Selbstbestimmtes Wohnen und Wohnumfeld der Bewohner von Seniorenheimen. Eine raumsoziologische Untersuchung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Konstitution von Altersheimbewohnern

3. Erwartungen an den privaten Bereich im neuen Wohnbereich
3.1. Nähe und Distanz
3.2. bauliche Barrierefreiheit
3.3. soziale Barrierefreiheit
3.4. kommunikative Barrierefreiheit

4. Erwartungen an den öffentlichen Bereich im neuen Quartier
4.1. grünplanerische Maßnahmen
4.2. Wege- und Straßenplanung
4.3. Kulturelle und Kirchliche Treffpunkte

5. Resümee

7. Literaturverzeichnis

Die Anlage wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt.

Was gibt es Angenehmeres als ein Greisenalter, das umgeben ist von einer Jugend, die von ihm lernen möchte Cicero 106-43 v. Chr

1. Einleitung

Wie ermöglicht oder verhindert das Wohnen im Altenheim und das Wohnumfelder die Zufriedenheit und Sicherheit alter Menschen trotz oder gerade wegen eines Umzugs? Wie kann selbstbestimmtes Wohnen gelingen? Hier ist nicht die Gesamtheit derer, die eine bestimmte chronologische Altersgrenze überschritten haben im Blick, sondern hilfebedürftige, in ihrer Gesundheit eingeschränkte alte Menschen nicht spezifizierten Alters. Nicht im Fokus sind Themenfelder wie Altersarmut, Gendergesichtspunkte und Bedürfnisse älterer Migranten, Behinderter Menschen sowie besonders Vermögender. Eine Überrepräsentation von Frauen in der Untersuchungsgruppe ergibt sich durch die längere Lebenserwartung von Frauen und der großen Zahl an Männern, die im 2. Weltkrieg ihr Leben ließen, heute jedoch potentiell der zu untersuchenden Gruppe zuzurechnen wären. So sehr das biologische Alter, die Art des Hilfebedarfs, Bildung und Sozialisation unterscheiden, allein gemein ist, dass sie nicht (mehr) am Erwerbsleben teilhaben und in einer gemeinsamen Wohnform leben.

Im zweiten Kapitel soll auf die Heterogenität der Altenheimbewohner eingegangen werden. Hier kann ein Versuch gewagt werden der Frage nachzugehen, ob man alt gemacht wird durch eine abhängige Wohnform.

Anforderungen, die an Alte und Alternde gestellt werden selbstbestimmt zu meistern, erfordern bestimmte räumliche Voraussetzungen. Es kann davon ausgegangen werden, dass bis ins hohe Alter eine gewisse Plastizität und Anpassungsfähigkeit möglich ist, dennoch muss für einen gelungenen Umzug in ein Altenheim die Barrierefreiheit in den Blick genommen werden. Daraufhin soll im dritten Kapitel der private Bereich untersucht werden. Im vierten Kapitel wird versucht, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Altersheimbewohner in Beziehung zu den baulichen Maßnahmen des Quartiers, des Stadtteils zu setzen. Im letzten Kapitel kann mit den gewonnenen Erkenntnissen ein Standortvorteil durch die Anpassungen an den hohen Altenanteil im Quartier verhandelt werden.

2. Konstitution von Altersheimbewohnern

Im Altenheim wohnen sich ursprünglich fremde Menschen unterschiedlichster Konstitution und Herkunft beiderlei Geschlechts zusammen und begegnen sich in der Privatheit des Wohnens. So divergent die jeweilige Vorerfahrungen und Einschränkungen bei den Bewohnern eines Altenheimes sein mögen, so sicher ist, dass diese so gravierend empfunden werden, dass ein Leben daheim zugunsten eines im Heim aufgegeben wird. Veränderungen der Körpergestalt, körperlicher und geistiger Abbau treten in unterschiedlichen Ausprägungen auf und führen häufig in Kombination mit einer den veränderten Bedürfnissen, Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten nicht angepassten Wohnumgebung zur Aufgabe des angestammten Wohnumfeldes hin in die Betreuung.1 Dort soll das Wohlbefinden und wesentliche Kompetenzen aufrechterhalten bleiben, die Lebenswelt möglichst wenig eingeschränkt werden.2

Im Gegensatz zu einem Aufenthalt in einer Rehe oder einem Krankhaus, vermag der Umzug in ein Altenheim keine Verbesserung der gesundheitlichen Situation zu versprechen, sondern führt die Endlichkeit des Lebens vor Augen, was bei Menschen mit entsprechenden Dispositionen zu psychischen Belastungen führen kann.

„Um das soziale Verhalten eines Menschen zu verstehen, mag es wichtiger sein, den Standort zu betrachten, den er im Familienlebenszyklus erreicht hat, als sein tatsächliches Alter.“3 Alter allein reicht für die Bestimmung der Konstitution nicht aus. U. Lehr erinnert, dass altern nicht nur den medizinisch – biologischen Bereich betrifft, sondern gleichermaßen neben den körperlichen Funktionen auch die seelisch-geistigen und sozialen Strukturen.4 Dem Gemeinplatz, im Alter nähme die Intelligenz ab, setzt Rosenmayr Ergebnisse von Querschnittsuntersuchungen entgegen, die feststellen, dass je älter eine Untersuchungsgruppe im Querschnitt sei, seltener Personen mit höherer Bildung oder Berufsausbildung anzutreffen seien, dagegen die Zahl derer mit niedrigerem Bildungsniveau steige. In jüngeren Altersgruppen verhielte es sich entgegengesetzt.5 Um einen höheren Bildungsabschluss zu erlangen, setzt Rosenmayr ein größeres Maß an Intelligenz voraus. Daraus kann geschlossen werden, dass mit der großen Jahrgangsdurchmischung in Altenheimen Menschen unterschiedlichster Intelligenzkapazitäten anzutreffen sind. M. Spitzer führ in Bezug auf Demenz den Vergleich zu einer Bergwanderung an: Wer von einem sehr großen Berg herab läuft, braucht länger, bis er ganz unten ist, wer nur einen Hügel hinabsteigt, ist schneller unten.6

Dem 6. Altenbericht ist zu entnehmen, dass ältere Menschen mit höherem Bildungsniveau ein geringeres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko als gleichaltrige mit geringem Bildungsniveau hätten.7 Dieses ginge mit großer Wahrscheinlichkeit mit Einschränkungen durch körperliche Erkrankungen und Einschränkungen einher. Jedoch seien gesundheitliche Beeinträchtigungen kein Gradmesser für die individuelle und subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes. Nimmt ein Bewohner Verlustprozesse als normal an, wird die Einschränkung sein Altersbild nicht negativ beeinflussen.8 Generell muss bedacht werden, dass es üblich ist, die Konstitution junger Gesunder mit der alter „Gebrechlicher“ zu vergleichen. Korrekter wäre, eine Person im Erwachsenenalter mit ihr selbst im Alter zu vergleichen. Altern ist etwas individuelles, was schon Plato in seiner Politeia betonte. Es sei von jedem Einzelnen anhängig, wie er den „Mühseligkeit des Alterns“ begegne.9 Nun sind Bewohner in Altenheimen nicht nur alt, sie werden auch noch älter. Im zweiten Altenpflegebericht wird davon ausgegangen, dass Bewohner von Altenheimen hilfs-, jedoch nicht pflegebedürftig sind. Gleichzeitig wird erwähnt, dass in vielen Altenheimen auch Pflege geleistet wird.10 Dies ist eine logische Folge dessen, dass das Altenheim der meist letzte Wohnort ist und ein Bewohner

sich vom hilfs- in einen pflegebedürftigen Menschen entwickeln kann. Wie es sich auf die Konstitution von Bewohnern auswirkt, mitzuerleben, wie Mitbewohner einen Leistungsabfall durchleben, ist noch nicht erforscht.11

Intelligenz, Familienstand, Bildungsniveau, Kompetenzen, gesundheitliche Verfassung und Charakterzüge, die ein Mensch im laufe seines Lebens prägten, wirken entscheidend auf das Bild, dass ein alter Mensch von sich selber hat und bei anderen weckt.12 Ferner hat altern den Effekt, dass man in einer „bestimmten Zeit aufgewachsen“ ist und erzogen wurde.13 Owens konnte „hohe Korrelationen zwischen Erhalten bzw. Abnahme intellektueller Fähigkeiten einerseits und Ausmaß des Berufserfolgs, Ausmaß der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Lebensschicksal auch im privaten Bereich mit Persönlichkeitsvariablen wie Aktivität, Anregbarkeit und auch mit der Bereitschaft zu Sozialkontakten andererseits“ feststellen.14 Derzeit können demnach Menschen unterschiedlichster Sozialisation und Konstitution in einem Altenheim aufeinander treffen, die schon eigenständig Lebend im Stadtteil „zuhause“ waren oder ganz fremd sind.

Lehr gibt an, dass 3% bis 4% der über 65 Jährigen in Heimen „untergebracht“ seien.15 Um der negativen Konnotation des Begriffes „untergebracht“ entgegenzuwirken, soll hier der Begriff „leben“ oder „wohnen“ Anwendung finden. Ablehnend begegnen viele Alte dem Wohnen im Altenheim, da sie es als „Abgeschoben werden von der Familie“ wahrnehmen oder den Endgültigkeitscharakter scheuen.16 Lehr stellt fest, dass Bewohner diese Annahme als Denkparadigma ihrer Umwelt vermuten. Angehörige der sozialen Mittelschicht folgen diesem Denken mehr als sozial niedere und höhere Schichten.

Einen Verlust zeitlicher und örtlicher Orientierung zeigten 34% der un- oder falsch auf den Heimaufenthalt vorbereiteten Menschen. Es empfiehlt sich höchste Vorsicht, diese Anpassungsschwierigkeiten nicht mit den ersten Anzeichen einer Demenz zu verwechseln. Um diesen Schwierigkeiten, sowie Formen der Resignation, Lebensunlust und dem Verlust der Selbtbestimmtheit durch fehlgeleitete Adaptionsleistungen zu vermeiden, sind frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Altenheim als Wohn- und Lebensraum von immenser Wichtigkeit. Der Einzug ins Altenheim kann dem Prozess der Desozialisation und Isolation von fragilen Menschen entgegenwirken.17 Folgt man einer These der Dissagementtheorie, die besagt, das die soziale Umwelt Personen Verhaltensänderungen aufzwingt, indem Werte wie Leistungsfähigkeit und Jugendlichkeit propagiert werden und diejenigen, die diesen Werten nicht entsprechen oder sie nicht bedienen können, abgewertet werden, sind Alte und Alternde im Altenheim unter „Ihresgleichen“ und müssen sich in ihrem Wohnumfeld nicht diesen für das Selbstwertgefühl ungünstigen Faktoren stellen. Wird den Bewohnern ihre Abhängigkeit und Begrenzung der Selbstständigkeit vorgeführt, indem sie auf ihre Abhängigkeit von Pflegekassen, Dienstleistungen und Hilfen ständig hingewiesen werden, kann dies zu sinkendem Selbstbewusstsein, mangelndem Eigenantrieb und geringer Aktivität aufgrund der fehlenden Anerkennung ihrer Person führen, was sich negativ auf die Gesamtkonstitution auswirken kann.

[...]


1 Altern und Erkranken sind unterschiedliche Vorgänge, die häufig Wechselwirkungen eingehen, z.B. Messfehler beim Blutdruck und Blutzucker messen durch Einbußen der Sinnesorgane oder Missverstehen der Technik. Bestimmte Veränderungen treten im Alter vermehrt auf: Osteoporo- se, Athropie oder Gelenkversteifung Lungenemphyseme, Diabetes Typ II, Hypertonie, Arthrose, Arteriosklerose, Demenz, Schlaganfall. Das Familienheim als Einpersonenhaushalt kann zu groß, aufwendig zu pflegen und kostspielig sein.

2 BfFSFJ: Mobilität und gesellschaftliche Partizipation im Alter. Kohlhammer. S. 52ff.

3 Rosenmayr, Hilde und Leopold: Der alte Mensch in der Gesellschaft. Rosenmayr zitieren Lan- sing/Kish 1957, S. 512. Demnach verhält sich der Älteste in der Familie wie der Älteste, egal ob er 60 oder 90 Jahre alt ist.

4 Lehr, Ursula: Psychologie des Alterns.

5 Vgl: Rosenmayr, Hilde und Leopold: Der alte Mensch in der Gesellschaft. S. 41-45

6 Vg. Spitzer, Manfred: Digitale Demenz

7 6. Altenbericht, S 159

8 6. Altenbericht, S. 159-160

9 Lehr, Ursula: Psychologie des Alterns. S. 15

10 Zweiter Altenbericht, S. 126.

11 Lehr, Ursula: Psychologie des Alterns. S. 137. Über Entwicklungen der Leistungsmotivation im Erwachsenenalter sind wenige Informationen bekannt, über die der speziellen Gruppe „Alten- heimbewohner“ können nur Ableitungen vorgenommen werden,

12 Im 2. Altenbericht werden diese um die Faktoren Status, Anzahl der Verwandten, Haushaltsein- kommen, Erfahrungshintergrund und nationale/ethische Zugehörigkeit ergänzt, die sich auf die Situation alternder Menschen auswirken. 2. Altenpflegebericht, S. 313

13 Rosenmayr, Leopold: S. 262/263

14 Vgl: Psychologie des Alterns S. 80ff : Die hier untersuchten Daten entstammen um 1900 gebo- rener Menschen. Es kann zumindest angezweifelt werden, ob der Alterungsprozess und Zustand im Alter sowie die Lebenserwartung von Menschen, die zwei Weltkriege überlebt haben, mit den zukünftigen Alten und dem heutigen Altern vergleichbar sind.

15 Psychologie des Alterns, S. 260

16 ebd. S. 263 Diese Ansicht findet sich in der Stadtbevölkerung seltener als auf dem Land. Hier können möglicherweise ein Zusammenhang mit den Zahlen aus der Statistik der Anlage 6 kon- struiert werden, wenn man davon ausgeht, dass in Großstädten ein Zuzug von Arbeitnehmern, Studenten und Familien erfolgt.

17 In städtischen Gebieten besteht die Gefahr der Vereinsamung, da durch Mobilitätseinbußen

ambulante Angebote für Alte nicht erreicht werden, in ländlichen Gebieten gibt es kaum Ange- bote.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Selbstbestimmtes Wohnen und Wohnumfeld der Bewohner von Seniorenheimen. Eine raumsoziologische Untersuchung
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Soziologie – Stadt- und Regionalsoziologie)
Veranstaltung
Stadt- und Raumentwicklung
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
21
Katalognummer
V1151453
ISBN (eBook)
9783346575739
ISBN (Buch)
9783346575746
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seniorengerecht Wohnen, Wohnumfeld, Seniorenanlagen, Bausoziologie, Grade der Einsamkeit, Selbstbestimmung, Treffpunkte, kommunikative Barrierefreiheit, bauliche Barrierefreiheit, Beteiligung, Pädagogik, Soziologie, Altersheim, Ursula Lehr, Mobilität, Wohnen
Arbeit zitieren
Tanja Hammer (Autor:in), 2014, Selbstbestimmtes Wohnen und Wohnumfeld der Bewohner von Seniorenheimen. Eine raumsoziologische Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1151453

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