„Der Bürger, der den übel riechenden Betrunkenen, den rüpelhaften Jugendlichen oder den aufdringlichen Bettler fürchtet, drückt nicht lediglich seine Abneigung gegenüber ungehörigem Verhalten aus. Er drückt ebenso ein Stückchen Volksweisheit aus. (…) Der ungehinderte Bettler ist in diesem Sinne das erste zerbrochene Fenster.“
Dieses zugleich sehr provokative und plakative Zitat soll das angeblich wachsende Bedürfnis der Durchsetzung einer bestimmten „öffentlichen Ordnung“ in der Gesellschaft widerspiegeln.
Die „Broken Windows“ Theorie und das damit verbundene „Zero Tolerance“ Prinzip stammen aus den USA und wurden dort z.B. im Zusammenhang mit der Kriminalitätsbekämpfung in New York diskutiert und angewendet.
Diese Theorie, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Unordnung im öffentlichen Raum und der Kriminalität sieht, gewinnt mittlerweile auch in der Diskussion über den Stellenwert des Begriffs der „öffentlichen Ordnung“ im deutschen Recht an Bedeutung . So titelte der Spiegel bereits 1997 „Aufräumen wie in New York?“ und etwa seit dieser Zeit wird anhaltend und auf verschiedenen Ebenen über die „Renaissance der öffentlichen Ordnung“ in der deutschen Rechtsprechung diskutiert.
Diese Hausarbeit hat zum Ziel, die Problematiken, die der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ im Polizei- und Ordnungsrecht mit sich bringt, eingehend zu erörtern und geordnet darzustellen.
Hierzu erscheint es notwendig, zu Beginn eine eindeutige Begriffsbestimmung vorzunehmen, die auch auf die Entstehungsgeschichte und die Stellung im deutschen Recht des Begriffes eingeht. Hierzu sollen der Anschaulichkeit wegen einige charakteristische Fälle aus der Rechtssprechung herangezogen werden.
Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre nahm die Kritik an dem Begriff der „öffentlichen Ordnung“ verstärkt zu. Auf die Hauptkritikpunkte, die Unbestimmtheit des Begriffs, den fehlende Gesetzesvorbehalt, den Verstoß gegen den Minderheitenschutz, sowie die zunehmende Unerheblichkeit des Begriffs auf Grund der zunehmenden Verrechtlichung aller Lebensbereiche und die zunehmende Pluralität der Gesellschaft wird in der Hausarbeit eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung im traditionellen Verständnis des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts
- I) Begriffsbestimmung des Schutzgutes der öffentlichen Ordnung
- 1) Herkunft
- 2) Verankerung im positiv-rechtlichen Gesetzen
- II) Die Rechtsprechung in seinem traditionellen Verständnis
- I) Begriffsbestimmung des Schutzgutes der öffentlichen Ordnung
- C. Kritische Begriffsinterpretation der öffentlichen Ordnung
- I) Notwendigkeit und Verfassungskonformität der öffentlichen Ordnung nach dem traditionellen Verständnis
- 1) Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip
- 2) Vereinbarkeit mit dem Rechtstaatsprinzip
- a) Die öffentliche Ordnung als unbestimmter Rechtsbegriff
- b) Empirische Schwierigkeiten bei der Bestimmung der öffentlichen Ordnung
- 3) Entwicklung des Anwendungsbereichs der öffentlichen Ordnung
- a) Verrechtlichung der Lebensbereiche
- b) Wertewandel
- c) Veränderung der Gesetzeslage
- I) Notwendigkeit und Verfassungskonformität der öffentlichen Ordnung nach dem traditionellen Verständnis
- D. Die Wiederaufwertung der öffentlichen Ordnung und ihre Neuinterpretation
- I.) Verfestigung des Begriffs durch die Rechtsprechung und die praktische Anwendung
- 1) Reservefunktion der „öffentlichen Ordnung“
- 2) Entlastung des Gesetzgebers und Praktikabilität des Begriffs
- II) Die Herausbildung eines neuen Begriffsverständnisses
- 1) Neue polizeiliche Sicherheitsstrategien
- a) Die Aktion Sicherheitsnetz
- b) Rechtliche Umsetzung des Konzepts
- 2) Anwendungsbereiche der Neuinterpretation der öffentlichen Ordnung in der Rechtsprechung
- a) Das Versammlungsrecht als neues ,,Einsatzfeld" der öffentlichen Ordnung
- b) Die Störung der öffentlichen Ordnung als Verbotsgrund
- c) Die Ansicht des BVerGE
- II,III) Untersuchung der Verfassungskonformität des neues Begriffsverständnisses
- 1) Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip
- 2) Abgrenzung der öffentlichen Ordnung von der öffentlichen Sicherheit
- 3) Ausdehnung des Grundgesetzes über seine Abwehrfunktion hinaus
- 4) Wertekonzeption des Grundgesetzes in Bezug auf die öffentliche Ordnung
- 1) Neue polizeiliche Sicherheitsstrategien
- E. Abschließende Betrachtung und Fazit
- III,Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Kritik an der öffentlichen Ordnung als Schutzgut des Polizei- und Ordnungsrechts. Sie analysiert den traditionellen Begriff der öffentlichen Ordnung und seine Entwicklung im Kontext des deutschen Rechts. Die Arbeit untersucht die Kritik an der öffentlichen Ordnung, insbesondere im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip. Darüber hinaus wird die Neuinterpretation des Begriffs der öffentlichen Ordnung im Kontext neuer polizeilicher Sicherheitsstrategien beleuchtet.
- Begriffsbestimmung und Entwicklung des Schutzgutes der öffentlichen Ordnung
- Kritik an der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ihre Verfassungskonformität
- Neuinterpretation der öffentlichen Ordnung im Kontext neuer polizeilicher Sicherheitsstrategien
- Anwendungsbereiche der Neuinterpretation der öffentlichen Ordnung in der Rechtsprechung
- Verfassungskonformität des neuen Begriffsverständnisses der öffentlichen Ordnung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und stellt die Relevanz der öffentlichen Ordnung als Schutzgut des Polizei- und Ordnungsrechts dar. Sie skizziert die Problematik der Kritik an diesem Schutzgut und die Notwendigkeit einer umfassenden Analyse.
Kapitel B befasst sich mit dem traditionellen Verständnis der öffentlichen Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht. Es werden die Begriffsbestimmung, die Verankerung in Gesetzen und die Rechtsprechung zu diesem Schutzgut beleuchtet.
Kapitel C analysiert die Kritik an der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ihre Verfassungskonformität. Es werden die Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip sowie die Entwicklung des Anwendungsbereichs der öffentlichen Ordnung untersucht.
Kapitel D befasst sich mit der Wiederaufwertung der öffentlichen Ordnung und ihrer Neuinterpretation. Es werden die Verfestigung des Begriffs durch die Rechtsprechung und die praktische Anwendung sowie die Herausbildung eines neuen Begriffsverständnisses im Kontext neuer polizeilicher Sicherheitsstrategien beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die öffentliche Ordnung, das Polizei- und Ordnungsrecht, die Verfassungskonformität, das Demokratieprinzip, das Rechtstaatsprinzip, die Neuinterpretation, die polizeiliche Sicherheitsstrategie, das Versammlungsrecht und die Rechtsprechung.
- I.) Verfestigung des Begriffs durch die Rechtsprechung und die praktische Anwendung
- Arbeit zitieren
- Johanna Bornschein (Autor:in), 2008, Erörterung der Kritik an der öffentlichen Ordnung als Schutzgut des Polizei- und Ordnungsrechts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114810