Sterbehilfe in der aktuellen Diskussion in Deutschland. Eine kritische Betrachtung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

21 Seiten, Note: 1,7

Ute Corell (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Sterbehilfe – eine Definition des Blickwinkels
2.1 Sterbehilfe – eine juristische Betrachtung
2.1.1 Aktuelle Diskussion der rechtlichen Lage in Deutschland zum Thema Sterbehilfe
2.2 Sterbehilfe – eine theologische Betrachtung
2.3 Sterbehilfe – eine entwicklungspsychologische Betrachtung

3 Sterbehilfe – eine ethische Herausforderung
3.1 Der Fall der Anne Schneider
3.2 Würde oder Leid – eine Gewissensfrage

4 Fachdidaktische Analyse

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Thema Sterben und Tod gehört zum physischen Leben genauso dazu wie die Geburt. Die Gesellschaft altert, die Zahl der Pflegefälle nimmt in den nächsten Jahren deutlich zu1 und folglich ist die Auseinandersetzung mit dem Tod unumgänglich. Zudem ist Sterben und Tod ein medial omnipräsentes Phänomen, mit dem wir im alltäglichen Medienkonsum ständig konfrontiert werden. Doch noch immer sind das Sterben und der Tod angst- und tabubesetzte Themen, die im privaten Nahbereich häufig aus Distanz betrachtet werden. Der Tod als ursprüngliche Familienangelegenheit wird heutzutage mit der Existenz von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hospizeinrichtungen aus dem privaten Nahraum hinaus in öffentliche Einrichtungen verlagert. Das Fehlen der Primärerfahrung führt immer mehr dazu, dass der Mensch im Allgemeinen versucht eine direkte Konfrontation mit dem Tod zu vermeiden. Die Unwissenheit über den Prozess des Sterbens birgt ein Potential an Angst vor Schmerz, Verlust und Ohnmacht. Besonders schwierig ist so die Akzeptanz des Verlustes von Menschen, die wir lieben.

Sterben und Tod scheint sehr oft ein Phänomen zu sein, das so plötzlich über die Menschen einbricht, ohne dass sie ausreichen Zeit haben, sich auf diesen Abschied vorzubereiten. So werden Sterben und Tod häufig miteinander gleichgesetzt – sie tragen für Betroffene und Angehörige dieselben Konsequenzen.

Allerdings müssen sich Menschen häufig aufgrund einer schweren, unheilbaren Krankheit lange und intensiv mit ihrem herannahenden Tod auseinanderzusetzen. Sie wissen, dass der Tod absehbar ist. Durch Gespräche mit Angehörigen und Ärzten können die Betroffenen lernen den Tod für sich selbst zu akzeptieren. Für sie kann der Tod eine Erlösung darstellen, eine Erlösung von schwerer Krankheit und großem Leiden. Ihre Angst bezieht sich häufig auf das Sterben. Ein Prozess, der möglicherweise langatmig und schmerzhaft sein wird, und dem man machtlos ausgeliefert ist. Schon in der Antike bezeichnet Sophokles nicht den Tod als tragische Erfahrung. Der vorausgehende Prozess des Sterbens, und vor allem die Sehnsucht nach dem Tod und ein damit verbundener qualvoller Sterbensvorgang bilden nach ihm das schlimmste Erlebnis für einen Menschen. So ist es nachvollziehbar, dass totkranke Menschen den Wunsch verspüren können, den Prozess ihres Sterben selbst beeinflussen zu wollen.

Dieser Wunsch wirft die Frage auf, wie Sterbebegleitung in Deutschland ablaufen soll und wie Menschen ihr Lebensende selbst bestimmen und gestalten können. Die Zulässigkeit von Sterbehilfe in Deutschland rückt dadurch wieder in Diskussion. Ist es ethisch vertretbar, dass die Gesellschaft den letzten Wunsch eines Menschen, den Wunsch des Sterbens, verweigert?

In einem ersten Schritt soll ein Blick auf das umfassende Verständnis des Begriffes Sterbehilfe geworfen werden. Die erlangten theoretischen Grundkenntnisse werden im Hinblick auf die Ausgangsfrage und mit besonderer Berücksichtigung der theologischen, juristischen und entwicklungspsychologische Perspektive analysiert. Diese komplexe Untersuchung wird die Basis für die ethische Diskussion der Ausgangsfrage bieten. Hier soll diskutiert werden, ob Sterbehilfe sündhaft oder erlösend ist. Aus den erworbenen Erkenntnissen soll in einer fachdidaktischen Analyse das Thema Sterbehilfe im Religionsunterricht erarbeitet werden. Abschließend wird ein Fazit gezogen, welches die gesamten Untersuchungsergebnisse und -erkenntnisse aufgreift.

2 Sterbehilfe – eine Definition des Blickwinkels

2.1 Sterbehilfe – eine juristische Betrachtung

„Sterbehilfe im strafrechtlichen Kontext ist in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen denkbar.“2 Zunächst ist daher eine grundlegende Definition von Sterbehilfe notwendig. Sterbehilfe lässt sich aus juristischer Perspektive in vier Bereiche einteilen: aktive, passive und indirekte Sterbehilfe sowie assistierter Suizid.

Aktive Sterbehilfe ist die aus allen Motivationen entspringende gezielte aktive Lebensverkürzung eines Mitmenschen. Dieses Vorgehen ist strafbar. Falls kein explizites Verlangen des Sterbenden nachweisbar ist, wird aktive Sterbehilfe nach §212 des Strafgesetzbuches3 (StGB) als Totschlag eingestuft. Die Strafe ist ein bis zehn Jahre Freiheitsentzug. Falls eine Person aufgrund des ausdrücklichen und ernsthaften Wunsches zu der aktiven Sterbehilfe angetrieben wurde, wird strafmildernd nach § 216 StGB eine Tötung auf Verlangen angenommen. Die Strafe ist sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsentzug.

Assistierter Suizid oder „Beihilfe zur Selbsttötung" ist das zur Verfügung stellen einer tödlichen Substanz durch Angehörige, Ärzte, Pfleger oder sonstige Personen. Der Betroffene nimmt selbstständig diese Substanz zur Selbsttötung ein. Die beteiligten Personen können nach §323c StGB für unterlassene Hilfeleistung mit bis zu einem Jahr Freiheitsentzug belangt werden. Menschen sind in Notsituationen zu Hilfeleistungen, in diesem Fall zu Wiederbelebungsversuchen, verpflichtet. Zudem wird Ärzten aufgrund des Standesrechts, organisiert durch die Ärztekammer, die Durchführung eines assistierten Suizids verboten. Allerdings weisen die Landesärztekammern diesbezogen keine Einheitlichkeit in der Formulierung des Verbotes auf und schaffen dadurch mögliche Grauzonen.4 Eine weitere Einschränkung gegen den assistierten Suizid schafft das Betäubungsmittelgesetz5 (BtMG). Nach §29 wird die unerlaubte Herstellung, Ein- und Ausfuhr oder in Verkehrbringung von Betäubungsmitteln strafrechtlich verfolgt und mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet.

Passive Sterbehilfe ist der „Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder [der] Verzicht auf deren Einhaltung durch invasive Behandlung“6. Sofern der Tod eines Patienten irreversibel ist, hat der behandelnde Arzt das Recht „eine eigene Ermessens- oder Einzelfallentscheidung bezüglich der Fortführung der Behandlung oder deren Abbruch“7 zu treffen. Es ist straffrei lebensverlängernde Maßnahmen wie Beatmung, Bluttransfusion oder künstliche Ernährung einzustellen.

Im Jahr 2009 gab es eine juristische Erweiterung um das Themenfeld Passive Sterbehilfe zur rechtlichen Absicherung von behandelnden Ärzten, Pflegern und Angehörigen. Es wurde das Patientenverfügungsgesetz eingeführt, welches besagt, dass es nicht mehr “auf das Stadium der Erkrankung für die Frage der Zulässigkeit eines Unterlassens intensivmedizinischer Maßnahmen“8 ankommt (§ 1901 a III BGB). „Dies hat insbesondere für solche Fälle große Bedeutung, in denen die Sterbephase noch nicht unumkehrbar eingesetzt hat (Demenzpatienten und Wachkomapatienten).“9 Im Vorfeld der Behandlung soll nun der Patient sein Selbstbestimmungsrecht nutzen und bestimmten medizinischen Maßnahmen einwilligen oder sie ausschließen (§ 1901 a I S.1 BGB). Zudem soll ein genannter Betreuer den Patientenwillen im Ernstfall durchsetzen (§ 1901 a I S.2 BGB). Zur Rechtssicherheit insbesondere für Ärzte und das Pflegepersonal wurde 2010 das Urteil des BGH gefällt, welches Sterbehilfe als Behandlungsabbruch definiert und sich daher klar von der Tötung auf Verlangen abgrenzt. Der Behandlungsabbruch ist nur an den Patientenwillen gebunden. „In den Fällen, in denen ein Patientenwille nicht ermittelbar ist, darf ein Behandlungsabbruch nicht vorgenommen werden.“10

Im Gegensatz zur passiven Sterbehilfe ist die indirekte Sterbehilfe als die Inkaufnahme einer Beschleunigung des Todeseintritts durch eine medizinische Behandlung, die primär der Schmerzlinderung dient, zu verstehen. Dieses Vorgehen ist straffrei. Als Beispiel kann die Verabreichung von starken Schmerzmitteln in der Finalphase einer tödlichen Krebserkrankung dienen, welche als Nebenwirkung ein Versagen von Leber oder Nieren hervorrufen kann. Die indirekte Sterbehilfe weist große Parallelen zu der Palliativmedizin auf und steht somit begrifflich in Diskussion.

2.1.1 Aktuelle Diskussion der rechtlichen Lage in Deutschland zum Thema Sterbehilfe

Sehr aktuell ist die Debatte um die Regelung der Sterbehilfe in Deutschland. Der Bundestag möchte den assistierten Suizid, der in den Landeskammern noch uneinheitlich niedergeschrieben ist, unter Berücksichtigung der Autonomie der Einzelnen gesetzlich regeln. So wurde im Sommer 2014 ein Gesetzesvorschlag vorgelegt. Ein entsprechendes Gesetz könnte im Herbst 2015 in Kraft treten. Nach diesem Gesetzesvorschlag soll die Beihilfe zur Selbsttötung generell strafbar sein. Es ist strafbar, gesunden Menschen Sterbehilfe zu leisten. Allerdings sollten Ärzte aber schwerstkranken Menschen ohne Heilungschance unter strengen Voraussetzungen helfen dürfen.

[...]


1 Statista GmbH. Das Statistik-Portal: Prognose zur Anzahl der Pflegefälle in Deutschland im Zeitraum der Jahre von 2010 bis 2050 (in 1.000). URL: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/262539/umfrage/prognostizierte-entwicklung-der-anzahl-der-pflegefaelle-in-deutschland/ [Stand: 11.09.2014].

2 Kolb, Christoph Peter: Neue Entwicklungen bei der Sterbehilfe. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Juristischen Fakultät an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Tübingen 2013. S. 15

3 Vgl. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: Strafgesetzbuch. URL: http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ [Stand: 11.09.2014].

4 Vgl. Klinkhammer, Gisela: Ärztekammern und Sterbehilfe: Darf ein Arzt beim Sterben helfen? In: Deutsches Ärzteblatt 2013, Jg. 110, Heft 11, S. 17.

5 Vgl. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln. URL: http://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/ [Stand: 11.09.2014].

6 Kolb: Neue Entwicklungen bei der Sterbehilfe. 2013. S. 17.

7 Ebd. S. 18.

8 Ebd. S. 20.

9 Ebd. S. 160.

10 Ebd. S. 163.

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Details

Titel
Sterbehilfe in der aktuellen Diskussion in Deutschland. Eine kritische Betrachtung
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V1153873
ISBN (eBook)
9783346545756
ISBN (Buch)
9783346545763
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sterbehilfe, Sünde, Erlösung, sterben, Tod
Arbeit zitieren
Ute Corell (Autor:in), 2015, Sterbehilfe in der aktuellen Diskussion in Deutschland. Eine kritische Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1153873

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