In dieser Arbeit soll sich mit der Frage auseinandergesetzt werden, wie die Bildung und Arbeitsweise der „Hartz-Kommission“ als Politikberatungsprozess und unter Einbeziehung ihrer Zielsetzung, die Legitimität von politischen Entscheidungen zu verstärken, zu bewerten sind. Dabei sollen vor allem das institutionelle Umfeld und die konkreten Prozesse im Mittelpunkt stehen. Die Inhalte der Beratung und ihre konkreten Ergebnisse werden hierbei
bewusst ausgeklammert und sollen nur dann mit einbezogen werden, wenn sie zur Bewertung des Prozesses beitragen können.
Die notwendigen Grundlagen für diese Untersuchung werden im zweiten Kapitel gelegt, hier sollen wichtige Begriffe definiert und die Kriterien der Bewertung festgelegt werden. Im folgenden Kapitel wird sich dann ganz der Bildung der
Kommission gewidmet und im nächsten den Prozessen während der Kommissionsarbeit. Im Anschluss daran sollen die Bildung und Arbeitsweise der "Hartz-Kommission" mit denjenigen der klassischen Expertengremien der Bundesrepublik, der Enquete-Kommissionen, verglichen werden. Am Ende werden alle Ergebnisse nochmal in einem Fazit gebündelt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Definition der Kriterien der Bewertung und des Forschungsgegenstandes
2.1.Expertenkommission
2.2 Kriterien der Bewertung
2.3. Legitimität
3.Bildung der „Hartz-Kommission“
3.1. Zusammensetzung und Auswahl der Mitglieder
3.2. Zielsetzung
4. Arbeitsweise der „Hartz-Kommission“
4.1. Struktur und Arbeitsweise
4.2. Rolle des Vorsitzenden
4.3 Beurteilung
5. Enquete-Kommissionen
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
7.1. Monografien
7.2. Aufsätze
1. Einleitung
Die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I–IV) sind bis heute ein Thema, das den politischen Diskurs in der Bundesrepublik prägt. Die Agenda 2010 und die mit ihr verbundenen Folgen wirken bis heute nach. Die Reformen der rot-grünen Bundesregierung unter Schröder, die zu einer Umorientierung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik führten, werden allgemein als Paradigmenwechsel in eben jener gesehen und auch unter dem Schlagwort des sich „wandelnden Wohlfahrtsstaats“ beschrieben. Diesem Paradigmenwechsel lag eine fundamentale Neuausrichtung der modernen Sozialdemokratie zugrunde, die in dem Schröder-Blair Papier vom Juni 1999 ausformuliert wurde. In diesem wurden nationale Aktionspläne zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgestellt, die stark von den Ideen Anthony Gidens („the third way“) geprägt waren. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik und geringe Sozialleistungen sollten das Mittel sein, um die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken.1 Im Mittelpunkt des rot-grünen Regierungsprogramms stand die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, da Schröder bei seinem Amtsantritt 1998 versprach, die Zahl der Arbeitslosen merklich zu senken. Zur Durchsetzung seiner Politik bediente er sich dem Konzept des Neokorporatismus, die Auslagerung von wichtigen und umstrittenen Themen in Kommissionen, also im außerparlamentarischen Raum, dies sollte eine leichtere Durchsetzung der Konzepte ermöglichen.2 Aus diesem Grund wurden unter der Regierung Schröder zahlreiche Expertenkommissionen eingerichtet – darunter diverse Enquete-Kommissionen, die Arbeitsgruppe Benchmarking des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, die „Rürup-Kommission“ sowie die Kommission „Moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt“. Diese Expertenkommissionen sollten dazu dienen, den Reformen Legitimität zu verschaffen und Widerstände zu beseitigen.3 Jedoch wurde diese Vorgehensweise auch kritisiert, denn Schröder wurde vorgeworfen, durch die Vorgehensweise des „Politik Outsourcings“ die Parlamente zu entmachten und durch eine inflationäre Nutzung von Expertenkommissionen ebenso die Rolle des Parlamentes zu schwächen.4
Die in der Öffentlichkeit präsenteste und auch wirkmächtigste dieser Kommissionen war die Kommission „Moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt“, auch „Hartz-Kommission“ genannt. Sie legte den Grundstein für die vier Hartz-Gesetze, den Höhepunkt der 1998 begonnenen Reformen des Arbeitsmarktes unter der rot-grünen Regierung.5 Auslöser für ihre Berufung war ein Vermittlungsskandal bei der Bundesanstalt für Arbeit im Februar 2002.6 Dieser Skandal setzte die Regierung Schröder in Anbetracht der bevorstehenden Wahlen unter Handlungsdruck. In der Folge dieses Skandals wurde nicht nur die Führung der BA ausgetauscht, auch sollte durch die Einberufung eines Expertengremiums, das außerhalb des politischen Systems stand, wirkungsmächtig die Kompetenz der Regierung in Sachen Arbeitsmarktpolitik, die durch den Skandal beschädigt wurde, wiederhergestellt werden.7
In dieser Arbeit soll sich mit der Frage auseinandergesetzt werden, wie die Bildung und Arbeitsweise der „Hartz-Kommission“ als Politikberatungsprozess und unter Einbeziehung ihrer Zielsetzung, die Legitimität von politischen Entscheidungen zu verstärken, zu bewerten sind. Dabei sollen vor allem das institutionelle Umfeld und die konkreten Prozesse im Mittelpunkt stehen. Die Inhalte der Beratung und ihre konkreten Ergebnisse werden hierbei bewusst ausgeklammert und sollen nur dann miteinbezogen werden, wenn sie zur Bewertung des Prozesses beitragen können.8 Die notwendigen Grundlagen für diese Untersuchung werden im zweiten Kapitel gelegt, hier sollen wichtige Begriffe definiert und die Kriterien der Bewertung festgelegt werden. Im folgenden Kapitel wird sich dann ganz der Bildung der Kommission gewidmet und im nächsten den Prozessen während der Kommissionsarbeit. Im Anschluss daran sollen die Bildung und Arbeitsweise der „Hartz-Kommission“ mit denjenigen der klassischen Expertengremien der Bundesrepublik, der Enquete-Kommissionen, verglichen werden. Am Ende werden alle Ergebnisse nochmal in einem Fazit gebündelt.
Die Literatur zu dem Themenkomplex der Hartz-Reformen ist äußerst umfangreich und vielschichtig. Für diese Arbeit grundlegend sind die Werke von Katja Patzwaldt, die in ihrer Dissertation „Die sanfte Macht.“ eine umfassende Darstellung der Reformen der rot-grünen Regierung und der Rolle der Politikberatung bei diesen liefert, sowie die Arbeit von Anne-Marie Weimar „Die Arbeit und die Entscheidungsprozesse der Hartz-Kommission.“, in der sie die Arbeitsprozesse der Kommission analysiert. Die zahlreichen Werke von Christoph Butterwegge zu diesem Themenkomplex sind informativ, jedoch auch klar von einer politischen Zielsetzung durchzogen. Für die Analyse der Enquete-Kommissionen wird hauptsächlich die Arbeit von Ralf Altenhof „Die Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestags“ herangezogen, da dieser hier eine umfassende Darstellung der Arbeitsweise und der Geschichte dieser liefert.
2. Definition der Kriterien der Bewertung und des Forschungsgegenstandes
2.1.Expertenkommission
Bei der „Hartz-Kommission“ handelt es sich um eine Expertenkommission, was eine nähere Definition notwendig macht. Expertenkommissionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zeitlich begrenzt sind und ihre Mitglieder hauptsächlich aus Wissenschaft und Interessengruppen und nicht aus Parlament, Regierung und Verwaltung rekrutieren. Ihr Aufgabenbereich liegt in der Bereitstellung von externem Wissen und der Unterbreitung von Ratschlägen zur Umsetzung von politischen Maßnahmen und Programmen. Sie bewegen sich dabei im „Graubereich“ zwischen formaler und informaler Politik, da es anders als für Enquete-Kommissionen und Ausschussanhörungen für sie keine allgemeinen Regeln zur Berufung, Arbeitsweise und dem Umgang mit den Ergebnissen gibt. Diese Flexibilität macht sie jedoch bei Politikern beliebt und daher finden sie sich heute in allen Politikbereichen. Hinzu kommt, dass sie neben der Bereitstellung von Wissen auch eine Funktion bei der Legitimation von staatlichem Handeln erfüllen können.9
2.2 Kriterien der Bewertung
Die Bewertung eines Politikberatungsprozesses kann aus zwei Perspektiven vorgenommen werden – zum einen aus einer „Output zentrierten Perspektive“. Hierbei wird der Erfolg eines Beratungsprozesses an seinen Wirkungen auf die später ausformulierte Politik bewertet. Der Beratungsprozess wird als erfolgreich gewertet, wenn möglichst viele Inhalte aus diesem durch die Politik umgesetzt werden. Zum anderen kann die Bewertung aus einer „prozessorientierten Perspektive“ vorgenommen werden. Bei dieser werden vier Prinzipien miteinbezogen, die die Kommission der Berlin-Brandenburgischen Akademie definiert hat. Diese vier Prinzipien oder auch Leitlinien sind Distanz, Pluralität, Transparenz und Öffentlichkeit. Bei dem Kriterium der Distanz steht vor allem die Unabhängigkeit der Berater im Mittelpunkt. Das Kriterium der Pluralität bewertet, ob unterschiedliche Perspektiven in dem Beratungsprozess vertreten sind. Die Offenlegung der Entscheidungsprozesse und der Arbeitsweise der Beratung stehen im Zentrum des Kriteriums der Transparenz und das Prinzip der Öffentlichkeit bewertet den Prozess aufgrund der Tatsache, ob relevante Informationen für alle gleichberechtigt zugänglich sind.10 Diese Untersuchung wird sich hauptsächlich bei der Bewertung der „Hartz-Kommission“ und auch beim Vergleich mit den Enquete-Kommissionen auf diese Kriterien stützen.
2.3. Legitimität
Wie oben bereits beschrieben, bestand eine wichtige Funktion der „Hartz-Kommission“ für die Regierung Schröder darin, ihren politischen Entscheidungen zusätzliche Legitimation zu verleihen. Daher soll auch dies ein Kriterium der Bewertung sein, inwiefern die „Hartz-Kommission“ in diesem Bereich wirkte. Die Definition von Patzwaldts lautet: „ Legitimität bedeutet, dass eine Organisation rechtmäßig in einem soziologischen Sinne ist ~ sie hinsichtlich ihrer Existenz, ihres Zuständigkeitsbereichs und ihrer Funktionsweise anerkannt und unterstützt wird, im Gegensatz zu lediglich gesetzmäßiger, formaler Legitimität. Die Unterstützung in diesen Hinsichten basiert auf ‚sinnvollen Erklärungen‘ (Institutionen) und kann von passiver Akzeptanz bis zu aktiver Beteiligung reichen. Sie zu erlangen, stellt die grundlegende Handlungsorientierung einer jeden Organisation dar.“11 Diese wird hier für die vorliegende Arbeit übernommen.
Nach Wagschal gibt es drei Legitimationsperspektiven, zum einen wären da die beiden von David Easton definierten, die „Input-Legitimation“ und „Output-Legitimation“, das Modell von Easton wurde dann von Vivian Schmidt dadurch verfeinert, dass die Perspektive der „Throughput-Legitimation“ von ihr definiert und konkretisiert wurde. Diese Perspektive gab es schon im Modell von Easton, sie wurde jedoch von diesem als „Black-Box“ angesehen. Die „Input-Legitimation“ bezieht sich auf die demokratische Legitimation von Beratungsprozessen. Sie wird durch die Verwendung von evidenzbasierten Informationen erhöht und gesenkt, wenn der Beratungsprozess nur zur Durchsetzung politischer Ziele verwendet wird. In diesem Modell spielt ebenfalls die Unabhängigkeit der Beratung eine Rolle, ist sie nicht gegeben, wirkt sich dies negativ auf die „Input-Legitimation“ aus. Die „Output-Legitimierung“ konzentriert sich wie die „Output zentrierte Perspektive“ auf die Ergebnisse des Beratungsprozesses. Hierbei steht aber nicht die Umsetzung der Vorschläge des Beratungsprozesses im Mittelpunkt, sondern die Frage danach, ob diese Vorschläge in ihrer Wirkung eine Verbesserung der Umstände bewirkten. Die „Throughput-Legitimation“ konzentriert sich ganz auf das Verfahren des Beratungsprozesses.
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1 Vgl. Bender, Benedikt: Politisch-ökonomische Konfliktlinien im sich wandelnden Wohlfahrtsstaat. Positionierung deutscher Interessenverbände von 2000-2014. Wiesbaden, 2020, S. 1f. Ähnlich. Butterwegge, Christoph: Hartz IV und die Folgen. Auf dem Weg in eine andere Republik? Weinheim, 2015, S. 58f.
2 Vgl. Butterwegge, Christoph: Krise und Zukunft des Sozialstaates. 6. Auflage, Wiesbaden, 2005, S. 156ff.
3 Vgl. Sesselmeier, Werner: Politik Beratung in der Arbeitsmarktpolitik. In: Svenja Falk u. a. (Hrsg.): Handbuch Politikberatung: Wiesbaden, 2019, S. 310. Ähnlich Patzwaldt, Katja. Die sanfte Macht. Die Rolle der wissenschaftlichen Politikberatung bei den rot-grünen Arbeitsmarktreformen. Bielefeld, 2015, S. 21.
4 Vgl. Siefken, T. Sven: Expertenkommissionen der Bundesregierung. In: Svenja Falk u. a. (Hrsg.), 2019, S. 148. Ähnlich. Römmele, Andrea: Politikbezogene Gesellschaftsberatung: theoretische und empirische Annäherung. In: Sommermann, Karl-Peter (Hrsg.): Sachverständige Politikberatung. Funktionsbedingung oder Gefährdung der Demokratie? Baden-Baden, 2015, S. 35.
6 Vgl. Butterwegge, 2015, S. 70. Auch. Gerntke, Axel/ Klute, Jürgen/ Troost, Axel/ Trube, Achim (Hrsg.): Hart(z) [6] Vgl. Patzwaldt, 2015, S. 10. am Rande der Seriosität? Die Hartz-Kommission als Modell der Politikberatung und -gestaltung? Kommentare und Kritik. Münster, 2002, S. 9. Auch. Weimar, Anne-Marie: Die Arbeit und die Entscheidungsprozesse der Hartz-Kommission. Wiesbaden, 2004, S. 45f.
7 Vgl. Patzwaldt, 2015, S. 209–212.
8 Vgl. Siefken, 2019, S. 159.
9 Vgl. Ebd. S. 145–155.
10 Vgl. Römmele, 2015, S. 38f. ähnlich Wagschal, Uwe: Politikberatung und demokratische Legitimität. In: Svenja Falk u. a. (Hrsg.), 2019, S. 63–64.
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