Persönlichkeitsmerkmale von Anhänger der Querdenker-Bewegung in der Covid-19-Pandemie. Merkmale des autoritären Charakters nach Adorno


Hausarbeit, 2021

23 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Eine Einführung in die aktuelle Relevanz des autoritären Charakters nach Adorno

2. Die Ideale der QuerdenkerInnen

3. „Nach oben buckeln und nach unten treten“: Der autoritäre Charakter
3.1 Die Subskalen der F-Skala

4. Das Forschungsprojekt: Politische Soziologie der Corona-Proteste

5. Transfer der F-Skala auf das Forschungsprojekt der Universität Basel
5.1 Konventionalismus
5.2 Autoritäre Unterwürfigkeit
5.3 Autoritäre Aggression
5.4 Anti-Intrazeption
5.5 Aberglaube, Stereotypie und Projektivität
5.6 Machtdenken und „Kraftmalerei“
5.7 Destruktivität und Zynismus
5.8 Sexualität

6. Zusammenfassung der Ergebnisse und Rückführung auf die Fragestellung der

Arbeit

Literaturverzeichnis

1. Eine Einführung in die aktuelle Relevanz des autoritären Charakters nach Adorno

Berlin, 17. Juni 2020: Etwa 20.000 Demonstrierende versammeln sich, um sich gegen die pandemiebedingten Beschränkungen aufzulehnen. Die Kundgebung „Das Ende der Pandemie - Tag der Freiheit“ zieht Menschen aus ganz Deutschland nach Berlin - ohne Maske und ohne Abstand (vgl. Gensing 2020).

Seit Beginn der Pandemie hat sich aus den anfangs kleinen Gruppierungen eine bundesweite Bewegung entwickelt: die QuerdenkerInnen. Ziel dieser ist die „Wiederherstellung der Grundrechte nach dem deutschen Grundgesetz, die der Menschenrechte und der Grundrechte der EU“ (Reichart 2020), da diese durch die Infektionsschutzgesetze ausgesetzt würden (vgl. Reichart 2020). Zudem werden seither zahlreiche Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Covid-19- Pandemie durch AnhängerInnen der QuerdenkerInnen-Bewegung bekundet und verbreitet. Immer mehr Politikerinnen, als auch Verfassungsschützerinnen sehen in der Protestbewegung eine Gefahr für die Demokratie, da diese antidemokratische Tendenzen aufweise. So beschreibt der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume „Wer es jetzt noch nicht sehen will, wie gefährlich diese Bewegung ist und wie die sich radikalisiert, der möchte es offensichtlich gar nicht wahrnehmen“ (Blume 2021).

Es stellt sich die Frage, wer die Menschen sind, die an Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnahmen teilnehmen und welchem Persönlichkeitstypus die AnhängerInnen einer solchen Bewegung zuzuordnen sind. Hierfür soll die Theorie des autoritären Charakters nach Adorno herangezogen werden, um zu prüfen, ob sich mithilfe dieser die Beschaffenheit und Funktionsweise der QuerdenkerInnen­Bewegung erklären lässt. Die Fragestellung, welcher wir nachgehen schenken lautet also:

Entsprechen die Persönlichkeitsmerkmale der Anhänger der QuerdenkerInnen-Bewegung in der Covid-19-Pandemie den Merkmalen des autoritären Charakters nach Adorno?

Wie in vorherigen Forschungsergebnissen deutlich geworden ist, besteht ein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein des autoritären Charakters und faschistischer Tendenzen. Dem Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer zufolge beobachten die Verfassungsschutzämter inzwischen bundesweit, dass "Rechtsextremisten, Reichsbürger, Impfgegner und Verschwörungsphantasten" in der "Querdenken"-Bewegung "das Regiment übernehmen" würden (Kramer 2020). Es ist also zu beobachten, dass die QuerdenkerInnen-Bewegung durchaus Mitglieder mit faschistischen Tendenzen beherbergt.

So ist zu vermuten, dass durchaus ein Zusammenhang zwischen dem autoritären Charakter und der QuerdenkerInnen-Bewegung besteht. Jedoch ist die Bewegung der Querdenkenden eine äußerst heterogene Gruppe, in der vermutlich nicht alle Angehörigen dem Faschismus problemlos zuzuordnen sind. Daher wird vermutet, dass die Theorie des autoritären Charakters durchaus einen Erklärungsansatz zur Persönlichkeitsstruktur der QuerdenkerInnen-Bewegung liefern kann, jedoch nicht pauschal für die gesamte Gruppe, sondern nur für einen Teil dieser.

Um der oben benannten Fragestellung nachzugehen, sollen zunächst grundlegende Begrifflichkeiten geklärt werden. Dafür sollen als Erstes der Ursprung und die Bedeutung der „QuerdenkerInnen-Bewegung“ erläutert werden. Im Anschluss daran wird der zu verwendende Theorierahmen des autoritären Charakters vorgestellt. In der nachfolgenden Analyse soll der Theorierahmen auf die Ergebnisse eines aktuellen Forschungsprojektes übertragen werden.

Basis hierfür wird die Grundauswertung des Forschungsprojektes „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ der Universität Basel sein (vgl. Nachtwey 2020). Die relevanten Ergebnisse der Studie werden dann schrittweise mit der F-Skala nach Adorno (vgl. Adorno 1950: 45) abgeglichen , um herauszufinden welche Merkmale des autoritären Charakters auf die AnhängerInnen der QuerdenkerInnen-Bewegung übertragbar sind. Vor allem soll dabei aber auch untersucht werden, welche Aspekte durch Übertragung der Theorie nicht erklärbar sind.

2. Die Ideale der QuerdenkerInnen

Der Begriff des Querdenkens ist im ursprünglichen Sinne unter anderem dafür verwendet worden, um kreatives Denken zu umschreiben. Eine Fähigkeit, welche Pionieren wie Albert Einstein nachgesagt wird. Forscherinnen und Entdeckerinnen, also Menschen, welche neue Wege einschlagen und neue Initiativen voranbringen wurden als QuerdenkerInnen bezeichnet. War der Begriff des Querdenkens bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie ein eher selten verwendeter aber dennoch oftmals positiv konnotierter Begriff, so wurde dieser durch Bewegungen, welche sich gegen die Infektionsschutzmaßnahmen richten usurpiert (vgl. Prantl o.J.).

Der Begriff wurde zum Markenzeichen der Bewegung, welche die Lage gegen der Meinung der Regierung und der „etablierten“ Medien schlichtweg anders einstufen. Bereits nach kurzer Zeit wurde die Bewegung „Querdenken 711“ aus Stuttgart zum führenden Träger und Sprachrohr der Proteste. Zu Beginn der Pandemie stand die Forderung der „Wiederherstellung der Grundrechte“ im Mittelpunkt, welche mittlerweile jedoch durch eine grundsätzliche Regierungskritik und Entfernung von den etablierten politischen Institutionen überlagert wird (vgl. Dittrich 2021).

Die QuerdenkerInnen sehen sich durch die Infektionsschutzmaßnahmen der Bundesregierung in der Nutzung ihrer Grundrechte eingeschränkt. Ihre Ideen und Ideale bezeichnen die QuerdenkerInnen der Bewegung 711 in ihrem Manifest wie folgt: Wir reden mit allen, die friedlich und gewaltfrei agieren, egal wie sie von Dritten bezeichnet werden. Wir eröffnen einen freien und demokratischen Debattenraum. Wir stehen für Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das ist der Debattenraum, in dem wir uns bewegen. QUERDENKEN steht für Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Liebe, Freiheit, Frieden, Wahrheit“ (QUERDENKEN 2021).

Sie fordern die Aufhebung der Einschränkungen der Grundrechte durch die Corona­Verordnungen, die Rücknahme von Artikel 143h GG, sowie die Umsetzung von Artikel 146 GG. (vgl. QUERDENKEN 2021).

Um ihre Forderungen nach außen zu tragen nutzen sie die Form des Protestes. Doch gerade soziale Medien und Messengerdienste werden gezielt genutzt, um die „Wahrheiten“ der QuerdenkerInnen zu verbreiten und für Proteste zu mobilisieren.

3. „Nach oben buckeln und nach unten treten“: Der autoritäre Charakter

Deutschland, Anfang der 30er Jahre: Die nationalsozialistische Bewegung in Deutschland erfährt einen besorgniserregenden Auftrieb und in Italien übernimmt eine faschistische Partei die Regierung. Das Beobachten dieser Entwicklungen motiviert das Frankfurter Institut für Sozialforschung zu einer ersten empirischen Untersuchung. Untersucht werden sollen hierbei die politischen Einstellungen und Strukturen des Charakters von Arbeiterinnen und Angestellten (vgl. Benicke 2016: 11). Hervorgeht Fromms sozialpsychologische Theorie. In der Studie über „Autorität und Familie“ skizziert Erich Fromm einen ersten Entwurf einer autoritären Persönlichkeit. Bezeichnet wird diese als „autoritär-masochistische“ oder „sadomasochistische Charakterstruktur“ (vgl. Benicke 2016: 12).

Fromm sieht die Rolle der Familie als fundamental für die Herausbildung einer autoritären Charakterstruktur. Er bezeichnet die Familie als „psychologische Agentur der Gesellschaft“ (vgl. Benicke 2016: 12). Die Autorität werde dem Kind vor Allem durch die Figur der Eltern verkörpert, wobei vor Allem der Vater eine enorme Rolle spiele. Dieser verkörpere dem Kind gegenüber das „Abbild der Gesellschaftlichen Realität“ (vgl. Benicke 2016: 12). Folglich scheint ebenso die Gesellschaftsstruktur fundamental zu sein. Dabei fördere vor Allem der Kapitalismus als Gesellschaftsform die Herausbildung des autoritären Charakters, da diese durch eine lustvolle Unterwerfung unter Autoritäten geprägt sei (vgl. Benicke 2016: 13). Eine Autorität müsse jedoch nicht zwingenderweise menschlicher Natur sein. Autorität könne auch in Form einer Institution oder durch gesellschaftliche Normen verkörpert werden.

Fromm beschreibt zudem eine für den Kapitalismus charakteristischen binären Lustgewinn (vgl. Benicke 2016: 12). Im Kapitalismus, welcher durch hierarchische Strukturen geprägt sei, unterwerfe sich der autoritäre Charakter freiwillig den über ihm stehenden Autoritäten und empfinde dabei Lust. Gleichermaßen empfinde er jedoch Lust daran, den ihn Unterlegenen mit Hass und Verachtung zu begegnen. Selbst bei einem Individuum, welches in der Hierarchie der Gesellschaft einen unteren Platz einnehme, gäbe es doch immer Individuen, die noch unter ihm stünden.

Gerade die Familie in Form von Kindern und der Ehefrau würden so häufig Objekte des Hasses und der Verachtung (vgl. Fromm 1936: 116). Doch warum mündet Unterwerfung in Lustgewinn? Laut Fromm sieht sich das Individuum einer Welt gegenüber, die er nicht greifen kann. Es fühle sich hilflos, überfordert und ausgeliefert. Der Wunsch nach Sicherheit und Selbstwertgefühl werde durch die Unterwerfung unter Autoritäten zu kompensieren versucht ( vgl. Benicke 2016: 12). Fromm legt mit seinen Ausführungen zu den Studien zum autoritären Charakter den Grundstein für alle weiteren Autoritarismus Forschungen.

Auf Grundlage der Ausführungen Fromms, bildet sich eine weitere Forschungsgruppe unter der Leitung von Theodor W. Adorno. Diese erforschte, welche psychologischen Mechanismen faschistische Ideen und Antisemitismus bedingen. In der Einleitung der „Studien zum autoritären Charakter“ heißt es: „Die Untersuchungen, über die hier berichtet wird, waren an der Hypothese orientiert, dass die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überzeugungen eines Individuums häufig ein umfassendes und kohärentes, gleichsam durch eine „Mentalität“ oder einen „Geist“ zusammengehaltenes Denkmuster bildet, und dass dieses Denkmuster Ausdruck verborgener Züge der individuellen Charakterstruktur ist“ (Adorno 1950: 1).

Die Forschungsgruppe knüpft an die Erkenntnisse Fromms an, erweitert das Konzept der autoritären Persönlichkeit aber um 9 kennzeichnende Unterkonzepte und 38 Items. Es entstehen die Subskalen der F-Skala (siehe Tabelle), welche es ermöglichen soll, potenziell faschistische Individuen identifizieren zu können. Adorno betont in der Einleitung der „Studien des autoritären Charakters“ die Bedeutung des „Potentiales“, welches den Schwerpunkt des Forschungsinteresses markierte - nämlich jene Individuen, welche aufgrund ihrer Charakterstruktur besonders anfällig für antidemokratische Denkweisen seien.

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Persönlichkeitsmerkmale von Anhänger der Querdenker-Bewegung in der Covid-19-Pandemie. Merkmale des autoritären Charakters nach Adorno
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar zur kritischen Theorie
Note
2,0
Jahr
2021
Seiten
23
Katalognummer
V1146999
ISBN (eBook)
9783346543479
ISBN (Buch)
9783346543486
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adorno, F-Skala, Frankfurter Schule, Querdenker, Pandemie, Kritische Theorie
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Persönlichkeitsmerkmale von Anhänger der Querdenker-Bewegung in der Covid-19-Pandemie. Merkmale des autoritären Charakters nach Adorno, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146999

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