Nietzsches Konzept des Willens zur Macht in "Also sprach Zarathustra"


Seminararbeit, 2021

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Einleitung

II Methodisches Vorgehen

1 Nietzsches Prämissen
1.1 Der Sinn der Erde
1.2 Der Begriff des Leibes
1.3 Der kranke Leib

2 Der Wille zur Macht
2.1 Der Wille zur Macht beim Volk
2.2. Der Wille zur Macht beim Individuum

III Schluss

Literaturverzeichnis

I Einleitung

Nietzsche vertritt die Auffassung, dass es für den Menschen einen höheren Zweck gibt, nach dem sich das Streben zu richten hat. Dies spiegelt sich in seinem Sinn der Erde wider, der das Streben zum Übermenschen hin vorsieht. Der Übermensch, als ein Ideal verstanden, unterscheidet sich vom gewöhnlichen Menschen durch einen vitalen Leib und einer Ausdifferenzierung des Selbst.

Der Begriff des Selbst steht dabei für den Leib des Individuums. Der Leib ist für Nietzsche die ursprüngliche Vernunft, die den Menschen navigiert. Der Verstand bzw. Geist dient dem Leib als eine „Hand seines Willens“1. Diese Auffassung resultiert aus Nietzsches biologisch-evolutionärer Prämisse, dass sich das Bewusstsein oder der Verstand bzw. Geist in Folge von immer komplexer werdenden menschlichen Systemen entwickelt hat.

Der Aufschwung des Geistes bringt aber nicht nur Vorteile mit sich, sondern kann den Leib auch vergiften. Den Ausgangspunkt davon sieht Nietzsche in den Wertvorstellungen von Völkern und Individuen. Wertvorstellungen- bzw. Schätzungen agieren wie ein Filter, durch den die Umwelt bewertet wird. Negative Gedanken und Gefühle sind somit nicht „an sich“ negativ, sondern lediglich bezogen auf die jeweilige Wertvorstellung. Daher lässt Nietzsche seinen Zarathustra folgendes verkünden: „Keine grössere Macht fand Zarathustra auf Erden, als gut und böse“2. Jegliches Streben geschieht unter der Linse der Wertsetzungen. Durchgesetzte Werte sind somit verantwortlich für moralische Systeme und somit für „gut und böse“.

Das Problem liegt nun darin, dass nicht alle Wertvorstellungen den Leib bejahen, sondern im Gegenteil lebensschwächend wirken können. So betrachtet Nietzsche das Christentum beispielhaft als ein trojanisches Pferd, welches Individuum und Gesellschaft befällt. Als Folge wendet sich der Geist gegen den Leib und droht, ihn – und ins Extreme gedacht, die Menschheit – auszulöschen: „Noch ist sein Boden dazu reich genug. Aber dieser Boden wird einst arm und zahm sein, und kein hoher Baum wird mehr aus ihm wachsen können“3.

Für Nietzsche sind solch infizierte Leiber krank und können nur durch eine Umwertung der Werte gereinigt werden. Somit müssen die bestehenden Werte überdacht und durch lebensbejahendere ersetzt werden. Zuvor muss der Verstand jedoch erkennen, dass er krank ist.

Wenn der Verstand erkennt, dass er nicht gegen seinen Leib zu agieren hat, so kann er genesen. Dies ist für Nietzsche auch eine notwendige Bedingung, um einen gesunden Willen zur Macht zu etablieren. Ein gesunder Wille äußert sich in dem eigenverantwortlichen Entwurf von Wertschätzungen und dem Willen, das Selbst zu steigern. Die Steigerung des Selbst lässt sich dabei an Nietzsches Begriff der drei Verwandlungen illustrieren.

Auf dem Weg zum Übermenschen durchläuft der Geist des Menschen drei Verwandlungen. Die erste Verwandlung zum Kamel geschieht durch die gegebenen gesellschaftlichen Wertsetzungen. Das Kamel, das träge und ausdauernde Eigenschaften verkörpert, steht für die passive Annahme der gegebenen Werte. Durch die zweite Verwandlung zum Löwen bringt das Individuum den Mut und die Kraft auf, sich dem Kampf der eigenen Wertsetzung zu stellen. Der Löwe bleibt allerdings am Negativ der geltenden Wertsetzungen verhaftet und ist so nicht mangellos. Die dritte und erstrebenswerteste Verwandlung ist diejenige zum Kind. Das Kind folgt allem, was seine Leiblichkeit bejaht. Es ist im Prozess eines unschuldigen Werdens oder „ein aus sich rollendes Rad“4.

II Methodisches Vorgehen

Ziel dieser Arbeit ist es, eine Interpretation des Willens zur Macht auf Textgrundlage des Werkes Also sprach Zarathustra zu leisten. Dabei soll nicht nur der Wille zur Macht, sondern auch der relevante Kontext begrifflich gefasst werden.

Der begriffliche Kontext erweist sich deshalb als relevant, weil sich in ihm die Prämissen des Willens zur Macht präsentieren. Daher werden die Vorreden Zarathustras und die Kapitel „Von den Verächtern des Leibes“ und „Vom bleichen Verbrecher“ miteinbezogen.

Es wird zuerst Nietzsches naturalistische Position erläutert, die sich in seinem „Sinn der Erde“ und dem „Übermenschen“ wiederfinden. Darauf aufbauend wird ausgeführt, warum die Leiblichkeit Dreh- und Angelpunkt für Nietzsches Philosophie ist. Im Kapitel „Vom bleichen Verbrecher“ soll insbesondere die Krankzüchtung des Menschen und die damit einhergehende Kulturkritik Nietzsches näher ausgeführt werden. Daraus wird die Schlussfolgerung gezogen, dass ein gesunder Leib eine notwendige Bedingung für einen gesunden Willen zur Macht darstellt.

Nachdem dieser elementare Baustein gelegt wurde, wird der Wille zur Macht und seine zwei Ebenen untersucht: die des Volkes und des Individuums. Es wird die Frage beantwortet, inwiefern der Wille zur Macht bei Völkern verantwortlich für Wettstreit, die Etablierung von Werten und Interpretation bzw. Schätzung der Welt ist.

Da Völker in der Moderne größtenteils durch Staaten ersetzt wurden und das Subjekt daraufhin einen Aufstieg erfuhr, werden wir den Willen zur Macht zudem auf der Ebene des Individuums näher erläutern.

Eine exakte Bestimmung aller Begrifflichkeiten in Nietzsches Werk wird nicht stattfinden, da dies schlicht nicht möglich ist. Dies liegt der Tatsache zugrunde, dass Nietzsche sich stark in Gleichnissen und Metaphern ausdrückt, die mit Vagheit versehen sind. Daher wird der Versuch unternommen, eine Interpretation zu leisten, die den Anspruch stellt, so kohärent wie möglich zu sein.

1 Nietzsches Prämissen

1.1 Der Sinn der Erde

Nach Nietzsche gibt es ein universelles Streben oder einen Sinn für den Menschen auf dieser Erde: „Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde“5. Der Übermensch, welcher von Nietzsche nur grob charakterisiert wird, stellt einen Idealmenschen dar, dem eine höhere biologische, geistige und moralische Verfassung einverleibt ist. Diese höhere Verfassung äußert sich in einem vitalen und disziplinierten Leib mit eigenen moralischen Richtlinien. Im Sinne der Lebenskunst entscheidet der Übermensch nach eigenem Empfinden, ob er den vorherrschenden Tugenden trotzen will oder nicht. Der Leib des Menschen entwickelt so auch seine „bösen“ Triebe, falls ihm dies beliebt. Er lebt getreu dem Carl Jung zugeschriebenen Zitat: „Kein Baum so heißt es, kann in den Himmel wachsen, solange seine Wurzeln nicht bis in die Hölle reichen“. Der Übermensch überwindet zudem nach der Aufklärung und dem damit einhergehenden Tod Gottes auch die nihilistischen Werte und schafft sich seine eigene Sinnhaftigkeit.

Der Übermensch stellt dabei aber keine Gattung dar, sondern erschöpft sich lediglich in den Spitzen einzelner Individuen und verkörpert die Vorreiter der Kultur: „Immer Mehr, immer Bessere euer Art sollen zu Grunde gehen, denn ihr sollt es immer schlimmer und härter haben. So allein – so allein wächst der Mensch in die Höhe“6. Für Gesellschaften ist es von Notwendigkeit, sich auf die Mehrheit der Menschen zu konzentrieren. Daher streben Gesellschaften auch danach, das Leben des Durchschnittsbürgers attraktiver zu gestalten. Allerdings sind es eher die Einzelnen, welche für kulturellen Fortschritt in Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft7 und Politik sorgen. Nietzsche sieht daher in Kulturen die Verkörperung von hochentwickelten Individuen.

Diejenigen höheren Menschen, die dem Ideal des Übermenschen hinterhertrachten, suchen das Glück daher primär bei sich und bauen sich die Welt nach ihrer eigenen Verantwortung auf: „Das ‚für den Nächsten‘ist die Tugend nur der kleinen Leute, da heisst es ‚gleich und gleich‘ und ‚Hand wäscht Hand‘ – sie haben nicht Recht noch Kraft zu eurem Eigennutz! Euer Werk, euer Wille ist euer Nächster“8.

Nietzsches biologisch-darwinistische Argumentation akzeptiert den Gedanken, dass der Mensch einem Entwicklungsprozess entspringt. Er macht allerdings nicht beim geistigen Halt, sondern sieht insbesondere auch die Entwicklung der Physis als wegweisend an: „Einen höheren Leib sollst du schaffen“9. Im Gegensatz zum Tier hat der Mensch durch sein Bewusstsein die Möglichkeit seine Höherentwicklung selbst zu formen, wohingegen das Tier sich lediglich einfältig seiner Umwelt anpassen kann.

Der Mensch als gestaltloses Wesen ist für Nietzsche daher nichts Halbes und nichts Ganzes und sollte überwunden werden: „Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch, - ein Seil über einem Abgrunde“10. Der Übermensch hat hohe Ansprüche und hat auf seinem Weg der Entwicklung daher auch große Herausforderungen zu überwinden. Anwärter zum Übermenschentum müssen sich einer großen Verantwortung, Einsamkeit und großem Leid aussetzen. U.a. muss das Selbst abgehärtet, der richtige Umgang mit Mitleid kultiviert und der Kampf gegen die Passivität aufrechterhalten werden. Die Einsamkeit wird Mittel zum Zweck, indem sie dem Individuum einen Reflexionspunkt gibt, in welchem die kulturellen moralischen Gegebenheiten als relativ angesehen werden können. Das Individuum trennt sich von den gegebenen moralischen Satzungen einer Gesellschaft und kann eine eigene, authentische Wertsetzung entwickeln.

Dem modernen Menschen fehlt dieser Eigensinn, wodurch ihm seine Stärke progressiv abgezüchtet wird. Seinen Zarathustra lässt Nietzsche die Kritik am modernen Menschen in Bezug auf mangelnde Vitalität wie folgt formulieren: „Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich (..) Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich11. Er vergleicht den Menschen als einen „schmutzigen Strom“12 und wünscht sich stattdessen den, „der freien Geistes und freien Herzens ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens“13.

[...]


1 Nietzsche, S. 40

2 Ebd., S. 74

3 Ebd., S. 19

4 Nietzsche, S. 31

5 Nietzsche, S. 14

6 Ebd., S. 359

7 Heutzutage wird eher die Auffassung vertreten, dass es keinen „Man of Science“ mehr gibt und wissenschaftliche Arbeit und Ergebnisse Sache des Kollektivs sind.

8 Ebd., S. 362

9 Nietzsche, S. 90

10 Ebd., S. 16

11 Ebd., S. 20

12 Ebd., S. 15

13 Ebd., S. 19

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Nietzsches Konzept des Willens zur Macht in "Also sprach Zarathustra"
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Nietzsche: Also sprach Zarathustra
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
20
Katalognummer
V1152283
ISBN (eBook)
9783346540621
ISBN (Buch)
9783346540638
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wille zur Macht
Arbeit zitieren
Nemanja Vasiljevic (Autor:in), 2021, Nietzsches Konzept des Willens zur Macht in "Also sprach Zarathustra", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1152283

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