"Repräsentation" in Ernesto Laclaus theoretischen Arbeiten zur Hegemonie- und Diskurstheorie


Seminararbeit, 2021

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

2. Verortung von „Repräsentation“

3. Populismus, Repräsentation und das Volk

4. Kritik

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„The crisis of representation [...] is at the root of any populist, anti-institutional outburst”.1 Unter anderem mit diesen Worten beschreibt Ernesto Laclau in seinem Buch „On Populist Reason“ die Verbindung zwischen Repräsentation und Populismus. Doch in welcher Verbin­dung stehen Repräsentation und Populismus? Welches Prinzip legt Laclau der Repräsentation zugrunde und in welcher Beziehung steht es zum Rest der Theorie? Diese Auswahl an Fragen stellen den Rahmen dar, in dem die vorliegende Arbeit das Repräsentationsverständnis von Ernesto Laclau erkunden wird.

Die vielseitigen Beziehungen zwischen den Kernbegriffen stellen einerseits eine Fülle an Er­klärungsansätzen und Möglichkeiten dar, andererseits erschaffen sie das Problem, dass man auf Begriffe, Konzepte und Probleme stößt, die man eigentlich schon angeführt haben müsste, um das gerade behandelte Problem verstehen zu können. Der rote Faden dieser Arbeit zieht sich daher durch Begriffe und Konzepte, die sich abwechseln und gegenseitig erklären. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass Laclau seine Theorie über Jahrzehnte weiterentwickelt hat und die verwendeten Begriffe und Konzepte ebenfalls angepasst und weiter ausformuliert wurden. Die für diese Arbeit zentralen Begriffsauslegungen können in seinen frühen Werken womöglich anders gedeutet werden. Die vorliegende Arbeit hat daher das Ziel, eine möglichst vollständige und somit aktuelle Interpretation der Begriff darzustellen, ohne dabei den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen.

Zu Beginn wird eine grundlegende (meta-)theoretische Einordnung vorgenommen. Sie wird die Grenzen abstecken und Laclaus Begriffsverständnis aus verschiedenen Perspektiven grob aus­leuchten. Laclaus Kritik am Marxismus und konkurrierende Begriffsauslegungen stehen hier im Fokus. Das anschließende Kapitel geht auf die zentralen Begriffe Repräsentation, Populis­mus, Artikulation und kollektive Identität bzw. „das Volk“ ein. Kapitel 4 schließt mit einer Diskussion verschiedener Kritikpunkte, die unter anderem Laclaus Schreibstil und unscharfe Begriffsunterscheidungen behandelt.

2. Verortung von „Repräsentation“

Um Laclaus Begriffsverständnis in Bezug auf seine gesamte theoretische Arbeit einordnen und untersuchen zu können, wird diese Arbeit zu Beginn eine kurze Übersicht der Theorielandschaft und begrifflichen Ursprünge sowie Verbindungen darlegen. Die angestrebte Dekonstruktion des Begriffs arbeitet sich demnach von außen (Abgrenzung zu anderen Verständnissen und Annahmen) nach innen (Begriffe, die zentrale Funktionen der Diskurstheorie einnehmen) vor. Außerdem kann die theoretische Verortung des Begriffs dazu genutzt werden, einen Orientie­rungspunkt zu schaffen, an dem sich die Leserinnen auf der Reise durch Laclaus Diskurs- und Hegemonietheorie zurechtfinden können. Diese über Jahrzehnte ausgearbeitete und mitunter äußerst komplexe Theorie bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich in Beispielen, verschachtelten Formulierungen oder auch in Annahmen zu verlieren, die Laclau erst mit Nachdruck aufstellt, um sie anschließend wieder teilweise zu revidieren.

Ernesto Laclaus Repräsentationsbegriff geht über die Annahme hinaus, dass Interessen bereits ausformuliert bestehen und Repräsentanten sie aufgreifen, um sie in verschiedenen Arenen zu vertreten. Sein Begriffsverständnis kann in diesem Sinne als Kritik an Pricipal-Agent-Theorien und Rational-Choice-Annahmen verstanden werden. In der zeitgenössischen Politischen The­orie können grob zwei Stränge unterschieden werden, wenn es um das Verständnis und die Bedeutung von Repräsentation im politischen Kontext geht. Zum einen werden unter „represen- tative turn“ die Verständnisse zusammengefasst, die Repräsentation in den Mittelpunkt von Politik und Demokratie stellen. Sie wird somit nicht auf formale politische Institutionen redu­ziert und ist nicht bloß ein Aspekt rein institutioneller Organisation. Eine andere Strömung von Begriffsverständnissen kann mit „constructivist turn“ beschrieben werden. Repräsentation wird in diesem Zweig nicht als Widerspiegelung bereits bestehender Interessen und Identitäten ver­standen, sondern sie trägt maßgeblich zu deren Konstituierung bei. Hier, im konstruktivisti­schen Strang, kann auch Laclaus Repräsentationsbegriff eingeordnet werden. Wenngleich sein Beitrag als Vorreiter und Wegbereiter dieses Strangs verstanden werden kann, stellt er mittler­weile eine Teilströmung im „constructivist turn“ dar.2

Laclaus Theorie der Repräsentation bricht in zweierlei Hinsicht mit den konventionellen An­sätzen: Erstens ist Repräsentation eine allgemeine Kategorie und zweitens ist Repräsentation konstitutiv für das, was repräsentiert wird, seien es die Interessen der Menschen oder die Iden­titäten sozialer Gruppen. Laclaus Hintergrund ist eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Marxismus und so kommt es, dass er sich über die traditionellen marxistischen Vorstel­lungen von Repräsentation gezielt hinausbewegt.3 Ohne explizit auf Laclaus Werdegang ein­zugehen, können seine Arbeiten über die Kritik am Marxismus als Ausgangspunkt seiner The­oriearbeiten gesehen werden.4 Er versteht Repräsentation im Marxismus als „a bare stage on which characters constituted beyond them - the classes - wage their struggle.”5 Die Repräsentation wird als eine Oberfläche begriffen, die ein zugrundeliegendes Wesen wider­spiegelt: den Klassencharakter der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft. Die Repräsen­tation ist demnach vor allem ein transparentes Medium. Dieses Modell der Repräsentation ist nicht auf den Marxismus beschränkt und existiert immer dann, wenn die Welt in zwei Dimen­sionen unterteilt wird: die Repräsentation und das Repräsentierte. Die Ebene der Repräsentation unterscheidet sich gleichzeitig von dem, was repräsentiert wird, und wird auf dieses reduziert. Der Prozess der Repräsentation ist somit unidirektional: Die Ebene der Repräsentation wirkt sich nicht nur nicht auf das Repräsentierte aus, sondern die Repräsentation kann auf eine Re­flexion des Repräsentierten reduziert werden, selbst wenn die Repräsentation verzerrt ist. Nach dieser Auffassung von Repräsentation gibt es keinen Grund, Repräsentation an sich zu unter­suchen. Sie stellt in diesem Sinne nur eine Reflexion von etwas anderem dar. Wie viele andere Poststrukturalisten lehnen Ernesto Laclau und seine Partnerin Chantal Mouffe dieses Modell der Repräsentation ab.6

Bisher wurde hauptsächlich darüber gesprochen, wo „Repräsentation“ nach Laclau ihren Ur­sprung hat, wo sie metatheoretisch verortet werden kann und was sie nicht ist. Doch was ist Repräsentation für Laclau und was macht sie aus? Einen ersten Schritt zur Beantwortung dieser Fragen wird das folgende Kapitel machen, indem das unmittelbare theoretisch Umfeld des Re­präsentationsbegriffs in Laclaus Theorie näher beleuchtet wird.

3. Populismus, Repräsentation und das Volk

Laclaus Repräsentationsbegriff ist tief in seine theoretischen Arbeiten zur Hegemonie- und Dis­kurstheorie eingearbeitet. Wie das vorherige Kapitel bereits andeutete, kann für sein Verständ­nis keine Definition à la „Repräsentation ist ...“ gegeben werden - zumindest, wenn man sich nicht ausgiebig mit seinen und verwandten Theorien beschäftigt hat. Das folgende Kapitel wird Repräsentation daher mit weiteren Begriffen und Prozessen seiner Werke in Verbindung setzen, um einen möglichst umfassenden Einblick in Laclaus Begriffsverständnis zu erhalten. Wie zu Beginn bereits erwähnt wurde, bedingen sich die Begriffserklärungen teilweise gegenseitig, weshalb eine strikte Reihenfolge in der folgenden Dekonstruktion nicht möglich ist. Das Kapi­tel wird daher die Konzepte Populismus7, Artikulation und kollektive Identität abwechselnd ansprechen und in Verbindung zueinander setzen.

[...]


1 Laclau (2007): S. 137.

2 Vgl. Thomassen (2019): S. 5f.

3 Vgl. ebd., S. 10.

4 Vgl Stäheli/Hammer (2016): S. 66f.

5 Laclau/Mouffe (1985): S. 65.

6 Vgl. Thomassen (2019): S. 12.

7 Vgl. Laclau (2007): Kapitel 1 für eine einführende Diskussion in die unterschiedlichen Auslegungen des Popu­lismusbegriffs und vgl. Arditi (2010): S. 489 für eine prägnante Zusammenfassung von Laclaus Begriffsver­ständnis.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
"Repräsentation" in Ernesto Laclaus theoretischen Arbeiten zur Hegemonie- und Diskurstheorie
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
14
Katalognummer
V1154309
ISBN (eBook)
9783346554611
ISBN (Buch)
9783346554628
Sprache
Deutsch
Schlagworte
repräsentation, ernesto, laclaus, arbeiten, hegemonie-, diskurstheorie
Arbeit zitieren
André Will (Autor:in), 2021, "Repräsentation" in Ernesto Laclaus theoretischen Arbeiten zur Hegemonie- und Diskurstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1154309

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