In den letzten Jahren meines Studiums habe ich mich intensiv mit dem Phänomen "Samizdat"
in der Sowjetunion beschäftigt. Unter dem Begriff „Samizdat“ versteht man in erster Linie „die Vervielfältigung und Distribution von Texten ohne Genehmigung der Zensur und ohne
Mitwirkung eines (offiziellen) Verlages“.1 Samizdat war aber nicht nur eine literarische Erscheinung. Unter Samizdat ist eher eine gesellschaftliche Institution der parallelen Kultur in
der Sowjetunion zu verstehen, die durch die politisch-kulturellen Umstände im Land, auf die ich nachher noch eingehen werde, entstanden ist. [...] Den Begriff „Samizdat“ hörte ich zum ersten mal in Deutschland in den 90er Jahren in bezug
auf die Werke Vladimir Nabokovs, seitdem wuchs mein Interesse an Samizdat kontinuierlich.
Die Bücher, die wir in der Schule der 80er Jahre in der Sowjetunion behandelten, hinterließen
bei mir mit Ausnahme von den Klassikern wie Tolstoj, Dostoevskij, Čechov, Puškin und ein
paar anderen so gut wie keine Spuren, die meisten sowjetischen Schriftsteller schienen mir
gegeneinander austauschbar zu sein, ebenso ihre Werke. Seit den 90er Jahren wurden immer
mehr Bücher der modernen russischen Schriftsteller zugänglich. Die Werke von A.
Solženicyn, V. Nabokov, V. Vojnovič, S. Dovlatov, V. Aksenov, M. Bulgakov und vielen
anderen zeigten die Sowjetunion, die ich nicht kannte. Da die meisten dieser Werke zwar in
der Sowjetzeit entstanden, aber nicht in der Sowjetunion publiziert wurden, sondern durch
Samizdat ihr Publikum fanden, scheint mir das Phänomen „Samizdat“ als
Untersuchungsobjekt sehr aufschlussreich zu sein. In der vorliegenden Arbeit nehme ich die
Entstehungsgeschichte, die Autoren, die Erscheinungsformen und Themen des Samizdat unter
Einbeziehung der politischen und kulturellen Rahmenbedingungen unter die Lupe. Im ersten
Kapitel werde ich kurz die Entstehung des Samizdat, dessen Ursprung viel früher in der
Geschichte zu suchen ist als in seiner Blütezeit, den 60-80er Jahren, kurz darstellen. Dabei werde ich die thematischen Veränderungen der Samizdatliteratur während dieser Zeit kurz
skizzieren. Im nächsten Schritt stelle ich die Vielfältigkeit der Samizdatliteratur vor und
nenne Kriterien, nach den ich die Autoren für diese Arbeit ausgewählt habe.
---
1 Ulrike Goldschweer in: http://eeo.uni-klu.ac.at/index.php/Samisdat
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entstehungsgeschichte des Samizdat
- Autoren
- Produktion
- Kulturpolitik in der Sowjetunion nach Stalins Tod
- Die „Tauwetterperiode“
- Die Periode gesellschaftlicher Stagnation
- Lyrik im Samizdat
- Dichter des „Silbernen Zeitalters“
- Die neue Generation
- Offizielle Lyrik
- ,,Tichaja lirika“
- ,,Šestidesjatniki“
- Prosa im Samizdat
- Das Lagerthema
- Satire
- Postmoderne
- Sowjetische Prosa
- Kriegsliteratur
- Dorfprosa
- ,,Sekretarskaja literatura“
- Science Fiction
- Publizistik im Samizdat
- Prozesse gegen Schriftsteller und Journalisten
- ,,Chronika tekuščich sobytij“
- Zwangseinweisung in die Psychiatrie - „Karatel´naja psichiatrija“
- Zwangsemigration
- Programme zur Erneuerung der Gesellschaft - A. Sacharov und A. Solženicyn
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit befasst sich mit dem Phänomen des Samizdat in der Sowjetunion der 60er und 70er Jahre. Ziel der Arbeit ist es, die Entstehung, die Autoren, die Erscheinungsformen und die Themen des Samizdat vor dem Hintergrund der politischen und kulturellen Rahmenbedingungen in der Sowjetunion zu untersuchen. Dabei wird die Vielfältigkeit der Samizdatliteratur beleuchtet und die Bedeutung des Samizdat als gesellschaftliche Institution der parallelen Kultur in der Sowjetunion herausgestellt.
- Entstehung und Entwicklung des Samizdat
- Die Rolle der Kulturpolitik in der Sowjetunion
- Die verschiedenen Gattungen der Samizdatliteratur (Lyrik, Prosa, Publizistik)
- Der Vergleich zwischen Samizdat und offizieller Literatur
- Die Bedeutung des Samizdat als Plattform für politische Opposition
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Entstehungsgeschichte des Samizdat und stellt die thematischen Veränderungen der Samizdatliteratur im Laufe der Zeit dar. Es werden die Vorboten des Phänomens in der russischen Geschichte sowie die technischen Aspekte der Produktion von Samizdat-Texten erläutert.
Das zweite Kapitel widmet sich der Kulturpolitik in der Sowjetunion nach Stalins Tod. Es werden die „Tauwetterperiode“ und die darauf folgende Periode der gesellschaftlichen Stagnation analysiert, um die politischen und kulturellen Rahmenbedingungen für die Entstehung des Samizdat zu verstehen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Lyrik im Samizdat. Es werden die Dichter des „Silbernen Zeitalters“ sowie die neue Generation von Lyrikern vorgestellt, die im Samizdat ihre Werke veröffentlichten. Es wird auch auf die Unterschiede zwischen der Lyrik im Samizdat und der offiziellen Lyrik der Sowjetunion eingegangen.
Das vierte Kapitel behandelt die Prosa im Samizdat. Es werden verschiedene Themenbereiche der Samizdat-Prosa wie das Lagerthema, die Satire und die Postmoderne beleuchtet. Es werden auch einige wichtige Autoren und ihre Werke vorgestellt.
Das fünfte Kapitel widmet sich der sowjetischen Prosa. Es werden verschiedene Genres der sowjetischen Prosa wie Kriegsliteratur, Dorfprosa, „Sekretarskaja literatura“ und Science Fiction vorgestellt. Es wird auch auf die Unterschiede zwischen der Prosa im Samizdat und der offiziellen sowjetischen Prosa eingegangen.
Das sechste Kapitel befasst sich mit der Publizistik im Samizdat. Es werden verschiedene Formen der publizistischen Texte im Samizdat wie Prozesse gegen Schriftsteller und Journalisten, „Chronika tekuščich sobytij“, Zwangseinweisung in die Psychiatrie, Zwangsemigration und Programme zur Erneuerung der Gesellschaft vorgestellt. Es werden auch einige wichtige Autoren und ihre Werke vorgestellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Samizdat, die Sowjetunion, die 60er und 70er Jahre, Kulturpolitik, Literatur, Lyrik, Prosa, Publizistik, politische Opposition, gesellschaftliche Institution, parallele Kultur, Tauwetterperiode, gesellschaftliche Stagnation, Autoren, Werke, Themen, Erscheinungsformen, Produktion, Verbreitung, Zensur, Unterdrückung, Freiheit, Widerstand.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Nelli Ehrhardt (Autor:in), 2008, Samizdat in der Sowjetunion der 60-70er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115418