Probleme und Chancen beim Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik. Strategien zur Normalisierung der Geldpolitik und der Zentralbankbilanzen


Bachelorarbeit, 2021

42 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen

3 Auswirkungen unkonventioneller Geldpolitik

4 Herausforderungen der Normalisierung

5 Normalisierungsstrategien

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Erweiterter Sicherheitsrahmen einiger Zentralbanken.

1) "Eligible" zeigt das dieser Vermögensgegenstand bereits vorher akzeptiert wurde und keine Veränderung stattfand. "Added" Zeigt das der Vermögensgegenstand als akzeptierte Sicherheit aufgenommen wurde. "Expanded" zeigt das der Vermögensgegenstand bereits zuvor akzeptiert wurde und nach der Krise erweitert wurde. "Not eligible" zeigt das der Vermögensgegenstand auch nach der Krise nicht aufgenommen wurde.
2) Der Begriff Auktionsfaszilität der FED bezieht sich auf Offenmarktgeschäfte die ähnlich sind wie die Offenmarktgeschäfte anderer Zentralbanken wie der EZB oder BOJ.
3) Öffentliche Sicherheiten sind Anleihen die von Zentral-, Lokal-, oder Staatsregierungen ausgegeben werden.
4) Aktienbesicherte Wertpapiere wurden von der BOC akzeptiert (Internationaler Währungsfond, 2010, S. 28)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Sensitivitätsanalyse für Zinsraten (+1/-1 pp.) (European Commission, 2021)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Leitzinsen für FED, EZB, BOE und BOJ sind die federal funds target rate, der Hauptrefinanzierungszinssatz, die official bank rate und die uncollateralized overnight call rate. Quelle: FED, EZB, BOE, BOJ Darstellung (Neely und Karson, 2021, S. 215)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Darstellung Quantitative Lockerung (Lenza et al., 2010, S. 11)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Darstellung Qualitative Lockerung (Lenza et al., 2010, S. 11)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Zusammensetzung der Offenmarktgeschäfte der FED. "MBS" steht hypothekenbesicherte Anleihen, "5+ years" steht für Staatsanleihen mit Laufzeiten von 5 oder mehr Jahren "1-5 years" steht für Staatsanleihen mit Laufzeiten von 1-5 Jahren. Q1, Q2 und Q3 sind Ankaufprogramme. MEP ist das Fristverlängerungsprogramm. (Kuttner, 2018, S. 124)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Schematische Darstellung der Phasen von QE (Elbourne und Smid, 2017, S. 13)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Zu Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 standen die Zentralbanken vor nicht erreichten Inflationszielen und einer drohenden deflationären Wirtschaftslage. Bereits frühere Ökonomen beschrieben und warnten vor Problemen in diesem Zusammenhang ohne aber zu erwarten, dass diese je eintreten würden. Keynes (1936) beschreibt zur Zeit der großen Depression Ende der 1920er Jahre, was später von Robertson (1940) als Liquiditätsfalle bezeichnet wird. Demnach wird die Liquiditätspräferenz, also die Bevorzugung von Bargeld als Wertspeicher, absolut wenn die Zinsrate auf ein gewisses Level abfällt. Die Folge ist ein Ausbleiben von Investitionen in der Wirtschaft. In der Liquiditätsfalle hat die Zentralbank die Kontrolle über Zinssteuerungsoptionen verloren. Friedman (1969) warnte vor einer Deflationsspirale, einem sich selbst verstärkenden konjunkturellen Abwärtstrend, sollte es zu einer Festsetzung der nominalen Zinssätze kommen. Um nach der Finanzkrise eine Liquiditätsfalle und folgend eine Deflationsspirale zu verhindern, mussten Zentralbanken notwendigerweise neue, unkonventionelle Maßnahmen anwenden. Diese Maßnahmen wurden kontrovers in der Literatur diskutiert. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik (UMP) sowie den Strategien zur Normalisierung von Geldpolitik und Zentralbankbilanzen. Die Forschungsfrage, die beantwortet werden soll, lautet: Was bestimmt eine erfolgreiche Normalisierungsstrategie? Um eine begründete Aussage zu treffen, sind dieser Frage drei engere Fragestellungen unterstellt: Welche Auswirkungen haben die unkonventionellen Maßnahmen? Welche Herausforderungen gibt es bei der Normalisierung? Was sind die Vor- und Nachteile von Normalisierungsstrategien?

Ausstiegs- und Normalisierungsstrategien waren besonders in den Jahren 2013, 2017 und 2018 Inhalt vieler Studien, welche die Geldpolitik betreffen. Im Jahr 2013 kündigte das FED als erste Zentralbank nach der globalen Finanzkrise (GFC) eine Verringerung (Tapering) der Ankaufprogramme an. Damit begann eine verstärkte Debatte um den richtigen Ausstieg aus der Geldpolitik (Mishkin, 2013; Collignon, 2014; Wen, 2014). In den Jahren 2017 und 2018 folgten die BOE und die EZB mit einer beginnenden Normalisierung (Beck und Wieland, 2017; Elbourne und Smid, 2017; Horvath, 2017). Aktuellere Forschungen seit dem Jahr 2019 konzentrieren sich vermehrt auf die Auswirkungen der Corona Pandemie und die erneute Aufnahme der Ankaufprogramme und Senkung der Zinsen auf niedrige Niveaus (Chadha, 2020; Haas et al., 2020). Nach der Coronakrise werden sowohl der Ausstieg aus UMP und die Normalisierung der Geldpolitik nötig und wieder aktuell sein. Daher bietet die Betrachtung bisheriger Erkenntnisse einen Mehrwert für eine zukünftige geldpolitische Normalisierung. In der Literatur werden unterschiedliche Methoden verwendet, um Argumentationen zu stützen die gängigsten sind empirische Studien, Eventstudien und Simulationen in geschlossenen Modellen. Ökonomische Modelle können sehr spezifisch sein und sind zu komplex, um jeweils dargestellt zu werden. Beispiele sind das DSGE oder das HANK Modell. Die vorliegende Arbeit geht auf die Inhalte solcher Argumentationen ein, lässt die Modellspezifikationen aufgrund des Umfangs dieser Arbeit aber weitgehend aus.

Die übrige Arbeit ist wie folgt aufgebaut. Kapitel 2 definiert zunächst die theoretischen Grundlagen in dieser Arbeit. Darunter fällt die Klassifizierung der unkonventionellen Geldpolitik (UMP), die Abgrenzung des Begriffs der Normalität in der Geldpolitik und Unterschiede von Finanzsystemen. Kapitel 3 beschreibt die Auswirkungen der UMP. Aus verschiedenen Maßnahmen ergaben sich Veränderungen in der geldpolitischen Umgebung, die wiederum Einfluss auf die Normalisierung haben. Kapitel 4 befasst sich mit den Herausforderungen der Geldpolitik durch den Normalisierungsprozess. Genauer wird darauf eingegangen, wie sich etwaige Leitzinserhöhungen oder der Abbau der Zentralbankbilanz auf die Finanzmärkte auswirken. Der Finanzmarkt wird anhand von Kredit-, Geld-, Finanz-, und Devisenmärkten betrachtet. Kapitel 5 betrachtet die Vor- und Nachteile von verschiedenen Abläufen, Geschwindigkeiten und des richtigen Zeitpunktes für den Ausstieg aus der UMP und einer folgenden Normalisierung. Kapitel 6 fasst die Ergebnisse dieser Arbeit zusammen und beantwortet die Forschungsfrage. Daraus lassen sich entsprechende Politikempfehlungen für die Zukunft ableiten.

2 Theoretische Grundlagen

Konventionelle Geldpolitik

Geldpolitik bezeichnet alle Maßnahmen einer Zentralbank die zur Steuerung von Geldumlauf, sowie der Geld- und Kreditversorgung der Wirtschaft dienen. Die Steuerung der Geldmenge erfolgt durch Zinspolitik und Liquiditätspolitik. Leitzinsänderungen auf dem Interbankenmarkt, Offenmarktgeschäfte und Mindestreservepolitik sind Maßnahmen der konventionellen Geldpolitik. Über die Leitzinsen bestimmt eine Zentralbank die Konditionen für den kurzfristigen Liquiditätsausgleich zwischen den Geschäftsbanken. Dadurch sinken oder steigen die Kosten einer Kreditvergabe an die Wirtschaft. So können die Investitionsentscheidungen der Wirtschaftssubjekte über die Kreditkonditionen beeinflusst und gesteuert werden. Bei konventionellen Offenmarktgeschäften wird eine festgelegte Menge Zentralbankgeld in einem Auktionsverfahren an die Banken versteigert. Die Mindestreserve bestimmt die Höhe der Reserven, die die Geschäftsbanken bei der Zentralbank hinterlegen müssen. Die Mindestreserve begrenzt die Geldmenge welche Banken für Kredite nutzen können und gibt der Zentralbank so Kontrolle über die umlaufende Geldmenge. Zudem wird dadurch die Nachfrage für Zentralbankgeld gesichert (Gischer et al., 2020).

KUnkonventionelle Geldpolitik

Zu Beginn der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 senkten alle großen Zentralbanken ihre Leitzinsen (siehe Abbildung 1). Die Zinssteuerungsoperationen der konventionellen Geldpolitik reichten bald nicht mehr aus, um die Wirtschaft anzukurbeln. Neue, unkonventionelle Maßnahmen waren dazu nötig. Die Ziele dieser Maßnahmen sind eine höhere Versorgung des Marktes mit Liquidität oder die Beeinflussung der Zinsstrukturkurve, welche die Differenz zwischen kurz- und langfristigen Zinsraten darstellt (Borio und Zabai, 2016). Die Maßnahmen der unkonventionellen Geldpolitik wurden bereits vor der Finanzkrise angewendet. Neu sind nur das Ausmaß und der Hintergrund für den vermehrten Einsatz (Gischer et al., 2017). Nach Dell'Ariccia et al. (2018) sind Quantitative Lockerung (QE), Qualitative Lockerung (QQE), Forward Guidance (FG), und negative Zinsenraten (NIRP) Maßnahmen der UMP, die die Zinsstrukturkurve beeinflussen. Die erhöhte Liquiditätszufuhr wird durch Instrumente wie ein erhöhtes Liquiditätsangebot für Banken, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, die Erweiterung des Sicherheitsrahmens für Kredite und ebenfalls über die Quantitative und Qualitative Lockerung verfolgt und umgesetzt (Bernanke, 2020).

Quantitative Lockerung

Dell'Ariccia et al. (2018) beschreiben QE als die groß angelegten Ankaufprogramme der Zentralbanken. Dass Zentralbanken Anleihen kaufen, ist an sich nicht ungewöhnlich, aber bei QE werden anstatt den üblichen kurzfristigen Anleihen, langfristige Anleihen in viel größerem Umfang gekauft. Meistens werden in diesen Ankaufprogrammen Staatsanleihen gekauft, aber auch andere Anleihen aus dem privaten Sektor sind Bestandteil von Ankaufprogrammen. D'Amico und Seida (2020) bezeichnen den Ankauf von Unternehmensanleihen, forderungsbesicherten Wertpapieren oder anderen privaten Anleihen als direkte Kreditmarktinterventionen (Credit Easing). Kuttner (2018) unterteilt die Transmission von Ankaufprogrammen in drei Mechanismen, die auch von anderen Autoren beschrieben werden. Mit der erhöhten Nachfrage werden zunächst die Kurse der langfristigen Anleihen gestärkt während gleichzeitig deren Zinsen sinken. Die Zinsstrukturkurve verläuft also flacher und die Risikoprämien bei langfristigen Anleihen sind für Anleger geringer. Folglich sind Marktteilnehmer eher zu Investitionen geneigt. Zweitens, hat QE nach Bernanke (2020) eine Signalwirkung auf die Marktteilnehmer. Demnach stärkten Ankaufprogramme die glaubwürdige Ausrichtung der Zentralbank eine lockere Geldpolitik für längere Zeit beizubehalten. So neigen Investoren zusätzlich dazu Investitionen nicht aufzuschieben. Drittens, fördern die Ankaufprogramme Kuttner (2018) zufolge die Kreditvergabe der Banken durch eine erhöhte Liquiditätsversorgung. Bessere Kreditkonditionen sorgen für gesteigerte Investitionen der Wirtschaftssubjekte. Die Finanzierung der Ankaufprogramme erfolgt in der Regel durch eine Erhöhung der Reserveeinlagen der Geschäftsbanken. Die Reserveeinlagen werden erhöht, indem die Zentralbank den Geschäftsbanken Kredite gewährt. Die angekauften Anleihen auf der Aktivseite und die gesteigerten Reserveeinlagen auf der Passivseite führen dann zu einer Bilanzverlängerung (siehe Abbildung 2) (Lenza et al., 2010).

Qualitative Lockerung

Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung von Anleihekäufen ist die Umstrukturierung ihrer Bilanz von kurzfristigen hin zu langfristigen Anleihen. Hierbei bleibt die Bilanzsumme unverändert da nur Aktiva getauscht werden. Die Umstrukturierung der Zentralbankbilanz wird auch als QQE bezeichnet (Lenza et al., 2010). In konventionellen Zeiten hält das Federal Exchange Department beispielsweise fast ausschließlich Treasury-Bills, also amerikanische Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit (Illing, 2015). Das FED nutzte im Jahr 2011 in der sogenannten „Operation Twist“ ein Ankaufprogramm für eine Laufzeitänderung der Anleihen. Abbildungen 3 und 4 verdeutlicht den Unterschied zwischen den Quantitativen Ankaufprogrammen QE1, QE2, QE3 und der Qualitativen Lockerung im Maturity Extension Program (MEP) (Kuttner, 2018).

Forward Guidance

Farmer (2017) definiert FG als die öffentliche Bekenntnis von geldpolitischen Entscheidungsträgern zu einer bestimmten Ausrichtung der Geldpolitik über einen längeren Zeitraum. Das Ziel ist die Erwartungen der Marktteilnehmer darauf auszurichten und die Handlungen der Zentralbank transparenter zu machen. Nach Borio und Zabai (2016) lässt sich FG in zwei Dimensionen unterscheiden. Sie kann sich auf eine bestimmte Zeitperiode beziehen (“kalender-basiert”) oder von wirtschaftlichen Bedingungen abhängen (“status-abhängig”). Außerdem kann sie jeweils bestimmte numerische Werte beinhalten (“quantitativ”) oder eher vage (“qualitativ”) formuliert sein. Laut den Autoren wurde FG vor der Krise eher auf indirektem Wege genutzt. Ein Beispiel ist die Erklärung der Zentralbankstrategie für den Fall, dass die Inflation steigen würde oder es zu einer Rezession käme. Bernanke (2020) merkt an, dass FG im Gegensatz zu der Anwendung von QE nicht zu einer Verlängerung der Zentralbankbilanz führt.

Negative Zinsraten

Die Zinsen wurden im Laufe der Finanzkrise auf historisch tiefe Niveaus gesenkt. Einige Zentralbanken haben die Zinsen für Reserveeinlagen sogar in den negativen Bereich gesenkt. So zahlen die Geschäftsbanken für ihre Einlagen, anstatt dafür Zinsen zu bekommen. Die Banken sollen dadurch günstigere Konditionen bei Krediten gewähren da die eigenen Kosten höher sind. Folglich steigen die Nachfrage nach Krediten und auch die Investitionen (Dell'Ariccia et al., 2018). Die Möglichkeit Zinsen im negativen Bereich anzusetzen, ist durch die Hortungskosten des Geldes begrenzt. Diese liegen nur leicht unter null und können nicht zu stark negativ sein (Illing, 2015).

Erweiterte Liquiditätspolitik

Eine weitere Neuerung der UMP war die Schaffung eines höheren Liquiditätsangebots. EZB, BOE und BOJ förderten die Kreditvergabe der Geschäftsbanken mit entsprechenden Ausweitungen des Kreditsicherheitsrahmens. Beispielprogramme sind das SBLF der BOJ, die LTRO und TLTRO der EZB sowie FLS und TFS bei der BOE (Neely und Bhattarai, 2020). Das Ziel ist eine erhöhte Kreditvergabe der Banken und die Versorgung des Bankensektors mit ausreichender Liquidität (Schwäbe, 2013). Die Banken erhalten günstigere Konditionen bei der Aufnahme von Krediten bei der Zentralbank. In der Eurozone wurden die Zeitspannen für die Rückzahlung von Kapital beispielsweise von 3 Monaten auf bis zu 3 Jahre angehoben. Zudem wurden die akzeptierten Sicherheiten erweitert, die für die Aufnahme von Krediten hinterlegt werden müssen (siehe Tabelle 1). Ohne diese Ausweitung wären den Geschäftsbanken die Sicherheiten für die Aufnahme von Krediten ausgegangen. Viele Staatsanleihen wurden im Zuge der Finanzkrise herabgestuft und die Zentralbank akzeptierte zuvor nur Sicherheiten mit höchster Bewertung (Boeckx et al., 2017). Eine weitere Neuerung im Falle der EZB war die Umstellung der Refinanzierungsgeschäfte von einem Zinstenderverfahren auf ein Mengentenderverfahren. Das bedeutet eine Vollzuteilung von Zentralbankgeld nach dem Liquiditätsbedarfs der Banken. Diese Maßnahme ermöglicht eine gesicherte Liquiditätsversorgung der Banken und ebenfalls eine gesteigerte Kreditvergabe an die Wirtschaftssubjekte (Demary und Matthes, 2013).

Geldpolitische Normalität

In der Literatur wird über mögliche Änderungen in der Geldpolitik der Zukunft diskutiert. Dabei geht es um Abwägungen wie mit den Erfahrungen der globalen Finanzkrise im ,New Normal‘ umgegangen werden soll. Im Laufe der Finanzkrise ist die Größe der Zentralbankbilanzen stark gewachsen (Gischer et al., 2017). Über die zukünftige Größe und Zusammensetzung der Zentralbankbilanz gibt es unterschiedliche Ansichten, die in Kapitel 5 noch genauer erläutert werden. Darüber hinaus erwägt Sheedy (2014) beispielsweise das Nominaleinkommen anstellte von Inflation als Maßstab für Preisstabilität zu verwenden und die Zielsetzung der Zentralbank anders zu formulieren. Das Argument ist, dass die Messung von Output und damit auch Inflation problematisch geworden ist und das Inflationsziel den Wert des Geldes so nicht mehr sichert. Nach Sinclair und Allen (2017) erwies sich die Inflationssteuerung in den Jahren vor der GFC allerdings als effektiv und soll daher auch das Ziel der Normalisierung sein. Ball (2014) oder auch Blanchard et al. (2010) erläutern Überlegungen über eine Anhebung des Inflationsziels von zwei auf vier Prozent. Damit wäre es für Zentralbanken einfacher negative Realzinsen zu erreichen und eine Rezession zu bekämpfen. Einwände an diesem Konzept kommen beispielsweise von McCallum (2011). Zunächst hätten die Haushalte und Unternehmen in diesem Fall viel größere finanzielle Verluste und müssten sich Sorgen wegen der hohen Inflation machen. Außerdem ist das Ziel von vier Prozent Inflation realistisch betrachtet kaum zu erreichen In einer Studie von Blinder et al. (2017) wurden die Entscheidungsträger der Zentralbanken und akademisches Fachpersonal über die Zukunft der geldpolitischen Instrumente befragt. Nach den Ergebnissen wird in der Zukunft eine Erweiterung des Zentralbankmandates in Erwägung gezogen und eine makroprudenzielle, systemunterstützende Politik soll eine höhere Bedeutung haben. Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit wird außerdem als aktiver erwartet. Mit den Ergebnissen der Studie argumentieren Blinder et al. (2017) dahingehend, dass die meisten der unkonventionellen Instrumente auch nach der Krise im Handlungsportfolio der Zentralbanken bleiben werden. Gambacorta et al. (2014) und Bernanke (2020) sind ebenfalls für eine fortwährende Nutzung der UMP. (Bernanke, 2020) berechnet einen neuen geldpolitische Handlungsspielraum der etwa drei Prozentpunkten einer konventionellen Zinssteuerung entspricht. Neely und Bhattarai (2020) argumentieren das UMP wegen der negativen Nebenwirkungen ein Kriseninstrument bleiben sollte. In der folgenden Arbeit bedeutet geldpolitische Normalität die Rückkehr der Zentralbank zu der konventionellen Zins- und Liquiditätspolitik, bei der die Erreichung der geldpolitischen Ziele überwiegend durch die Steuerung der kurzfristigen Zinsen erfolgt.

Unterschiede der Finanzsysteme

Die Finanzsysteme einzelner Länder unterscheiden sich voneinander, wodurch sich nicht jedes Problem gleichbedeutend übertragen lässt. Bats und Houben (2020) verdeutlichen dies an einer Betrachtung der vier größten Zentralbanken, dem FED, der EZB, der BOE und der BOJ. Während das Finanzsystem in den Vereinigten Staaten und in England kapitalmarktbasiert ist, hat die Kreditvergabe durch Banken in der Eurozone und Japan eine größere Rolle für die Finanzierung der Wirtschaft und ist daher bankenbasiert. Kapitalmarktbasierte Finanzsysteme sind im Vergleich mit bankbasierten Systemen liquider und größer. So zielten die ersten unkonventionellen Maßnahmen der FED und der BOE bereits auf den Kauf von Anleihen während die BOJ und die EZB sich zu Beginn noch auf die verbesserte Liquiditätsversorgung des Bankensektors konzentrierten (Gern et al., 2015). Die Folgen für die Banken im bankbasierten System sind bei einer Finanzkrise schwerer als vergleichsweise in einem kapitalmarktbasierten Finanzsystem (Chodorow-Reich, 2014). So senkten im Gegensatz zum Fed und der BOE auch nur die BOJ und die EZB ihre Leitzinsen in den negativen Bereich (Dell'Ariccia et al., 2018). Daher werden nach Bats und Houben (2020) seit der Finanzkrise kapitalmarktbasierte Finanzsysteme gegenüber den bankbasierten Systemen bevorzugt.

3 Auswirkungen unkonventioneller Geldpolitik

Die Maßnahmen der UMP haben Auswirkungen, die sich bei der Rückkehr zu konventioneller Geldpolitik zu Herausforderungen entwickeln oder diese begründen. Daher werden in diesem Kapitel zunächst die Auswirkungen der UMP betrachtet.

Auswirkungen von Ankaufprogrammen

Neely und Fawley (2013) und Neely und Karson (2021) verfolgen die unkonventionellen Maßnahmen und die Ankaufprogramme der vier größten Zentralbanken seit Beginn der GFC im Jahr 2008 bis zum Jahr 2019. Zentralbanken kauften über die QE unterschiedliche Vermögensgegenstände. Der Inhalt, Umfang und Zeitpunkt von Ankaufprogrammen richteten sich nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Anforderungen der einzelnen Länder. Verschiedene Auswirkungen für den Ausstieg aus der UMP durch die Ankaufprogramme entstehen im Wesentlichen durch deren Inhalt. Alle Zentralbanken kaufen langfristige Staatsanleihen und investierten indirekt über die Banken oder direkt am Sekundärmarkt in andere Vermögensgegenstände wie Unternehmens- und Immobilienanleihen sowie Fonds oder akzeptierten diese als Kreditsicherheiten. Diese beiden Bereiche werden folgend unterschieden.

Staatsanleihen

Käufe von Staatsanleihen durch die Zentralbank werden mit einer eingeschränkten Unabhängigkeit der Geldpolitik in Verbindung gebracht. Mehrere Autoren wie beispielsweise Mishkin (2013), Kohn (2013) oder Taylor (2016) kritisieren in ihren Bewertungen der UMP, dass die Grenze zwischen Fiskalpolitik und Geldpolitik nicht mehr klar definiert ist. Die Argumentation stützt sich auf die Menge der Staatsanleihen, die von der Zentralbank gekauft wurden. Regierungen würde dadurch signalisiert werden, dass die Geldpolitik eine gezielte Monetarisierung von Staatsschulden, also deren Ankauf und somit die Finanzierung der Staaten, unterstützt. Als Folge ergibt sich eine eventuell eingeschränkte Handlungsfähigkeit der Zentralbank bei der Erhöhung von Zinsen. Demary und Matthes (2013) beschreiben diesen Zusammenhang mit der Theorie multipler Gleichgewichte. Demnach existieren mehrere Zinsniveaus, bei denen ein Staat entweder solvent oder insolvent ist. Wenn Staaten ihre Verbindlichkeiten also nicht mehr zurückzahlen könnten, unterliegt die Zentralbank womöglich dem Druck die Zinsen weiter niedrig zu halten. Da unabhängig davon aber eine expansivere Geldpolitik mit höheren Zinsen nötig sein könnte, um Inflation zu bekämpfen, liegt gegebenenfalls ein Interessenskonflikt vor. Nach Taylor (2016) riskiert eine abhängige Zentralbank ihre Glaubwürdigkeit bei der Erreichung von Preisstabilität zu verlieren. Die Bekämpfung von Inflation kann gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr deutlich vertreten werden.

Direkte Kreditmarktinterventionen

Laut Bernanke (2020) übernimmt die Zentralbank ein hohes Maß an Kreditrisiko und löst eine politische Debatte über die Bevorteilung einiger Unternehmen oder Branchen aus, wenn direkte Kreditmarktinterventionen genutzt werden. Allerdings sind direkte Interventionen effektiver, um die Märkte zu stimulieren als Indirekte. So steht die effektivere Stimulierung der Wirtschaft eine Risikoübernahme durch die Zentralbank gegenüber. Mishkin (2013) folgert, dass die Zentralbanken durch den Kauf von Vermögensgegenständen aus Risikobereichen die Aufsticht und Regulierung von Banken und Nicht-Banken übernehmen. Fraccaroli et al. (2020) untersuchen Reformen für mehr regulatorische Unabhängigkeit in 43 Ländern im Zeitraum von 1999 bis 2019. Der Vergleich dieses Datensatzes mit Kreditinformationen von betrachteten Banken soll die Auswirkungen auf die Finanzstabilität zeigen. Den Ergebnissen zufolge hängen Regulierungen und Beaufsichtigungen mit geringeren ausfallgefährdeten Krediten zusammen. Eine Erhöhung der Regulierung durch die Zentralbank ist nach der Studie also von Vorteil für das Finanzsystem und die Sicherung der Stabilität.

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Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Probleme und Chancen beim Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik. Strategien zur Normalisierung der Geldpolitik und der Zentralbankbilanzen
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,3
Jahr
2021
Seiten
42
Katalognummer
V1146813
ISBN (eBook)
9783346526977
ISBN (Buch)
9783346526984
Sprache
Deutsch
Schlagworte
probleme, chancen, ausstieg, geldpolitik, strategien, normalisierung, zentralbankbilanzen
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Probleme und Chancen beim Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik. Strategien zur Normalisierung der Geldpolitik und der Zentralbankbilanzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146813

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