleunigung Grenzziehungen Beschleunigung, Mediale Veränderung
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Zur Beschleunigung des Lebens im Hinblick auf mediale Beschleunigung. Entschleunigung als Lösungsansatz und Grenzziehungen in einer beschleunigten Welt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146516

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