Der Zusammenhang zwischen Risikoverhalten und Persönlichkeitsfaktoren. Eine systematische Übersichtsarbeit


Bachelorarbeit, 2021

70 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffliche Grundlagen
2.1 Der Begriff „Persönlichkeit“
2.1.1 Persönlichkeitstheorien
2.1.2 Fünf-Faktoren-Modell
2.1.3 Instrumente zur Erfassung der Big Five
2.2 Der Begriff „Risiko“
2.2.1 Prospect Theory
2.2.2 Instrumente zur Erfassung des Risikoverhaltens
2.3 Forschungsfrage und Hypothese

3 Methodologie
3.1 Auswahlkriterien
3.2 Systematische Übersichtsarbeit
3.3 Prozess der Studienauswahl
3.4 Einbezogene Studien

4 Ergebnisse

5 Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Grenzen der Arbeit
5.3 Praktische Implikationen
5.4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anlage(n)

Executive Summary

1 Es gibt viele gefährliche Situationen, denen Menschen täglich ausgesetzt sind. Diese treten in unterschiedlichsten alltäglichen Situationen auf, wie bei der Arbeit, bei Sportaktivitäten sowie beim Kontakt mit Suchtmitteln wie Alkohol oder Marihuana. Risiken einzugehen, das Für und Wider abzuwägen und sich bewusst für oder gegen gefährliche Situationen zu entscheiden, sind nicht nur für Heranwachsende wichtige Meilensteine in der Entwicklung. In dieser systematischen Übersichtsarbeit wird anhand von 31 ausgesuchten Studien der Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit in Anbetracht der Big Five des Fünf-Faktoren-Modells und dem Risikoverhalten untersucht. Es konnte eine moderat positive Korrelation zwischen dem Persönlichkeitsfaktor Extraversion und Risikoverhalten sowie einen signifikant moderaten negativen Zusammenhang mit Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Risikoverhalten verzeichnet werden. Die Ergebnisse der Facetten Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen zeigten keine signifikanten Zusammenhänge. Des Weiteren wurden Ansätze der psychologischen Entscheidungsforschung in Studien mit einbezogen und teilweise konnten Korrelationen dessen bestätigt werden.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten2

1 Einleitung

Die Fähigkeit, Risiken zu erkennen und zu vermeiden ist dem Menschen von Natur aus gegeben und trägt maßgeblich dazu bei, die Überlebenschancen fast aller Lebewesen zu erhöhen. Die daraus resultierende Fähigkeit, Risiken im Umgang mit der Umwelt zu machen und daraus zu lernen, erhöht diese Chancen. Individuen haben darüber hinaus die Fähigkeit, ihre Umwelt zu verändern. Dies lässt ein reaktives Verhalten zu, welches ein aktives und zielgerichtetes Handeln ermöglicht, wobei die Möglichkeit besteht Risiken zu schaffen, als auch Risiken zu verringern. Risiko findet sich im Alltag in unterschiedlichsten Situationen. Bereits ein offenes politisches Wort zu äußern oder gegen Missstände in der Gesellschaft verbal einzutreten, birgt soziale Risiken, wobei höchstwahrscheinlich eine Achtung oder Ächtung von anderen Gruppen zu erwarten ist. Rauchen, schlechte Ernährung, Alkohol und Bewegungsmangel zählen zu den vier Volkskillern, welche fast 70 Prozent der vorzeitigen Todesfälle ausmachen. Beispielsweise sterben an den Folgen des Rauchens jährlich 100.000 Deutsche. Es besteht in der Allgemeinheit ein Wissen über die Schädlichkeit des Rauchens, dennoch wird aus verschiedenen Faktoren wie Lustgewinn oder Abhängigkeit entschieden, dieser Gewohnheit weiter aktiv nachzugehen. Für die meisten Individuen sind Fahrten mit dem Auto oder dem Motorrad eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Die vorhandenen Risiken, werden weitestgehend nicht hinterfragt. Die größte Gruppe der Verkehrsunfälle, stellen Insassen eines PKWs mit 47 Prozent Verkehrstoten sowie 55 Prozent der Verletzten dar (vgl. Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. 2015). Der Gedanke, dass man in der modernen Gesellschaft gefährlicher lebt als in älteren Gesellschaften kann allgemein nicht bestätigt werden, jedoch ist das Risiko ein normales Begleitphänomen alltäglichen Handelns geworden. Jede neue Krise macht uns Sorge, bis wir sie vergessen und uns aufgrund der nächsten sorgen.

Es wird immer deutlicher, dass es noch andere Faktoren gibt, von denen die Risikowahrnehmung abhängt. Doch warum werden Risikosituationen unterschiedlich bewertet und wieso verhalten sich Individuen unterschiedlich? Können demnach auch Persönlichkeitsmerkmale das Risikoverhalten beeinflussen und womöglich sogar voraussagen? Im Kern zielt diese Literaturrecherche zur Risikowahrnehmung folglich darauf ab, die möglichen Faktoren zu untersuchen, die die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen.

In dieser systematischen Übersichtsarbeit werden 31 relevante Studien zu folgender Leitfrage überprüft: Gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Big Five des Fünf-Faktoren-Modells und Risikoverhalten?

Im darauffolgenden Kapitel werden begriffliche Grundlagen zu Persönlichkeit und Risiko vor dem Hintergrund bekannter Theorien und Modellen sowie relevanter Messinstrumente behandelt. Die Forschungsfrage sowie Hypothese sind ebenfalls in diesem Kapitel zu finden. In Kapitel 3 wird die Methodologie des Reviews betrachtet sowie Auswahlkriterien vorgestellt und die systematische Literaturrecherche präsentiert. Das vierte Kapitel dient der umfassenden systematischen Auseinandersetzung von selegierten Studien, welche basierend auf der Forschungsfrage und Hypothese ausgewählt wurden. Im letzten Kapitel werden prägnante Ergebnisse unter kritischer Begutachtung des theoretischen Hintergrunds diskurriert sowie Grenzen der Arbeit aufgestellt und praktische Implikationen formuliert. Abschließend wird ein Resümee zu den Hauptergebnissen gegeben und weitere Forschungsansätze für zukünftige Forschungen abgeleitet.3

2 Begriffliche Grundlagen

Das folgende Kapitel dient dem allgemeinen Verständnis in die Thematik. Grundlegend relevante Begriffe zu Risikoverhalten und dem Konstrukt Persönlichkeit sollen hierbei geklärt werden. Dies ist hilfreich für die Vermittlung des zugrundeliegendem Begriffsverständnis, um eine nachvollziehbare Ebene für die systematische Übersichtsarbeit zu schaffen.

2.1 Der Begriff „Persönlichkeit“

Ein zentraler Begriff im Kontext der Persönlichkeitsforschung ist „Trait“, wodurch beschrieben wird, dass gewisse Eigenschaften einer Person zeit- und situationsüberdauernd sind. Letztlich spiegeln diese sich in emotionalen und kognitiven Variablen, als auch im sichtbaren Verhalten wider. Eine transsituative Konsistenz im Verhalten eines Individuums ist jedoch nicht die Norm. Dieser Widerspruch ist in der Literatur als Persönlichkeits-Paradoxon geläufig. Dieses Paradoxon kann jedoch abgeschwächt werden, betrachtet man, dass Individuen oft unterschiedliche Verhaltensweisen zeigen, jedoch die Mehrheit in vergleichbaren Situationen ähnliches Verhalten aufweisen (vgl. Montag 2016).

Bezugnehmend schreibt Walter Mischel im Jahr 2004 „Obwohl zu gegebenen Zeitpunkten aktivierte Kognition(en) und Affekt(e) veränderlich sind, bleibt die Art und Weise, wie sie sich ändern, also die Sequenz und Muster der Aktivierung, stabil und stellt die stabile Organisation innerhalb des Systems dar“. (Montag 2016). Folglich sollte Persönlichkeit als dynamisches Konstrukt angesehen werden, welches auf verschiedene Situationen mit verschiedenen, innerhalb vergleichbarer Situationen, mit ähnlichen Verhalten begegnet (vgl. Montag 2016).

Um einen Bezugsrahmen für das Thema zu definieren, folgt nun eine Zusammenfassung ausgewählter Persönlichkeitstheorien sowie eine notwendige Betrachtung des Fünf-Faktoren Modells.

2.1.1 Persönlichkeitstheorien

Eine Vielzahl der Persönlichkeitstheorien befassen sich mit der Beschreibung und Erklärung der Natur des Menschen sowie mit der Auseinandersetzung von Persönlichkeit im Kontext des einzelnen Individuums. Persönlichkeitstheorien stützen auf Modellen, welche die Persönlichkeit in inter- und intra-individuelle Unterschieden gliedert. In der Wissenschaft der Persönlichkeitsforschung bestehen viele Ansätze und Theorien, eine allumfassende Theorie der Persönlichkeit wurde noch nicht entwickelt. Als Ergebnis andauernder Persönlichkeitsforschung gelten die Big Five Facetten des Fünf Faktorenmodells heute als die am empirisch am besten erwiesenen Persönlichkeitsmerkmale. Neben Forschungsmethoden wird zwischen qualitativ orientierten, folglich philosophisch orientierten Theorien sowie quantitativ orientierten, also auch faktorenanalytisch orientierten Theorien unterschieden (vgl. Spektrum 2000).

Aus Perspektive der philosophisch orientierten Persönlichkeitstheorien, sind introspektive Ansätze zentral und eher deskriptiv als auf die Erklärung von Verhalten fokussiert. Demnach ist Persönlichkeit, die Person, die sich im Laufe des Lebens entwickelt. Insbesondere im deutschsprachigen Raum wurden philosophische Persönlichkeitstheorien etabliert. Allport, Maslow und Rogers leisteten einen großen Beitrag bei der Weiterentwicklung. Sämtliche faktorenanalytische Modelle basieren auf einer ähnlichen Struktur. Demnach werden aus einer großen Fülle überprüfbarer Ausgangsdaten, mittels mathematischer Methoden, sukzessive unabhängige Faktoren extrahiert, die als latente Persönlichkeitseigenschaften das beobachtbare Verhalten beeinflussen (vgl. Spektrum 2000).

Die Faktorentheorie nach Cattell betrachtet die Persönlichkeit als die Menge der nicht-situativen Verhaltensbedingungen, die das Ziel der Vorhersage, wie sich eine Person in einer bestimmten Situation verhalten wird, verfolgt. Hierbei wurden 36 voneinander abhängige Oberflächeneigenschaften generiert, die im weiteren Verlauf auf 16 bipolare Dimensionen reduziert wurden, welche teilweise den Dimensionen von Eysenck ähneln (vgl. Cattell 1949). Rückführend auf die Theorie von Eysenck sind Merkmale in der Persönlichkeit eines Individuums genetisch bedingt und tief in der Physiologie des Menschen verankert. Es werden drei unabhängige Persönlichkeitsmerkmale geschaffen, Extraversion vs. Introversion, Neurotizismus und Psychotizimus. Auf der genannten Theorie stützen Persönlichkeitstests wie der Maudsley Personality Inventory (MMQ), das Eysenck Personality Questionnaire (EPI) oder die Hamburger Neurotizismus- und Extraversionsskala für Kinder und Jugendliche (HANES-KJ) (vgl. Spektrum 2000).

Aus der Faktorentheorie nach Guilford geht hervor, dass die Persönlichkeit als eine Kombination von sieben Merkmalen anzusehen ist. Hierbei werden nicht nur Verhaltensmerkmale betrachtet, sondern auch körperliche Merkmale sind Gegenstand der Forschung von Persönlichkeit. Letztendlich wird auf vier beschreibende Dimensionen verwiesen: morphologische, physiologische, Eignungs- und Temperament-Dimensionen (vgl. Spektrum 2000).

2.1.2 Fünf-Faktoren-Modell

In der internationalen Forschung zeigte sich eine Tendenz der Einigung auf fünf Grunddimensionen der Persönlichkeit. Diese dienen dem Zweck, Gegensätze in Menschen entsprechend zu beschreiben (vgl. Walter 2006). Dem lexikalischen Ansatz von Cattell liegt der Gedanke zu Grunde, dass sich wichtige persönlichkeitsbeschreibende Wörter in der alltäglichen Sprache enkodiert haben. Folglich sollten die Begriffe eines Sprachgebiets, mit denen entsprechende Unterschiede beschrieben werden können, den Bereich der relevanten individuellen Abweichungen abdecken (vgl. Cattell 1949). Ausgehend von den 18.000 Adjektiven aus Webster´s New International Dictionary, wurden von Allport und Odbert 4504 Begriffe zur Charakterisierung stabiler individueller Persönlichkeitszüge postuliert. Weitere Berechnungen wiesen einen Rechenfehler sowie eine Korrelation der 16 Faktoren auf. Erst durch Forschungen von Costa und McCrae gelang es, fünf robuste und grundlegende Faktoren, die gleichermaßen in multidimensional aufgebauten Persönlichkeitsfragebögen, als auch Adjektivlisten zu verwenden sind, zu entwickeln (vgl. Walter 2006).

Diese Faktoren stehen unabhängig zu den Fragebogeninstrumenten, von statistischen Methoden, der Art der Stichprobe und vom Kulturraum. Als Messinstrument wurde das NEO-Personality-Inventory (NEO-PI-R) geschaffen, welches revidierend 240 Items interindividueller Persönlichkeitsunterschiede erfasst (vgl. Walter 2006).

Das Modell Costa und McCraes basiert auf dem Top-Down-Ansatz, in dem anfänglich die Domains auf übergeordneter Ebene definiert werden (vgl. Muck 2004). Ein Persönlichkeitsbereich wird insofern als […] sphere of concern or function […] dargelegt (Costa & McCrae 1995).

Die oberste Ebene der Big Five umfasst fünf Hauptdimensionen: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.

Die Dimension Neurotizismus ist durch eine gesteigerte Empfindlichkeit und ein niedriges Stressempfinden gekennzeichnet. Individuen beinhalten in ihrer Persönlichkeit eine eigenwillige Art der Problembewältigung sowie ein Kontrollverlust Ihrer Bedürfnisse (vgl. Muck 2004).

Die Facette Extraversion beschreibt einen geselligen, freundlichen, sowie aktiven Charakter. Extravertierte Individuen sind abenteuerlustig und können sich für spannende Aufgaben begeistern. Die selbstbewusste Art wird durch den übermäßigen Optimismus gestärkt. Sie sympathisieren mit aufregenden Situationen und neigen mit ihrer optimistischen Denkweise zu Übermut. In diesem Zusammenhang kann diese Charakterisierung als sehr risikoreich angesehen werden (vgl. Muck 2004).

Die Dimension Offenheit für Erfahrungen wird auf der geistigen Beweglichkeit, Neugier oder Kreativität gestützt. Demnach werden Individuen mit einer starken Ausprägung dieser Dimension auch „Kreative Erneuerer“ genannt, welche nach Neuerungen und Ansätzen, die von der Norm abweichen, streben. Personen mit dieser Ausprägung sind häufig in Berufsständen wie Unternehmer, Architekten oder theoretische Wissenschaftler zu finden (vgl. Walter 2006).

Verträglichkeit bezeichnet ein Verhalten, welches als entgegenkommend und vertrauensvoll charakterisiert werden kann. Verträgliche Individuen treten demnach anderen Menschen mit Wohlwollen entgegen und ordnen eher die eigenen Bedürfnisse denen des Gegenübers unter. Das Schaffen von Harmonie oder eine dementsprechende Angleichung des Unterwürfigen, liegt hierbei im Vordergrund (vgl. Walter 2006).

Dem gewissenhaften Charakter liegt es im Sinne, leistungsorientiert und pflichtbewusst zu handeln. Durch Selbstdisziplin können etwaige vom Ziel ablenkende Reize neutralisiert und kontrolliert werden (vgl. Walter 2006).

2.1.3 Instrumente zur Erfassung der Big Five

Das aktuell populärste Instrument zur Erfassung des Fünf-Faktoren-Modells ist der NEO-Five-Factor Inventory (NEO-FFI). Die Abkürzung „NEO“ leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Facetten Neurotizismus, Extraversion und Offenheit für Erfahrungen ab. Die revidierte Fassung NEO-PI-R, umfasst 240 Items und erfasst hierbei die fünf Faktoren der Persönlichkeit, die durch jeweils sechs Facetten repräsentiert werden (vgl. Ostendorf & Angleitner 2004). Diese facettenorientierte Herangehensweise ermöglicht eine umfassende Analyse der Persönlichkeitsstruktur, wobei hier unter anderem signifikante Unterschiede innerhalb einer Persönlichkeitsdimension gemessen werden können (vgl. Rammsayer & Weber 2010). Der NEO-FF-I ist die Kurzversion des NEO-PI-R- Fragebogens und soll mit nur 60 Items die fünf Persönlichkeitsfaktoren ressourceneffizient analysieren. Durch den Verzicht auf einzelne Facetten findet das Instrument in der Praxis häufig Anwendung (vgl. Borkenau & Ostendorf 1993).

Der Fokus des Eysenck Personality Questionnaires oder des Freiburger Persönlichkeitsinventars liegt hingegen darin, gewisse Bereiche verstärkt zu repräsentieren, gleichermaßen einen Auszug der essenziellsten Dimensionen individueller Unterschiede darzustellen. Der EPI misst die Dimensionen Extraversion-Introversion und emotionale Stabilität-Labilität, also Neurotizismus (Körner, Geyer & Brähler 2002).

Das HEXACO-Modell ist ein zusätzliches Instrument der Identifizierung grundlegender Persönlichkeitsmerkmale. Der Begriff „HEXACO“ setzt sich aus der Gesamtzahl der sechs Faktoren und deren Akronyme der englischen Faktorbegriffe zusammen. Die Faktoren differenzieren sich in vier Facetten (siehe Abb. 1). Einen Gegensatz zu dem FFM, stellen die Facetten Neurotizismus sowie Verträglichkeit dar, welche in dem HEXACO-Modell nicht existieren. Gleichermaßen die Faktoren Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrung konform sind. Im HEXACO-Modell lässt sich eine Abgrenzung des primären sozialen Faktors zu einem individuell-emotionalen Faktor erkennen, während bestimmte Bereiche im FFM eher unbestimmt auf die Faktoren Neurotizismus und Verträglichkeit verteilt sind (vgl. Moshagen, Hilbig & Zettler 2014).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Faktoren und Facetten des Fünf-Faktoren-Modells nach Costa und McCrae (1992) (Lingg 2020)

Im Weiteren wird näher auf die Begriffserklärung von Risiko und psychologischen Erklärungsmuster sowie die Entwicklung der Risikoforschung eingegangen.

2.2 Der Begriff „Risiko“

Der Begriff "Risiko" findet Ursprung im Altpersischen und bedeutet "Ausweichen vor einer gefährlichen Klippe." (Trimpop 1994). Darunter fallen alle Verhaltensweisen und Umstände, die mit Ungewissheit über den Ausgang und/oder die Folgen verbunden sind, unabhängig davon, ob der Ausgang positiv oder negativ ist (vgl. Trimpop 1994). Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition für den Begriff Risiko, weder in den Wissenschaften noch im öffentlichen Verständnis. Alle Risikokonzepte überschneiden sich jedoch in einem Punkt: die Unterscheidung zwischen Realität und Möglichkeit (vgl. Evers 1993).

Die Begrifflichkeit und Anschauung des Risikos sind seit Anbeginn der Geschichte präsent (vgl. Trimpop 1994). Erst ab den frühen 19. Jahrhundert wurden statistisch aussagekräftige Beurteilungen geschaffen, mit denen spezifische Wahrscheinlichkeitsvorhersagen und exakte Unfallhäufigkeiten erfasst und zur Berechnung von Gefährdungen genutzt werden konnten (vgl. Trimpop 1994). Eine Möglichkeit der Abgrenzung besteht zwischen subjektivem und objektivem Risiko. Die Grundlage für das objektive sowie das subjektive Risiko sind „soziale Konstruktionen von Denkvorstellungen, Einstellungen und Institutionen.“ (Krohn & Krücken 1993). Das objektive Risiko wird als messbar verstanden, wobei sich das subjektive Risiko hingegen einer direkt technischen Messbarkeit ausschließt. Das letztere meint die Wahrnehmung des Risikos eines einzelnen Individuums und ist damit faktisch nicht messbar. Eine weitere Unterscheidung kann unter Berücksichtigung von kulturellen und psychologischen Faktoren eines Risikos erfolgen. Freiwillige Risiken werden eher akzeptiert als unfreiwillige, aufgezwungene oder von außen auferlegte Risiken. Hier wird zum Beispiel oft das Risiko des riskanten Autofahrens oder gefährlichen Hobbys mit dem Risiko der Strahlung von Atomkraftwerken verglichen (vgl. Banse & Bechmann 1998). Als ein geringes Risiko schätzt das Individuum ein, wenn dies selbst kontrollierbar ist oder scheint. Dies führt zu einem unrealistischen Glauben, was wiederum zur Verharmlosung des statistischen Risikos eines gefährlichen Ereignisses führt (vgl. Banse & Bechmann 1998). Direkte Betroffenheit lässt ein Risiko riskanter erscheinen und führt zu einer steigenden Handlungsbereitschaft (vgl. Jungermann & Slovic 1993). Bei individuellen Risiken wird der Schaden in der Regel von kollektiven Versicherungen minimiert, dies ist wiederum nicht bei kollektiven Risiken zu erreichen. Individuelle Risiken werden deshalb weniger wahrgenommen als kollektive Risiken (vgl. Krohn & Krücken 1993).

Renn (1998) postuliert die These, dass eine der Hauptaufgaben der Risikogemeinschaft darin bestehen sollte, die Notwendigkeit einer integrierten Risikobewertung und die Entwicklung innovativer Risikomanagementstrategien hervorzuheben, die auf den Erkenntnissen der Natur-, Technik- und Sozialwissenschaften aufbauen (vgl. Renn 1998). Hierzu werden die Stärken und Schwächen jedes Ansatzes zur Risikoanalyse betrachtet, um die möglichen Beiträge aufzuzeigen, welche die technischen Wissenschaften und die Sozialwissenschaften zum Risikomanagement leisten können, um die Risikobewertung und die Risikowahrnehmung zu integrieren (vgl. Renn 1998). Die Risikoforschung der letzten drei Jahrzehnte konzentrierte sich auf die Entwicklung von Methoden und Verfahren zur Risikoanalyse und zum Risikomanagement. Infolge dieser Untersuchungen haben Risikomanagement-Agenturen versucht, Risikobewertungen zu einer Routineoperation für die Bewertung verschiedener Gefahren, chemischer Arbeitsstoffe, oder Technologien zu machen. Das Problem bei der weltweiten Routinisierung der Risikobewertungsmethode besteht jedoch darin, dass eine formale Analyse die konzeptionellen Grundlagen und Einschränkungen dieser Methode verschleiern und ein falsches Maß an Sicherheit beim Umgang mit potenziellen Nebenwirkungen menschlicher Handlungen und Interventionen hervorrufen kann (vgl. Renn 1998). Geht man Analysen im Laufe der Forschung zu Risikoverhalten durch, werden unterschiedliche Gesichtspunkte dargestellt. Häufig wird auf stochastischen Entscheidungsmodellen zurückgegriffen, wobei Inkonsistenz und Intransitivität der Bevorzugung von Alternativen näher betrachtet werden, als in deterministischen Entscheidungsmodellen (vgl. Dinkelbach & Kleine 1996). Des Weiteren fordern Lewin und Erwin eine stärkere Einbeziehung feldtheoretischer Interpretationsmöglichkeiten, die zu einer Korrelation zwischen Subjektiven Nutzen und Subjektiver Wahrscheinlichkeit führt. Häufig setzen Studien in Bezug auf Risikoverhalten den Zusammenhang mit Situationen in deren Verlustmöglichkeiten herrschen. Dem Entscheider sind in dessen Wahrscheinlichkeiten nicht oder nur teilweise bekannt. Hierbei wird Wert auf den zeitlichen Verlauf von Risikoverhalten als Konfliktverhalten bei gegensätzlichen Leistungs- und Sicherheitstendenzen gesetzt und bis zum Entscheidungspunkt maximiert und erst dann ausgewählt (vgl. Klebelsberg 1969). Ebenso kann dies Anwendung als informationsverarbeitendes Verhalten in Form eines sequentiellen Vergleichs von vier Risikodimensionen finden (vgl. Carrol & Payne 1976).

Atkinson postuliert die Beziehung zwischen Risikoverhalten und Leistungsmotivation unter der Annahme von Wechselwirkungen zwischen Erfolgs- und Misserfolgsmotivation. Die Erfolgs- und Misserfolgsmotivation wird auch als Hoffnung auf Erfolg, oder der Angst vor Misserfolg verstanden (vgl. Atkinson 1957). Außerdem werden deskriptive Ziele gegenüber normativen Zielen bevorzugt und damit werden persönlichkeits- oder differenzpsychologische und sozialpsychologische Zielsetzungen betont (vgl. Kogan & Wallach 1964).

Da einige inbegriffene Studien Persönlichkeit in Zusammenhang mit Gewinn und Verlust betrachtet haben, ist es im folgendem notwendig durch die Prospect Theory eine Grundlage für das weitere Verständnis zu schaffen.

2.2.1 Prospect Theory

Die Prospect Theory widmet sich dem hypothetischen Wählen zwischen unterschiedlich risikobehafteten Alternativen, welches in recht spezifischen Wert-Erwartungsfunktionen unterteilt. Dabei besteht die Auffassung, dass Nicht-Proportionalität, sowohl bei der Wahrscheinlichkeitsfunktion als auch bei der Wertfunktion, besteht. Die Nutzenbewertung postuliert eine Phase der Aufbereitung („editing“) verschiedener Alternativen. Die Autoren nehmen an, dass die Wertfunktion für Gewinne konkav und Verluste dagegen konvex ist (siehe Abb. 2). Demnach wird davon ausgegangen, dass die Funktion für Verluste steiler ist als für Gewinne (vgl. Wiswede 2012).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Wertfunktion in der Prospect Theory (Thaler 1985)

Es wird davon ausgegangen, dass die meisten Menschen den sicheren Gewinn vorziehen, auch wenn der Erwartungswert der zweiten Alternative höher ist. Ferner wird vermutet, dass Individuen bei Gewinnchancen meist den vermeintlich sicheren Weg einschlagen und das Risiko umgehen (vgl. Wiswede 2012). Außerdem wurde herausgefunden, dass Menschen im Verlustbereich dazu neigen, das größere Risiko einzugehen, wenn sie zwischen einem sicheren Verlust und einem möglichen noch größeren Verlust wählen müssen. Darauf anknüpfend muss berücksichtigt werden, dass die Unterschiede im oberen sowie unteren Bereich höher eingestuft werden, als die verschiedenen Grade mittlerer Wahrscheinlichkeit, was auch als Weighting-Funktion bekannt ist. In Folge einer Unterschätzung mittlerer Wahrscheinlichkeiten, flacht die Kurve für die Bewertungsfunktion ab, behält jedoch die ursprüngliche S-Form bei. (vgl. Wiswede 2012).

Die Cumulated Prospect Theory stellt eine neue Version des Modells dar, beinhaltet jedoch unterschiedliche Gewichtungsfunktionen für den Gewinn- und Verlustbereich. Außerdem sollte beachtet werden, dass die Kurve als idealtypisch gilt und individuelle Abweichungen oder situative Abweichungen berücksichtigt werden müssen (siehe Abb. 2). Der soziale Kontext sollte ebenso mit einfließen, da in Gruppensituationen riskanter gehandelt wird. Die Autoren Mowen/Mowen (1991) fügen dem Ansatz von Kahneman und Tversky eine weitere Variable, die Zeitdimension, hinzu. Hierbei wird auf Grundlage ökonomischer Überlegungen angenommen, dass Gewinne und Verluste diskontiert werden, sodass künftige Gewinne, gegenüber derzeitig realisierbaren gleich hohen Gewinnen, geringer eingeschätzt werden (vgl. Wiswede 2012).

Im Folgenden werden nun Instrumente vorgestellt, die unter anderem in den Studien zur Risikomessung verwendet wurden, um ein Grundverständnis dessen zu schaffen.

2.2.2 Instrumente zur Erfassung des Risikoverhaltens

Ein häufig verwendetes Instrument zur Erfassung von Risikoverhalten in der Adoleszenz stellt der Adolescent Risk-Taking Questionnaire (ARQ) dar (vgl. Gullone et al. 2000). Im Vergleich zu anderen Lebensabschnitten ist die Adoleszenz durch ein erhöhtes Potenzial für riskante Verhaltensweisen gekennzeichnet. Das Instrument zur Erfassung von Risikobereitschaft für Jugendliche wurde entwickelt, um die Überzeugungen und Verhaltensweisen zur Risikobereitschaft von Jugendlichen umfassend zu bewerten. Der ARQ kann über zwei Teile hinweg gemessen werden, wobei hierbei das Risikoverhalten von Heranwachsenden zur Wahrnehmung des Risikos dieser Verhaltensweisen berücksichtigt wird. Eine Auswertung beider Teile erfolgt gesondert, wobei ein Fragebogen zum Verhalten 22 Items beinhaltet und die Häufigkeit des Risikoverhaltens bewertet sowie der zweite Fragebogen Risikoüberzeugungen und Risikowahrnehmung mit ebenso viel Items erfasst. Mit Hilfe einer 5-Punkte-Likert-Skala werden insgesamt 44 Items gemessen. Bei jedem Fragebogen werden vier Faktor-Scores berücksichtigt. Die vier Faktorscores umfassen das Nervenkitzel-Risiko (z.B. Rollerblading, Fallschirmspringen), Rebellisches Risiko (z.B. Rauchen, spätes Ausgehen), Rücksichtsloses Risiko (z.B. zu schnelles Fahren, Alkohol am Steuer) und Anti-Soziales Risiko (z.B. Schummeln, andere ärgern) (vgl. Gullone et al. 2000).

Eine Single-Item-Skala die zur Erfassung von Risikobereitschaft verwendet wird, setzt sich das Ziel, durch den Einsatz dieses Instruments, eine angehobene Anschlussfähigkeit und Vergleichbarkeit zwischen den Untersuchungen zu schaffen (vgl. Beierlein et al. 2014). Die selbsteingeschätzte Risikobereitschaft wird durch die Kurzskala (R-1), mit nur einem Item ermittelt, welches in einer 7-stufigen Antwortskala, mit den Endpolen „gar nicht risikobereit“ bis „sehr risikobereit“ beantwortet werden kann. Der genaue Wortlaut des Items lautet: „Wie schätzen Sie sich persönlich ein: Wie risikobereit sind Sie im Allgemeinen?“ (vgl. Beierlein et al. 2014). Eine vielseitige Erhebung des R-1 ist möglich, da die Validierung computergestützt im CAPI-Modus (Computer Assisted Personal Interview) sowie in CAWI (Computer Assisted Web Interview) vollzogen werden kann. Ein Ausfüllen des Probandes in händischer Papierform ist ebenso möglich. Da die Skala aus einem Item besteht, ist die Durchführungszeit sehr niedrig. Basis für die Erarbeitung der R-1 war die Operationalisierung der Risikobereitschaft der Selbstberichtsskala, welche im Sozio-ökonomischen Panel erschien. In Bezug dessen fand eine Abwandlung der Antwortmöglichkeiten statt, welche von 11 Auswahlmöglichkeiten auf schließlich 7 geändert wurden. Außerdem wurde die Frageformulierung an die Antwortlabels angepasst (vgl. Beierlein et al. 2014).

Ein weiteres und das bekannteste Instrument zur Risikoverhaltensmessung ist der Domain-specific Risk-taking Scale, kurz DOSPERT (vgl. Johnson, Wilke & Weber 2004). Diese Skala wird verwendet, um die Wahrscheinlichkeit des Verhaltens einer Person, die Wahrnehmung des Risikos und die Wahrnehmung des erwarteten Nutzens für verschiedene riskante Aktivitäten/Verhaltensweisen zu messen. Die Befragten bewerten in dem ersten Teil die Wahrscheinlichkeit, dass sie domänenspezifische Risikoaktivitäten durchführen werden. Ein optional weiterer Teil bewertet die Wahrnehmungen der Befragten hinsichtlich des Ausmaßes der Risiken und des erwarteten Nutzens der in Teil 1 bewerteten Aktivitäten. Die Skala enthält 40 Items, die gleichmäßig in fünf allgemeine Domänen unterteilt sind. Die Elemente des Finanzbereichs sind weiter unterteilt in Bereiche für Glücksspiele und Investitionen. Dieselben 40 Items werden unabhängig voneinander mit jedem der drei Instruktionssets abgeglichen und zwar eines für jede Subskala. Eine Randomisierung der Items für jede Subskala wird dringend empfohlen. Ein Selbstauskunftsinventar ist ebenfalls enthalten, um die tatsächliche Häufigkeit der Verhaltensweisen zu beurteilen (vgl. Johnson, Wilke & Weber 2004).

2.3 Forschungsfrage und Hypothese

Für den vorliegenden Review wird das Ziel gesetzt, den Zusammenhang zwischen den Big Five in Hinblick auf das Fünf-Faktoren-Modell (FFM) und Risikoverhalten zu erörtern. Ausgehend von den beschriebenen begrifflichen Grundlagen soll in diesem Review durch eine systematische Analyse der vorhandenen Literatur folgende Forschungsfrage geklärt werden: Gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Big Five des Fünf-Faktoren-Modells und Risikoverhalten?

[...]


3 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung personenspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für jedes Geschlecht.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang zwischen Risikoverhalten und Persönlichkeitsfaktoren. Eine systematische Übersichtsarbeit
Hochschule
Hochschule Fresenius; Köln
Note
1,3
Jahr
2021
Seiten
70
Katalognummer
V1153977
ISBN (eBook)
9783346546890
ISBN (Buch)
9783346546906
Sprache
Dinka
Schlagworte
zusammenhang, risikoverhalten, persönlichkeitsfaktoren, eine, übersichtsarbeit
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Der Zusammenhang zwischen Risikoverhalten und Persönlichkeitsfaktoren. Eine systematische Übersichtsarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1153977

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