Anfangssituationen - Die Soziodynamik von Anfangssituationen


Referat (Ausarbeitung), 2007

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) „Aller Anfang ist schwer“

2.) Die Soziodynamik von Anfangssituationen

3.) Die Angst des Dozenten in Anfangssituationen

4.) Erwartungen und Befürchtungen der Teilnehmer

5.) Seminarregeln als Lernkontakt

6.) Aufgaben von Anfangsmethoden

7.) Hilfestellung für Teilnehmer

8.) Redner und Schweiger in Anfangssituationen

9.) Spiele in Anfangssituationen

10.) Fazit

11.) Literaturverzeichnis

1.) „Aller Anfang ist schwer“

Auf den folgenden Seiten möchte ich gern mein, am 23.01.2007 bereits gehaltenes, Referat „Anfangssituationen“ verschriftlichen.

Für mich persönlich war es ein sehr lehrreiches Referat, da erst die Beschäftigung mit dem Thema bewusst machte, wie schwer und folgenreich Anfänge sein können.

Einen richtigen Anfang zu finden ist eine komplizierte und schwierige Aufgabe, denn im Grunde sind die meisten von uns beim Anfangen Anfänger.

Jeder Anfang ist anders, denn er wird bestimmt von der Individualität des Gruppenleiters. Dieser lässt seine Stärken, Ängste, charakteristischen Merkmale usw. automatisiert in das Anfangsgeschehen einfließen – Anfangen ist also eine sehr persönlich geprägte Situation.

Nicht umsonst stellst Karlheinz A. Geißler in seinem Lehrbuch zum Thema „Anfangen“ eine humoristische „kleine Charakterkunde des Anfangs“ an den Beginn seiner Ausführungen, welche ich in meinem gehaltenen Referat als Einleitungsfolie meinem Auditorium vorstellte:

Kleine Charakterkunde des Anfangs

Der Optimist:

„So knüpfen ans fröhliche Ende

Den fröhlichen Anfang wir an.“ (Kotzebue)

Der Skeptiker:

Gib es ein Leben nach dem Anfang?

Der Pessimist:

This is the first day of the rest of your life.

Der Christ:

Am Anfang war das Wort. (Joh 1.1)

Der Wahlkämpfer:

Wir brauchen einen Neuanfang!

Der Weltgereiste:

In Linz beginnt`s.

Der Dialektiker:

A wie Anfang – Anfang wie A

Der Ökonom:

Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen.

Der Altphilologe:

„Dimidiuum facti, qui coepit, habet.“ (Horaz)

Der Frühaufsteher:

„ Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande.“ (Goethe)

Der Zögerer

Erst besinn’s, dann beginn’s!

Der Ignorant:

„Die Anfänge sind immer unschuldig und sogar scheinbar unwichtig!“ (Lem)

Geißler, Karlheinz A.[1]

Jeder beginnt anders – doch gewisse Richtlinien helfen uns dabei, einen Einstieg zu finden, der systematisch und folgeorientiert ist.

Getreu dem Goetheschen Motto „Am Anfang war die Tat“[2] stellte ich die Methode „gruppendynamische Übung“ an den Anfang meines Referates. Aus einem riesigen Fundus an Übungen wählte ich die des „Rasenden Reporters“[3] aus, teilte selbsterstellte Arbeitsblätter aus und ließ meine Zuhörer die Übung in der Art eines kleinen Wettstreites durchführen.

asender Reporter

Aufgabe: Bewege Dich durch den Raum und befrage Deine Mitspieler. Antworten sie mit „ja“ auf eine Deiner Fragen, bitte sie im Kästchen zu unterschreiben.

Der erste, der eine senkrechte oder waagerechte Linie voll mit Unterschriften gesammelt hat, ruft laut „BINGO“ und ist der Gewinner dieser Übung.

Auf los, geht’s los :-)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Folie 2

Eigentlich kann man jedoch anfangen, wie man möchte, nur muss man die Verantwortung für das, was man macht, übernehmen. Den Teilnehmern ist das Wie soweit meist egal, denn sie sehnen sich oft nur nach einem Hirten, der den Weg kennt und sie freundlich akzeptierend begleitet.[4]

Doch leider wird viel zu häufig in der Mitte angefangen oder der Anfang wird, wie in einem Buch, durch ein Vorwort verschleiert. Darum sollte man Kurt Tucholskys Ratschlag „Fangt nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang!“[5] ernster nehmen, wenn man sich mit Anfangssituationen beschäftigt, denn ein Gruppenanfang gleicht einem unbeleuchteten Raum, in dem sich alle Teilnehmer vorsichtig tastend aufeinander zu bewegen.[6]

Im Folgenden möchte ich gern noch spezieller auf diese Situation eingehen - auf die Situation, die viele Ängste und Fallen in sich bergen kann, wenn man sie undurchdacht lässt.

2.) Die Soziodynamik von Anfangssituationen

Anfangssituationen ähneln sich trotz der Verschiedenheit von Teilnehmern und Dozenten, trotz der Unterschiede in der Themenstellung, in der Zielsetzung und den räumlich-zeitlichen Bedingungen.

Der Dozent äußert sich in einer Anfangssituation zumeist vorsichtig und die Teilnehmer sind ebenso zurückhaltend, distanziert, unauffällig und beobachtend. Es entsteht eine kollektive Stimmung, die aus gegenseitiger Fremdheit resultiert. Paradox formuliert: „Die Gemeinsamkeit der Beteiligten ist, dass sie (noch) nichts gemeinsam haben“.[7]

Die Teilnehmer vermeiden verbale Kommunikation und suchen nach einer passiven Orientierung. Sie erwarten also Aktivität zur Reduktion ihrer Unsicherheiten – aber sie erwarten diese nicht von sich, nicht von ihren Mitteilnehmern, sondern vom Dozenten, dem in dieser Situation eine schwierige Aufgabe zuteil wird, denn er stellt in der noch unstrukturierten, unübersichtlichen „leeren Situation“ den zentralen, deutlich sichtbaren, institutionell herausgehobenen Orientierungspunkt dar. Alle Erwartungen werden auf ihn gerichtet und seine Aufgabe ist es, sich dieser bewusst zu werden. Auch wenn sich ein Dozent gern als „Gleicher unter Gleichen“ versteht – er ist es nicht. Er ist vorerst der einzige Prominente, er steht im Mittelpunkt der Erwartungen und des Geschehens.[8] Der Dozent dient als Fixpunkt, an dem sich die Teilnehmer orientieren. So würde er die Anfangskrise immens verstärken, würde er beispielsweise ein Seminar wie folgt beginnen:

„Guten Tag meine Damen und Herren. Ich bin Ihr Teamer […]. Wir sind hier zusammen die nächsten fünf Tage auf einem Bildungsurlaubsseminar, d.h. wir wollen gemeinsam etwas lernen. Ich habe mit Absicht >wir< gesagt, da ich >uns< als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden verstehe. Nicht nur Sie wollen lernen, auch ich will etwas lernen …“

Der gute Wille sei einem in dieser oder einer ähnlichen Art beginnenden Dozenten nicht abgesprochen, auch nicht seine demokratischen An- und Absichten. Problematisch ist jedoch, dass der Dozent dabei in einer Art und Weise handelt, die in ihrer Wirkung eher undemokratisch ist: Er nimmt den Teilnehmern ihren (einzigen) Halt, er enttäuscht die Erwartungen, er orientiert nicht, obgleich er Orientierung geben könnte.

Zu Beginn jeder Veranstaltung herrscht jedoch wie bereits erwähnt ein „inaktiver Notstand“ und als Ziel gilt es, diese Unsicherheiten schnellstmöglich zu reduzieren.[9]

Gemeinsam haben alle Beteiligten einer Anfangssituation folglich ihre Unsicherheiten, Ängste und ihre Desorientierung.

Auf der Suche nach Orientierung und Halt entwickeln viele Teilnehmer mitunter Phantasien über den Leiter, die ihnen helfen, sich in ihrer Unsicherheit an etwas zu klammern. Oft handelt es sich hier um Idealisierungen und Heroisierungen.

Zur Darstellung und Verdeutlichung dieses Sachverhaltes verwendete ich in meinem Referat eine Folie mit einem Zitat von Buchinger[10]:

[...]


[1] Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim 1993, S. 10

[2] Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Der Tragödie erster Teil. Reclam, Ditzingen, 1986, Zeile 2016

[3] Klein, Zamyat M.: Kreative Seminarmethiden. 100 kreative Methoden für erfolgreiche Seminare. Gabal, Offenbach 2003, S. 18

[4] Vgl. Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim 1993, S. 11 – 14

[5] Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim 1993, S. 13

[6] Vgl. Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim 1993, S. 11 – 14

[7] Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim 1993, S. 28

[8] Vgl. Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim, 1993, S. 27 - 46

[9] Vgl. Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim, 1993, S. 30 - 32

[10] Geißler, Karlheinz A.: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. 5. Auflage, Beltz, Weinheim, 1993, S. 33

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Anfangssituationen - Die Soziodynamik von Anfangssituationen
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Lernen und Lehren in Gruppen: Gruppenpädagogische Modelle
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V114684
ISBN (eBook)
9783640167036
ISBN (Buch)
9783656057666
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anfangssituationen, Lernen, Lehren, Gruppen, Gruppenpädagogische, Modelle
Arbeit zitieren
Katharina Giers (Autor:in), 2007, Anfangssituationen - Die Soziodynamik von Anfangssituationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114684

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Anfangssituationen - Die Soziodynamik von Anfangssituationen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden