Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Definition: „Influencer Marketing“
3. Verortung des Influencer-Marketings und Abgrenzung zu anderen Marketingformen
3.1 Social Media Marketing
3.2 Content Marketing
3.3 Word of Mouth Marketing/ Empfehlungsmarketing
4. Ursprung und Entwicklung des Influencer Marketings
4.1 Entdeckung der Meinungsführer und die Hypothese des “Two-Step-Flow of Communication”
4.2 Überprüfung und Weiterentwicklung der Hypothese des „Two-Step-Flow of Communication“
4.3 Ursprung des Influencer Marketings und die Prinzipien der Beeinflussung nach Robert Cialdini
4.4 Influencer Marketing im Social-Media-Zeitalter
4.4.1 Definition: „Social Media“
4.4.2 Potenzial des Influencer Marketings durch die Entwicklung von Social Media
5. Influencer
5.1 Definition des Influencer im Social Media Kontext
5.2 Merkmale/Eigenschaften von Influencern
5.3 Typisierung von Influencern
6. Chancen und Vorteile des Influencer Marketings
6.1 Reichweite und Viralität
6.2 Authentizität und Vertrauen
6.3 Parasoziale Beziehung und parasoziale Meinungsführerschaft
6.4 Zielgruppenansprache
6.5 Kreativer Input/Content
6.6 Umgehen von Ad-Blockern
7. Risiken und Grenzen des Influencer Marketings
7.1 Die Wahl des geeigneten Influencers
7.2 Zuverlässigkeit und Kontrollverlust
7.3 Gesetzliche Kennzeichnungspflicht
8. Einfluss von Influencer Marketing
9. Zusammenfassung
10. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen dem Influencer Marketing und verwandten Mar ketingformen (Quelle: Nirschl & Steinberg, 2018: 7)
Abbildung 2: Konzept des Two-Step-Flow of Communication (Quelle: Schenk, 2007: 352)
1. Problemstellung
Bill Gates sagte einmal in den Neunzigern „Das Internet ist wie eine Welle: Entweder man lernt, auf ihr zu schwimmen, oder man geht unter“ (Selle, 2016). Wie recht er damit noch haben werde, konnte er damals kaum ahnen. Doch in Zeiten von Social Media wird vor allem den Marketingverantwortlichen von Unternehmen eins immer bewusster: Das Internet hat die Art, wie Menschen kommunizieren und Medieninhalte wahrnehmen, fundamental verändert. Die Medienlandschaft, wie sie Jahrzehnte lang bestand, erfährt einen dynamischen Umschwung. Die bisherigen Steckenpferde, wie TV, Radio und Print, verlieren an Wirksamkeit und damit an Bedeutung (vgl. Jahnke, 2018: 3f). Währenddessen vermehren sich die sozialen Netzwerke rasant und ermöglichen es Jedem, einfacher als je zuvor, sich über räumliche Distanzen hinweg miteinander auszutauschen. Dies verändert, wie Menschen untereinander kommunizieren, Beziehungen pflegen, sich informieren und letztlich auch ihr Konsumverhalten (vgl. Seeger & Kost, 2018: 14f). Social Media nimmt eine immer wichtigere Rolle im Alltag ein und Unternehmen sehen sich gezwungen, neue Medienkanäle in Anspruch zu nehmen, um bei ihren Werbebotschaften auf Gehör zu stoßen (vgl. Deges, 2018: 34). Die Rechnung ist simpel: Der Fokus der Menschen liegt auf Social Media, und der Fokus von Social Media auf den einflussreichsten Menschen auf Social Media - den Influencern. Sie sind die neuen Sterne am Werbehimmel und haben sich durch jahrelanges Posten, von meist ganz alltäglichen Themen, in den sozialen Medien riesige Communities aufgebaut und sich als Meinungsführer etabliert. Sie lassen ihre Fans täglich an ihrem Leben teilhaben, wenn sie denn wollen. Und sie wollen. Denn in Zeiten, in denen Konsumenten ununterbrochen von beworbenen Inhalten in den traditionellen Medien überhäuft werden und diese immer mehr ignorieren, erkennen Marketer die Strahlkraft von Influencern und entwickeln Kooperationen, von denen beide Parteien profitieren sollen: Das Influencer Marketing, der größte Marketingtrend der letzten Jahre. In einer originellen, kreativen und authentischen Art, berichten Influencer über neue Produkte und Dienste von Unternehmen und Marken, sprechen Empfehlungen aus und können dadurch immensen Einfluss auf die Meinungsbildung ihrer Follower ausüben. Dafür werden sie im Gegenzug vom jeweiligen Unternehmen, das dadurch an Bekanntheit und Aufmerksamkeit gewinnt, vergütet (vgl. Deges, 2018: 34f; Seeger & Kost, 2018: 27-29). In der Theorie eine klassische Win-Win-Situation. Doch sieht das in der Praxis genauso aus? Welche Chancen und Risiken birgt das Influencer Marketing für Unternehmen? Welchen Einfluss können Influencer im Rahmen des Influencer Marketings ausüben und ist dieser durchweg als positiv zu betrachten? Und sind Influencer und das Miteinbeziehen jener in die Unternehmenskommunikation überhaupt eine so neue Erscheinung?
Die vorliegende Bachelorthesis knüpft an diese Fragen an. Hierfür wird der Begriff „In- fluencer Marketing“ zunächst einmal definiert, um ihn anschließend in verwandte Marketingformen einordnen und von ihnen abgrenzen zu können. Darauf folgt eine umfassende Retrospektive auf den Ursprung und die Entwicklung des Influencer Marketings, letzteres insbesondere im Kontext der Entwicklung von Social Media. Hiernach wird der „Influencer im Social Media Kontext“ hinreichend beleuchtet, seine Eigenschaften dargelegt und Möglichkeiten der Klassifizierung unterschiedlicher Typen geboten. Anschließend werden die Chancen und Risiken des Influencer Marketings hinreichend erläutert und im Anschluss daran empirische Studien zum Einfluss von Influencer Marketing präsentiert. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der behandelten Themen.
2. Definition: „Influencer Marketing“
Influencer Marketing ist eine Kommunikationsform, die im Social Web angewendet wird, um Werbebotschaften zu verbreiten. Es hat seinen Ursprung im Empfehlungsmarketing und ist einer der präsentesten Marketingtrends der letzten Jahre (vgl. Heubel, 2019). Allein im Jahr 2017 Betrug das Marktvolumen für Influencer Marketing in der DACH-Region laut einer Studie ca. 560 Millionen Euro, Tendenz steigend (vgl. Bottesch & Goldhammer, 2018). Abgeleitet vom englischen Verb to influence (deutsch: beeinflussen), bezeichnet es den gezielten Einsatz von wichtigen Meinungsführern für die Marketing- und Kommunikationszwecke von Unternehmen. Diese Meinungsführer, sogenannte Influencer, sind gut vernetzte Personen mit hohem Ansehen im Internet, vor allem auf Social Media Plattformen wie Instagram, Facebook, YouTube und Twitter (vgl. Ryte, o.J.). Sie zeichnen sich durch hohes Ansehen und reichweitenstarke Communities aus, die durch ihr Handeln und Tun beeinflusst werden (vgl. Onlinemarketing, o.J.a). Unternehmen versuchen diese Influencer zu identifizieren und „[.] zum eigenen Zweck zu nutzen, indem es diese dazu motiviert oder dafür entlohnt, Markenbotschaften mit ihren Zielgruppen zu teilen“ (Seeger & Kost, 2018: 41), mit anderen Worten also Werbung für ein Unternehmen in den sozialen Medien zu verbreiten. Dies passiert, indem der Influencer sich in seinen Postings, seinen Beiträgen in den sozialen Medien, mit beispielsweiße dem zu bewerbenden Produkt auseinandersetzt und somit seine Follower zu einer gewissen Handlung, wie etwa einem Kauf, inspiriert (vgl. Seeger & Kost, 2018: 41f). Unter einem Follower versteht man hierbei einen Nutzer, der das Profil eines anderen Nutzers abonniert hat und dadurch über die geposteten Inhalte des Abonnierten informiert bleibt (vgl. Hilz, o.J.). Der Begriff des Followers wird im Folgenden synonym für Abonnent, Rezipient und Empfänger verwendet.
Der Influencer fungiert demzufolge als Marken- oder Produktfürsprecher und kann dadurch Einfluss auf Zielgruppen und deren Bewertung und Beurteilung von Produkten, Marken, Unternehmen oder Dienstleistungen ausüben (vgl. Bauer, 2017). Knapp ein Drittel der deutschen Internetnutzer hat bereits ein- oder mehrmals ein Produkt aufgrund eines Influencers gekauft (vgl. PwC, 2018: 15). Tamblé (2017) erklärt, dass diese Beeinflussung auf dem Vertrauen basiert, welches die Follower in ihre Meinungsmacher haben. Influencer werden innerhalb ihrer Community als Vorbilder und Experten auf ihrem Themengebiet betrachtet, deren Empfehlungen und Meinungen vertraut und gefolgt werden. Sie besitzen die Fähigkeit, durch ihren Status bzw. ihre Autorität auf Verhalten und Meinungen anderer Einfluss zu nehmen (vgl. Jahnke, 2018: 4). Auf diesem Vertrauen aufbauend, soll die Wertigkeit und Authentizität der Markenbotschaft von Unternehmen gesteigert werden, wodurch letztlich potentielle Kunden innerhalb der Community positiv in ihrem Entscheidungsprozess beeinflusst werden sollen (vgl. Bauer, 2017).
Ergänzend definiert Deges (2018: 35) den Begriff Influencer Marketing aus zwei zusammengeführten Perspektiven heraus. Zum einen ergibt sich aus der Gestaltung und Streuung der Werbekampagne durch den Influencer die Inhaltsperspektive. Damit es aber überhaupt zur Verwirklichung der Werbekampagne kommt, bedarf es der Planung, Steuerung und Kontrolle der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Influencer. Diesen letzten Aspekt bezeichnet er als die Organisationsperspektive. Gerade der Organisationsaspekt erweist sich für viele Marketer als weitaus komplexer, als sie dies von den klassischen Werbemitteln gewohnt sind. So gaben 65% der befragten Marketingverantwortlichen einer Umfrage des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) an, Herausforderungen in der Messbarkeit der Werbewirkung zu sehen. Außerdem finden 62% in der Zuverlässigkeit der Influencer einen weiteren Grund, welcher die intensivere Nutzung von Influencer Marketing momentan bremst (vgl. Sonnenberg, 2018: 11). Letzteres vor allem deswegen, da es weitestgehend in der Hand des Influencers liegt, wie er die Werbebotschaft gestaltet und an seine Follower aussendet. Dennoch steigt das Interesse an Influencer Marketing aus Unternehmenssicht stark an. 59% der befragten Marketer nutzten 2018 Influencer Marketing, 24% überlegten dies zu tun. Die Budgets für Influencer Kampagnen für 2019 liegen bei 61% über dem des Vorjahres und knapp über der Hälfte der Unternehmen, die Influencer Marketing betreiben, haben explizit dafür zuständige Abteilungen eingerichtet (vgl. Sonnenberg, 2018: 17, 20). Da sowohl die Anzahl der unterschiedlichen Social Media Plattformen als auch die der Nutzer eben solcher stetig wächst, steigt damit auch die Menge an potenziellen Influencern. Somit ist es eine Hauptdisziplin der Marketingverantwortlichen geworden, aus einem Überangebot an Influencern den für sie passenden zu selektieren. Sogenannte Influencer-Marke- ting-Agenturen/Plattformen haben sich darauf spezialisiert, Unternehmen und Influencer bei der Auswahl und Zusammenführung zu helfen und als Bindeglied zu fungieren (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018: 14f). Plattformen wie Buzzbird sprechen suchenden Unternehmen Empfehlungen aus ihren Datenbanken aus und unterstützen sie beim gesamten Ablauf der Kampagne bis hin zu Reportings im Anschluss daran (vgl. Berndl, 2018).
Influencer Marketing besitzt für Unternehmen sämtlicher Branchen Relevanz. Insbesondere in den Sektoren Essen und Ernährung, Reisen, Mode und Fitness verlassen sich Unternehmen auf die Kommunikation von Werbeinhalten mittels Influencern (vgl. PwC, 2018: 10). Dabei ist es nicht neu, dass Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit wichtigen Meinungsführern bzw. Multiplikatoren setzen, oder die Infrastrukturen der sozialen Medien nutzen, um ihre öffentliche Aufmerksamkeit und Reichweite zu steigern. Schon in verwandten Marketingansätzen wurden bereits und werden noch ähnliche Strategien verfolgt.
3. Verortung des Influencer-Marketings und Abgrenzung zu anderen Marketingformen
Die Disziplin des Influencer Marketings besitzt sowohl Eigenschaften, durch die es sich in die verwandten Marketingformen des Social Media Marketings, des Content Marketings und des Empfehlungsmarketings einordnen lässt, als auch solche Eigenschaften, durch die es sich von eben jenen abgrenzen lässt (siehe Abbildung 1). Die Einordnung und Abgrenzung des Influencer Marketings soll nun im Folgenden herausgearbeitet werden.
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Abbildung 1: Zusammenhang zwischen dem Influencer Marketing und verwandten Marketingformen (Quelle: Nirschl & Steinberg, 2018: 7)
3.1 Social Media Marketing
Wenn von Social Media Marketing die Rede ist, meint man Strategien und Taktiken, die von Marketingverantwortlichen verwendet werden, um in sozialen Netzwerken Inhalte, Produkte und Dienstleistungen zu verbreiten. Dadurch soll mit den Nutzern dieser sozialen Netzwerke in Kontakt getreten werden, die wiederum potentielle Kunden und Geschäftspartner sind (vgl. Weinberg, 2012: 9). Dabei fasst der Begriff „Social Media“ alle Plattformen zusammen, auf denen Internetnutzer Inhalte erschaffen, miteinander teilen und sich somit vernetzen, kommunizieren und kooperieren können. Die Plattformen dienen somit als Infrastruktur für den Dialog, zentrales Motiv ist die Interaktivität (vgl. Onlinemarketing, o.J.b). Nutzer dieser Plattformen schließen sich in Communities unterschiedlicher Form und Größe zusammen, innerhalb welcher sie miteinander kommunizieren. Die Aufgabe des Social Media Marketings besteht nun darin, diese Communities effektiv zu nutzen und an sie zugeschnittene relevante Produkt- und Serviceangebote zu übermitteln, indem man ihnen „zuhört“ (vgl. Weinberg, 2012: 9). Ziel ist es unter anderem, mittels der authentischen Präsenz in den sozialen Netzwerken, Anfragen zu generieren, die Kundenbindung zu stärken, den Bekanntheitsgrad zu erweitern und das Unternehmensimage zu pflegen (vgl. Kopp, 2017).
Auch Influencer Marketing wird von Unternehmen genutzt, um ihre Produkte und Dienstleistungen, mithilfe von Multiplikatoren, innerhalb der für sie relevanten Zielgruppen, zu lancieren. Es grenzt sich allerdings dadurch vom Social Media Marketing ab, dass es sich nicht nur auf die bloße Verbreitung begrenzt. Influencer Marketing geht einen Schritt weiter und nutzt den Einfluss des Meinungsführers, um die Wahrnehmung des Unternehmens bzw. der Marke zu verbessern und somit einen positiven Einfluss auszuüben (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018: 8). Ein weiterer Unterschied ist, dass Social Media Marketing auf dem Unternehmensprofil in den jeweiligen Plattformen stattfindet. Influencer Marketing hingegen findet vorrangig auf dem eigenen Social Media Account des Influencers statt, da dieser der Absender der Werbebotschaft ist (vgl. StatePoint Media, 2018).
3.2 Content Marketing
Im Social Media Marketing wie auch im Influencer Marketing ist der Content, das heißt der Inhalt, von großer Bedeutung. Content Marketing beschreibt eine Kommunikationsstrategie, bei der hochwertige Inhalte im Internet dargeboten werden. Dieser Content soll potenzielle Kunden anziehen, indem er ihnen einen Mehrwert bietet. Sie sollen dadurch angesprochen, informiert, unterhalten und überzeugt werden, wodurch sie letztlich als Kunden gewonnen und gebunden werden sollen. Dabei wird der Content in Form von Bildern, Videos, Podcasts, Umfragen etc. präsentiert und in Blogs, auf Social Media Plattformen oder der Website des Unternehmens verbreitet (vgl. Clickworker, o.J.). Im Unterschied zu klassischen Werbemaßnahmen geht die Zielgruppe von selbst auf das Unternehmen zu, da sie durch die Qualität des Contents geködert werden. Die Qualität des Contents wiederum leidet, wenn ein offensichtlich werbender Charakter ersichtlich ist (Kopp, 2019).
Das Influencer Marketing lässt sich hier einordnen, da „[...] sich durch eine gezielte Interaktion und Vernetzung mit wichtigen Meinungsführern und Multiplikatoren relevante Inhalte sowohl generieren, als auch distribuieren [lassen]“ (Nirschl & Steinberg, 2018: 9). Marketer lernen von Influencern hinsichtlich der Art und Gestaltung von Inhalten und lassen sich von ihnen inspirieren. Zudem kommunizieren Influencer relevante Inhalte für die entsprechenden Zielgruppe und haben ein gutes Gespür bei der Auswahl der geeigneten Kanäle, wodurch sie für Unternehmen wichtige Funktionen innerhalb des Content Marketings erfüllen. Auch bei der Distribution der Inhalte setzen Unternehmen auf Influencer. Wenn dies sogar so weit geht, dass das Unternehmen den Content professionell von Meinungsführern produzieren und verbreiten lässt, spricht man von Branded Content (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018: 9; Held, 2018: 71).
3.3 Word of Mouth Marketing/ Empfehlungsmarketing
Unter Word of Mouth, zu deutsch Mund-zu-Mund-Propaganda, versteht man die „[...] informelle Kommunikation zwischen (potentiellen) Konsumenten über Produkte und Dienstleistungen“ (Lis & Korchmar, 2013: 5). Sie existiert sowohl in direkter Form, wie beispielsweiße in einem persönlichen Dialog, als auch in indirekter Form, wie bei Erfahrungsberichten und Rezensionen. Wenn ein Unternehmen nun auf die Kommunikation zwischen den Konsumenten Einfluss nimmt, oder bemüht ist, für diese Art des Dialoges einen Raum zu schaffen, spricht man von Word of Mouth Marketing. Diese Marketingform hat das Ziel, Empfehlungen auszulösen, wodurch Reputation und Popularität gesteigert und Absätze generiert werden sollen (vgl. Seeger & Kost, 2018: 46f). Durch die sozialen Medien und im Besonderen durch Influencer Marketing kann eine Empfehlung durch den großen Wirkungsradius ihres Absenders große Menschenmengen erreichen. Eine von einem Influencer ausgesprochene Empfehlung hat, aufgrund des Vertrauens das seine Community in ihm hat, eine stärkere und positivere Wirkung, als wenn diese Empfehlung vom Anbieter selbst ausgesprochen würde. Außerdem steigert dies die Kauflaune der Rezipienten, wodurch sie zügigere Entscheidungen treffen und dem Preis gegenüber an Sensibilität verlieren (vgl. Schüller, 2012: 113f).
Die Termini Empfehlungsmarketing sowie Word of Mouth Marketing werden in der Literatur oft synonym verwendet. Als geringfügigen Unterschied ist jedoch zu nennen, dass beim Word of Mouth Marketing eher in Kampagnen gedacht wird, wobei Empfehlungsmarketing als stetiger Prozess verstanden wird. Somit ist Word of Mouth Marketing ein Teil des Empfehlungsmarketings und Influencer Marketing eine besondere Form des Word of Mouth Marketings (vgl. Seeger & Kost, 2018: 48).
4. Ursprung und Entwicklung des Influencer Marketings
Der Begriff des „Influencers“ taucht in unserer Wahrnehmung zwar erst seit wenigen Jahren auf, ist aber keinesfalls neu. Die Tatsache, dass manche Menschen sich besonders ambitioniert mit bestimmten Themen auseinandersetzen und durch klassische Mundpropaganda Einfluss auf die Meinung anderer nehmen, war bereits lange vor der Erfindung von Instagram und Co. bekannt (vgl. Deges, 2018: 34). Im Folgenden wird chronologisch dargelegt, wo genau der Ursprung der sogenannten Meinungsführer liegt, wie ihr Beeinflussungspotential erkannt wurde und wie sich daraus, durch die Etablierung des Internets und der sozialen Medien, die heutige Form des Influencer Marketings mit all ihren Potentialen entwickelt hat.
4.1 Entdeckung der Meinungsführer und die Hypothese des “Two-StepFlow of Communication”
Das erste Mal wurde die Bezeichnung des „opinion leaders“ bzw Meinungsführers im Jahr 1944 im Rahmen einer Studie zur US-Präsidentschaftswahl 1940 verwendet (vgl. Fries, 2018: 7). In der Studie „The People‘s Choice: How the Voter Makes up his Mind in a Presidential Campaign“ untersuchten Lazarsfeld, Berelson und Gaudet das Wahlverhalten von US-Bürgern, nämlich wie die individuellen Wahlentscheidungen entstehen und welchen Einfluss Informationen unterschiedlicher Quellen, wie den Medien, auf diesen Prozess haben (vgl. Taddicken, 2015: 25).
Während man vor der Veröffentlichung der Studie annahm, dass die Massenmedien den stärksten Einfluss auf Meinungsbildung und Meinungsänderung haben, zeigten die Ergebnisse überraschenderweise, dass sich der interpersonelle Austausch der Wähler mit ihrem sozialen Umfeld, d.h. Mundpropaganda, viel stärker auf ihre Wahlentscheidungen auswirkt (vgl. Taddicken, 2015: 27). Damit widerlegten die Forscher die bisherige Annahme des Publikums als „Masse“, welches der Almachtstellung der Massenmedien ausgesetzt ist (vgl. Dressler & Telle, 2009: 26), und zeigten dass nur ein kleiner Teil des Publikums die Informationen aus den Massenmedien aufnimmt, der diese dann an die restlichen Rezipienten weitergibt (vgl. Fries, 2018: 7). Sie stellten fest, dass „[...] in every area and for every public issue there are certain people who are most concerned about the issue as well as most articulate about it“ (Lazarsfeld et al., 1944: 49). Diese, besonders einflussausübenden Personen, bezeichneten sie als sogenannte „Meinungsführer“. Sie kommen aus allen Berufsgruppen, haben eine hohe politische Aufmerksamkeit und zeigen ein großes Interesse an Medieninhalten (vgl. Taddicken, 2015: 30). Basierend auf diesen Erkenntnissen entwickelten Lazars- feld, Berelson und Gaudet das Konzept des „Two-Step-Flow of Communication“ (deutsch: Zwei-Stufen-Fluss der Kommunikation).
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Abbildung 2: Konzept des Two-Step-Flow of Communication (Quelle: Schenk, 2007: 352)
Die Abbildung 2 stellt die Hypothese des „Two-Step-Flow of Communication” vereinfacht dar, welche besagt, dass ein abgestufter Informationsfluss existiert: „This suggests that ideas often flow from radio and print to the opinion leaders and from them to the less active sections of the population“ (Lazarsfeld et al., 1944: 151). Die erste Stufe stellt die Interaktion der Massenmedien und den Meinungsführern dar. Die Meinungsführer nutzen die Massenmedien mehr als andere. Sie üben wiederum einen persönlichen Einfluss auf weniger Interessierte aus, die der gleichen sozialen Schicht angehörig sind. Dies spiegelt die zweite Stufe wider. Die Meinungsführer filtern die Informationen aus den Massenmedien und geben diese, beispielsweiße in politischen Diskussionen, an die übrige Bevölkerung weiter (vgl. Dressler & Telle, 2009: 27). Sie übersetzen also die Inhalte der Massenkommunikation in persönliche Kommunikation, wodurch sie einen Einfluss auf Meinung und Verhalten der weniger Interessierten ausüben (vgl. Fries, 2018: 7). Diese nutzen die Massenmedien teilweiße zwar auch, tun dies dann aber selektiv, weil sie sich nur mit den Botschaften befassen, die mit ihren eigenen Einstellungen und Überzeugungen übereinstimmen. In diesem Fall wirken die Massenmedien verstärkend (vgl. Dressler & Telle, 2009: 27).
Durch die „Two-Step-Flow of Communication“-Hypothese wurde die Idee einer Gesellschaft, die aus sozial isolierten Individuen besteht, die mit den Medien verbunden sind, aber nicht untereinander, verworfen. Stattdessen sah man die Gesellschaft nun als ein Netzwerk von Individuen an, die in sozialen und kommunikativen Beziehungen zueinander stehen. Die Massenkommunikation wird durch dieses Netzwerk geleitet und gleichzeitig wird ihre Wirkung dadurch begrenzt (vgl. Dressler & Telle, 2009: 28).
4.2 Überprüfung und Weiterentwicklung der Hypothese des „Two-Step- Flow of Communication“
Die People's-Choice-Studie von 1944 gilt als Auslöser für zahlreiche weitere Forschungen, die sich mit der Hypothese des Zwei-Stufen-Fluss der Kommunikation, dem Ausmaß und der Richtung des persönlichen Einflusses, den Merkmalen von Meinungsführern sowie deren Beziehung zu den Massenmedien auseinandersetzten (vgl. Dressler & Telle, 2009: 28). Hier sind besonders die sogenannten „Columbia-Studien“ zu nennen, die sich aus den vier folgenden Studien zusammensetzt:
Die Rovere-Studie von Merton aus dem Jahr 1949, die sich mit dem interpersonalen Einfluss und der Kommunikation in der Kleinstadt Rovere beschäftigt, die Decatur-Studie von Katz und Lazarsfeld aus dem Jahr 1955, die Rezipientenentscheidungen in den Sektoren Konsum, Mode, Kino und Politik untersucht, die Elmira-Studie von Berelson, Lazarsfeld und McPhee von 1954, über die Wahlpropaganda bei den US-Wahlen 1948 und die zwei zusammenhängenden Studien von Menzel und Katz aus dem Jahr 1955 bzw. Coleman, Katz und Menzel aus dem Jahr 1957, über die Diffusion eines neuen Medikaments und Ärzten (vgl. Taddicken, 2015: 31).
Die genannten Studien bestätigen Teile der Hypothese der People's-Choice-Studie und kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass interpersonelle Kommunikation einen stärkeren Einfluss hat als die Massenmedien. Dennoch gab es auch einige Kritikpunkte und Entdeckungen, die den empirischen Beleg für den Prozess des Zwei-Stufen-Flusses anzweifeln ließen (vgl. Schach & Lommatzsch, 2018: 7).
So kamen Menzel und Katz (1955) zu dem Schluss, dass sich Meinungsführer nicht nur den Massenmedien als Informationsquelle bedienen, sondern auch den persönlichen Einflüssen anderer Meinungsführer ausgesetzt sind. Aufgrund der Entdeckung dieser „Meinungsführer der Meinungsführer“ vermuteten sie daher einen Multiplen-Stufen-Fluss der Kommunikation (vgl. Dressler & Telle, 2009: 29). Zudem wurde die vereinfachte Identifizierung der Meinungsführer bei der People's-Choice-Studie kritisiert, da dies lediglich über ein Selbsteinschätzungsverfahren geschah. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass dichotom zwischen Meinungsführer und Nicht-Meinungsführer unterschieden wurde, wobei die Columbia-Studien zu dem Ergebnis kamen, dass es sich vielmehr um eine graduelle Ausprägung handle. Auch die Tatsache, dass alle Rezipienten, außer den Meinungsführern, als passiv bezüglich der Informationssuche eingestuft und alle Nicht-Meinungsführer als Meinungsfolger betrachtet wurden, wurde bemängelt und revidiert (vgl. Dressler & Telle, 2009: 33). Man konnte die Existenz von Inaktiven nachweißen, die nicht an der interpersonellen Kommunikation teilhaben und ihre Informationen ausschließlich über die Massenmedien beziehen (vgl. Schach & Lommatzsch, 2018: 8). Letztlich kritisierte man auch, das Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1944) bei ihren Untersuchungen nicht zwischen Beeinflussung und Informationsfluss unterschieden, denn nicht jede Vermittlung von Information muss gleichbedeutend mit einer Beeinflussung sein (vgl. Dressler & Telle, 2009: 34).
Mit den Columbia-Studien (und darauf aufbauenden Studien in den folgenden Jahrzehnten) hat sich die Kommunikationswissenschaft nachhaltig verändert. Die Hypothese des Two- Step-Flow of Communication wurde weiterentwickelt und es entstanden zahlreiche einstufige, weitere zweistufige als auch mehrstufige Kommunikationsmodelle (vgl. Taddicken, 2015: 34).
4.3 Ursprung des Influencer Marketings und die Prinzipien der Beeinflussung nach Robert Cialdini
Im Jahr 2001 veröffentlichte der US-amerikanische Psychologe und Wirtschaftswissenschaftler Robert Cialdini das Sachbuch „Die Psychologie des Überzeugens“, in dem erstmals der Begriff „Influencer Marketing“ fiel. Cialdini beobachtete, dass Menschen sich, aufgrund der zunehmenden Komplexität des Alltags, nicht mehr in allen Themenfeldern informieren und sich infolgedessen bei den Entscheidungen die sie treffen auf den Rat von Influencern verlassen (vgl. Wenzel, 2016). Diese Erkenntnis stützt sich auf der Annahme, dass Menschen relativ leicht zu beeinflussen und menschliche Handlungen bis zu einem gewissen Grad steuerbar sind. Dieses Phänomen nennt man auch Klick-Surr-Effekt. Die Begebenheit, dass Menschen dem Urteil fremder Personen Vertrauen schenken, erläutert Cialdini mithilfe der sechs Prinzipien der Beeinflussung: Reziprozität, Bindung und Konsistenz, soziale Bewährtheit, Sympathie, Autorität und Knappheit (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018: 5f).
Unter Reziprozität bzw. dem Prinzip der Gegenseitigkeit und Konformität versteht man das Gefühl, einer anderen Person gegenüber eine Verpflichtung zu haben. Nimmt sich ein Influencer Zeit, ein Produkt zu testen und gibt eine kostenlose Empfehlung an seine Follower weiter, so löst dies bei den Followern ein Schuldgefühl aus und sie zeigen sich mit dem Kauf des Produkts für seine Mühe erkenntlich.
Bindung und Konsistenz bzw. das Prinzip der Verlässlichkeit durch konsequentes Verhalten beschreibt den Vorgang, dass Verhaltensmuster, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben, automatisiert wiederholt werden. Hat ein Influencer schon einmal eine gute Empfehlung ausgesprochen, so vertraut man ihm auch bei zukünftigen Produktempfehlungen.
Soziale Bewährtheit bzw. das Prinzip der Identifikation erklärt, dass Menschen zur eigenen Orientierung Verhaltensmuster ihres sozialen Umfeldes (Community) adaptieren. Dies trifft insbesondere auf unsichere Menschen zu. Wenn viele Communitymitglieder dem Rat des Influencers Folge leisten, wirkt dieser Rat umso überzeugender.
Durch die intensive Interaktion des Influencers zu seinen Followern entsteht das Gefühl der Nähe. Es erwächst eine Sympathie für den Influencer und dieser wird zum Freund, der scheinbar direktadressierte, persönliche Empfehlungen ausspricht, denen man Folge leistet. Dieses Phänomen erklärt Cialdini mit dem Prinzip der Überzeugung.
Das Prinzip der Glaubwürdigkeit bis hin zum (blinden) Gehorsam befasst sich mit der Autorität, die der Influencer ausstrahlt. Er gilt als glaubwürdiger Experte auf seinem Themengebiet, seine exponierte Stellung in den sozialen Medien verleiht ihm Kompetenz. Seine Community sieht ihn als Vorbild, was wiederum zur unreflektierten Nachahmung seines Verhaltens führt.
Das letzte Prinzip, nämlich das Prinzip der Werthaltigkeit von Insiderwissen, begründet, dass allein die Verknappung eines Produkts die Kaufentscheidung beschleunigt und Nachfrage erzeugt. Produkte, Informationen und andere Ressourcen werden als besonders wichtig eingestuft, wenn diese begrenzt und exklusiv sind (vgl. Deges, 2018: 3-7; Nirschl & Steinberg, 2018: 6).
Mit der Entwicklung und Verbreitung von sozialen Medien veränderte sich der von Cialdini eingeführte Begriff des Influencing. Nun wird neben der psychologischen Einflussnahme von Influencern auch der größtmögliche Wirkungskreis betrachtet. Dies liegt daran, dass es sich heutzutage bei Influencern vor allem um Unbekannte handelt, die ihre Aufmerksamkeit über Social Media Kanäle generieren und über diese Einfluss ausüben (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018: 6f).
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