Das Erkenntnisinteresse der Arbeit besteht in Anschluss an die dargelegten Forschungslücken darin, den besonderen Stellenwert von bezahlten Sexdienstleistungen zwischen Männern zu eruieren, die jenseits des normativen Kausalzusammenhangs zwischen geschlechtlicher Identität, sexuellem Begehren und sexueller Praxis stattfinden. Die Suche nach einem transgressiven Potenzial in Bezug auf heterosexuelle Normativität drückt sich unmittelbar in der zu beantwortenden Fragestellung aus: Inwiefern besitzt das Phänomen Gay for Pay das Potenzial, die gesellschaftlichen Wissensbestände zu mann-männlicher Sexualität zu unterwandern? Als ethischer Maßstab wird an diese Arbeit angelegt, schwulen Aktivismus und die aus ihm entstandenen Errungenschaften nicht zu missbilligen. Gleichwohl sollen blinde Flecken in der Evaluation mann-männlicher Sexualität aufgedeckt werden, um einen Beitrag zu der sexuellen Befreiung weiterer Männer zu leisten, die sich nicht unter eine schwule Identität subsumieren lassen.
Die Qualität eines pornografischen Videos lässt sich aus pragmatischer Hinsicht daran bemessen, wie leicht oder gut die Betrachtenden von diesem sexuell stimuliert werden. Anstatt ein solches Lustpotenzial auszuloten, wird in der vorliegenden Masterarbeit ein Anliegen von geschlechterpolitischer Bedeutsamkeit verfolgt.
Mit dem Terminus Gay for Pay werden pornografische Videos mit sexuellen Darstellungen und gleichermaßen sexuelle Begegnungen zwischen Männern ‚in natura‘ bezeichnet, die jeweils einen heterosexuellen Mann unter Zuhilfenahme einer finanziellen Entlohnung involvieren. In der stereotypisierten Vorstellung, die Sexarbeit als ein exklusiv weibliches Tätigkeitsfeld begreift, drückt sich ein limitierter Horizont hinsichtlich der geschlechtlichen Rollenerwartungen im Rahmen käuflicher Sexualität aus. Angesichts des daraus resultierenden Verzerrungseffektes liegen nur wenige Arbeiten vor, die männliche Sexarbeit aus geschlechtertheoretischer Perspektive analysieren. In diesem Sinne stellt das Thema dieser Forschungsarbeit einen Beitrag zur Sichtbarmachung eines unsichtbaren Randbereichs von sexueller Devianz dar.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Diskurs um queerness
- Begriffsgeschichte und -definition
- Queere Heteronormativitätskritik
- Queerfeindlichkeit in gesellschaftlicher Psyche
- Gesellschaftliche Rahmung von mann-männlicher Sexualität
- Identifikation des Begehrens als homo- oder heterosexuell
- Einflüsse der schwulen Identitätspolitik auf bezahlten Sex
- Sexuelle Skripte zwischen Männern
- Heteronormative Penetrationslogik
- Nähe zwischen Homosozialität und Homosexualität
- ,Safer Sex' als Indikator für sexuelles Risikobewusstsein
- Methodische Verortung in der Qualitativen Sozialforschung
- Wissenssoziologische Diskursanalyse
- Filme als sozialwissenschaftliches Erfahrungsmaterial
- (Selbst-)Positionierung innerhalb der Geschlechterforschung
- Das Phänomen Gay for Pay
- Definition des Genres und seiner Merkmale
- Reflexion des pornografischen Stellenwerts
- Vorbemerkungen zur Selektion des Materials
- Narrative Struktur von BaitBus
- Analyse in Hinblick auf den queerness-Faktor
- Konstruktionsmechanismen von heterosexueller Männlichkeit
- Schemata der Bewertung von sexuellen Handlungen
- Implikationen der Bezahlung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit befasst sich mit dem Phänomen Gay for Pay und untersucht, inwiefern dieses Potenzial hat, gesellschaftliche Wissensbestände zu mann-männlicher Sexualität zu unterwandern. Sie analysiert pornografische Videos als kompensatorisches Mittel für die Erforschung von sexuellen Handlungen im sozialen Raum. Der Fokus liegt auf den Aktualisierungen im filmischen Material, um die Einflussnahmen und Grenzen des normativen Diskurses zu beleuchten.
- Die gesellschaftliche Rahmung von mann-männlicher Sexualität im Kontext von Heteronormativität und Queerness.
- Die Rolle von Sexarbeit in der Konstruktion von Geschlechteridentitäten und sexuellen Skripten.
- Die Analyse von pornografischen Darstellungen als sozialwissenschaftliches Erfahrungsmaterial.
- Die Bedeutung von Bezahlung in der Kontextualisierung sexueller Handlungen.
- Die Frage nach dem Potenzial von Gay for Pay zur Unterwanderung gesellschaftlicher Wissensbestände.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die Problematik des Themas Gay for Pay vor und begründet die Relevanz der Forschung. Die konzeptionelle Grundannahme ist, dass heterosexuelle Männlichkeit aufgrund von selbst praktizierten homoerotischen Handlungen in Legitimationsnot gerät. Das Erkenntnisinteresse liegt in der Erforschung des Stellenwerts bezahlter Sexdienstleistungen zwischen Männern und dem Potenzial des Phänomens zur Unterwanderung gesellschaftlicher Wissensbestände.
- Diskurs um Queerness: Dieses Kapitel beleuchtet den Begriff der Queerness historisch und befasst sich mit der queeren Heteronormativitätskritik sowie der Queerfeindlichkeit in der Gesellschaft. Die Diskussion um Queerness bildet den Hintergrund für die Analyse der pornografischen Darstellungen.
- Gesellschaftliche Rahmung von mann-männlicher Sexualität: Dieses Kapitel analysiert die Identifikation des Begehrens als homo- oder heterosexuell, die Einflüsse der schwulen Identitätspolitik auf bezahlten Sex und die sexuellen Skripte zwischen Männern. Es werden die heteronormative Penetrationslogik, die Nähe zwischen Homosozialität und Homosexualität und der Einfluss von ,Safer Sex' auf das Verständnis von sexuellem Risikobewusstsein betrachtet.
- Methodische Verortung in der Qualitativen Sozialforschung: Dieses Kapitel beschreibt den methodischen Rahmen der Arbeit, insbesondere die wissenssoziologische Diskursanalyse und die Verwendung von Filmen als sozialwissenschaftliches Erfahrungsmaterial. Es erläutert die (Selbst-)Positionierung der Arbeit innerhalb der Geschlechterforschung.
- Das Phänomen Gay for Pay: Dieses Kapitel definiert das Genre Gay for Pay und seine Merkmale. Es reflektiert den pornografischen Stellenwert und analysiert die narrative Struktur von BaitBus als Fallbeispiel. Die Analyse fokussiert auf die Konstruktionsmechanismen von heterosexueller Männlichkeit, die Schemata der Bewertung sexueller Handlungen und die Implikationen der Bezahlung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Gay for Pay, Mann-männliche Pornografie, Queerness, Heteronormativität, Sexarbeit, Geschlechteridentität, sexuelle Skripte, Wissenssoziologie, Diskursanalyse, Filmanalyse und sozialwissenschaftliche Methoden.
- Arbeit zitieren
- Liam Bennhoff (Autor:in), 2020, Gay for Pay - ein Beitrag zur Queerness? Wissenssoziologische Betrachtungen von mann-männlicher Pornografie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1148668