Guinea - Conakry

Aufgabenfelder der Konfliktprävention in einem Land zwischen demokratischer Transition und Staatsversagen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

40 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

0. Definitionen der verwendeten Begriffe und der theoretische Rahmen dieser Arbeit

1. Der Trigger Effekt und die Unruhen von 2007 und ihre Wirkung auf das aktuelle Konfliktpotenzial
1.1 Die Genese der Unruhen von 2007
1.1.1 Der Streik im Januar 2007
1.1.2 Zu den Unruhen im Februar 2007
1.2 Die aktuelle politische Situation Guineas

2. Untersuchung der Beziehungen zwischen den verschiedenen innerstaatlichen Akteuren und ihr Einfluss auf das Konfliktpotenzial im Land
2.1 Die staatlichen Akteure
2.1.1 Der Präsident und seine Entourage
2.1.2 Entwicklungen des Militärs und der Sicherheitskräfte
2.1.2.1 Der Aufbau des guineischen Militärs
2.1.2.2 Die Rolle des Militärs während und nach den Unruhen 2007
2.2 Akteure der politischen Opposition und der Zivilgesellschaft
2.2.1 Oppositionelle Parteien
2.2.2 Die guineische Zivilgesellschaft
2.2.2.1 Die Gewerkschaften
2.2.2.3 Frauengruppen
2.2.2.4 Jugendgruppen

3. Die Verwicklung Guineas in das Kriegsgeschehen seiner Nachbarländer und die Wirkungen auf die Bevölkerung von Guinea
3.1 Die Beziehung Guineas zu seinen Nachbarländern
3.1.1 Die Verwicklung Guineas in die Bürgerkriege seiner Nachbarländer
3.1.2 Regionale Bemühungen zur Konfliktprävention
3.2 Entwicklung des Verhältnisses zwischen der internationalen Gemeinschaft und Guinea
3.2.1 Interessen der internationalen Gemeinschaft
3.2.2 Internationales Engagement zur Konfliktprävention in Guinea

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Einleitung

„Guinea is in chronic crisis- particularly a crisis of leadership – The social and political situation is volatile and the peace is fragile”[1].

Diese Aussage ist das Fazit eines Teilnehmers des Forums “support change through dialogue”, das von 16.-18. Januar 2008 im Gorée Institut in Senegal stattgefunden hat. Während des Forums berieten sich Repräsentanten und Vertreter der Oppositionsparteien über die Möglichkeiten der friedlichen Gestaltung der politischen Zukunft Guineas.

Während der Generalstreik im Vorjahr und die anschließende Ernennung des Premierministers Lansana Kouyaté große Hoffnungen in der Bevölkerung geweckt hatten, ist diese mittlerweile der Ernüchterung und teilweisen Resignation gewichen.

Selbst die Gewerkschaften, die den Motor des politischen Wandels in Guinea darstellen, stellen kritisch fest, dass eine friedliche und nachhaltige demokratische Transition nur sehr schwer durchzusetzen ist.

„Guinea is full of people who are pitting one against the other to ensure that change never takes place” (Diallo, Kopf der Gewerkschaft CNTG[2]).

Diese Hausarbeit hat zum Ziel, den Einfluss der verschiedenen Akteure auf das Konfliktpotenzial in Guinea herauszuarbeiten und auch die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft zu untersuchen. Da es sich hier um eine politikwissenschaftliche Hausarbeit handelt, erscheint eine kurze Definition der zu verwendenden Begriffe und des verwendeten Analyserahmens vor der eigentlichen Länderanalyse sinnvoll.

Weil die Unruhen von Januar und Februar 2007 im engen Zusammenhang mit der Regierungskrise stehen, sollen sie im ersten Teil der Hausarbeit analysiert werden. Sie sind keineswegs als eine Konfliktursache anzusehen, sondern als auslösender Faktor des offenen Konflikts zwischen dem Staat und der Gesellschaft, der latent aber schon seit Jahrzehnten besteht.

Die Unruhen von 2007, sowie das Verhalten der Bevölkerung und der Sicherheitskräfte können nur verstanden werden, wenn man die verschiedenen Akteure innerhalb Guineas und ihre Beziehung zueinander versteht. Daher sollen diese Beziehungen in einem zweiten Teil herausgearbeitet werden.

Besondere Bedeutung kommt hierbei den Gewerkschaften zu, die im Gegensatz zu den oppositionellen Parteien schon mehrere Male die Fähigkeit besaßen, den Großteil der Bevölkerung, über Ethnien und Schichten hinweg, zu mobilisieren und damit das Nationalbewusstsein vieler Guineer zu nähren. Bei der Betrachtung der verschiedeneren Gruppierungen der Zivilgesellschaft, die Einfluss auf das Konfliktpotenzial Guineas nehmen, soll besonders auf das von Samuel Gbaydee Doe vorgeschlagene „Preventive Peacebuilding“ eingegangen werden, das sich an der Einschätzung von vorhandenen Möglichkeiten für Frieden und sozialen Zusammenhalt orientiert, um diese verstärken zu können. Dieser Ansatz, der Initiativergreifung und Intervention verbindet, stellt damit nämlich eine nennenswerte Alternative zu den herkömmlichen Frühwarnsystemen und Risikoeinschätzungen dar[3].

Versucht man, die Konfliktdynamik in Guinea zu verstehen und das Konfliktpotenzial einzuschätzen, ist es zudem unerlässlich, auf die Sicherheitssituation der Region einzugehen. Daher soll in einem dritten Teil die regionale Situation sowie die geopolitische Bedeutung Guineas in Westafrika und in der Welt herausgearbeitet werden.

Besonders wichtig erscheint hierbei die Verwicklung Guineas in das Kriegsgeschehen der Nachbarländer, da diese Auswirkungen auf die Grenzregionen Guineas haben und von ihnen weiterhin die Destabilisierung des ganzen Landes ausgehen könnte. Andererseits ist die Stabilisierung der Lage Guineas auch für die Nachbarländer sehr wichtig, da sich Liberia und Sierra in einer sehr frühen Phase der Friedenskonsolidierung befinden und auch die Situation in der Elfenbeinküste und in der Casamance Region im Senegal leicht noch weiter destabilisiert werden könnte. Die Grenzregionen sind außerdem auch von besonderer Bedeutung, weil dort die größten innergesellschaftlichen Spannungen herrschen, die teilweise ethnisch bedingt sind und besonders leicht politisiert werden können. Auch das immer noch bestehende Flüchtlingsproblem betrifft diese Regionen am meisten. Auch wenn sich häufig zu Recht über die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft beschwert wird und das Fehlen des politischen Willen bezüglich der Konfliktprävention immer wieder einen Fakt darstellt, scheint es unerlässlich, die Stellungnahme der internationalen Gemeinschaft zum Konflikt in Guinea und die Aktivitäten internationaler Organisationen in Guinea kurz zu beleuchten.

In einem abschließenden Teil werden die wichtigsten Ergebnisse der Hausarbeit noch einmal aufgegriffen, um einen vorsichtigen Ausblick in die mögliche politische Zukunft Guineas zu wagen.

0. Definitionen der verwendeten Begriffe und der theoretische Rahmen dieser Arbeit

Da es in dieser Hausarbeit um die Analyse des Konflikts und der Krise in Guinea geht, gilt es als erstes zu bestimmen, was man unter den Begriffen „Konflikt“ und „Krise“ in Zusammenhang mit den Geschehnissen in Guinea überhaupt verstehen kann.

Im Allgemeinen wird der Begriff „Konflikt“ in der Politikwissenschaft als Interessensgegensatz um nationale Werte von einiger Dauer und Reichweite zwischen mindestens zwei Parteien, die entschlossen sind, sie zu ihren Gunsten zu entscheiden[4], definiert.

Der Begriff der „Krise“ wird in den Sozialwissenschaften für besonders signifikante Konflikte und Wendepunkte in sozialen Ordnungen verwendet. Laut Nohlen liegt das wesentliche Merkmal einer Krise an der Radikalität der sich bietenden Alternativen. In der Literatur wird der Begriff „Krise“ in vielen verschiedenen Situationen verwendet und auch strukturelle, länger andauernde Transformationsprozesse sowie kurzfristige Problemsituationen werden als solche bezeichnet.[5]

Der britische Professor und Konfliktforscher Hugh Miall unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten von Konflikten:

1. Scarcity conflicts
2. Group-identity conflicts
3. Relative-deprivation conflicts[6].

Die momentane Situation Guineas lässt am ehesten auf einen „relative-deprivation conflict“ schließen, da die Spaltung zwischen den Erwartungen der Bevölkerungen an ihre Regierung und den tatsächlich erbrachten Leistung der politischen Elite immer größer wird.

Wenn in dieser Hausarbeit von Konfliktprävention gesprochen wird, ist natürlich nicht die Vermeidung der Konflikte an sich, sondern von deren friedlichen Austragung die Rede.

Daher werde ich in der Hausarbeit auch den Begriff der „Konflikttransition“ an Stelle der „Konfliktlösung“ verwenden.

Außerdem erscheint es hilfreich, bei einer Konfliktanalyse zwischen auslösenden, beschleunigenden, verlängernden und ursächlichen Faktoren zu unterscheiden. Die Struktur der Hausarbeit erlaubt es zwar nicht, die Gliederung der Konfliktanalyse an Hand der enannten Faktoren vorzunehmen, jedoch sollen diese dennoch deutlich herausgearbeitet werden, da sie zu einem umfassenderen Konfliktverständnis beitragen.

Die Gliederung der Konfliktanalyse orientiert sich wegen der Lesbar- und Übersichtlichkeit grob an der von Hugh Mill vorgeschlagenen Gliederung zwischen dem globalen, regionalen, staatlichen und individuellen Level (jedoch in anderer Reihenfolge). Durch die Schwerpunktsetzung der Behandlung der Konfliktprävention auf regionaler und lokaler Ebene soll auf die Kritik Andreas Mehlers, dass sich die bisherige Konfliktanalyse- und Forschung zu sehr auf die staatliche Ebene beschränke[7], eingegangen werden.

1. Der Trigger Effekt und die Unruhen von 2007 und ihre Wirkung auf das aktuelle Konfliktpotenzial

Als Trigger Effekt oder auch auslösenden Faktor bezeichnet man nicht die Ursache eines Konflikts, sondern die speziellen Faktoren oder Ereignisse, die zu gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb eines Konfliktes führen.[8] Dies können zum Beispiel ein Wandel in der politischen Führung, ein gewaltsamer Umsturz oder auch eine externe Einmischung sein.[9]

Im Fall Guineas waren nicht nur die Unruhen von 2007 der auslösende Faktor für die Regierungskrise, sondern die Befreiung von Mamadou Sylla (dubioser Geschäftsmann und langjähriger Freund des Präsidenten) aus dem Gefängnis durch den Präsidenten Conté höchstpersönlich und die Rückkehr von Ibrahime Keira in die Regierung[10]. Um aber die Tragweite dieser auslösenden Faktoren zu begreifen, bietet sich eine genauere Betrachtung der Ereignisse an.

1.1 Die Genese der Unruhen von 2007

Guinea behält trotz Sicherheitsratsmitgliedschaft der Vereinten Nation von 2003 bis 2005 und den größten Bauxitvorkommen der Welt eine relative Außenseiterposition in der Weltpolitik und dementsprechend selten wird über dieses westafrikanische Land in den Medien berichtet.

Im Januar 2007 jedoch berichtete TV5 gleich mehrmals über den von den Gewerkschaften organisierten Generalstreik, der von der Bevölkerungsmehrheit mitgetragen worden war, obwohl die Bevölkerung Angst vor den repressiven Maßnahmen des Staates haben musste.

Genau genommen scheinen die Gewerkschaften die einzigen Akteur zu sein, denen es gelingt, die Unzufriedenheit der Menschen zum Ausdruck zu bringen.

Nachdem sich die Lebensumstände der Bevölkerung in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert hatten, der weitaus größte Teil der Bevölkerung weiterhin ohne fließendes Wasser und Strom auskommen musste und die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis immer weiter in die Höhe schnellten[11], kündigten die Gewerkschaften am 02.01.2007 für den 10.01.07 einen Generalstreik

„jusqu’au rétablissement de l’ordre républicain“ an.

Auch 2006 hatten schon Generalstreiks stattgefunden, welche die Debatte über die Zukunft Guineas in Gang brachte, für sich genommen jedoch weitestgehend erfolglos ausgegangen waren.

Zu diesen Entwicklungen kam dann schließlich schon die oben aufgeführte Befreiung von Mamadou Sylla dazu.

1.1.1 Der Streik im Januar 2007

Der Streik im Januar 2007 war von Anfang an weit mehr als die Forderung nach besseren Konditionen für die Arbeitnehmer und spielte sich in einem hoch politisierten Kontext ab.

Am 10.01.2007 blieben schließlich tatsächlich alle Banken und viele andere Einrichtungen geschlossen und sogar die Bauxitfabriken, die zum größten Teil von internationalen Firmen betrieben werden, schlossen sich eine Woche später dem Streik an.[12]

Zunächst konnte der Streik als durchaus friedlich bezeichnet werden, doch nach und nach drängten die repressiven Maßnahmen der Sicherheitskräfte die Bevölkerung dazu, den Streik in eine protestähnliche Form überlaufen zu lassen. Auf Anfrage des schwerkranken Präsidenten reichten die Gewerkschaften am 14.01.2007 schließlich ein Dokument ein, in dem sie ihm Vorschläge für den Ausgang aus der Krise unterbreiteten. Dieses Dokument beinhaltete vor Allem die Forderung nach der Förderung der Kaufkraft der Bevölkerung und die Errichtung einer Regierung des Konsenses, die von einem Premierminister geführt werden sollte.

Die Reaktion der Regierung auf dieses Dokument war alles andere als ermutigend, da Aboubacar Somparé, der Parlamentsvorsitzende, die politischen Forderungen ignoriert hatte und lediglich versprach, auf einige der wirtschaftlichen und sozialen Forderungen einzugehen.[13]

Um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, marschierten die Bewohner von Conakry am 17.01.2007 friedlich durch das Regierungsviertel der Stadt, bis der Protestmarsch gewaltsam von Sicherheitskräften aufgelöst wurde. Der Präsident, Lansana Conté, ließ seine Unwilligkeit, auf die Forderungen in geringster Weise einzugehen, am Abend durch das staatliche Radio nur allzu klar verbreiten:

„Je vais vous tuer tous tant que vous êtes, je suis militaire, j`ai déjà tué les gens »[14]

Ab dem 18.01.2007 verliefen die Proteste schließlich sehr aufstandsähnlich und die Protestierenden forderten klar und deutlich den Rücktritt des Präsidenten. In den darauf folgenden vier Tagen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften mindestens 10 unbewaffnete Zivilisten getötet.

Der wohl aber blutigste Tag war der 22.01.07, an dem die „beret rouge“[15] die Demonstranten, die aus allen Vororten Conakrys herbeiströmten, um jeden Preis daran hindern wollten, in das Zentrum der Stadt zu gelangen. Am 22.01 wurden außerdem die beiden wichtigsten Führungspersonen der Gewerkschaften, Rabiatou Sehreh Diallo und Ibrahima Fofana, von den Sicherheitskräften geschlagen und schließlich verhaftet. Auch die Büros der Gewerkschaften wurden durchsucht und zerstört.[16] Angesichts dieser Repressionen muss man den Gewerkschaften zu Gute halten, dass sie weiterhin auf Verhandlungen gepocht und so versucht haben, das Ausmaß der Gewalt und der Zerstörung einzuschränken. Zwischen dem 15. und dem 24. Januar 2007 wurden trotz dieser Bemühungen mindestens 59 Menschen durch Sicherheitskräfte getötet, darunter auch einige Minderjährige.[17]

Am 27.01.2007 schlossen sich schließlich die beiden größten und wichtigsten Gewerkschaften Guineas (CNTG und USTG) zusammen, um die Massenproteste anzuführen. Erst dieser Zusammenschluss führte schließlich zu einem Abkommen mit dem Präsidenten. Dieses Abkommen sah die Ernennung eines Premierministers des Konsenses vor, sowie die Errichtung einer Übergangsregierung, die demokratischen Wahlen vorbereiten sollte.

Da die Gewerkschaften durch dieses Abkommen ihre wichtigsten Anliegen als erreicht betrachteten, erklärten sie den Streik für beendet.

Hinzu kam erschwerend, dass die Gewerkschaften unter Druck standen, da die Mehrheit der guineischen Bevölkerung von der Hand in den Mund lebte und nicht lange auf ihre Einkommensquellen verzichten kann, egal wie gering sie auch sein mag.

1.1.2 Zu den Unruhen im Februar 2007

In den Wochen nach der Unterzeichnung des Abkommens schien sich absolut nichts zu bewegen, und die Regierung zeigte zudem keinerlei Anzeichen, die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft bei der Auswahl eines Premierministers mit einzubeziehen.

Die Gewerkschaften fühlten sich nicht ernst genommen und drohten damit, den Streik wieder aufzunehmen, sollte die Regierung bis zum 12.02.2007 keinen Premierminister genannt haben.

Am 09.02.2007 wurde schließlich verkündet, dass von nun an Eugène Camara, ein langjähriger Freund des Präsidenten, den Posten des Premierministers bekleiden würde.[18]

Die Enttäuschung der Bevölkerung über diese Wahl, die in keinerlei Hinsicht eine Änderung der bisherigen Regierungspraxis und damit auch keine Verbesserung des Lebensstandards versprach, war sehr groß und verbreitete sich schnell. Die Bevölkerung Guineas hatte nicht mehr viel zu verlieren und noch in der Nacht des 9.02.07 begannen die Unruhen in den Vororten von Conakry, die sich bereits am nächsten Morgen im ganzen Land ausbreiteten. Gymnasiasten bewarfen die Autos von dem Gefolge des Präsidenten mit Steinen, und die Sicherheitskräfte antworteten darauf mit dem Abschuss scharfer Munition. Folge dieses Ereignisses war der Tod von mindestens drei Schülern.

Die Protestaktionen in Guinea waren diesmal insgesamt heftiger und mit Zerstörungen von öffentlichen Gebäuden und Plünderungen verbunden.[19]

Nach den Attacken auf die öffentlichen Gebäude nahmen die Repressionen gegen die Protestierenden noch weiter zu, und am 12.02.2007 verhängte Lansana Conté schließlich im Fernsehen den Ausnahmezustand über das ganze Land. Auch der General Kerfalla Camara (inzwischen verstorben) machte unmissverständlich klar, dass die alten Machthaber die Infragestellung ihres Systems in keinster Weise dulden würden:

« Aucun attroupement ne sera toléré. J’ai donné l’ordre à l’armée de tirer sans sommation sur tout regroupement de personnes, si minime soit-il »[20]

Die Mobilisierung der Bevölkerung war seit der Unabhängigkeit noch nie so stark wie im Februar, und NGOs, die Oppositionsparteien, die Gewerkschaften und andere Organisationen der Zivilgesellschaft schienen sich über jegliche ethnische, religiöse und sonstige Grenzen hinweg zusammenzuschließen.

Allerdings kam es in vielen Städten zu Plünderungen und Lynchmorden an Militärangehörigen, und die Gewerkschaften besaßen keinerlei Autorität mehr über die vor allem jungen Menschen, die durch die Straßen zogen und randalierten. Die Sicherheitskräfte reagierten mit äußerster Gewalttätigkeit, und das internationale Rote Kreuz sprach alleine im Februar von mindestens 51 getöteten Menschen sowie von mindestens 1039 Verletzten durch die Sicherheitskräfte.[21]

In den Medien wurde schnell eine Parallele zu Togo gezogen, wo 400-600 Menschen durch Sicherheitskräfte getötet worden waren, als sie gegen das offensichtlich gefälschte Wahlergebnis protestierten.

Was zunächst wie ein riesiger Generalstreik in Guinea aussah, war in Wirklichkeit eine exeptonielle Volksrevolte in einem Land, in dem die Bevölkerung bei Demonstrationen starke Repressionen befürchten muss und in dem die Polizei straflos Menschenrechtverletzungen verüben kann.

Bemerkenswert an dieser Revolte ist zudem, dass sowohl die Städte im Landesinneren als auch die an den Grenzen es erreichten, ihre Einwohner zu mobilisieren und dies selbst über Ethnien hinweg. Selbst die Sosso, die Ethnie des Präsidenten, partizipierten bei den Protesten.

Während der ganzen Periode der Unruhen fand nur eine einzige Gegendemonstration statt, die von den Ehefrauen von Militärangehörigen in einem Militärcamp in Anwesenheit des Präsidenten organisiert worden war. Die Gleichschaltung der Medien kam während der Unruhen zum Ausdruck, da der staatseigene Radiosender immer wieder zur Einigkeit im Land aufrief und mit allen Mitteln versuchte, die Demonstrationen herunterzuspielen.[22]

Am 23. Februar jedoch geschah etwas für Guinea Außergewöhnliches. Das Parlament weigerte sich geschlossen, den Ausnahmezustand zu verlängern. Dies hing allerdings weniger mit Einsicht, als mit der Befürchtung weiterer Zerstörung zusammen. Am 26.02.07 entschied sich der Präsident endlich, einen Premierminister aus der ihm von den Gewerkschaften zur Verfügung gestellten Liste auszusuchen. Außerdem entließ er Mitglieder der Regierung, den Präsidenten der Zentralbank sowie hohe Beamte der Verwaltung[23]. Der neue Premierminister Lansana Kouyaté nahm sein Mandat dann schließlich offiziell am 01.03.2008 auf.

[...]


[1] Guinea: Threat of backslide one year after civilian uprisings (Dakar 22.01.2008) http://www.irinnews.org/PrintReport.aspx?ReportId=76374; aufgerufen am 11.01.2008

[2] Guinea: Country awaits new date for legislative poll (Conakry 1.11.2007) http://www.irinnews.org/PrintReportId=75093; aufgerufen am 03.11.2007

[3] Campell-Patton (2007);Mass Moblilization, National Identity and Conflict Prevention in Guinea S. 25

[4] Konfliktbarometer 2007 (161th Annual Conflict Analysis) des Heidelberger Instituts für internationale Konfliktforschung, S.2

[5] Nohlen

[6] Miall Hugh, Oliver Ramsbotham and Tom Woodhouse (1999). Contemporary Conflict Resolution

[7] Mehlers, Andreas; Major Flaws in Conflict Prevention Policies towards Africa. The conceptual Deficits of international Actors’ Approaches and how to overcome;S.4

[8] ebenda; S.8

[9] Matthies; S.145

[10] Delamou, Alexandre ;Les 32 jours de grève générale en Guinée ; S.17

[11] ebenda S.18

[12] ICG Guinée ;Le changement ou le chaos ( Februar 2007); S. 7

[13] ebenda S.8

[14] ICG Guinée ; Le changement en sursis (November 2007) ; S.8

[15] Spezialeinheit die unter dem direkten Befehl des Präsidenten steht

[16] ICG Report Februar 2007; S.10

[17] ebenda S.8

[18] Delamou, Alexandre ;S. 20

[19] ICG Guinée : Le changement ou le chaos S.13

[20] Jeune Afrique, Une page se tourne (16.09.2007) ; http://www.jeuneafrique.com/pays/guinee/article_jeune_afrique.asp?art_cle=LIN1609 aufgerufen am 03.11.2007

[21] Sow, Adama ; Chancen und Risiken von NGOs- Die Gewerkschaften in Guinea während der Unruhen 2007; S.18

[22] ICG Report Februar 2007 ; S.9

[23] Jeune Afrique : Electrochoc (09.09.2007) ; www.jeuneafrique.com/pays/guinee/article_jeune_afrique.asp?art_cle=LIN0909 aufgerufen 03.11.2007

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Guinea - Conakry
Untertitel
Aufgabenfelder der Konfliktprävention in einem Land zwischen demokratischer Transition und Staatsversagen
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Krisenprävention
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
40
Katalognummer
V114809
ISBN (eBook)
9783640169016
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Guinea, Conakry, Krisenprävention
Arbeit zitieren
Johanna Bornschein (Autor:in), 2007, Guinea - Conakry , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114809

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