Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Einbindung der deutschen Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges in Westdeutschland wird immer als Musterbeispiel für eine gelungene Integration bezeichnet. Es stellt sich die Forschungsfrage, ob sich die Vertriebenen wirklich integriert oder nur assimiliert haben? Was geschah mit den Menschen nach ihrer Vertreibung? Fanden sie im Westen tatsächlich eine neue Heimat oder versiegte irgendwann ihre Hoffnung auf Rückkehr in die alte?
Im Jahre 2005 jährte sich das Kriegsende zum 50. Mal. Seitdem beginnen auch die Deutschen ihre eigenen Opfer und das Schicksal ihrer Großelterngeneration zu hinterfragen. Zahlreiche Veröffentlichungen, Ausstellungen und Dokumentationen greifen das Thema Flucht und Vertreibung auf. Auch die Diskussion um ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin zeigt, dass dieses Thema gegenwärtig ist und die Menschen bewegt.
Ziel der Magisterarbeit ist die Darstellung der tabuisierten Probleme der Integration in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sowie ihrer Bewältigung. Es wird die Arbeitshypothese aufgestellt, dass die Integration der Vertriebenen erst in der zweiten Generation gelingen konnte. Sie ist indifferent und erfolgte in mehreren, sich zeitlich überlappenden Phasen.
Aus der bewussten Sicht eines Nichtbetroffenen wird das Thema Integration der Vertriebenen ab dem Jahr 1945 bis in die Gegenwart erforscht und dargestellt. Die Arbeit soll eine Übersicht geben, da es nicht möglich ist, das ganze Problem der Integration umfassend darzustellen. Dabei wird das Thema weitgehend historisch aufgearbeitet. Es wird hauptsächlich wissenschaftliche Literatur verwendet, die einzelne interdisziplinäre Phasen und Bereiche umfasst. Sie wird nach einer analytisch-hermeneutischen Arbeitsweise objektiv ausgelegt und gedeutet.
Neben der Literaturanalyse stützt sich die vorliegende Arbeit auf eine Reihe nicht-wissenschaftlicher, leitfadengestützter Experteninterviews mit Zeitzeugen. Jedem Befragten wurden, je nach Spezifika, individuelle Fragen gestellt. Die Fragenkataloge unterschieden sich nach Einheimischen, Vertriebenen, Geistlichen und Verbandsmitgliedern.
Inhaltsverzeichnis
- A. VERZEICHNISSE
- B. EINLEITUNG
- Die wissenschaftliche Fragestellung
- Vorgehensweise
- Der gegenwärtige Forschungsstand
- Begriffsdefinitionen
- C. HAUPTTEIL
- 2.1 Die Vorgeschichte
- 2.1.1 Die Siedlungsgebiete der Deutschen im Osten
- 2.1.2 Die Potsdamer Konferenz
- 2.1.3 Der Aufbruch zu Flucht und Vertreibung
- 2.1.4 Das Gesetz der Flucht
- 2.1.5 Die Anzahl der Vertriebenen
- 2.1.6 Die Verteilung der Vertriebenen
- 2.1.7 Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes
- 2.2 Die Voraussetzungen auf dem Weg zur Integration
- 2.2.1 Der Wille zur Rückkehr in die Heimat
- 2.2.2 Der Heimatbegriff
- 2.2.3 Die Bedeutung der Stammesgemeinschaft
- 2.2.4 Die Ankunft im Westen
- 2.2.5 Die Konfrontation mit den Einheimischen
- 2.2.6 Die Bedeutung des Besitzes
- 2.2.7 Die Kapitalarten (nach Bourdieu)
- 2.2.8 Die psychologischen Barrieren
- 2.3 Die Rolle der Kirchen und die religiöse Integration
- 2.3.1 Das Selbstverständnis der Kirchen im Nachkriegsdeutschland
- 2.3.2 Die Katholische Kirche
- 2.3.2.1 Die Aufgaben der Vertriebenenseelsorge
- 2.3.2.2 Der Vertriebenenseelsorger Pater Paul Sladek
- 2.3.2.3 Die Forderung nach einem Lastenausgleich
- 2.3.2.4 Die Einteilung der Vertriebenenseelsorge in drei Phasen
- 2.3.3 Die Evangelische Kirche
- 2.3.3.1 Die Auslandshilfe
- 2.3.3.2 Die Hilfe zur Selbsthilfe
- 2.3.4 Der pädagogische Auftrag beider Kirchen
- 2.3.5 Die religiöse Integration
- 2.3.5.1 Die Vertriebenen in der Diaspora
- 2.3.5.2 Die Vertriebenen in Regionen gleicher Konfession
- 2.3.5.3 Die Ostpfarrer /-priester
- 2.3.5.4 Der Prozess der Entkirchlichung
- 2.3.6 Die Selbstkritik der Kirchen
- 2.4 Das System der sozialen Sicherung
- 2.4.1 Der Aufbau des sozialen Netzes
- 2.4.2 Die Notwendigkeit zur Schaffung einer klaren Rechtslage
- 2.4.3 Die Arbeitskraft als einziges Kapital
- 2.5 Die politische und rechtliche Integration der Vertriebenen
- 2.5.1 Das Soforthilfegesetz und das Feststellungsgesetz
- 2.5.2 Das Lastenausgleichsgesetz
- 2.5.3 Die Wohnungsvergabe
- 2.5.4 Das Bundesvertriebenengesetz
- 2.6 Die wirtschaftliche Integration der Vertriebenen
- 2.6.1 Die regionalen Unterschiede der wirtschaftlichen Integration
- 2.6.2 Die Auswirkungen der Währungsreform
- 2.6.3 Die Eingliederung der Vertriebenen in den Arbeitsmarkt
- 2.6.4 Die Berufsstellung der Vertriebenen
- 2.6.5 Die alters- und geschlechtsspezifischen Schwierigkeiten
- 2.6.6 Die Bildungschancen und intergenerative Mobilität
- 2.7 Die Selbstorganisation der Vertriebenen
- 2.7.1 Die ersten Vertriebenenvereinigungen
- 2.7.2 Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen
- 2.7.3 Die Landsmannschaften
- 2.7.4 Der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten
- 2.7.5 Der Bund der Vertriebenen
- 2.7.6 Die gegenwärtigen Aktivitäten des Bundes der Vertriebenen
- 2.8 Die gesellschaftliche Integration der Vertriebenen
- 2.8.1 Die Differenzierung der Vertriebenen
- 2.8.2 Die Flüchtlingskinder
- 2.8.3 Die „zweite Generation“
- 2.8.4 Die Verschwägerung
- 2.8.5 Der Patenschaftsgedanke am Beispiel der Stadt Münster
- 2.9 Der Wandel in der Wahrnehmung der Vertriebenen
- 2.9.1 Die Evangelische Kirche
- 2.9.1.1 Die Zäsur in der Arbeit der evangelischen Kirche
- 2.9.1.2 Die Ostdenkschrift der EKD
- 2.9.1.3 Die Reaktionen auf die Denkschrift
- 2.9.2 Die Katholische Kirche
- 2.9.2.1 Der Bischofsdialog 1965
- 2.9.2.2 Die Einrichtung von Visitaturen
- 2.9.3 Die Neue Ostpolitik unter Brandt / Scheel
- 2.9.4 Die Vertreibung aus der Erinnerungskultur
- 2.9.5 Die psychologischen Spätfolgen von Flucht und Vertreibung
- 2.9.1 Die Evangelische Kirche
- D. ZUSAMMENFASSUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Integration der deutschen Vertriebenen in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie untersucht die verschiedenen Aspekte dieses Prozesses, von der Vorgeschichte bis hin zu den Folgen und der Wahrnehmung der Vertriebenen in der Gesellschaft.
- Die historische Entwicklung von Flucht und Vertreibung
- Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Integration
- Die Rolle der Kirchen und der Selbstorganisation der Vertriebenen
- Die psychologischen Folgen und die Veränderung der Wahrnehmung der Vertriebenen in der Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit behandelt die Vorgeschichte der Vertreibung, beleuchtet die Siedlungsgebiete der Deutschen im Osten, die Potsdamer Konferenz und die Gründe für Flucht und Vertreibung. Des Weiteren werden das Gesetz der Flucht, die Anzahl und die Verteilung der Vertriebenen sowie der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes betrachtet. Der zweite Teil analysiert die Voraussetzungen für die Integration, darunter der Wille zur Rückkehr, der Heimatbegriff, die Bedeutung der Stammesgemeinschaft, die Ankunft im Westen und die Konfrontation mit den Einheimischen. Es werden auch die Rolle des Besitzes, die Kapitalarten nach Bourdieu und die psychologischen Barrieren der Integration untersucht. Im dritten Teil wird die Rolle der Kirchen in der Integration der Vertriebenen beleuchtet, einschließlich des Selbstverständnisses der Kirchen im Nachkriegsdeutschland, der Aufgaben der Vertriebenenseelsorge, der Forderung nach einem Lastenausgleich und der Einteilung der Vertriebenenseelsorge in Phasen. Auch die Auslandshilfe und die Hilfe zur Selbsthilfe der evangelischen Kirche werden betrachtet.
Die Arbeit beleuchtet auch das System der sozialen Sicherung, die politische und rechtliche Integration der Vertriebenen sowie deren wirtschaftliche Integration. Dabei werden die regionalen Unterschiede der wirtschaftlichen Integration, die Auswirkungen der Währungsreform, die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und die Berufsstellung der Vertriebenen untersucht.
Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit der Selbstorganisation der Vertriebenen, der gesellschaftlichen Integration und dem Wandel in der Wahrnehmung der Vertriebenen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich den Themen Flucht und Vertreibung, Integration, Heimatkultur, Identität, Kirchen und Religion, Sozialpolitik, Wirtschaft, Selbstorganisation und Erinnerungskultur.
- 2.1 Die Vorgeschichte
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Markus Häßelbarth (Autor:in), 2008, Die Integration der deutschen Vertriebenen in Westdeutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115080