Qualitative Zielsysteme in der Sozialwirtschaft. Bedeutung und Operationalisierung


Hausarbeit, 2021

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Empathisches Verständnis des Zielbegriffs

2. Kohäsion und Lokomotion in der Zielformulierung

3. Qualitative und quantitative Ziele

4. Zielsysteme in der Sozialen Arbeit

5. Zielsysteme als Motivationssysteme

6. Entwicklung von Zielsystemen als Soziale Strategie

7. Operationalisierungsmethode

8. Fazit

9. Quellenverzeichnis

Abstrakt

Ziele sind motivierend und fördern den Teamzusammenhalt. Sie zeigen auf, in welche Richtung die Arbeit sich entwickeln soll und können für die Fremd- als auch für die Selbstführung genutzt werden. Zielformulierungen stellen die grundlegendste Aufgabe von Führung dar: Lokomotion und Kohäsion. Dennoch wird den potenziellen kurz-, mittel- oder langfristigen Zielen im Tagesgeschäft der Sozialen Arbeit oftmals keine große Bedeutung zugemessen. Ein Grund hierfür ist, dass in der Sozialen Arbeit die Begriffe Vision und Ziel oftmals synonym verwendet werden. Da Visionen jedoch nicht die spezifischen Eigenschaften von Zielen aufweisen, führt dies dazu, dass der führungspsychologische Effekt des Zielbegriffs ausbleibt. Da in vielen sozialen Einrichtungen das Tagesgeschäft ein sich wiederholender Ablauf im Sinne der Unternehmensvision ist, empfinden Mitarbeitende keinen Anreiz neue Ziele zu etablieren, da sie bereits ihrer Vision folgen. Da Visionen jedoch individuell interpretierbar sind, gibt es keine spezifischen zu erreichenden Meilensteine. Die Arbeit wird zum Selbstzweck und es entsteht das Gefühl sich mit der eigenen Arbeit nirgendwo hin zu entwickeln. Zweifel an der eigenen Arbeitsqualität und Kritik an der Führungsebene sind unter anderem die Folge. Diese Hausarbeit konzentriert sich daher auf die Frage wie und welche Ziele von Sozialarbeiter*innen selbst entwickelt werden können, warum dies einen positiven Effekt auf das Unternehmen und die Mitarbeitenden hat und wie die gefundenen Ziele in eine soziale Unternehmenszielstrategie aufgenommen werden können. In einem einfachen zehn Schritte Plan wird eine mögliche Operationalisierung abschließend dargestellt.

English:

Targets lead to motivation and support team building processes. They show in which direction to develop and they are necessary for guidance and leadership. The hability to phrase targets is one of the basic skills of leadership. Nevertheless it is surprising that social worker often don't really follow short-, mid- or longterm targets. One reason is that the terms vision and target are used interchangeably. This leads to a decrease of guidance. In many social organisations the daily work repeats itself in order to follow the vision. Many social worker don't have the feeling that they need targets because they already have a target: Their vision. This leads to a problem: Visions are individual interpretations of emotianalised pictures and can not really be archieved. That is why for them work becomes the target itself which leads to a feeling of going nowhere. Social workers doubt their own work quality and criticize their superiors for not feeling led. That is why social worker need to make up their own targets. How, why and what, that is what this assignment is all about.

Einleitung

Eine Inspiration für diese Hausarbeit stellt das Buch „Reinventing Organizations“ von LALOUX 2021 dar. Die in der Einführung genannte Absicht „zutiefst wirkungsvollere, seelenvollere und sinnvollere Organisationen“ zu gestalten, ist eine positive und interessante Herausforderung, zu der ich mit dieser Hausarbeit gerne einen kleinen Teil beitragen möchte.

Seit 10 Jahren sammle ich nun schon Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit. In dieser Zeit konnte ich immer wieder beobachten, wie vor allem die Erfüllung des täglichen Arbeitsprozesses die Hauptaufgabe darstellte und es darüber hinaus kaum Ziele gab. In Gesprächen mit Kolleg*innen ergab sich für mich der Eindruck, dass dies manchmal eine Form von Ziellosigkeit darstellte. Auch die geäußerten frustrierenden Gefühle, dass sich die eigene Arbeit nirgendwo hin entwickle, ließ auf die Abwesenheit von echten Zielen schließen. Diese Wahrnehmung verfestigte sich weiterhin durch die Beobachtung, dass in vielen Fällen eine Unsicherheit gegenüber der eigenen Arbeitsqualität herrschte. Auch hier hatte ich den Eindruck, dass dies auf die Abwesenheit von messbaren Zielen zurückzuführen sein könnte. Daher kam es mir so vor, dass die vielerorts geäußerte Kritik an den Vorgesetzten im Kern eine Kritik an der Abwesenheit motivierender Führung war. So entstand meine Theorie, dass es einen signifikant großen Anteil an Mitarbeitenden geben könnte, die sich nach neuen Zielen in ihrer Arbeit sehnen. Auf Grund des Umfangs einer Hausarbeit folgt nun leider keine wissenschaftliche Erhebung, welche diese These belegen könnte. Dennoch möchte ich interessierte Sozialarbeiter*innen dazu einladen, die im Folgenden dargestellte Methode zu nutzen, um sich bei Bedarf eigene neue, frische Ziele zu entwickeln.

Die Funktion der Sozialen Arbeit ist es im Sinne eines Sozialstaates die soziale Gerechtigkeit zu fördern. Während in der Privatwirtschaft und auf der Verwaltungsebene der Sozialwirtschaft vor allem nummerische Ziele verfolgt werden, müssen Arbeitsleistungen der Sozialen Arbeit vor allem qualitativ gemessen werden. Da eine qualitative Evaluation in der Regel mit einem erhöhten Aufwand und erhöhten Kosten einhergeht, bleibt sie oftmals aus. Meist wird nur das gemessen, was nummerisch erfasst werden kann. Dazu gehören zum Beispiel Ausgaben aus dem Haushaltsetat, Anzahl der Personen auf Teilnehmer*innenbögen oder Ergebnisse aus nummerischen Kontaktstatistiken. Doch aus einer quantitativen Erhebung kann noch keine Aussage über die qualitative Effektivität der Sozialen Arbeit abgeleitet werden. Ein Jahresbericht scheint einer qualitativen Bewertung näher zu kommen, aber auch hier werden vorwiegend Projekte aufgelistet und keine Ziele gemessen. Daraus resultiert, dass die Mitarbeitenden kein klares Bild davon haben, was sie eigentlich für die Menschen erreichen konnten. Kurz gesagt: Sie können nicht ermessen, welche Qualität ihre soziale Arbeit eigentlich hat.

Die Archivierung der Ziele in Form von Zielsystemen stellt die Möglichkeit der Etablierung einer sozialen Unternehmensstrategie dar und kann auch für das Controlling genutzt werden. In dieser Hausarbeit wird argumentiert, warum Ziele ein Grundpfeiler der Selbst- und Fremdführung sind und warum sie daher in ihrer Natur inspirierend und motivierend sein sollten. Die folgenden Erkenntnisse sollen dazu motivieren, kompetenter in der Zielsetzung zu werden und sich selbst mit Freude immer wieder herauszufordern.

1. Empathisches Verständnis des Zielbegriffs

Zu Beginn sind Sie, liebe Leserinnen und Leser, einmal eingeladen, sich die folgenden Beispielsätze anzuschauen und diese intuitiv den Begriffen Ziel, Aufgabe und Vision zuzuordnen. Seien Sie dabei sensibel dafür, dass Zielformulierungen, genau wie Aufgaben und Visionen, bestimmte Funktionen erfüllen sollen. Bevor auf diese gleich näher eingegangen wird, können Sie an dieser Stelle bereits intuitiv selbst entscheiden. Diese unkonventionelle Methode dient dazu empathisch nachzuempfinden, wie sich bestimmte “Zielformulierungen“ anfühlen. Dies soll im Hinblick auf die folgenden Kapitel bereits verdeutlichen, dass der praktische Nutzen der Funktionsweisen dieser Begrifflichkeiten abhängig von ihrer korrekten Verwendung ist.

1. Der erste Satz wird einer Fachkraft in der Altenpflege durch ihren Vorgesetzten mitgeteilt und lautet: „Das Ziel ist es, für die Senior*innen da zu sein.“

Ziel [ ] Aufgabe [ ] Vision [ ]

2. Der zweite Satz wird einer Fachkraft der Gemeinwesenarbeit durch seinen Vorgesetzten mitgeteilt und lautet: „Das Ziel ist es, jeden Mittwoch in der Zentrale vorbeizuschauen.“

Ziel [ ] Aufgabe [ ] Vision [ ]

3. Der dritte Satz wird einer Sozialarbeiterin eines Jugendhauses durch ihre Vorgesetzte mitgeteilt und lautet : „Unser Ziel ist es, auf Grund von Corona unser Angebot bis Ende des Jahres Online stattfinden zu lassen.“

Ziel [ ] Aufgabe [ ] Vision [ ]

Der erste Satz „ Das Ziel ist es, für die Senior*innen da zu sein“ stellt keine Zielformulierung dar. Hier handelt es sich um die Darstellung einer Vision. In der Sozialarbeit werden Visionen oftmals als Ziele ausformuliert. Wie sich jedoch noch herausstellen wird, stellt eine Vision selbst kein Ziel dar, sondern fungiert als Mantel, unter welchem mehrere Ziele inhaltlich vereint werden und welcher das gemeinsame Anliegen der einzelnen Ziele deutlich macht.

Der Grund dafür ist, dass im Gegensatz zu einem motivierenden Ziel eine Vision nie gänzlich erreicht und nie gemessen werden kann. Sie erweckt auf Grund der für Visionen typischen, unkonkreten und emotionalisierten Formulierungsweise, ein individuelles Bild. Dieses versinnbildlicht, was beispielsweise „ für jemanden da sein “ aus Sicht der Fachkraft bedeutet. „ Für Senior*innen da zu sein “ kann jedoch für jede*n etwas anderes bedeuten. Der positive Aspekt von Visionen ist jedoch genau diese individuelle Freiheit der Interpretation. Eine Vision kann sinnstiftend sein und vereint somit diejenigen Menschen, die sich mit der formulierten Ideologie identifizieren können. Darum eignen sich Visionen hervorragend als Leitsätze für ein soziales Unternehmen. Aus ihnen entspringt die individuelle Freiheit eigene Aufgaben und Ziele aus der persönlichen Interpretation des Satzes abzuleiten, sie in dessen Kontext zu werten oder die eigene Arbeitsweise zu hinterfragen. Die Mitarbeitenden stellen sich im Hinblick auf die oben genannte Unternehmensvision die Frage: War ich heute für mein Klientel da?

Auch der zweite Satz „ Das Ziel ist es, jeden Mittwoch in der Zentrale vorbeizuschauen “ ist im Kern keine Zielformulierung. Es handelt sich hierbei um ein Mittel zum Zweck, wobei der Zweck als Ziel formuliert werden könnte, hier aber nicht ersichtlich wird. Mittel zum Zweck sind immer Aufgaben. Wenn die Fachkraft jedoch wüsste, warum sie in der Zentrale vorbeischauen soll, dann könnte sie sich aus dieser Aufgabe ein zweckdienliches Ziel ableiten. Dieses könnte lauten, dass die Fachkraft jede Woche die aktuellen Arbeitsanweisungen aus der Zentrale einholen muss, um stets informiert zu bleiben. So wie der Satz hier formuliert ist handelt es sich jedoch nur um eine Lokomotion in Richtung der Zentrale, aber ohne ersichtliche Notwendigkeit. Ein nachvollziehbarer Grund macht Ziele für die Mitarbeitenden jedoch relevant, denn dieser gibt dem von der Geschäftsleitung gewünschten Verhalten, beziehungsweise der selbst auferlegten Verhaltensabsicht, einen nachvollziehbaren Sinn. Die psychologische Theorie hinter dieser These wird im nächsten Kapitel noch eingehender erklärt.

Die einzige funktionstüchtige Zielformulierung dieser drei Sätzen ist der dritte Satz: „ Unser Ziel ist es, auf Grund von Corona unser Angebot bis Ende des Jahres Online stattfinden zu lassen “. Das hier beschriebene Ziel ist für Mitarbeitende der Sozialen Arbeit nachvollziehbar und auf ein Ergebnis ausgerichtet. Durch Erreichung dieses Ziels, schafft sich das Jugendhaus die Möglichkeit, wie es trotz Kontakteinschränkungen weiterhin die zugeschriebenen Aufgaben erfüllen kann. Dieses Ziel vereint die Mitarbeitenden in einem sinnvollen Anliegen, nämlich arbeitsfähig zu bleiben. Gleichzeitig gibt es die Richtung vor, in die sich die Arbeit zur gegebenen Zeit entwickeln soll. Nur in diesem Satz wird ein Führungsaspekt einer Zielformulierung deutlich. Ziele dienen immer der Selbst- oder Fremdführung und sollten daher stets den folgenden zwei Führungsfunktionen nachkommen:

Diese beiden Funktionen sind Kriterien, die 1996 von den Autoren Dr. Rainer W. Stroebe und Guntram H. Stroebe in Bezug auf eine Führungspsychologie definiert worden sind. STROEBE 1996 beziehen sich auf die These, dass Führung im Wesentlichen das Beeinflussen von Verhalten ist.1 STROEBE 1996 definieren zwei grundlegende Aspekte, welche durch die Führungsperson hinsichtlich der Mitarbeitenden im Unternehmen gefördert werden müssen: Kohäsion und Lokomotion (vgl.STROEBE/STROEBE 2006: S.14ff.).

[...]


1 Siehe auch: Feldtheorie von LEWIN 2012

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Qualitative Zielsysteme in der Sozialwirtschaft. Bedeutung und Operationalisierung
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Sozialmanagement Master)
Veranstaltung
F 4.1
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
17
Katalognummer
V1148255
ISBN (eBook)
9783346533265
ISBN (Buch)
9783346533272
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialmanagement, Führungstheorien, Ziele, Visionen, Zielsystem, Führungserfolg, Controlling, Ziel, Vision, Soziale Arbeit
Arbeit zitieren
Till Kujadt (Autor:in), 2021, Qualitative Zielsysteme in der Sozialwirtschaft. Bedeutung und Operationalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1148255

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