Die Polis als abgeschlossene Einheit - Der Autarkiegedanke bei Platon, Staat und Aristoteles, Politik


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Staatsphilosophie bei Platon und Aristoteles: Gemeinsamkeiten, Begriffs- und Positionsbestimmung

III. Die Polis als abgeschlossene Einheit
1. Der Autarkiegedanke bei Platon, Staat
2. Der Autarkiegedanke bei Aristoteles, Politik

IV. Schluss

V. Quellen- und Literaturverzeichnis

VI. Anlagen
1. Schema: Struktur der idealen Polis und Autarkie bei Platon
2. Schema: Struktur der idealen Polis und Autarkie bei Aristoteles

I. Einleitung

„Autarkie“ ist heutzutage ein alltäglicher Begriff, welchem im deutschen Sprachraum und dementsprechend auch in den Medien eine inflationäre Verwendung widerfährt. Das Anwendungsspektrum erstreckt sich hierbei z.B. von der Diskussion um die Frage, inwieweit China noch autark ist[1], bis hin zur lyrischen Beschreibung städtischer Architektur als „eine autarke Verbindung zwischen verschiedenen Faktoren, die in symbiotischer Abhängigkeit voneinander existieren"[2]. Dem Gros der Anwender dürften jedoch die ursprünglichen Bedeutungen des Wortes, oder zumindest jene, die Platon und Aristoteles ihm verliehen haben, unbekannt sein. Diese Arbeit soll jedoch nicht einfach nur „Autarkie“ definieren, sondern ebenfalls die spezielle Bedeutung in Bezug auf die Struktur der Polis in „Staat“ und „Politik“ in ihren gröbsten Umrissen erläutern, sowie einen knappen Überblick über den philosophischen Kontext geben, was notwendig für die Erschließung des Autarkiebegriffes ist. Neben der Aufführung basaler Gemeinsamkeiten der platonischen und aristotelischen Staatsphilosophie sollen aber auch einige Begriffe und Erklärungen zum jeweiligen Polis- und Autarkiegedanken entwickelt werden, welche eine Unterscheidung vereinfachen und somit einen Kontrast bilden können. Aufgrund des beschränkten Umfanges dieser Arbeit muss jedoch auch gesagt werden, dass eine detaillierte Darstellung einzelner Aspekt unzweckmäßig wäre, weshalb eine hohe Abstraktionsebene gewählt wurde, um eine schlüssige Darstellung zu erleichtern.

Die Frage um "Autarkie" (hier im "modernen" Wortsinn) nährt sogar eine wissenschaftliche Debatte, soll aber hier nur kurz Erwähnung finden. Strittig ist hierbei, ob die platonischen Dialoge autark sind, d.h. inwieweit sie sich selbst erklären. Die alternative Sichtweise, vertreten durch die sog. "Tübinger Schule" konstatierte nämlich eine Nichtautarkie der Schriften, gegründet auf diverse Selbstzeugnisse Platons, in welchen er behauptete, dass der Philosoph nicht über jene Dinge schreibt, die für ihn den höchsten Wert haben. Hieraus entwickelten Anhänger der "Tübinger Schule" die These, dass Platon seinen Zeitgenossen verschiedene Sachverhalte zwar explizit mitteilte, aber jene Dinge von wirklicher persönlicher Relevanz nur andeutete und somit für ein exklusives Publikum reservierte[3]. Ein weiterer Streitpunkt ist auch immer noch die Frage, ob man Platons „Staat“ einer literarischen Kategorie zuordnen kann, wobei auch konkret einige Zuordnungen getroffen werden[4]. Nicht unproblematisch ist dagegen die Einschätzung der Literaturlage zu den Quellwerken. Man behauptet wohl nicht zuviel, wenn man sagt dass die Rezeptions- und Interpretationsgeschichte von Platon und Aristoteles eine der umfangreichsten überhaupt ist, wobei gerade der „Staat“ und die „Politik“ in den letzten Dekaden zunehmend ins Interessensfeld von Politikwissenschaftlern gerückt sind, weshalb diese neben jenen Wissenschaften, die sich „klassischerweise“ mit der Materie beschäftigen, insbesondere der Philosophie, Philologie und den Geschichtswissenschaften, eine Fülle hochwertiger Literatur produzieren. Ein Werk, welches als Erstlektüre zur Einführung wohl einen Standardcharakter erreicht hat, ist die mehrbändige Reihe „Geschichte des politischen Denkens“ des Münchner Professors für Politische Wissenschaft, Henning Ottmann aus dem Jahre 2001[5]. Allerdings sollen neben dieser Publikation auch einige aktuelle Dissertationen mit in die Arbeit einfließen, wobei man aber auch vermuten muss, das die Interpretation von Platon und Aristoteles nur noch wenig Raum für „revolutionäre“ Neuinterpretationen bietet, trotzdem kann die Lektüre eines weiteren Werkes zur Materie wohl nie schaden, da der Inhalt nicht nur äußerst komplex ist und dessen Verstehen einen tief greifenden Einblick in die Geschichte des Selbstverständnisses der griechischen Zeitgenossen von Platon und Aristoteles bietet, sondern auch in unseren Tagen trotzdem noch genug „Zündstoff“ für Debatten zu bieten scheint. Dies zeigten besonders deutlich im letzten Jahrhundert Hans-Georg Gadamer[6] oder auch Karl Popper[7].

Neben einer kurzen Vorstellung grundlegender Gemeinsamkeiten in den Staatsphilosophien Platons und Aristoteles’ wird in Kapitel II auch eine kurze, allgemeine Definition von „Autarkie“ geboten, zudem werden im Hinblick auf die Arbeit problematische Begriffe knapp erläutert. Das Kapitel III widmet sich schließlich explizit dem Autarkiegedanken von Platon und Aristoteles in Bezug auf die Polis, allerdings bildet dessen Erläuterung auch den Schwerpunkt, weshalb nur jene Grundzüge des Werkes genannt und belegt werden, welche von bedeutender Relevanz sind, d.h. eine umfassende Darstellung wird nicht geboten. Im Schluss wird schließlich der Versuch unternommen, die einzelnen Autarkiebegriffe prägnant zusammenzufassen, wodurch deren Autoren- und Kontextbedingte Differenz ersichtlich werden soll.

II. Staatsphilosophie bei Platon und Aristoteles: Gemeinsamkeiten, Begriffs- und Positionsbestimmung

Zunächst sollte man sich bewusst werden, dass die Begriffe "Ethik" und "Politik" im heutigen "kollektiven" Bewusstsein voneinander getrennt stehen. "Ethik" wird zumeist als ein Teil oder eine Disziplin der Philosophie verstanden, welche versucht, allgemeine Verhaltensnormen, primär für den Menschen, aufzustellen. "Politik" wird dagegen als ein zielgerichtetes Vorgehen im Kontext politischer Zusammenhänge und Zielsetzungen, sowie als eine Art Wissenschaft um die Verhältnisse in Herrschaftssystemen verstanden. Im philosophischen Bewusstsein im Griechenland der Klassik gab es diese strikte Begriffs- und Inhaltstrennung nicht. Walter Patt definierte die Ethik als "das grundsätzliche Wissen vom glücklichen Leben und den Tugenden des Menschen (…)" und die Politik als das "grundsätzliche Wissen vom Leben im Staat, insbesondere der Polis."[8] Der „Staat“ und die „Politik“ weisen beide eine unübersehbare Distanz zu den Poleis ihrer Entstehungszeit auf. Insbesondere galt es Platon und Aristoteles jedoch, einen Gegenentwurf zur spartanischen Kriegergesellschaft und dem nach außen auf Hegemonie und nach innen auf Freizügigkeit fixierten Athen zu entwerfen. Trotzdem lag beiden Konzepten wie selbstverständlich der Gedanke an die eigentümlich griechische Polis, wenn auch in anderen Formen als bisher, zugrunde, weshalb man den Begriff der Staatsphilosophie spezifizieren kann, nämlich als eine Philosophie der Polis[9].

Bei den „Gemeinsamkeiten“ soll nun auch eine vorläufige Definition des Begriffs „Autarkie“ wiedergegeben werden, denn obwohl Platon und Aristoteles das Wort verwandten, um unterschiedliche Sinnzusammenhänge zu umschreiben, so war ihr Grundverständnis davon wohl zunächst gleich. „Autarkie“ kann sich zunächst auf leblose Gegenstände, aber auch auf Personen oder Gemeinschaften, insbesondere die Polis, beziehen. Der Gegensatz von „Autarkie“ wäre das Nichthaben von einer bestimmten Sache oder Eigenschaft, die eigentlich „automatisch“ zukommt. Den Gegenpol zur autarken Polis bildet also die nach außen von Anderen abhängige und nach innen despotische Polis[10].

Die Glückseligkeit ist für Platon und Aristoteles das Beste, was dem Menschen widerfahren kann. Sie ist nicht genau definierbar, vereint aber, vereinfacht ausgedrückt, seelisches und leibliches Wohlbefinden, sowie günstige Rahmenbedingungen oder Umwelt. Sie sollte das Endziel menschlichen Wünschen, Planens und Handelns sein. Beide Philosophen vertraten auch die Ansicht, dass die gewissenhafte und konstante Ausübung der Tauglichkeit oder Tugend der sicherste Weg ist, die Glückseligkeit zu erlangen. Aus diesem Grunde fragt die antike Staatenphilosophie auch, wie der Staat diese Glückseligkeit herbeiführen und bewahren kann. Das Gute ist für ein Individuum das, was es sich jeweils wünscht oder wonach es strebt. Letztlich verbinden sich aber die Wünsche des einzelnen Menschen und führen zum Endziel, der Eudämonie (Glückseligkeit im Leben, in der Lebensführung)[11]. Als ein Mittel, welches das Nahekommen an die Glückseligkeit erleichtert, steht bei Platon und Aristoteles die Arete. Für Platon gehört die Arete fast untrennbar zur Glückseligkeit, welche neben der Tugend auch die "Tauglichkeit", "Tüchtigkeit" oder "Trefflichkeit" sein kann, wohingegen die Arete bei Aristoteles eher als Kombination aus "Qualität" (welche, bezogen auf den Menschen, leicht veränderlich ist) und "Disposition" (dauerhaft) umschrieben werden kann. Trotzdem findet das Deutsche keine adäquate Umschreibung für Arete, denn auch "Tugend" hat keine allgemein ontologische Bedeutung, sondern ist als menschliche Eigenschaft vorhanden oder nicht vorhanden, zudem beschreibt sie eine positive Charaktereigenschaft, und nicht die Vorzüglichkeit des Verstandes[12].

III. Die Polis als abgeschlossene Einheit

1. Der Autarkiegedanke bei Platon, Staat

Platon, den man wohl als Sokrates' Meisterschüler bezeichnen könnte, veröffentlichte sein Werk "Der Staat" wohl in den 370er Jahren v.C., zu einem Zeitpunkt, an dem sein Meister schon um die 20 Jahre tot war. Trotzdem ließ Platon in der "Politeia" Sokrates auferstehen und sprechen. Sokrates vertrat Zeit seines Lebens die Auffassung, dass sich Menschen durch eine Erziehung, welche die Weisheit zum Ziel hat, bessern. Jedoch müsse auf dem Weg zur Weisheit auch die Selbsterkenntnis erreicht werden, nur so könne sich auch das Gemeinwesen in der Polis zum Positiven hin verändern[13].

[...]


[1] Z.B: Erling, Johnny (8. März 2008, 04:00 Uhr): Chinas Weg in die globalisierte Realität Eine Welt, ein Traum? Herausgegeben von Die Welt. Online verfügbar unter http://www.welt.de/welt_print/article1774083/Eine_Welt_ein_Traum.html

[2] Angl, Christian (2. November 2007): Die unsichtbare Stadt. Herausgegeben von Die Zeit. Online verfügbar unter http://www.zeit.de/online/2007/45/bg-unsichtbar-stadt, zuletzt aktualisiert am 2. November 2007

[3] Reale, Giovanni (1996): Platons protologische Begründung des Kosmos und der idealen Polis, S. 5-7. In: Rudolph, Enno (Hg.): Polis und Kosmos. Naturphilosophie und politische Philosophie bei Platon. Darmstadt: Wiss. Buchges., S. 3–25

[4] Siehe hierzu Kapitel III. 1

[5] Ottmann, Henning (2001): Geschichte des politischen Denkens. Von den Anfängen bei den Griechen bis auf unsere Zeit. Stuttgart: Metzler.

[6] Zu diesem Thema: Wischke, Mirko: Platon und die Ethik der Interpretation. Tendenzen neuerer Forschungsliteratur zur philosophischen Hermeneutik Hans-Georg Gadamers. Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart Jg. 2 (2001), Heft 5. Online verfügbar unter: http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2001-05/wischke_platon.htm, zuletzt geprüft am 02.04.2008.

[7] Eine kurze Problembenennung findet sich in Kapitel III. 1.

[8] Patt, Walter (2002): Grundzüge der Staatsphilosophie im klassischen Griechentum. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 35–36

[9] Patt 2002, S. 13–14

[10] Ritter, Joachim (Hg. ,1971): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 1: A-C. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 686

[11] Patt 2002, S. 15–16

[12] Patt 2002, S. 30–32

[13] Brenner, Xaver (1996): Platon und der Staat. Herausgegeben von Xaver Brenner. Online verfügbar unter http://www.xaverbrenner.de/assets/pdf/platon_staat1996.pdf, zuletzt geprüft am 03.04.2008, S. 1

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Polis als abgeschlossene Einheit - Der Autarkiegedanke bei Platon, Staat und Aristoteles, Politik
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Fachbereich Alte Geschichte)
Veranstaltung
Die Polis - Eine Hoplitenpolis
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V114845
ISBN (eBook)
9783640162345
ISBN (Buch)
9783640171996
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Polis, Einheit, Autarkiegedanke, Platon, Staat, Aristoteles, Politik, Polis, Eine, Hoplitenpolis
Arbeit zitieren
Christian Hauck (Autor:in), 2008, Die Polis als abgeschlossene Einheit - Der Autarkiegedanke bei Platon, Staat und Aristoteles, Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114845

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