Joseph Beuys - der religiöse Künstler


Referat (Ausarbeitung), 2004

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Biografie und Werk im religiösen Kontext

3 Die kosmologische Christologie im Werk von Joseph Beuys

4 Das Kreuz als Symbol der Erlösung

5 Joseph Beuys- der moderne Künstler?

6 Fazit und Ausblick

7 Literatur

1 Einleitung

Den Namen Joseph Beuys kennt eigentlich jeder. Doch was verbinden die Menschen mit ihm? Eine kleine spontane Umfrage in meinem Bekanntenkreis ergab u.a. die folgenden Assoziationen: Documenta, Fettecke, Filzmantel, Erdtelefon, Eichen, Hut und „Medienschamane“. Sogar das Zitat „Jeder Mensch ist ein Künstler“ wurde erinnert. Auf die Nachfrage hin, womit sich Joseph Beuys beschäftigt hat, wurde zuerst die Kunst genannt. Einmal auch die Politik und einmal die Gesellschaft. Und was ist mit der Religion? Schweigen und fragende Gesichter.

Auch wenn diese kleine spontane Umfrage sicherlich nicht repräsentativ ist, gibt sie doch einen Hinweis auf die Rezeption des Werkes von Joseph Beuys. Dass sich der Künstler Zeit seines Lebens auch intensiv mit der Religion beschäftigt hat, wissen die wenigsten. Ein Grund mehr, sich dem Werk des Künstlers einmal von dieser Warte aus zu nähern.

Ich werde in meinem Referat über Joseph Beuys als religiösen Künstler sprechen und beziehe mich in meinen Darstellungen in erster Linie auf Friedhelm Mennekes Buch „Joseph Beuys: Christus Denken“. Der Jesuitenpater Friedhelm Mennekes ist Professor für Pastoraltheologie und Religionssoziologie an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main und seit 1987 Pfarrer an Sankt Peter in Köln, wo er auch die dortige Kunst-Station leitet. Außerdem hatte Menneke Gastprofessuren an den Kunsthochschulen in Wien, Mainz und Savannah (Georgia) inne. Friedhelm Mennekes arbeitet bereits seit 20 Jahren zum Thema „die kosmologische Christologie in der Kunst von Joseph Beuys“. Grundlage seiner Arbeit ist ein Interview mit dem Künstler, das er 1984 in dessen Atelier in Düsseldorf geführt hat. Es diente der Vorbereitung seiner ersten Beuys-Ausstellung „Menschenbild-Christusbild“, die er Ende 1984 mit Franz Joseph van der Grinten, einem langjährigen Freund Beuys, in der Frankfurter Vorortkirche Sankt Markus Nied ausgerichtete.

In dem Interview befragte Mennekes den Künstler zu grundsätzlichen Fragen des Christentums, der Kirche, der Kunst und der modernen Gesellschaft und fand so den Zugang zu einem - wie er sagte- ganz anderen Beuys. Beginnen werde ich meine Ausführungen mit einer kurzen Biografie Beuys, da „bei keinem anderen Künstler der Moderne der Zusammenhang zwischen Leben und Werk von so zentraler Bedeutung ist wie bei Beuys“.[1] Ich werde seinen „Werk/Lebenslauf“, wie Beuys seine Biografie Zeit seines Lebens nannte, bereits unter dem Fokus „Joseph Beuys als religiöser Künstler“ betrachten und euch einige „religiöse Werke“ zeigen. Dann werde ich versuchen, euch den Forschungsansatz Mennekes zur „kosmologischen Christologie im Werk von Joseph Beuys“ aufzuzeigen und ihn auf den „erweiterten Kunstbegriff“ beziehen. Um die Entwicklungen, die Beuys in seinem künstlerischen Schaffen gemacht hat, zu veranschaulichen, werden wir dann die Spur eines Zeichens verfolgen, das sich durch das gesamte Werk des Künstlers zieht: die Spur des Kreuzes als Symbol der Befreiung.

Am Schluss werde ich noch kurz auf die Frage nach Joseph Beuys als modernen Künstler eingehen, um in meinem Fazit die Rezeption Beuys in der wissenschaftlichen Literatur Friedhelm Mennekes zusammenzufassen.

Viel Spaß beim Zuhören!

2 Biografie und Werk im religiösen Kontext

Joseph Heinrich Beuys wurde am 12.Mai 1921 in Krefeld geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Kleve, einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen. Sein Vater Joseph Jakob Beuys betrieb mit seinem Bruder eine Mehl- und Futterhandlung, Beuys Mutter Maria kümmerte sich um den Haushalt. Beuys erinnerte sich: „Das Verhältnis zu meinen Eltern konnte man nicht als eng bezeichnen. Im Gegenteil, ich musste mich sehr früh selbst versorgen.“[2] Beuys entwickelte schon früh eine besondere Liebe zur Natur. Er wollte alles über Pflanzen und Botanik erfahren und legte schon als Fünfjähriger Sammlungen an, die er in seinem Heimatort ausstellte. Auf diese Leidenschaft wird er in seinem späteren Werk immer wieder zurückkommen, wenn er den Menschen und seine Beziehung zur Natur untersucht.

Seine Jugend erlebte Beuys im Dritten Reich, aber er machte seine strenge katholische Erziehung dafür verantwortlich, dass die Ideologien der Nazi-Diktatur „eigentlich immer im Hintergrund blieben.“ Beuys war Hitlerjunge, empfand sich aber aus einer inneren Protestsituation heraus, stets als Außenseiter, „nicht nur in der Hitlerjugend, sondern auch im Elternhaus und der Schule.“

Nach dem Abitur meldete sich Beuys als „Freiwilliger“ zur Luftwaffe und zog in den Krieg. Er nahm den Kriegsdienst im Dritten Reich als gegeben hin und bezeichnete ihn später sogar oft als „Bildungsereignis,“[3] weil er bei der Armee den späteren Tierfilmer Heinz Sielmann kennen lernte und mit ihm sein Wissen über die Natur vertiefen konnte. Der Krieg als solcher war für Beuys von keiner großen Bedeutung, ,,Wer dabei sein Leben verlor, hatte Pech, wer überlebte, Glück."[4] Und Beuys hatte Glück - er überlebte insgesamt fünf Flugzeugabstürze und die Kriegsgefangenschaft. Einer der Flugzeugabstürze soll einem Mythos zufolge sein späteres Werk besonders beeinflusst haben: sein Absturz 1945 über der Krim. Der ausgebildete Sturzkampfflieger und Bordfunker Beuys soll nur dank einheimischer Tartaren überlebt haben, die ihn zum Schutz vor der Kälte mit Fett einrieben und in Filzdecken hüllten. Ohne diese Maßnahmen wäre er erfroren. Die „Lebensretter“ Fett und Filz sollen in seinem späteren Werk als Symbole für das Leben und Überleben stehen und als Sinnbild für die Kraft der Natur[5] verstanden werden.

Nach dem Krieg entschied sich Beuys, Kunst zu studieren. Er wollte sich nicht auf einem Gebiet spezialisieren, sondern ein umfassenderes Wissen erlangen. Laut Mennekes ging es Beuys darum, das Ganze der Welt in seiner spirituellen Dimension zu erfassen. „Obwohl die Eltern es lieber gesehen hätten, dass der Sohn auf die Fettfabrik in Kleve gegangen wäre“[6] hielt Beuys an seinem Entschluss fest, Bildhauer zu werden. Bereits während seines Studiums an der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf (1947-1954) begann Beuys, sich mit der christlichen Ikonographie auseinander zu setzen.

Wie man am Beispiel der „Pietas“ sehen kann, versuchte sich Beuys an den klassischen Themen der Christus-Figur und der Madonna, stieß jedoch schnell an seine Grenzen. Er merkte, dass die Abbildung klassischer christlicher Motive ihn nicht dazu bringen konnte, die Christusfigur auf eine neue Art zu erfassen. Laut Mennekes war sein religiöses Interesse stärker als die traditionellen Formulierungen und Fixierungen. Zu dieser Zeit stieß Beuys zum ersten Mal auf die Schriften des Anthroposophen Rudolf Steiner[7]. Diese brachten ihn auf die Idee, das Christus-Thema mit naturbezogenen Betrachtungsweisen zu kombinieren. Er wollte „mit dieser Suche nach Weitung seiner Kunst, das Christliche vor allem in den Bereich des Biologischen und Biomorphen ausweiten.“ Denn das Leben teilte sich Beuys nicht nur im Menschen mit, sondern umfasse die gesamte Schöpfung und die stellte für Beuys eine Einheit dar, die es zu begreifen und zu gestalten galt. Ein Beispiel für eine solche Gestaltung ist das „Symbol der Erlösung“, ein Kreuz aus Nussbaumholz, das er als Ehrendenkmal für den Ort Büderich errichtete.

Im nächsten Schritt erweiterte Beuys die reinen Naturdimensionen um kosmologische Gedanken, die die erfahrene Welt in einen weltanschaulichen Entwurf überführen sollte. Beuys wollte das Konfessionelle, das Kirchliche am Christentum überwinden und in seiner kosmologischen Perspektive auch die alten Weisheiten beispielsweise der Naturvölker miteinbeziehen. Im „Sonnenkreuz“ von 1947/1948 zum Beispiel, der ersten Bronze-Plastik von Beuys, sollte ein schamanischer Sonnentanz mit der Leidensgeste Jesu verbunden werden, im Kreuz von 1950 sollten keltische Formen aufgegriffen werden.

So wichtig es Beuys war, die Kunst in die naturwissenschaftlichen und mythologischen Bezüge zu führen, so dringlich wurde es ihm in seiner Akademie-Zeit bei Joseph Enseling (einem Schüler Rodins[8]) und Ewald Mataré[9] auch, die Grenzen der Akademie-Kunst zu sprengen und sie in Form und Inhalt zu weiten. Dies realisierte er durch die Einbringung neuer Materialien und durch die Entdeckung neuer Symbolformen. Er verband organische Stoffe wie Fett, Wachs, Blut oder Tierüberreste mit anorganischen Stoffen wie Kunststoff oder Metall.

Es entstanden zu dieser Zeit Werke wie z.B. Morphe, bei dem zwei anorganische Sektgläser mit organischem Holz und Papier kombiniert wurden oder das berühmte Kreuz mit Kniescheibe und Hasenschädel, bei dem Beuys einen organischen Tierschädel an ein anorganisches Metallkreuz montierte. Die herausoperierte Kniescheibe sollte Verletzlichkeit und Ungeschütztheit symbolisieren.

Der Hinweis auf Verletzlichkeit entstammt einer Phase in Beuys Leben, die für sein künstlerisches Werk sehr wichtig wurde. 1955 stürzte Beuys in tiefe Depressionen. Er war vom Krieg körperlich schwer gezeichnet, hatte finanzielle Probleme und wurde zu allem Überfluss auch noch von seiner damaligen Verlobten verlassen. Beuys verbarrikadierte sich während dieser Zeit wochenlang in der Wohnung eines Freundes und wollte nicht mehr da sein. Er wollte mit dem Leben aufhören[10] wie er sagte. Zwei psychiatrische Behandlungen schlugen fehl. Erst als die Bauernsöhne van der Grinten ihren Freund Beuys zu sich aufs Land holten, ging es wieder bergauf. Beuys arbeitete auf dem Feld und begann, sich umzuorganisieren. „Die Dinge in mir mussten sich völlig umsetzen, es musste bis in die Physis hinein eine Umwandlung stattfinden. Krankheiten sind fast immer auch geistige Krisen im Leben, wo alte Erfahrungen und Denkvorgänge abgestoßen und zu positiven Veränderungen umgeschmolzen werden.“[11] Die Depression war für Beuys eine wichtige Phase, in der er sich und seine Beziehung zur Umwelt als Künstler neu definiert hat. „Ich musste alles auf neue Begriffe bringen. Dass ich viel intensiver, sagen wir mal erkenntnistheoretischer arbeiten musste. (...) Da entstanden die ersten theoretischen Strukturen zur Erweiterung des Kunstbegriffes.“[12] Auf den erweiterten Kunstbegriff werde ich aber später noch zu sprechen kommen.

Nach seiner schweren Krise war Beuys auch wieder für die Liebe offen. 1959 heiratete er die Kunsterzieherin Eva Wurmbach, die 1962 seinen Sohn Wenzel zur Welt brachte. Seine Tochter Jessyka wurde zwei Jahre später geboren.

[...]


[1] www.kunst.uni-stuttgart.de/seminar/beuys/rezeption.html

[2] Adriani 1981, S. 16

[3] Stachelhaus 1997, S.23

[4] ebenda

[5] Vgl. Joseph Beuys im Gespräch mit Knut Fischer und Walter Smerling 1989, S.7

[6] Adriani 1994, S. 19

[7] Rudolf Steiner (1861-1925), Begründer der Anthroposophie, Brockhaus 1992

[8] Auguste Rodin (1840-1917), französischer Bildhauer, Graphiker und Maler, Brockhaus 1992

[9] Ewald Mataré (1887-1965), deutscher Bildhauer, Brockhaus 1992

[10] Vgl.Stachelhaus 1997, S. 64

[11] Joseph Beuys im Gespräch mit Knut Fischer und Walter Smerling 1989, S.7

[12] Adriani 1994, S.40

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Joseph Beuys - der religiöse Künstler
Hochschule
Universität der Künste Berlin  (Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation)
Veranstaltung
Zwischen „freier Phantasie“ und Gebrauchszwecken Der Künstler in der wissenschaftlichen Literatur
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V115389
ISBN (eBook)
9783640177080
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Joseph, Beuys, Künstler, Zwischen, Phantasie“, Gebrauchszwecken, Künstler, Literatur
Arbeit zitieren
Diplom-Kommunikationswirtin Julia Schroeter (Autor:in), 2004, Joseph Beuys - der religiöse Künstler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115389

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