Die Umsetzung der sich herauskristallisierenden Zweistaatentheorie Walter Ulbrichts zeigte sich unter anderem, und hier aus Gründen der Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland besonders symbolträchtig, in der Einführung des Hammer-und-Zirkel-Emblems in die schwarz-rot-goldene Trikolore im Jahre 1959 und in den vor allem in den 1960er Jahren folgenden vielfältigen Versuchen, die Hammer-und-Zirkel-Flagge zu internationaler Geltung kommen zu lassen. Ziel war die Untermauerung des eigenen Eigenständigkeits- und Eigenstaatlichkeitsanspruches. Wie sah es nun mit einem weiteren Nationalsymbol, der Hymne der DDR aus? Ging von dieser ebenfalls eine „Spaltermentalität“ aus?
Hattenhauer bringt die von Nationalsymbolen ausgehende Intention auf den Punkt und unterstreicht ihre Bedeutung: Nationale Symbole vermögen es, zunächst unanschauliche, die Gemeinschaft tragenden Ideen zur Anschauung zu bringen. Die Möglichkeit eines persönlichen Bekenntnisses des Bürgers und dessen Anteilnahme ist dadurch impliziert. Nationale Symbole (oder auch staatliche Symbole) besitzen also die „Kraft“, den Bürger „mitzunehmen“. Anders als jedoch im Falle der Nationalflagge gab es in Ost und West nach dem zweiten Weltkrieg von Anfang an zwei unterschiedliche deutsche Hymnen. Hieraus ergibt sich also im Allgemeinen kein Abgrenzungsproblem der DDR zur BRD. Das Problem mit der DDR-Nationalhymne war anders gelagert: Wie verhält es sich, wenn der Text der DDR-Hymne, z.B. „Deutschland, einig Vaterland“, nicht (mehr) den von der SED-Führung gewollten Ideen und der propagierten Politik entspricht. Honecker & Co wollten Anfang der 1970er Jahre eben nicht, dass die DDR-Bürger an dem Bedeutungsrepertoire von „Deutschland, einig Vaterland“ Anteil nehmen.
Das Dilemma zwischen Nationalhymnen-Wirklichkeit bzw. deren Aussagekraft und der politischen Orientierung der DDR-Verantwortlichen wird hier beleuchtet. Nach zwei kurzen Exkursen über die Schwierigkeiten mit der Nationalhymne in der BRD und über die Schaffung der DDR-Nationalhymne im Jahre 1949 wird dann ausführlich das Anfang der 1970er Jahre auftretende Problem der SED-Führung mit der Nationalhymne herausgearbeitet. Es wird detailliert auf den Widerspruch zwischen der Ablehnung einer Wiedervereinigung beider deutschen Staaten auf der einen Seite und dem, eine Einheit des deutschen Vaterlandes ausdrückenden Hymnentext auf der anderen Seite einzugehen sein. Wie wurde dieser Misere seitens der DDR beigekommen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung – Fragestellung/Problemkreis
- Exkurs - Probleme mit der Nationalhymne auch im anderen deutschen Staat
- Exkurs - Die Entstehung der DDR-Nationalhymne
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert die Problematik der DDR-Nationalhymne im Kontext der SED-Doktrin und der nationalen Frage. Er untersucht, wie die DDR-Führung mit dem Widerspruch zwischen dem Einheitsgedanken der Hymne und der eigenen Politik der Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland umging.
- Die Bedeutung nationaler Symbole für die nationale Identität und die politische Orientierung
- Der Konflikt zwischen der Einheitshymne „Deutschland, einig Vaterland“ und der SED-Doktrin der Zwei-Staaten-Theorie
- Die Schwierigkeiten der BRD mit der Nationalhymne „Das Deutschlandlied“ nach dem Zweiten Weltkrieg
- Die Entstehung der DDR-Nationalhymne „Auferstanden aus Ruinen“ und ihre politische Bedeutung
- Die Rolle der Nationalhymne in der DDR-Propaganda und im nationalen Selbstverständnis der DDR-Bürger
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik der DDR-Nationalhymne im Kontext der SED-Doktrin und der nationalen Frage dar. Sie verweist auf die Bedeutung nationaler Symbole für die nationale Identität und die politische Orientierung und stellt die Frage, wie die DDR-Führung mit dem Widerspruch zwischen dem Einheitsgedanken der Hymne und der eigenen Politik der Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland umging.
Der Exkurs über die Schwierigkeiten mit der Nationalhymne in der BRD beleuchtet die Debatten um die Verwendung des „Deutschlandliedes“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Er zeigt, wie die Geschichte des Liedes und die nationalsozialistische Vergangenheit die Verwendung der Hymne in der BRD prägten und zu kontroversen Diskussionen führten.
Der Exkurs über die Entstehung der DDR-Nationalhymne beschreibt den Entstehungsprozess der Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ und ihre politische Bedeutung. Er beleuchtet die Rolle von Johannes R. Becher und Hanns Eisler bei der Schaffung der Hymne und analysiert die politische Botschaft des Textes.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die DDR-Nationalhymne, die SED-Doktrin, die nationale Frage, die Zwei-Staaten-Theorie, die deutsche Einheit, die nationale Identität, die politische Orientierung, die Propaganda, die Geschichte deutscher Nationalsymbole und die Rolle nationaler Symbole in der Politik.
- Arbeit zitieren
- Marc Castillon (Autor:in), 2007, Das Problem mit der Nationalhymne: Einheitshymne vs. SED-Doktrin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115171