Die Rentenreform von 1957

Entstehung, Grundsätze, Wirkungen


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Situation nach dem zweiten Weltkrieg
2.1 Probleme der Rentenversicherung nach dem zweiten Weltkrieg
2.2 Erste politische Schritte zur Linderung der Altersarmut

3. Politische Debatte um die Ausgestaltung der Rentenreform
3.1 „Schreiber-Plan“
3.2 Entstehung des CDU-Gesetzentwurfs
3.3 Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung
3.4 Haltung der SPD-Opposition, des DGB und der Arbeitgeberverbände

4. Inhalte der Rentenreform
4.1 Dynamisierung und Umlageverfahren
4.2 Rentenformel

5. Wirkung der Reform

6. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Rentenreform von 1957. Das Thema ist auch heute noch sehr aktuell, da mit der damaligen Einführung der umlagefinanzierten und dynamischen Rente die Grundlage für das heutige Rentenversicherungssystem geschaffen wurde. Aufgrund hoher Arbeitslosigkeit, des demographischen Wandels und der immer älter werdenden Gesellschaft in Deutschland entstehen inzwischen Probleme bei der Umsetzung des Generationenvertrages. Immer mehr Menschen befürchten, dass sie beim Eintritt in das Rentenalter keine ausreichenden Rentenzahlungen mehr erwarten können. Vielmehr wird heute wieder über eine zusätzliche Versicherung nachgedacht, um auch im Alter noch ausreichend versorgt zu sein. Bei der Schaffung des Rentensystems 1957 wurde nicht in Erwägung gezogen, dass die Geburtenrate immer weiter sinken könnte.[1] Folgen dieser Einschätzung und der aktuellen demographischen Entwicklung sind ein steigendes Renteneintrittsalter und stagnierende bzw. sinkende Rentenzahlungen.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, die Situation aufzuzeigen, in der die Grundlage für unser heutiges Rentensystem geschaffen wurde. Es soll dargestellt werden, welche Argumente für und gegen die Einführung des Umlageverfahrens und der Dynamisierung der Renten vorgebracht wurden. Das Ergebnis der Diskussionen, also die Rentenreform von 1957, soll dargestellt und die direkte Wirkung nach ihrer Einführung soll beschrieben werden.

2. Situation nach dem zweiten Weltkrieg

2.1 Probleme der Rentenversicherung nach dem zweiten Weltkrieg

Die Ende des 19. Jahrhunderts eingeführte Rentenversicherung sah eine Altersrente ab dem 70. Lebensjahr vor, wobei der Rentenempfänger mindestens 30 Jahre Beiträge geleistet haben musste. Die Rentenversicherung basierte auf einem Ansparungssystem, dem sogenannten Kapitaldeckungssystem. Die Reserven der Rentenversicherung wurden durch Kriege und Wirtschaftskrise stark dezimiert, im Dritten Reich wurde das Geld außerdem noch zweckentfremdet und vor allem der Rüstungsindustrie zugeführt.[2] Dies führte dazu, dass die Renten durch immer weniger Rücklagen finanziert werden konnten und immer mehr Steuermittel für die Rentenzahlungen eingesetzt werden mussten.[3]

In der Bundesrepublik Deutschland wurden nach dem zweiten Weltkrieg zunächst diejenigen Sozialgesetze weitergeführt, die schon in der Zeit vor dem Krieg existiert hatten.[4] Die Rentenversicherung ging auf ein Gesetz aus dem Jahre 1889 zurück. Eine Rente sollte nach damaliger Vorstellung ein Zuschuss zum Lebensunterhalt sein. Dabei sah das Gesetz aber keinerlei Anpassung der Rentenhöhe während der Laufzeit der Rente vor.[5] Das System der Rentenversicherung war vor der grundlegenden Umgestaltung 1957 so ausgelegt, dass die Renten häufig unter dem Sozialfürsorgesatz lagen. Eine weitverbreitete Altersarmut war die Folge. Die damalige Form der Rentenberechnung hatte drei große Schwachstellen[6]:

Der erste Grund für die äußerst niedrigen Rentenzahlungen war, dass die Rente nur als Zuschuss zum Lebensunterhalt angesehen wurde. Hauptsächlich sollte der Lebensunterhalt aus anderen Quellen bestritten werden, das heißt, in den meisten Fällen war die Familie für die Versorgung der älteren Generation verantwortlich.

Das zweite Problem war, dass den Renten ein statisches Konzept zugrunde lag. Die Rentenhöhe wurde nach Beendigung des Arbeitslebens einmal berechnet, und in dieser Höhe wurde sie bis zum Lebensende ausbezahlt. „Das brachte mit sich, dass die Rentner an der Zunahme des gesellschaftlichen Wohlstandes infolge wirtschaftlichen Wachstums nicht teilnahmen, und es barg die Gefahr, dass die Renten im Zuge von Preiserhöhungen entwertet wurden.“[7] Während die Einkommen der erwerbstätigen Bevölkerung anstiegen, stagnierten die Renten oft unterhalb der Armutsgrenze.

Die dritte zu nennende Schwachstelle war, dass die Rentenversicherung auf dem Kapitaldeckungsprinzip beruhte, was bedeutete, dass der Gegenwartswert der zugewiesenen Renten angespart und als Vermögen vorgehalten werden musste.[8] Unter dem Kapitaldeckungsprinzip wird eine Berechnungsmethode für Schadensrückstellungen in der Rentenversicherung verstanden, „bei der nur der Kapitalwert aus bereits eingetretenen Rentenversicherungsfällen ermittelt wird, der einschließlich der Zinsen ausreicht, um alle daraus erwachsenden Ansprüche dauernd zu befriedigen.“[9]

2.2 Erste politische Schritte zur Linderung der Altersarmut

Die Alliierten versuchten schon 1946, ein einheitliches Gesetz für ganz Deutschland zur sozialen Sicherung zu konzipieren. Der Kontrollrat beauftragte das „Manpower - Direktorat“, einen Gesetzentwurf unter deutscher Mithilfe vorzulegen.[10] Der geforderte Entwurf sah bezüglich der Rentenpolitik vor, dass Angestelltenrenten und Arbeiterrenten angeglichen werden sollten, und zwar auf dem niedrigeren Niveau der Arbeiterrenten. Berufsunfähigkeitsrenten sollten abgeschafft werden, und es sollte erschwert werden, Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu haben.[11] Dieses einheitliche Gesetz zur sozialen Sicherheit in Deutschland scheiterte aber, da aus machtpolitischen Überlegungen zunächst die Amerikaner und Engländer die Unterzeichnung des Entwurfs verzögerten und im Frühjahr 1948 die Sowjetunion aus Ärger über die Sechsmächtekonferenz in London ihren Militärgouverneur aus dem Alliierten Kontrollrat zurückzog.

In Westdeutschland verschob sich so die anstehende Reform, da die Gründung der Bundesrepublik Deutschland absehbar wurde und der Alliierte Kontrollrat zunächst die politische Entwicklung abwarten wollte. Die westlichen Besatzungsmächte wiesen im Zuge der Währungsreform 1948 darauf hin, dass deutsche gesetzgebende Körperschaften für die Neuordnung der Sozialversicherung zuständig seien. Bis zur endgültigen Neuordnung sollten die zu leistenden Sozialleistungen zum gleichen Nennbetrag in DM ausbezahlt werden, wie sie vorher in RM bezahlt wurden.[12]

„Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 standen Regierung und Gesetzgeber vor der Aufgabe, zahlreiche Eingriffe der Nationalsozialisten in das Sozialrecht zu korrigieren und die Sozialpolitik auf der Grundlage demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien grundlegend neu zu ordnen.“[13]

In der ersten Legislaturperiode hatten die Verantwortlichen der Regierung vordringlich die akuten Kriegsfolgen zu bewältigen. Im Bereich der Sozialversicherung bedeutete dies, dass nur die dringendsten Probleme angegangen wurden. Eine erste Anpassung der Renten erfolgte im Rahmen einer prozentualen Erhöhung durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz. Im Zentrum des Gesetzes standen Rentenerhöhungen und die Einführung des Prinzips der Mindestrente.[14] Die Wirkung auf die Rentenhöhe war aber verhältnismäßig gering, da das Ausgangsniveau der Renten bei der Erhöhung sehr niedrig war. Die Situation der Rentner verschlechterte sich Anfang der 50er Jahre noch durch die starken Preissteigerungen im Zuge des Korea-Booms, so dass sich für den Gesetzgeber ein dringender Handlungsbedarf ergab.[15] Im Sommer 1951 wurde zunächst das heftig umstrittene Rentenanpassungsgesetz verabschiedet, das durch das Teuerungszulagengesetz ergänzt wurde.[16] Laut Rentenanpassungsgesetz wurden die Renten um 25% aufgestockt, während das Teuerungszulagengesetz einen Ausgleich der Verteuerung von Grundnahrungsmitteln durch einen monatlichen Zuschuss von 3 DM vorsah.[17]

Da auch diese Gesetze die Not vieler Rentner nicht beheben konnten, wurde eine weitere Rentenerhöhung notwendig, die 1953 mit dem Grundbetrags-Erhöhungsgesetz umgesetzt wurde. Es wurden feste Zuschläge in Höhe von 5 DM für Versicherte vereinbart. Witwen und Waisen sollten 4 DM bzw. 2 DM Zuschlag bekommen.[18]

In der ersten Legislaturperiode versuchte man, die größte Not zu lindern, verfolgte dabei aber kein richtiges Konzept für ein soziales Sicherungssystem. „Von einem geschlossenen System sozialer Sicherung mit aufeinander abgestimmten Begriffen, Leistungsvoraussetzungen und Bemessungsmethoden konnte am Ende der 1. Legislaturperiode keine Rede sein, ... .“[19]

Auch in der zweiten Legislaturperiode kam keine umfassende Sozialreform zustande, da sich das Kabinett unter Kanzler Adenauer uneinig war und sich in langwierigen Zuständigkeits-Diskussionen verlor. Konsequenz der erfolglosen Auseinandersetzungen und der näherrückenden Bundestagswahl 1957 war letztlich die Abwendung vom gesetzten Ziel einer umfassenden Sozialreform hin zu einer Rentenreform.[20]

3. Politische Debatte um die Ausgestaltung der Rentenreform

3.1 „Schreiber-Plan“

Der Bund Katholischer Unternehmer gab 1955 den sogenannten Schreiber-Plan als einen Vorschlag zur Sozialreform heraus. Der ursprüngliche Titel der Arbeit lautete „Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft“. Schreiber stellte seine Ideen 1955 auch im Sozialkabinett vor, einer Art Ausschuss, in dem diejenigen Minister zusammenarbeiteten, deren Ministerien von der ausstehenden Sozialreform betroffen waren. Schreiber geht von drei Prämissen aus:

Zum einen haben die Arbeitnehmer Mitte des 20. Jahrhunderts ein anderes Schutzbedürfnis als dies zur Zeit Bismarcks der Fall war. Des Weiteren sollen die Sozialrenten nicht mehr als Zuschuss zum Lebensunterhalt, sondern vielmehr zur Existenzsicherung dienen. Seine dritte Prämisse war, dass die Mittel zur Altersversorgung dem laufenden Sozialprodukt entnommen werden sollten, es sollte keinen angesparten Deckungsfond mehr geben.[21]

Seinen Vorschlag zur Sozialreform beschreibt er als einen solidarischen Vertrag zwischen zwei Generationen[22]. Die Idee dahinter ist, dass die jeweilige Erwerbsbevölkerung die Renten der nicht mehr erwerbstätigen Alten erwirtschaften und gleichzeitig für sich das Recht erwerben, im Alter von den dann Erwerbstätigen mitversorgt zu werden. Die Idee des ‚Generationenvertrages’ geht zurück auf die sogenannte Mackenroth-These, die besagt, dass in einer Volkswirtschaft Sozialausgaben aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode zu finanzieren sind, statt sie aus ehemals bezahlten Beiträgen zu bezahlen.[23]

Schreiber schlug auch eine laufende Anpassung der Renten an die Entwicklung der Lohnhöhe, also eine Dynamisierung der Renten, vor. Ziel war eine Teilhabe der Sozialrentner an der volkswirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung und damit auch am Aufschwung.[24]

Nach Schreibers Ansicht sollte die Versicherungspflicht auch für Selbständige und Besserverdienende gelten. Damit sollte die gesetzliche Rentenversicherung auf einer möglichst breiten Basis stehen.

[...]


[1] Vgl. Hahne, Peter: Die Hand-in-den-Mund-Rente, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 28.02.2005.

[2] Vgl. http://www.bmas.bund.de/BMAS/Navigation/Rente/Gesetzliche- Rentenversicherung/geschichte.html

[3] Vgl. http://www.bmas.bund.de/BMAS/Navigation/Rente/Gesetzliche- Rentenversicherung/geschichte.html

[4] Vgl. Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 192.

[5] Vgl. Schmähl, Winfried: Die Einführung der „dynamischen Rente“ 1957. Gründe, Ziele und Maßnahmen – Versuch einer Bilanz - . ZeS- Arbeitspapier Nr.3/2007, S.6f.

[6] Vgl. Hentschel, Volker: Verteilungskampf zwischen den Generationen. Wenn mentale Widerstände als materielle Sorgen ausgegeben werden: Über Wahrheit und Lüge in der aktuellen Debatte um die Rentenreform, in: Berliner Zeitung vom 30.10.1999.

[7] Hentschel, Volker, 1999, a. a. O.

[8] Vgl. Hentschel, Volker, 1999, a. a. O.

[9] Hadeler, Thorsten/Winter, Eggert (Schriftleitung): Gabler Wirtschaftslexikon, 15. Aufl., Band I-K, Wiesbaden 2000, S. 1691.

[10] Vgl. Hentschel, Volker: Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1880–1980, Frankfurt 1983, S. 146.

[11] Vgl. Hentschel, Volker, 1980, a. a. O., S.147.

[12] Vgl. Abelshauser, Werner, a. a. O., S. 194.

[13] Lampert, Heinz/Bossert, Albrecht: Sozialstaat Deutschland, Entwicklung – Gestalt – Probleme, München 1992, S. 50.

[14] Vgl. Ingenhuett, Eckbert: Wandlungen in der Rentenversicherung bis zum RRG’92,
auf: http://www.forum-sozialhilfe.de/downloads/forumsh_64_51.pdf , S. 55.

[15] Vgl. Hockerts, Hans Günter: Sozialpolitische Entscheidungen im Nachkriegsdeutschland. Alliierte und deutsche Sozialversicherungspolitik 1945 bis 1957, Stuttgart 1980, S. 172.

[16] Vgl. Hockerts, Hans Günter, 1980, a. a. O., S. 178.

[17] Vgl. Ingenhuett, Eckbert, a. a. O., S. 58.

[18] Vgl. Ingenhuett, Eckbert, a. a. O., S. 61.

[19] Hockerts, Hans Günter: Konrad Adenauer und die Rentenreform von 1957, in: Repgen, Konrad (Hrsg.): Rhöndorfer Gespräche Band 1, Die dynamische Rente in der Ära Adenauer und heute, Stuttgart u. a. 1978, S. 11-29, hier: S. 12.

[20] Vgl. Hentschel, Volker, 1980, a. a. O., S. 162.

[21] Vgl. Abelshauser, Werner, a. a. O., S. 196.

[22] Vgl. Schreiber, Winfrid: Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft, Vorschläge zur „Sozialreform“, in: Althammer, Jörg/Habisch, André/Roos, Lothar: Grundwahrheiten des Schreiber-Plans, Bedingungen für eine ehrliche Sozialpolitik, Bergheim 2004, S. 28-72, hier S. 53.

[23] Vgl. Hadeler, Thorsten/Winter, Eggert (Schriftleitung): Gabler Wirtschaftslexikon, 15. Aufl., Band F-H, Wiesbaden 2000, S. 1234.

[24] Vgl. Abelshauser, Werner, a. a. O., S. 196.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Rentenreform von 1957
Untertitel
Entstehung, Grundsätze, Wirkungen
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  ( Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte)
Veranstaltung
Wirtschaftsordnung, Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland 1948 - 1990
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V114960
ISBN (eBook)
9783640162833
ISBN (Buch)
9783640164356
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rentenreform, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftspolitik, Entwicklung, Westdeutschland
Arbeit zitieren
Dipl. Pädagogin, Dipl. Kauffrau Gabriele Haase (Autor:in), 2007, Die Rentenreform von 1957, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114960

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