Bertolt Brechts "Dreigroschenroman" ein Kriminalroman?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Allgemeines zum Dreigroschenroman
2.1 Entstehung
2.2 Anregungen und Bezüge

3. Definition Kriminalroman
3.1 Eine allgemeine Definition
3.2 Brechts Kriminalromantheorie

4. Die einzelnen Verbrechen im Roman

5. Gattungsbestimmung

6. Schluss

7. Quellen

1. Einleitung:

Groschenromane – wer kennt sie nicht. Trivialliteratur, die billig und in Massen produziert, dann schließlich an jedem Kiosk vertrieben wird. Doch kann man so Brechts „Dreigroschenroman“ definieren?

In seinem Roman zeigt Brecht die verbrecherischen Zustände, die bei Geschäftsleuten entstehen. Es geht um Konkurrenz, um den Aufstieg von zwei Gaunern, die über Leichen gehen und als Symbol für die kriminellen Tätigkeiten der Kapitalisten stehen.

Der Roman, entstanden aus dem Stoff der Dreigroschenoper, ist jedoch mit dieser nicht mehr zu vergleichen. Die Bettler stehen hier nicht mehr im Vordergrund sondern Macheath, Peachum und Coax, die auf kriminelle Weise versuchen sich einen Vorteil in der Geschäftswelt zu verschaffen, auch wenn sie andere in den finanziellen Ruin treiben. Eine Kritik am politischen System kann also keine Trivialliteratur sein.

Die Forschung hat den „Dreigroschenroman“ immer wieder als einen Kriminalroman betrachtet. Walter Benjamin beschreibt den Roman als einen ‚Grenzfall des Kriminalromans’, Müller spricht bei der Betrachtung des „Dreigroschenromans“ von einem ‚umgekehrten Kriminalroman’ und Fischetti betonte dass man diesen nur vom ‚Gehalt her zum Kriminalroman rechnen kann, während er der Form nach eher keine Detektivgeschichte sei’.[1]

Doch betrachtet man nur oberflächlich den Inhalt dieses Romans, so fällt das Augenmerk zunächst auf die, schon oben genannten, kriminellen Machenschaften von Macheath, Peachum und Coax sowie vor allem auf den Mord an Coax, und auf den Selbstmord Mary Swayers, für den die Protagonisten Macheath und Peachum verantwortlich gemacht werden müssen, und nicht zuletzt auf das Todesurteil von Fewkoombey.

Mit der nachfolgenden Arbeit möchte ich aufzeigen ob man den „Dreigroschenroman“ nun tatsächlich als einen Kriminalroman betrachten kann, oder ob dieser doch zu einem anderen Genre gezählt werden sollte.

Zunächst möchte ich jedoch kurz die Entstehung sowie die geschichtlichen und wirtschaftlichen Bezüge und Anregungen aufzeigen, die für die Besprechung der einzelnen Verbrechen hilfreich sein sollen. Später werde ich versuchen eine allgemeine Definition des Kriminalromans sowie die Definition nach Brecht vorzustellen, bevor ich dann zum Hauptthema dieser Arbeit komme.

2. Allgemeines zum Dreigroschenroman

2.1. Entstehung:

Nach dem Reichstagsbrand am 27.02.1933 verlässt Brecht Deutschland und reist zunächst nach Prag, dann nach Österreich, später in die Schweiz und nach Frankreich, bis er schließlich Ende Juni 1933 in Dänemark eintrifft.

Die erste Idee zu einem größeren Prosaprojekt – wohl auch aus Geldmangel - kam Brecht schon im Mai 1933, doch erst im August schloss er, nach mehreren Verhandlungen, einen endgültigen Vertrag mit dem Amsterdamer Verlag Allert de Lange ab.[2]

Da Brecht die Idee zum Dreigroschenroman schon im Mai hatte und sich schon damals einige Notizen machte, begann er schließlich im Juli mit der Niederschrift, die bis November auf zehn Kapitel anwuchs. Bei der Arbeit zu seinem Roman hatte Brecht die Unterstützung von Margarete Steffin. In den folgenden Monaten entstanden weitere Niederschriften, die vierte Niederschrift von Juli 1934 bildet schließlich die Satzvorlage. Nach dem nun alle Formalien geklärt waren, erschien der Dreigroschen Roman im November 1934.

Nun kommen Verhandlungen für mehrere Übersetzungen, wie die dänische und englische. Im März 1937 erschien dann schließlich die englische Übersetzung.[3]

In der Bundesrepublik wurde der Roman jedoch erst im Oktober 1949 veröffentlicht und 1950 schließlich auch in der DDR.[4]

2.2 Anregungen und Bezüge:

Um sich später mit den einzelnen Verbrechen im Roman zu beschäftigen und diese auf Merkmale eines Kriminalromans zu untersuchen, müssen zunächst einige Anregungen und Bezüge, die im Roman eine Rolle spielen, erläutert werden.

Für den Dreigroschenroman nutzte Brecht viele zeitgeschichtliche und politische Quellen.

Schon in den ersten Zeilen wird dem Leser die Zeit, in der der Roman spielt vorgelegt. So heißt es : „Ein Soldat George Fewkoombey wurde im Burenkrieg ins Bein geschossen…“[5]. Es steht also fest, dass der Roman um1900 spielt. Später, mit der Grabinschrift von William Coax erfahren wir das genau Jahr, nämlich 1902.[6]

Die Stadt ist London, eine Stadt, die für Brecht als „Hauptstadt der Welt“ galt, in der Politik, Wirtschaft und Handel zusammenliefen.[7] So steht auch im „Dreigroschenroman“ von Anfang an die wirtschaftliche Handlung im Vordergrund. Auch wenn der Leser zunächst aufgrund des Titels noch nicht eindeutig weiß, was auf ihn zukommt. Denn der Titel ruft zunächst die „Dreigroschenoper“ in Erinnerung aber gleichzeitig auch die Anspielung auf billige Roman, die so genannten Groschen-Hefte. Obwohl es im Titel nur um drei Groschen geht, geht es im Roman aber um ganz andere Summen.

Die Geschäfte des Macheath werden zunächst mit dem Besitz der B-Läden eingeführt. Um hier das große Geld zu machen müssen die B-Läden von Abnehmern zu Bestellern werden und so kommt das Geschäft mit der National Deposit Bank und die Gründung der Zentralen Einkaufsgesellschaft zustande. Macheath wird zum Direktor der NDB und zum Präsident der ZEG.[8]

Die Idee für die B-Läden des Macheath, entstand aus den Einheitspreisgeschäften im Dritten Reich. Heinrich Uhlig schreibt dazu folgendes: „Das Einheitspreisgeschäft bildete eine Art Extrakt aus dem Warenhaus – zugeschnitten auf Artikel des täglichen Bedarfs in sehr niedrigen einheitlichen Preisstufen und auf Konsumenten mit geringer Kaufkraft.“ Weiterhin heißt es: „Eine Reihe von Fachgeschäften begegnete der neuen Konkurrenz mit deren eigenen Waffen, indem sie freiwillig Ketten bildeten,

sich zu zentralem Einkauf zusammenschlossen, ihre Betriebe zu Einheitspreisgeschäften umbildeten oder Einheitspreisabteilungen einrichteten.“[9] Und so gründet auch Macheath die „Zentrale Einkaufsgesellschaft“, die nicht nur seine Ladenkette beliefert, sonder auch seinen Konkurrenten, der aufgrund von Macheaths Machenschaften in den Bankrott getrieben wird.[10]

Hier findet der Leser den geschichtlichen Hinweis auf Napoleon I. „Der Kampf gestattet kein Pardon, er wurde nur durch Vernichtung des Gegners gewonnen.“[11] – es ist die Aufnahme der napoleonischen Strategie durch Macheath, denn der Gegner soll nicht nur geschlagen werden, er muss auch vernichtet werden.

Bei Wolfgang Jeske wird Macheath sogar mit Adolf Hitler verglichen, es heißt hier: „Makheath, woher kennen wir dich eigentlich so gut? Was für Sätze kommen aus deinem Munde, du der ‚geborene Führer’, der weinend vor Entschlüssen zusammenbricht? Dieser Makheath spricht von der ‚Schicksalsverbundenheit zwischen Führern und Geführten’ – wir kennen ihn nur zu gut, obwohl ihm kein schmales Bärtchen unter der Nase wächst.“[12]

Die Einführung in Peachums Geschäfte erfolgt durch den Soldaten Fewkoombey, der in seiner Not an das Peachum-Monopol gerät. Dieser nutzt kaltblütig das Elend der Londoner Bettler aus, um sich an diesen zu bereichern. „Nach etwa 25 Jahren

[...]


[1] Wolfgang Jeske: Bertolt Brechts Poetik des Romans, Frankfurt/Main 1984, S. 187

[2] Vgl. Brecht Handbuch in fünf Bänden. Prosa, Filme, Drehbücher, Bd. 3, Hg. Jan Knopf, Stuttgart 2002, S. 192-193

In diesem Vertrag sichert sich Brecht ein Mitspracherecht bei der Auflagenhöhe und der Buchausstattung, sowie eine Honorarvorauszahlung in drei Stufen, mit der er sich ein Haus in Svendborg kaufen konnte.

[3] Vgl. Brechts Romane, hgg. Wolfgang Jeske, Frankfurt/Main 1984, S. 40

[4] Vgl. Brecht Lexikon, (hgg.) Ana Kugli, Michael Opitz, Stuttgart 2006, S. 95

[5] Bertolt Brecht: Dreigroschenroman, Frankfurt/Main 1991, S. 9

[6] Ebd. S. 302

[7] Brecht Handbuch, S. 200

[8] Dreigroschenroman, S. 362

[9] Heinrich Uhlig: Die Warenhäuser im Dritten Reich. In: Brechts Romane, (hgg.) Wolfgang Jeske, Frankfurt/Main 1984, S. 141ff

[10] Dreigroschenroman, S. 152

[11] Ebd. S. 161

[12] Anonym: Dreigroschen=Roman. Das neue Buch Bertolt Brechts. In: Brechts Romane, (hgg.) Wolfgang Jeske, Frankfurt/Main 1984, S. 160ff

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Bertolt Brechts "Dreigroschenroman" ein Kriminalroman?
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Literaturwissenschaft / NDL)
Veranstaltung
Brechts Romane
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V115252
ISBN (eBook)
9783640168125
ISBN (Buch)
9783640168231
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bertolt, Brechts, Dreigroschenroman, Kriminalroman, Brechts, Romane
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Anna Sliwa (Autor:in), 2006, Bertolt Brechts "Dreigroschenroman" ein Kriminalroman?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115252

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