Journalistisches Schreiben im Deutschunterricht am Beispiel des Kommentars. Das Spannungsfeld von materialgestütztem und gestaltendem Schreiben


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

40 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Texte schreiben
2.1 Schreibprozesse
2.2 Leseverstehen

3. Journalistisches Schreiben
3.1 Der journalistische Schreibprozess
3.2 Analogien zur Schreibdidakitk
3.3 Journalistische Darstellungsformen
3.1.1 Sprachcharakteristika der journalistische Darstellungsformen
3.1.2 Der journalistische Kommentar

4. Der Übertrag auf die Schule
4.1 Der schulische Kommentar
4.1.1 Mögliche Probleme
4.1.2 Was kann von Schüler*innen erwartet werden?
4.1.3 Welchen Wert hat diese Aufsatzform für die Entwicklung der Schreibkompetenz?
4.2 Exkurs: Das Dossier
4.3 Exkurs: Möglichkeit für journalistisches Schreiben
4.4 Exkurs: Zeitgemäßes materialgestütztes Schreiben mit Twitter

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schreibmodell nach Hayes/Flower (1980).

Abbildung 2: Zusammenspiel der Praktiken kollaborativer Textproduktion

Abbildung 3: Anforderung an die schulische Aufsatzerziehung

Abbildung 4: Modell des Schreibprozess

Abbildung 5: Teilprozesse des Schreibens im Mehr-Ebenen-Modell von Philipps.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:Sprachmerkmale der journalistischen Darstellungsformen

1. Einleitung

Der Deutschunterricht ist, und das nicht ausschließlich, aber doch besonders, die Befähigung zur Teilhabe an Kultur. Genau das gilt als großes Unterfangen und macht den Deutschunterricht auch so spannend. Die Facetten der Sprache als Schlüssel für die Teilhabe an der Kultur kennenzulernen.

Deutschunterricht ist außerdem von der Grundschule bis hinein in die Unterstufe egal welcher Schulform das Erlernen eben jener basalen Grundfertigkeiten, die es braucht, um die wichtigsten Symbole unserer Kultur zu entziffern: die Sprache. Und damit das Erlernen von Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören. Sprechen und Schreiben befähigt zu Äußerungen über sich und andere und lehrt damit auch die Selbstreflexion, die Beziehung zu anderen und zur Welt. Und eben jene Fertigkeiten bilden die Grundlage für jede weitere Form der Teilhabe. Privat, in der Gesellschaft und im weiteren Bildungsverlauf. Auf einer zweiten Ebene ermöglicht der Deutschunterricht die Beschäftigung mit Zeitung und Blog, Meme und Forum, Social-Media, Film und Computerspiel. Diese Form der Teilhabe an der Gesellschaft führt zurück zum Individuum und seinem Platz in der Welt. Je komplexer die Formen der Äußerungen, desto sicherer muss der Umgang mit dieser Komplexität sein.

Und genau hier lässt sich nun auch schon die Brücke zum Journalismus schlagen. So heißt es im Landespressegesetz Baden-Württembergs:

§ 3 Öffentliche Aufgabe der Presse: Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.1

Deutlich wird aus dem Gesetz, dass die primäre Tätigkeit des Journalismus das Informieren ist. Diese Informationen, seien es Stellungnahmen, Kritiken oder auch bloße Informationsweitergabe sollen an der Meinungsbildung der Gesellschaft mitwirken und fördern demnach die gesellschaftliche Teilhabe des Individuums.

Mit diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass der Deutschunterricht neben den oben genannten Fertigkeiten auch die Vielfältigkeit von Textsorten lehrt und ein textgebundenes und materialgestütztes Arbeiten ermöglicht. Vor allem in den oberen Klassenstufen muss materialgestütztes Schreiben fundiert zur Anwendung kommen. Eine direkte Auseinandersetzung mit materialgestütztem Argumentieren wird in dieser Hausarbeit an der Textsorte des Kommentars beispielhaft dargestellt. Hier gilt es die Abgrenzung des schulischen Kommentars zum journalistischen Kommentars zu betrachten.

Seit dem Abitur 2021 ist der Kommentar eine von sechs verschiedenen Abiturformate, die in Baden-Württemberg beim Abitur gewählt werden können. Auch in anderen Bundesländern ist der Kommentar Teil des Abiturs. Er ist eine Form des materialgestützten Schreibens argumentierender Texte. Die Abiturkommission definiert den schulische Kommentar wie folgt:

Der Kommentar ist eine meinungsbetonte Darstellungsform. In einem Kommentar wird eine subjektive, aber argumentativ begründete und sachlich wertende Stellungnahme zu einem aktuellen domänenspezifischen Ereignis oder Thema formuliert. Die Textsorte erfordert Sachkenntnis, rationale Argumentation und sprachliche Prägnanz, die durch einen gezielten Einsatz sprachlicher Gestaltungsmittel unterstützt wird. Grundlegende Elemente des Kommentars sind eine inhaltlich korrekte und konzise Darstellung des zu kommentierenden Sachverhalts, eine argumentative Auseinandersetzung damit und eine Positionierung des Verfassers. Ein Kommentar soll zur differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema anregen, von der Position des Autors überzeugen und somit zur Meinungsbildung beitragen. Im Unterschied zum eher kürzer gehaltenen journalistischen Kommentar erfordert die Textsorte ,Kommentar‘ als Aufsatzform im Deutschabitur eine ausführlichere Auseinandersetzung mit einem komplexen Thema.2 (Hervorhebungen durch die Autorin)

Der argumentierende Text verlangt, dass man mittels vorgegebener Materialien die eingesetzt werden müssen, einen klaren Standpunkt vertritt und diesen rhetorisch angemessen vortragen kann. Orientierung zur Textsorte findet man an den verschiedenen angesprochenen Aspekten, insofern sie konkret fassbar sind. Es wird deutlich, in welcher Art und Weise sich der Kommentar von der Erörterung abhebt: Er ist subjektiver geprägt, hat also durchaus Anlehnungen an den Essay, wenngleich die Form sich unterscheidet. Anders als beim Essay begrenzt sich die Themenauswahl beim materialgestütztem Schreiben argumentierender Texte, also beim Verfassen eines Kommentars, der sich auf vorliegendes Material beziehen muss auf Gebiete, die den Deutschunterricht betreffen. Wie etwa die Bereiche literarische Texte (wie Fiktionalität), Medien (wie Urheberrecht, Fake-News, Filmanalyse...) und Sprache (wie Funktion oder Struktur der Sprache). Dies wird mit dem Wort Domänenspezifik bezeichnet.

Für Schüler*innen3 in der Oberstufe heißt dies eine weitgehende Planungssicherheit, was die Erarbeitung von Wissensgrundlagen angeht, ohne die ein fundierter Kommentar schwierig ist. Die Definition der Abiturkommission stellt ebenfalls erste Aspekte sowie eine erste Abgrenzung zu der professionelles Variante, dem journalistischen Kommentar heraus, welcher im weiteren Verlauf näher betrachtet wird.

2. Texte schreiben

Gerade das Schreiben, näher das Produzieren von Texten stellt mit ihrer Komplexität eine besondere Herausforderung dar. Es laufen verschiedene Prozesse ab, die keinen linearen Ablauf beschreiben und die in ihrer Vielschichtigkeit gerade bei Schüler*innen unterschiedliche Kompetenzen erfordern.

Die Kompetenz des Schreibens wurde im Bildungsplan 2016-Deutsch fest verankert, wie in der dazugehörigen Beschreibung der Prozessbezogenen Kompetenzen geschrieben ist:

Der Kompetenzbereich „Schreiben“ umfasst die Ausbildung aller schulischen wie privaten Schreibformen. Durch die stetige Erweiterung und Vertiefung der Kompetenz, das Schreiben als Prozess zunehmend eigenständig und selbstverantwortlich zu gestalten, werden sich die Schülerinnen und Schüler des Schreibens als zentraler Kommunikationsform zwischen Menschen bewusst. Sie planen, formulieren und überarbeiten ihre Texte und verfügen über ein differenziertes Textsortenwissen. [...] Besonders argumentative und interpretierende Schreibformen erfordern von den Schülerinnen und Schülern eine kognitive, sprachliche und textorganisatorische Gesamtleistung.

Gerade die elementare Kulturtechnik des Schreibens bedarf dabei stetiger Förderung, um soziale Disparitäten in den schriftlichkeitsbezogenen Leistungen auszugleichen. Formale und inhaltliche Sprachrichtigkeit, selbstständiges Urteilen sowie Stilsicherheit begründen ein dauerhaftes Schreibbewusstsein. Darüber hinaus machen die Schülerinnen und Schüler die Erfahrung, ihre Individualität in Texten ausdrücken und das Schreiben als Mittel von Problemlösung, zur Entwicklung von Ideen und neuen Sichtweisen entdecken zu können und nicht zuletzt auch Freude am Schreiben zu entwickeln.4

2.1 Schreibprozesse

Angeregt durch das Schreibprozessmodell von Hayes & Flower im Jahr 1980 wurde das Schreiben als ein Konstruktionsprozess in der deutschen Schreibdidaktik thematisiert5. Um zu verstehen wie vielschichtig das Schreiben als solches ist, soll sich im Folgenden damit auseinandergesetzt werden, welche Vorgänge dabei ablaufen und wie dieser Prozess für die Didaktik aufgearbeitet werden kann.

Durch die sogenannte kognitive Wende wurde das Schreiben als „ein umfassender kognitiver Konstruktionsprozess modelliert“6, woraufhin verschiedenen Modelle entstanden sind. Das bekannteste ist das Modell von Hayes und Flower (1980). Dies gilt seitdem als Grundlage für viele Weiterentwicklungen. Die Abbildung 1 stellt das Modell dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schreibmodell nach Hayes/Flower (1980). (In Uni-Bamberg.de, hllps:www.uni-bamberg.degerm- didaktik/transfer/online-seminare/schreib-web/schreibprozess/, Datum des Zugriffs: 11.06.2021.)

Das Modell versteht Textproduktion als kognitiven Problemlöseprozess und benennt verschiedenen Phasen während der Textproduktion, die in drei Subprozesse aufgeteilt sind. Hierzu gehören das Planen, Formulieren und Überarbeiten7. Das Ziel des Schreibens sei dabei „als eine Art Problemlöseprozess zu verstehen“8. Wichtig ist hierbei, die drei Aspekte des Planens, Formulierens und Überarbeitens auch als einen parallel laufenden Prozess zu verstehen, keinen linearen9. Hayes und Flower sprechen diesbezüglich von der „Rekursivität“ des Schreibprozesses. Schreiben ist immer zugleich Planen, Formulieren und Überarbeiten. Aus dieser Rekursivität ergeben sich die Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns durch Schreiben. Erst allmählich verfertigen sich die Gedanken. Und genau dies macht das Schreiben zu einem Medium der Wissensaneignung. Das Revidieren geschieht durch den gesamten Schreibprozess hindurch, bereits auch in Gedanken, die dann zum Schreiben führen10. In diesem Zug wird das Planen immer wieder neu zur Aufgabe, die Frage danach, was geschrieben werden soll, benötigt durch die Revision neue Antworten. Hinzu kommt das Formulieren, bei dem es im Prinzip darum geht, die Gedanken zum Papier zu bringen. Es muss also eine Übertragung von der Gedankensprache zur Schriftsprache stattfinden. Fix (2008) setzt hier hinzu, dass es nicht nur um diese Übertragung geht, sondern dass in diesem Prozess durch das Suchen passender Ausdrücke die Gedanken bereits weiterentwickelt werden können11. Dieser Teilprozess kann Schwierigkeiten bereiten, insbesondere bei Schreibenden, die Probleme mit schriftsprachlichen Aspekten wie der Rechtschreibung aber auch der Grammatik haben. All dies fließt in den Schreibprozess mit hinein, weswegen Hayes und Flower über das Schreiben folgendes sagen: „The act of writing is best described as the act of juggling a number of simultaneous constraints.“12.

Dies ist ein zentraler Punkt, welchen Hayes und Flower in ihrem Modell aufzeigen und welche die Schwierigkeiten des Schreibens im Allgemeinen beschreiben. Es reicht nicht, einzelne Teilaspekte des Schreibens zu beherrschen. Wichtig ist die Verknüpfung und die wiederholte Revision des Textes, sowohl in Gedanken als auch schon am Geschriebene. Die Begrifflichkeit ,juggling constraints[4] beschreibt genau dies. Stellt man sich ein Bild einer Person vor, die ein paar Jonglierbälle hat und diese versucht, ständig in der Luft zu halten, ohne das einer herunterfällt, so hat man einen guten Vergleich dafür, was es bedeutet wenn die Autor*innen davon sprechen die verschiedenen Schreibprozesse in ihr Handeln mit einzubeziehen. Schon geübten Schreibenden, unabhängig der Textsorte kann dies schwerfallen. Umso mehr ist es wichtig, Lernende darin zu fördern.

Doch auch der bereits produzierte Text wird von Hayes und Flower mit zu der Aufgabenumgebung hinzugezählt. Somit ergibt sich ein weiterer Aspekt des Modells und soll verdeutlichen, dass sich das ursprünglich mit dem Schreibvorhaben gestellte Problem während des Schreibprozesses stetig verändert. Jeder neue Satz führt einerseits zur angestrebten Gesamtlösung transformiert das ursprüngliche Problem aber durch ständige Modifikation und Spezifizierung in ein neues Problem. Bereits produzierte Textteile bringen die Schreibenden einer Gesamtlösung näher, verändern aber gleichermaßen die Lösung als solche und beleuchten Probleme, die zuvor noch nicht da gewesen sind. Somit ist das Verfassen von Texten ein dialektisches Problemlösen13. Nimmt man nun das Modell nochmal zur Hand, kann es keine Problemlösung und damit kein Ende des Schreibvorgangs aus sich selbst heraus geben. Der Schreibprozess ist allein aus den Einzelteilen des Modells heraus ein prinzipiell nicht abschließbarer. Ein gezieltes Beenden des Prozesses muss von außen an den Prozess herangetragen werden, sei es, dass sich der/die Schreibende bewusst mit einem Text zufrieden gibt oder auch resigniert oder keine Zeit mehr zur Verfügung steht.

2.2 Leseverstehen

Die Schülerinnen und Schüler lernen ab der 5. Klasse im Deutschunterricht kreativ zu werden, sei es die reine Texterarbeitung, Texte zu schreiben, diese zu analysieren oder jene zu interpretieren. Klein angefangen mit kürzeren Passagen lernen sie, worauf beim Verschriftlichen oder Erarbeiten eines Textes beziehungsweise Werkes alles geachtet werden muss. Sie werden besonders in ihren jungen Lebensjahren mit Informationen überschüttet, was irgendwann in Fleisch und Blut übergeht. Mit die wichtigste Grundlage Texte verstehen zu können, um im Anklang daran mit ihnen zu arbeiten, ist wohl die Kompetenz des Leseverstehens14. Nur wenn richtiges und genaues Lesen gewährleistet werden kann, ist es den Schüler*innen möglich, die Aufsatzerziehung in vollem Umfang erleben zu können. Das nachfolgende Unterkapitel beschäftigt sich mit diesem grundlegenden Fundament.

Die Kompetenz des Leseverstehens wurde im Bildungsplan 2016 fest verankert, wie in der dazugehörigen Beschreibung der prozessbezogenen Kompetenzen geschrieben ist:

Die Kompetenzbereiche „Schreiben“ und „Lesen“ stehen in einem Wechselverhältnis: Im Schreiben werden die potenziellen Leserinnen und Leser mitgedacht, Leseprozesse initiieren häufig Schreibprozesse. Im Deutschunterricht stehen die Methoden der Texterschließung und der Textverstehensprozess im Zentrum. Die Schülerinnen und Schüler erlernen Strategien und Methoden zur Analyse und Interpretation [...] von Sach- und Gebrauchstexten [...] in unterschiedlichen medialen Formen. Bei der Texterschließung geht es zum einen um die Sicherung und die Wiedergabe des Inhalts, zum andern um die Erfassung der sprachlichen Verknüpfungsstruktur des Textes und seiner stilistischen Besonderheiten. Der Textverstehensprozess führt über das analytisch und strategisch Erfasste hinaus: Texte als in Sprache gebrachte Weltentwürfe ermöglichen [...] Identifikation oder Abgrenzung und eine Überprüfung von Handlungsoptionen und Verhaltensdispositionen. Lesend erleben die Schülerinnen und Schüler Literatur als Mittel und Ausdruck von realer und fiktionaler Welterfahrung, lesend entwickeln sie ihre Empathiefähigkeit und Toleranz in der Auseinandersetzung mit dem dargestellten menschlichen Denken, Fühlen und Handeln. Lesen als komplexer kognitiver Prozess integriert Vor- und Weltwissen, wie es auch in der Folge im verstehenden Lesen Wissen erzeugt. [...]15

Die Notwendigkeit des Leseverstehens in Bezug auf Schreibprozesse wird durch dieses Langzitat sehr deutlich beschrieben. Die Schüler*innen benötigen diese Grundlage um die Aufsatzerziehung weiter vorantreiben zu können. Übertragen auf das materialgestützte Schreiben argumentierender Texte und damit noch spezifischer auf den Kommentar zeigt sich hier die Bedeutung des Leseverstehens. Informationen müssen sorgfältig gefiltert und encodiert werden, sie müssen analysiert und bewertet werden16. Ohne Fachkenntnis im Bereich der Lesekompetenz kann es mitunter schwer für die S chüler*innen werden, einen Kommentar zu verfassen, welcher alle Kriterien berücksichtigt.

3. Journalistisches Schreiben

„Was immer du schreibst, schreibe kurz und sie werden es lesen. Schreibe klar und sie werden es verstehen. Schreibe bildhaft und sie werden es im Gedächtnis behalten.“ Joseph Pulitzer17

Journalistisches Schreiben im 21. Jahrhundert ist geprägt durch die dauernd wachsende Konkurrenz anderer Medien. Aufgrund dieser Tatsache müssen sich journalistische Texte auch in einem Überfluss von Medienangeboten behaupten, die zumeist leichter zu konsumieren sind. Zudem muss jeder Text im überreichen Angebot an aktuellen Lektürestoffen für sich um die Aufmerksamkeit und das Interesse der Leser und Leserinnen werben. Durchschnittlich 28 Minuten verbringen viele, nach einschlägigen Statistiken, mit der Lektüre einer normalen Tageszeitung, die komplett zu lesen in der Regel mehrere Stunden beanspruchen würde18. Wie generell der Journalismus passen sich auch die journalistischen Darstellungsformen an die neuen Nutzungsgewohnheiten in Zuge der Digitalisierung an19. Verschiedenen Leseanreize sorgen also dafür die Aufmerksamkeit an sich zu binden. Diese sind: die äußere Gestaltung wie das Layout oder eine Bebilderung, die innere Organisation des Textes die Nähe zu Leser*inneninteressen und zu guter Letzt die Sprache. Dementsprechend groß ist der Selektionsdruck für jeden Zeitungsartikel und die Anforderungen an die Journalist*innen, wie sehr sie es schaffen mit ihren Texten die Selektion der Aufmerksamkeit an sich zu binden und die Leser*innenschaft sogar zu ausdauernder Lektüre veranlasst. Ob die Journalist*innen den Anforderungen gerecht werden, zeigt sich in der sprachlichen Gestaltung des Zieltextes:

Zusammenhänge korrekt und verständlich darzustellen und die präferierte Position herauszustellen, so dass der Leser keine Zweifel über die Absichten des Autors bekommen kann, stellt hohe Ansprüche an das Sach- und Sprachwissen des Autors. [.] In der sprachlichen Erscheinung des Textes spiegelt sich wider, wie gut oder schlecht ein Autor diese Aufgaben gelöst hat.20

Journalist*innen sollten eben während ihrer Ausbildung ein gewisses Handwerkszeug erlernen. Dazu gehören klare Strukturen wie die Sprache, der Stil und Aufb au21 [1] .

„Journalistisches Schreiben ist eben Schreiben gegen die Zeit [.]“22 23 24. Effizienz spielt also ebenso eine wichtige Rolle. Gerade im journalistischen Schreiben müssen Zieltexte häufig unter Zeitdruck erstellt werden[2324]. Professionelle Schreiber*innen müssen zudem in der Lage sein, ihre Schreibstrategien flexibel an unterschiedliche Erfordernisse anzupassen25. Ruhmann und Perrin fassen journalistisches Schreiben als Konfliktmanagement auf sechs Ebenen: Erstens muss ein Thema abgegrenzt und es müssen Thesen bzw. Aspekte dafür entwickelt werden. Dafür müssen zweitens Quellen erforscht und Quellentexte bearbeitet werden, wobei drittens eine eigene Position gefunden und formuliert werden und viertens ein Adressatenbezug hergestellt werden muss.

[...]


1 §3 Absatz 1 Satz 1 LPG. Abgerufen am 12. Jul. 2021 unter:

http://www.presserecht.de/index.php?option=com content&task=view&id=13&Itemid=26

2 Sosna, Anette: Aufgabe III A: Materialgestütztes Verfassen eines argumentierenden Textes (Kommentar). In: Leistungsfach und neues Abiturformat 2021. Modul 1: Neue Aufgabenformate, hg. von ZPG VIII Deutsch, Stuttgart 2021, S.14.

3 Eine Bemerkung zur gendersensiblen Sprache dieser Arbeit: Durch die mit dem Gender-Stern(*)-markierte Schreibweise sind sowohl sich dem männlichen und weiblichen Geschlecht zuordnenden Personen als auch alle Personen miteingeschlossen, die sich nicht über das binäre Geschlechtersystem definieren. Diese Schreibung wird hier auch bei Komposita, wie z.B. Schüler*innenvertretung, verwendet. Somit erfolgen ein Sichtbarmachen und eine konkrete Repräsentation der geschlechtlichen Vielfalt. Des Weiteren werden auch gender-neutrale Formulierungen verwendet.

4 Bundesministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg MKJS (Hg.): Bildungsplan des Gymnasiums. Deutsch. Heft Nr. 9, 3/2016 Reihe G. Villingen 2016, S. 6-7.

5 Vgl. Martin Fix: Texte schreiben. Schreibprozesse im Deutschunterricht. 2. Auflage, Paderborn 2008, S. 36.

6 Ebd. S. 36.

7 Vgl. ebd., S. 36.

8 Michael Becker-Mrotzek, Joachim Grabowski, Torsten Steinhoff (Hg.): Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik. Münster 2016, S. 25.

9 Vgl. Fix: Texte schreiben 2008, S. 42.

10 Vgl. ebd., S. 43.

11 Vgl. ebd., S. 37f.

12 John R. Hayes, Linda Flower: The Dynamic of Composing: Making Plans and Juggling Constraints. In: Cognitive Processes in Writing, hg. von Lee W. Gregg und Erwin R. Steinberg, Hillsdale 1980, S. 31.

13 Vgl. Thorsten Pohl, Torsten Steinhoff: Textformen als Lernformen (Vol. 7). Duisburg 2010, S. 13f.

14 Vgl. MKJS: Bildungsplan des Gymnasiums. Deutsch 2016, S.7.

15 Ebd. S. 7.

16 Vgl. ebd. S. 7.

17 Kerstin Liesem, Jörn Kräni>

18 Vgl. Klaus Meier: Crossmedialer Journalismus. Eine Analyse redaktioneller Konvergenz. In: Crossmedia - wer bleibt auf der Strecke? Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, hg. von R. Hohlfeld, P. Müller, A. Richter und F. Zacher, Berlin/Münster 2010, S. 96.

19 Vgl. Klaus Meier: Journalistik (4. Auflage). Konstanz 2018, S. 192.

20 Gabriele Graefen: Schreiben und Argumentieren. Konnektoren als Spuren des Denkens. In: Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien. 2., überarbeitete Auflage, hg. von Daniel Perrin, Ingrid Böttcher, Otto Kruse, Arne Wrobel, Wiesbaden 2003, S. 62.

21 Vgl. Wolf Schneider, Paul-Josef Raue: Handbuch des Journalismus, Hamburg 1996, S. 182f.

22 Vgl. Gabriela Ruhmann, Daniel Perrin: Schreibstrategien in Balance. Was Wissenschaftler von Journalisten lernen können. In: Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien. 2., überarbeitete Auflage, hg. von Daniel Perrin, Ingrid Böttcher, Otto Kruse, Arne Wrobel, Wiesbaden 2003, S. 129.

23 Vgl. ebd. S. 129.

24 Vgl. Daniel Perrin: Kompressionsfaktor 100. Strategien journalistischer Textproduktion optimieren. In: Domänen- und kulturspezifisches Schreiben, hg. von Kirsten Adamzik, Gerd Antos, Eva-Maria Jakobs, Frankfurt/Main 1979. S. 167.

25 Vgl. Arne Wrobel: Schreiben und Formulieren. Prätext als Problemindikator und Lösung. In: Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien. 2., überarbeitete Auflage, hg. von Daniel Perrin, Ingrid Böttcher, Otto Kruse, Arne Wrobel, Wiesbaden 2003, S. 137.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Journalistisches Schreiben im Deutschunterricht am Beispiel des Kommentars. Das Spannungsfeld von materialgestütztem und gestaltendem Schreiben
Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Fachdidaktik Deutsch für M.Ed. M.Ed.-Kurs: Schreibentwicklung – Schreibprozesse (im Spannungsfeld von materialgestütztem und gestaltendem Schreiben
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
40
Katalognummer
V1149135
ISBN (eBook)
9783346541581
ISBN (Buch)
9783346541598
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Journalismus, Kommentar, Schreibprozesse, Leseverstehen, Hayes, Journalistisches Schreiben, Schreibdidaktik, schulische Kommentar, materialgestütztes Schreiben
Arbeit zitieren
Lena Bopp (Autor:in), 2021, Journalistisches Schreiben im Deutschunterricht am Beispiel des Kommentars. Das Spannungsfeld von materialgestütztem und gestaltendem Schreiben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1149135

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