Leseprobe
Horst Fuhrmanns bewährte „Einladung ins Mittelalter“ wurde 1987 erstmals im Verlag C.H. Beck veröffentlicht und ist bereits in zahlreichen Auflagen erschienen.
Das 327 Seiten umfassende wissenschaftliche Werk wurde mit dem Anspruch geschrieben, einem breiten Publikum gerecht zu werden. Es informiert über verschiedene Teilaspekte der Geschichte und ist in fünf Kapitel unterteilt. Der erste große Themenkomplex, der den Titel „Lebenssicht und Lebensweise“ trägt, beschäftigt sich primär mit der Sozial-, Kultur- sowie Vorstellungsgeschichte des Mittelalters. Wir erfahren unter anderem, wie alt ein mittelalterlicher Mensch durchschnittlich wurde, lernen die Faktoren kennen, die sein Leben gefährdeten und besuchen Kriegsschauplätze ebenso wie Ritterturniere. Das zweite Kapitel widmet Fuhrmann bedeutenden Persönlichkeiten der mittelalterlichen Politik- sowie Kirchengeschichte: dem ersten abendländischen Kaiser Karl dem Großen, der am Weihnachtstag des Jahres 800 von Papst Leo III. im römischen Petersdom gekrönt wurde, Papst Gregor VII., der ein wahrhaft majestätisches Sendungsbewußtsein besaß, und Welfenherzog Heinrich dem Löwen, dessen Evangeliar in Inhalt und Ausführung einzigartig ist. Fuhrmann porträtiert sowohl den Werdegang dieser weltlichen und geistlichen Herrscher als auch zentrale Geschehnisse, die sich unter ihrer Herrschaft ereignet haben. Der dritte Themenkomplex der „Einladung ins Mittelalter“ befasst sich mit der Kirchengeschichte im „Zeitalters des Glaubens“. Der renommierte Mediävist erläutert die Prozesse der Selig- und Heiligsprechung, beschreibt den unterschiedlichen Charakter der insgesamt 21 ökumenischen Konzilien der katholischen Kirche und erläutert die Modalitäten der mittelalterlichen Papstwahl, deren Grundelemente (Wahl durch ein Kardinalskollegium, Zweidrittelmehrheit, Konklave) bis heute Bestand haben. Als besonders interessant erweist sich der Aufsatz „Der wahre Kaiser ist der Papst“. Fuhrmann führt hier die 27 Leitsätze Gregors VII. („Dictatus Papae“) als bedeutendes Zeugnis päpstlichen Selbstverständnisses auf und skizziert das Wetteifern zwischen geistlicher und weltlicher Macht. Das Kapitel „Fälschungen über Fälschungen“ setzt sich mit der mittelalterlichen Rechtsgeschichte auseinander und dürfte vor allem Studierende der Geschichte ansprechen. Falsifikate werden insbesondere in Seminaren der Mittelalterlichen Geschichte thematisiert, da Fälschungen von Urkunden und sonstigen Rechtsdokumenten in diesem Zeitalter weit verbreitet waren. Die uns überlieferten Urkunden der Merowingerkönige, so Fuhrmann, seien etwa zur Hälfe gefälscht. Selbst angesehene Kirchenfürsten wie Erzbischof Hinkmar von Reims oder Papst Kalixt II. habe man der Fälschung überführen können. Der Autor verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass die mittelalterliche Gesellschaft eine ganz andere Auffassung von Recht besaß als der moderne Mensch. Recht und Gerechtigkeit haben eine Einheit gebildet. Im fünften Kapitel führt Fuhrmann Anlässe mittelalterlicher Feste sowie Feiern auf, nennt seine Erklärung für das Interesse einer breiten Öffentlichkeit an der mittelalterlichen Geschichte und wendet sich abermals der Rechtsgeschichte zu, in dem er der Frage nachgeht, ob ein Laie solche betreiben dürfe.
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- Arbeit zitieren
- Kristina Scherer (Autor), 2006, Zu Horst Fuhrmann "Einladung ins Mittelalter", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114790
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