Inwiefern ist das Mercosur-EU-Abkommen ein Ausdruck (Post)-Neoliberaler Wirtschaftspolitik?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung:

2. (Post)Neoliberalismus?
2.1 Probleme im Neoliberalismus
2.2 Wandel des Neoliberalismus
2.3 Brüche und Kontinuitäten
2.4 Krisenbewältigungsstrategien
2.5 Neoliberale Naturverhältnisse
2.6 Post-Neoliberale Naturverhältnisse
2.7 „Green Capitalism“

3. Umweltpolitik in Lateinamerika
3.1 Peripherie des Umweltschutzes
3.2 Rodung der Waldflächen
3.3 Investitionen

4. Das EU-Mercosur-Abkommen
4.1 Freier Handel
4.2 Neue Absatzmärkte
4.3 Regelungen der Agrarwirtschaft
4.4 Militärischer (Sub-)Imperialismus
4.5 Rohstoffabhängigkeit der EU
4.6 Erschließung neuer Kapitalausweichmöglichkeiten

5. Fazit

6.Literatur

1. Einleitung:

Seit 20 Jahren wird zwischen dem südamerikanischen Wirtschaftsblock „Mercosur“ und der Europäischen Union ein allumfängliches Freihandelsabkommen verhandelt, welches sich nun - laut etlichen Presseberichten - auf der Zielgeraden befinden soll (vgl. Focus Online 2019, o.S.).

Doch welche Folgen wird eine Schaffung der bisher größten Freihandelszone der Welt haben?

Hierzu scheiden sich die Meinungen vielerlei Ökonomen, Politologen und Umweltforscher. Einerseits sichere das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Arbeitsplätze in der Wirtschaft. Schließlich entstehe eine neue Handelszone mit über 780 Millionen Konsumenten und einer Kaufkraft von 19 Billionen US Dollar. Andererseits gebe es zahlreiche Bedenken, dass das Freihandelsabkommen zum einen europäische Agrarbetriebe wettbewerbsunfähig mache sowie in fatalem Ausmaße der Umwelt schade (vgl. Tagesschau Online 2019, o.S.). Der zuständige EU-Ausschuss beteuert, dass das Freihandelsabkommen erhebliche wirtschaftliche Vorteile mit sich bringe und gleichzeitig hohe Produktionsstandards fördere. Darüber hinaus werde an der Umsetzung des Pariser Klimaschutzübereinkommens gearbeitet (vgl. Europa Online 2019, o.S.).

Allerdings stehen vielerlei Experten diesem Abkommen kritisch gegenüber. Es kursieren Behauptungen, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro eine „rücksichtslose Landwirtschafts- und Umweltpolitik verfolgt, den Agrarkonzernen leichteren Zugriff auf Amazoniens Regenwälder eröffnet und den Kampf gegen die Klimakatastrophe weitgehend einstellt“ (Regenwald Online 2019, o.S.). Erst jüngste Ereignisse befeuern diese Debatte. Allein im Juli wurde in Brasilien vier Mal so viel Wald abgeholzt wie im gleichen Monat des Vorjahres (vgl. T-Online 2019, o.S.). Neben der Dürre seien es insbesondere Rodungsarbeiten, um „zugunsten Viehzucht illegal Flächen freizumachen“ (Zeit Online 2019, o.S.), welche kürzlich über 9.507 Waldbrände im Amazonas ausgelöst haben.

Da eine Betrachtung der zahlreichen juristischen, wirtschaftlichen und sozialen Prozesse, welche dieses Abkommen betreffen, an dieser Stelle nur eingeschränkt möglich ist, wird eine Betrachtung aus makrosoziologischer Perspektive vorgenommen:

In vorliegender Arbeit wird die These verfolgt, dass das EU-Mercosur Freihandelsabkommen eine Fortsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik - unter dem Deckmantel post-neoliberaler Bewältigungsstrategien - ist. Zunächst werden verschiedene Perspektiven des (Post)- Neoliberalismus beschrieben. Im zweiten Teil der Arbeit wird dies anhand der Agrarpolitik von Südamerika vertiefend dargestellt. Es folgt eine kritische Betrachtung des EU-Mercosur Freihandelsabkommens anhand offizieller Unterlagen sowie eines Kommentars der NGO Misereor. Weiterhin wird thematisiert, dass klassisch neoliberale Wirtschaftspolitik den Neo- Extraktivismus in Lateinamerika aktiv fördert, um den europäischen Konsumstandard zu befriedigen.

2. (Post)Neoliberalismus?

Natürliche Ressourcen und die Vermarktung „grüner“ Produkte sind ein elementarer Bestandteil der modernen Wirtschaftspolitik auf globaler Ebene. Einerseits handelt sich bei der Erwirtschaftung von „grünen Produkten“ um eine post-neoliberale Bewältigungsstrategie von Problemen des Neoliberalismus, andererseits lässt sich zugleich eine Fortführung neoliberaler Produktionsweisen erkennen. Im Folgenden wird die Verwirtschaftlichung der Natur in die Denkrichtungen des Neo- und Post-Neoliberalismus eingeordnet. Aufgrund der Komplexität dieser Problematik, wird sich hauptsächlich auf den Neo-Extraktivismus in Lateinamerika, vorzugsweise in Brasilien, bezogen.

Der Soziologie Edgardo Lander spricht bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen Lateinamerikas auch von einer Fortführung eines „kapitalistisch-kolonialen Weltsystems“ (Lander 2014, S. 3). Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, auch als „Neo-Extraktivismus“ bezeichnet, führe zwar zu einer „Ausweitung der nationalen Beteiligung an den Gewinnen“ und dies fördere wiederum einen höheren Anteil der „Gewinne für sozialpolitische Maßnahmen zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung“ (ebd., S. 6), sei aber umwelt- sowie sozialpolitisch nicht nachhaltig.

Die Phase des Neo-Extraktivismus sei kurzgefasst jener Übergang, welcher zwar zur Akkumulation des Reichtums der Machthaber führe, zugleich aber auch der Bevölkerung zu Gute komme (vgl. ebd., S. 8). Andererseits führe der Primärgüterexport natürlicher Ressourcen zu „sozioökologischen Folgekosten“ (ebd., S. 6). Rohstoffförderung sei nicht nachhaltig und schade auf langer Dauer der Umwelt und der Volkswirtschaft. Zudem fördert der Export von Rohstoffen die neokoloniale Abhängigkeit von hegemonialen Mächten.

Im Folgenden werden theoretische Ansätze von Brand/Wissen sowie Foster, Kotz und Lapavitsas dargestellt. Jene widmen sich intensiv der Frage, inwiefern eine Ausbeutung menschlicher und natürlicher Ressourcen den (post)-neoliberalen Ansätzen entspricht. Es wird die These erörtert, dass das Freihandelsabkommen den Grundzügen jener Theorien entspricht.

2.1 Probleme im Neoliberalismus

Nach David Kotz leben wir seit 1980 im ““neoliberal capitalism,” in which the government retreated from regulation of business and markets, and trade unions were marginalized” (Kotz 2015, S. 1). Freie Marktwirtschaft ist das hauptsächliche Merkmal des Neoliberalismus. Eine freie Martkwirtschaft verspreche auf globaler Ebene Wohlstand für alle Bürger. Nach Kotz sei jedoch das Gegenteil geschehen: Durch eine Deregulierung des Marktes werden die Armen - beim Kampf um begrenzte Ressourcen - ärmer und „neoliberal capitalism was delivering rising profits and growing riches“ (ebd., S. 6). Dies geschieht auch mithilfe des Finanzsektors, welcher den Konsumenten Kredite zur Befriedigung des „American Dreams“ gebe. Dieses System zeigte sich jedoch instabil während der Finanzkrise 2008: „As households lost the ability to borrow against their no-longer-inflating home values, consumer spending dropped at the beginning 2008, driving the economy into recession.” (ebd., S. 8)

Der Politologe Costas Lapavitsas erklärt, dass Investitionen hegemonialer Mächte zu einer Machtakkumulation durch Kapitalanhäufung führen. Er definiert einen marxistischen Ansatz der globalen Zweiklassengesellschaft (vgl. Lapavitsas 2013, S. 793). Im Neoliberalismus beherrschen Finanzmärkte, Finanzakteure und Finanzinstitutionen den globalen Produktionssektor (vgl. ebd., S. 794). Mit den 2000ern änderte sich jedoch das Verhältnis der hegemonialen Mächte und der Produktionsländer. Produktionsländer erwarben Kompetenzen und integrierten sich in den Finanzsektor. Weitere Merkmale des Neo­Liberalismus sind die Deregulierung der Märkte, Privatisierung von staatlichen Aufgaben, Globalisierung und damit einhergehende Ausbeutung und die Ideologie, die Freiheit des Einzelne übersteige die Kollektivität (vgl. ebd., S. 800).

Mit der Finanzkrise 2008 wird auch von einer „Krise des Neoliberalismus“ gesprochen. Unzählige Ökonomen analysieren die Finanzkrise als Scheitern des neoliberalen Wirtschaftssystems. Nach Kotz zeige die Finanzkrise 2008 - welche sich dadurch auszeichne, dass das Wirtschaftsgefüge von “Angebot” und Nachfrage” außer Gleichgewicht fiel - Alternativen zum „neoliberal capitalism“ auf. Dieser sei ersetzbar „through another version of regulated capitalism, which can potentially address the problems that led to the current crisis” (Kotz 2015, S. 2).

2.2 Wandel des Neoliberalismus

Der Politolge Ulrich Brand erkennt, dass der Neoliberalismus an seine Grenzen stößt und Märkte sich nicht einfach nach dem Prinzip von „Angebot“ und „Nachfrage“ regulieren. Er beschreibt, dass es gewisse Krisenstrategien der Machthaber gebe, um ihre Hegemonialstellung zu halten, zugleich aber innovative Staatsinterventionen gefordert werden, um den Krisen ebenfalls entgegenzuwirken. Der Druck durch Niedriglöhne, Privatisierungen und schließlich Umweltprobleme befeuert eine Diskussion um die Ungleichverteilung, welche durch die neoliberale Politik begünstigt wird. Brand beschreibt, dass jener Zweifel an dem neoliberalen Paradigma als „Post-Neoliberalismus“ beschrieben werden kann (vgl. Brand 2011, S. 37). Im Post-Neoliberalismus wird an der Regulierungsmacht des Marktes gezweifelt und Bewältigungsstrategien werden entwickelt, welcher möglichst sozio-ökonomisch und ökologisch vertretbar sind.

So sei die Rede von einer „demokratischen Neuordnung der Finanzmärkte und ihrer Akteure, eines Umbaus des Kreditsystems, dem Abbau von Kapitalmacht, einen Ausgleich der Leistungsbilanzdefizite über die Förderung von Wirtschaftsdemokratie, die Einführung bzw. Erhöhung einer Vermögens(zuwachs)steuer, Arbeitszeitpolitik und Grundeinkommen, eine grundlegende Umorientierung der europäischen Wirtschaftspolitik und den Aufbau einer Sozialpolitik“ (ebd., S. 38).

2.3 Brüche und Kontinuitäten

Ulrich Brand beschreibt gewisse Brüche, aber auch Kontinuitäten in den verschiedenen Denkrichtungen des Neoliberalismus und Post-Neoliberalismus. Der Neoliberalismus sei in seiner Widersprüchlichkeit relativ stabil. Eine Kontinuität im Neoliberalismus seien konkurrierende und kooperierende Herrschaftsmächte an sich, dauerhafte Wachstumsmodelle und Energie- und Ressourcenprobleme. Es gebe allerdings auch Brüche im Neoliberalismus: z.B. der Kommunismus in China, staatliche Interventionen in Europa oder progressive gesellschaftliche Akteure (wie Gewerkschaften). Insbesondere Letztere, soziale Bewegungen, gelangen über demokratische Prozesse in Wahlprograme von Parteien und den öffentlichen Sektor. Brand verfolgt die These, dass jene sozialen Bewegungen ein Ausdruck und gleichzeitig die Folge des Post-Neoliberalismus sind. Solche Bewegungen seien in den Zeiten der multiplen Katastrophen eher passiv und wirken auf die Mentalität der Bevölkerung ein. Erst mit dem aktiven Agieren von „Linken Parteien“, so Brand, müssen Herrschaftsverhältnisse umgeworfen werden (vgl. ebd., S. 10ff.).

2.4 Krisenbewältigungsstrategien

Post-neoliberale Krisenbewältigung ist eine Bewältigung kapitalistischer Probleme. Solche Strategien können in verschiedenen Formen auftreten. Nach Brand sei das grobe Konzept der linkspolitisch post-neoliberalen Bewältigungsstrategie „zum einen die unkontrollierten Finanzmärkte stärker zu regulieren und zum anderen mit Konjunkturprogrammen die Krise zu entschärfen und einen neuen Wachstumszyklus zu ermöglichen“ (ebd., S. 25). Somit sei eine Fokussierung auf den Exportsektor eine legitime Bewältigungsstrategie, um Konjunkturprobleme zu lösen. Allerdings bedarf es einer staatlichen Kontrolle der damit einhergehenden Umverteilung der Ressourcen (vgl. ebd., S. 26). Besonders schwierig sei es, die multiplen Probleme des Neoliberalismus (ökologisch und ökonomisch) mit den richtigen Bewältigungsstrategien zu bekämpfen. Als Beispiel nennt Brand den Ansatz des „Green New Deals“, welcher auf eine ökologische und nachhaltige Wende innerhalb der Industriewirtschaft abzielt. Jedoch fänden diese Vorschläge kaum politische Umsetzung, da einzelne Institutionen nicht zur Umsetzung der Maßnahmen bereit seien. Die größte Herausforderung sei es, „Welthandelsorganisation mit ihrer neoliberalen Konstitution zu schwächen“ (ebd., S. 38).

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Inwiefern ist das Mercosur-EU-Abkommen ein Ausdruck (Post)-Neoliberaler Wirtschaftspolitik?
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
20
Katalognummer
V1150479
ISBN (eBook)
9783346534989
ISBN (Buch)
9783346534996
Sprache
Deutsch
Schlagworte
inwiefern, mercosur-eu-abkommen, ausdruck, post, wirtschaftspolitik
Arbeit zitieren
Florian Gartenschläger (Autor:in), 2019, Inwiefern ist das Mercosur-EU-Abkommen ein Ausdruck (Post)-Neoliberaler Wirtschaftspolitik?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1150479

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