Wie nehmen Schüler am Gymnasium Musikunterricht wahr, wenn ihre Lieblingsmusik behandelt wird?


Forschungsarbeit, 2015

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorüberlegungen

2. Entwicklung der Untersuchungsfrage

3. Anpassung der Untersuchungsfrage an das schulische Umfeld

4. Theoretische Einbettung des Untersuchungsthemas

5. Auswahl der Untersuchungsmethoden

6. Vorstellung des Untersuchungsdesigns

Literaturverzeichnis

Anhang

1 Vorüberlegungen

Auf der Suche nach einer geeigneten Forschungsfrage für die Untersuchung von Musikunterricht habe ich mich im Vorfeld mit vielen Themenkomplexen befasst, die für ein Studienprojekt infrage kommen könnten. Neben anfänglichen Gedankenblitzen wie „Verknüpfung von analytischen und produktionsorientierten Aufgaben im Musik­unterricht“ oder „wissenschaftspropädeutische Ausrichtung des Fachs Musik“ entschied ich mich letztendlich für eine Ausrichtung, welche die Schülerinnen und Schüler als zentrale Akteure im Unterricht in den Blick nehmen soll.

Eine große Motivation für dieses Forschungsvorhaben ist dabei einerseits aus der Tatsache entstanden, dass ich das Thema von „musikalischer Selbstsozialisation im Zeitalter von Youtube und Spotify“ bereits in meiner Bachelorarbeit behandelt habe, wobei ich auch Einblicke in die Transformationsprozesse der musikalischen Kommuni­kation (v.a. im Bereich der Musikrezeption im Kindes- und Jugendalter) gewinnen konnte. Im vierten Kapitel dieser Skizze werden dabei jene Dimensionen des digitalen Paradigmenwechsels erklärt, in denen sich Kinder heutzutage befinden. Diese Ergebnisse, die aufgrund der Transformationsprozesse eine stärkere Einbindung von Musik in den Alltag postulieren, verdeutlichen außerdem die Relevanz der Forschungs­frage für den Schulalltag, da persönliche Stile, Vorlieben und Lieblingsmusik wichtige Komponenten der Identitätsentwicklung sind, welche auch im Musikunterricht thematisiert werden müssen (s. hierzu das folgende Kapitel).

Einen weiteren eindrücklichen Impuls für das Projektthema lieferte mir das Arbeitsblatt „Die Bilder von Musikunterricht“ im Zuge des Vorbereitungsseminars. Den Studenten wurde die Möglichkeit gegeben, mit 8 Antworten den Satz „Musikunterricht ist...“ zu beenden. Neben der Antwort „Musikunterricht ist langweilig“ schrieb ich auf, dass Musikunterricht einen Bezug zu der sozialen Wirklichkeit der Jugendlichen nehmen soll und verstärkt die musikalischen Vorlieben der jeweiligen Individuen thematisieren muss. Demnach bildet auch die Tatsache, dass ich persönlich in der Unterstufe solche Unterrichtsinhalte wie Lieblingsmusik nicht kennengelernt habe, einen wichtigen Motivationsanreiz für die Frage nach der Wahrnehmung solcher Musik bei den Schülerinnen und Schülern.

2 Entwicklung der Untersuchungsfrage

An dieser Stelle sei betont, dass ich nicht unbedingt nur etwas über Schülerinnen und Schüler herausfinden will, die stark in einer musikalischen Szene verwurzelt sind (Christoph Wallbaum spricht hier von „Kernszenen“);1 vielmehr geht es in einem ersten Schritt darum, die Haltungen von Schülerinnen und Schülern gegenüber der unterrichtlichen Thematisierung ihrer Lieblingsmusik mittels Interviews zu erforschen. Wie man hieraus nun eine Fragestellung für den zweiten Schritt (wie kann man die gewonnen Erkenntnisse für seinen eigenen Unterricht fruchtbar machen) ableiten kann, soll im weiteren Verlauf erläutert werden:

Nicht jeder Schüler kann sich für eine Auseinandersetzung mit „klassischer“ (Schul-) Musik motivieren und nicht jede Lehrkraft kann die Fülle von Schülermusik adäquat kennen, geschweige denn behandeln; es gibt nämlich so viel Stile und Genres, dass es als Lehrkraft kaum einzuschätzen ist, welche Geschmackspräferenzen innerhalb einer Klasse überhaupt vorliegen bzw. ob man sich z.B. mit einem Musikbeispiel aus den Charts überhaupt sicher sein kann, alle motivieren und erreichen zu können.2

Sollte man im Unterricht aber schülerspezifische Genres behandeln, werden viele Parameter auf unterschiedlichen Ebenen interessant, da im Vergleich zu „neutralen“ Themen hierbei ein Bezug auf die eher privaten und freizeitlich orientierten Hörinteressen der Kinder und Jugendlichen genommen wird. Das sicherlich positive Potenzial von Schülermusik im Unterricht sowie einige Stolpersteine bei ihrer Thematisierung sollen im Folgenden verdeutlicht werden, um einerseits die Un- Unterrichtbarkeit von Schülermusik zu erläutern und um andererseits auch auf heterogene Meinungen der Schülerschaft hinzuweisen, welche besonders bei der Gestaltung des Interviewleitfadens und der Durchführung der Gespräche berücksichtigt werden müssen.

Jürgen Terhag fragt:

„Warum gelingt es im Musikunterricht so selten, zu einem Thema zu motivieren, das in der Freizeit für fast alle Schülerinnen und Schüler wichtig erscheint? Warum versuchen Musiklehrerinnen und Musiklehrer so selten, mit musikalisch naheliegenden Unterrichtsinhalten wirksam und langanhaltend zu motivieren?3

An dieser Stelle wird der Behandlung von Lieblingsmusik innerhalb des Musik­unterrichts ein hoher motivationaler Impetus beigemessen; die Motive und Ziele bei ihrer Thematisierung sind die Hoffnung auf das Interesse bei den Schülerinnen und Schülern. Der Autor geht hierbei davon aus, dass sie aufmerksam und interessiert mitarbeiten, vielleicht sogar noch mehr als sonst. Die Gruppe soll spüren, dass ein thematisches Feld angeschnitten wird, welches sie alle angeht.4

Auch hinsichtlich der oben kurz erwähnten Transformationsprozesse musikalischer Kommunikation sieht Terhag “Populäre Musik [...] untrennbar mit medialen Lebens­welten verbunden und auf diese bezogen [...]. Ohne die technisch-mediale [...] Distribution war populäre Musik von Anfang an undenkbar.“5

Hier wird besonders der Zusammenhang zwischen Lieblingsmusik, den vielfältigen Rezeptionsmöglichkeiten sowie dem Bedeutungsgehalt von Medien für die Jugend­lichen deutlich. Es stellt sich nunmehr die Frage nach der Relevanz, warum populäre Musik Einzug in den Musikunterricht finden soll: Welche konkreten motivationalen Veränderungen können sich bei den Schülerinnen und Schülern beobachten lassen? Welches Potenzial birgt eine schülerzentrierte Auswahl musikalischen Materials und welche Erkenntnisse kann man hieraus als Lehrkraft gewinnen?

Nach Terhags Auffassung besitzt populäre Musik eine große Motivationskraft, die den Musikunterricht aktualisieren, Kreativitätssteigerungen erreichen und sicherlich auch Interesse am Instrumentalunterricht wecken kann.6 Das Aktuelle hat häufig eine große Anziehungskraft auf Schülerinnen und Schüler, und es gehe im Musikunterricht auch darum, Musikstücke als Medien ästhetischer Erfahrungen zur Geltung zu bringen.7

Doch gerade die Thematisierung persönlicher Hörgewohnheiten verläuft nicht immer reibungslos, denn die Behandlung von Schülermusik beinhaltet zugleich auch, dass die Jugendlichen ihre Musik bzw. die Bedeutung dieser Musik für ihren Alltag und vor allem für ihre Freizeit offenlegen müssen. Jürgen Terhag erläutert hierzu einige Problemstellen, die er unter dem Begriff der Un-Unterrichtbarkeit von Schülermusik zusammenfasst. Er behauptet, dass „kaum ein Pädagoge die Schüler-Musik so angemessen zu erfassen vermag, daß er von Schülerinnen und Schülern als Gesprächspartner in diesem Bereich akzeptiert wird.“ [...] Selbst im aufgeschlossenen Lehrer sieht ein skeptischer oder lernunwilliger Schüler bei kleinsten Fehlern oder Ungenauigkeiten den Eindringling, der ihn ,seiner‘ Musik entfremden will. Aus diesem Grund bauen Schülerinnen und Schüler einen Schutzmechanismus auf, der sie auch für Informationen taub werden lässt, die sie vielleicht angenommen hätten, wenn ihr Lehrer nicht von Schüler-Musik ausgegangen wäre.“8

Kernpunkt dieser Argumentation ist, dass speziell bei Schülermusik Schwierigkeiten hinzukommen, die ihre Ursachen im Widerspruch zwischen freizeitlich ausgerichteten Hörinteressen im Spannungsfeld des eher arbeitsorientierten Musikunterrichts haben. Besonders problematisch ist hierbei der Aspekt einer möglichen Wertung von Schülermusik durch die Lehrkraft, durch den sich die Schülerinnen und Schüler im Bereich ihrer Musik ,mitbewertet' fühlen; es darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass der Lehrer die Schüler hinsichtlich ihres Geschmacks und letztendlich auch ihrer selbst beeinflussen bzw. manipulieren wolle.9 Darüber hinaus besteht das Problem, sich dem Thema entweder zu ,verkopft' zu nähern oder aber auch, den Unterricht in „zerstreuter Rezeption“10 zerfließen zu lassen. Um dies zu verhindern, muss den Schülerinnen und Schülern deutlich gemacht werden, dass im Musikunterricht keinesfalls nur rational analysiert wird, sondern auch affektive und ästhetische Parameter eine wichtige Rolle spielen, welche die Schülerinnen und Schüler zu einer motivierenden Auseinandersetzung mit ihrer Lieblingsmusik führen können; ihre Musik darf weder zum rohen ,Arbeitsmaterial' noch zur unreflektierten ,Höreinheit' umfunktioniert werden, um die Kinder von dem affektiven Druck zu entlasten.11

Man kann also nicht unbedingt voraussetzen, dass Schülerinnen und Schüler die Behandlung ihrer (eher freizeitorientierten) Hörgewohnheiten hinsichtlich der insti­tutionell flankierten Lernsituation befürworten. Hierbei wird deutlich, dass man als Lehrkraft sowohl der Sache selbst als auch den Schülern gegenüber eine angemessene Haltung einnehmen muss. Allerdings kann hier die intensivere Erörterung der Bedingungen für die Entwicklung einer Didaktik der Populären Musik aus Platzgründen nicht geleistet werden und ist auch nicht Gegenstand dieser Projektskizze. Vielmehr soll in Bezug auf die empirischen Analysen von Terhag deutlich werden, dass die Thematisierung von Schülermusik im Musikunterricht auch Problemstellen aufweist, und die Schülerinnen und Schüler davon abgeneigt sein können.

Die Meinungen und Auffassungen der Schülerinnen und Schüler des F.-S.-Gymnasiums über die Behandlung ihrer Lieblingsmusik im Unterricht sollen durch Interviews zutage gefördert werden, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, welche unterrichtspraktischen Schlüsse daraus ableitbar sind (Die Überlegungen hierzu werden detailliert im 5. und 6. Kapitel erläutert).

Die Untersuchungsschwerpunkte des Vorhabens fokussieren vor allem eine ästhetische Prämisse. Damit ist gemeint, dass die Bewusstmachung bzw. Thematisierung der schülereigenen Musik(praxis) und das Kennenlernen anderer Musiken12 dahingehend als Bildungsziele der Schule betrachtet werden können, indem die ästhetische Praxis und die Erfahrungen auf diesem Gebiet im Zentrum des Unterrichts stehen. Hierdurch können wichtige Bildungsprozesse in Gang gesetzt werden, da Jugendkulturen eine hohe Bedeutung für Kinder und Jugendliche haben. Sollen solche musikalisch­ästhetischen Erfahrungsräume also nicht aufgegeben werden, muss eine offene Praxis im Unterricht realisiert werden, in der Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben wird, ästhetische Urteile selber zu fällen; und zwar über Musik, die genau ihre Lebensformen repräsentiert. Schule und Schüler müssen dabei im gemeinsamen Interesse an Musik (als Ausdruck von Jugendkulturen) und offener ästhetischer Praxis zusammenfinden können.13

[...]


1 Vgl. Wallbaum, Jugendkultur und ästhetische Praxis im Musikunterricht, S. 30.

2 Vgl. ebd., S. 34. Wallbaum spricht hier davon, dass sich der Lerngegenstand der populären Musik z. T. wegen seiner synchronen Vielfalt und aufgrund der „Schnelllebigkeit“ dem Lehrer entzieht. Nach Meinung von Wallbaum seien Schüler die Experten für solche Inhalte.

3 Terhag, Populäre Musik und Jugendkulturen, S. 9.

4 Vgl. ebd., S. 74f.

5 Terhag, mediale Lebenswelten, S. 8f.

6 Vgl. Terhag, Populäre Musik und Jugendkulturen, S. 234.

7 Vgl. Terhag, mediale Lebenswelten, S. 11.

8 Terhag, Populäre Musik und Jugendkulturen, S. 57.

9 Vgl. ebd., S. 91.

10 Ebd., S. 88.

11 Vgl. ebd., S. 88.

12 Man bedenke, dass auch unter Schülerinnen und Schülern selbst kulturelle Differenzen bestehen und man einen Kurs oder eine Klasse nicht als homogen betrachten darf, nur weil sie vielleicht ungefähr im gleichen Alter sind!

13 Vgl. Wallbaum, Jugendkultur und ästhetische Praxis, S. 22-32.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Wie nehmen Schüler am Gymnasium Musikunterricht wahr, wenn ihre Lieblingsmusik behandelt wird?
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
23
Katalognummer
V1152031
ISBN (eBook)
9783346542175
ISBN (Buch)
9783346542182
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schüler, gymnasium, musikunterricht, lieblingsmusik
Arbeit zitieren
Dennis Berrendorf (Autor:in), 2015, Wie nehmen Schüler am Gymnasium Musikunterricht wahr, wenn ihre Lieblingsmusik behandelt wird?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1152031

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