Das Essay diskutiert den Themenkomplex der Leihmutterschaft aus verschiedenen Perspektiven. Fokussiert ein materialistischer Blick eher die globalen und ökonomischen Verflechtungen der Leihmutterschaft, sieht eine queere Perspektive eher Handlungsspielräume und neue Subjektivierungsweisen. Aus diesem Grund werden auch auf verschiedene gesetzliche Regelungen in unterschiedlichen Ländern eingegangen. Im letzten Kapitel werden beide theoretischen Zugänge miteinander diskutiert. Anspruch des Essays ist es abschließend festhalten zu können ob und wenn ja unter welchen Bedingungen Leihmutterschaft gesellschaftlich emanzipatorisches Potenziale aufweisen kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Problemaufriss 1
2. Leihmutterschaft im globalen Kontext 2
3. Möglichkeiten und Grenzen der Leihmutterschaft 4
4. Fazit und Schlussüberlegungen 5
Literaturverzeichnis 7
1. Einleitung und Problemaufriss
Seit Aufkommen der Praxis der Leihmutterschaft oder anderen Reproduktionstechnologien1 werden diese, wie so oft wenn es um die Biologie oder die vermeintliche ‚Natur des Menschen‘ geht, hitzig diskutiert. Das reaktionäre und meist religiös-fundamentalistische Lager lehnt moderne Techniken der Reproduktion pauschal ab, da die menschliche Fortpflanzung dem cis-Vater und der cis-Mutter und somit der Heteronorm vorbehalten sei und Abweichungen davon gegen das „Naturrecht“ verstöße (vgl. Mieth 2011: 30).2
Die fortschritts- und technologieoptimistische Seite, wie beispielsweise der Transhumanismus (z.B. Donna Harraway oder Shulamith Firestone), sieht in den Reproduktionstechnologien gar schon Möglichkeiten aufschimmern sich vollends von den menschlichen Körpern und seinen Beschränkungen zu emanzipieren und somit nahezu automatisch Sexismus und das Patriarchat zu überwinden (vgl. Sänger 2019: 1124). Andere sehen darin wiederum nur die technologische Beantwortung einer sozialen Frage ohne herrschaftskritischer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft (vgl. Reuschling 2011).
Im medialen Diskurs werden aufmersamkeitsgenerierende und emotionalisierende Begriffe eingebracht wie jener der „Befruchtungsflatrate“ (SZ 2014) oder es wird von der Degradierung der Frau als „Gebärmaschine“ (Welt 2021) gesprochen. Indien, als Land mit einer ehemals legalisierten Leihmutterschaftspraxis3, wird in einem Debattenbeitrag zur „Babyfabrik“ (DLF Kultur 2014) stilisiert. Nicht nur anhand der geschürten Emotionen innerhalb der Diskussion werden Parallelen zur Prostitutions-/Sexarbeitsdebatte augenscheinlich. Beide Diskurse bewegen sich in vielschichtigen Verhältnissen eingebettet in (post)koloniale, rassistische und sexistische Strukturen sowie unter kapitalistischen Vorzeichen stehend.4
Durch diese Vielschichtigkeit und Multidimensionalität gestaltet es sich alles andere als einfach hier zu einem eindeutigen Standpunkt zu kommen, erst recht in der emotionalisierten öffentlichen Debatte. Abhandlungen im wissenschaftlichen Diskurs hingegen, können durch eine differenzierte Problembetrachtung zu einer klareren Sichtweise beitragen, als dies überwiegend in der medialen Landschaft möglich ist. Dies im Kleinen zu versuchen ist auch Anspruch des hier vorliegenden Essays.
Am Ende dieser Ausarbeitung soll so resümiert werden können, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen Leihmutterschaft gesellschaftlich emanzipatorisches Potenziale für Queers, aber auch andere Menschen, welche sich reproduzieren möchten, aufweisen kann. Wie gezeigt werden wird, ist es dabei essenziell globale ökonomische Verflechtungen ebenso in den Blick zu nehmen, wie nationalstaatliche Bevölkerungs- und Biopolitiken. Aus diesem Grund soll im nächsten Schritt eine kurze ‚Bestandsaufnahme‘ erfolgen indem aktuelle Regelungen und Bedingungen unter denen Leihmutterschaft in verschiedenen Ländern stattfinden, aufgezeigt werden. Anschließend soll Leihmutterschaft als Teil queerer Reproduktionstechnologie diskutiert werden.
Auf Grundlage dessen wird im letzten Teil der Arbeit versucht zu einer Einschätzung zu kommen. Gewissermaßen soll hier eine Abwägung erfolgen in welchem Verhältnis die Möglichkeiten aber auch die Grenzen dieser Technologie, eingebettet in die bestehenden sozialen Verhältnisse, zueinanderstehen. Da verschiedene Theorieperspektiven unterschiedliche Aspekte dieses komplexen Themenfeldes in den Fokus nehmen, sollen dabei durch verschiedene ‚theoretische Brillen‘ geschaut werden, um der Komplexität annähernd gerecht zu werden.
2. Leihmutterschaft im globalen Kontext
Die bereits angerissene Problematik von Leihmutterschaft als Teil einer Bioökonomie soll nachfolgend weiter ausgeführt werden. Hervorzuheben ist, dass Nationalstaaten biopolitische Macht konstruieren in dem entweder direkt durch Regeln und Gesetzgebung oder indirekt durch ein Fernbleiben jeglicher Regulation Einfluss auf die reproduktiven Möglichkeiten der Bevölkerung ausgeübt wird. Wie sich diese Regelungen im konkreten äußern, hängt von politisch hegemonialen Formationen, aber auch von kulturellen und religiösen Einflüssen ab (vgl. Wichterich 2018: 95f.).
Auffällig ist, dass in gesamt Nord- und Westeuropa die kommerzielle Leihmutterschaft verboten ist. Ein vollständiges Verbot, sowohl der kommerziellen, als auch der altruistischen, also nicht-kommerziellen Leihmutterschaft besteht in folgenden Ländern: Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Schweiz, Slowenien und Spanien. Unterschiede gibt es hingegen, wer bei einem Verstoß dagegen zur Verantwortung gezogen wird. In Spanien und Norwegen werden Leihmutterschaften geduldet, solange diese im Ausland stattfinden und die Leihmutter ebenso wenig auf der Geburtsurkunde erscheint.
[...]
1 Dies lässt sich auf das Jahr 1978 datieren mit der Geburt des ersten sogenannten ‚Retortenbabys‘ (vgl. Sänger 2019: 1123)
2 Interessant dabei ist, dass im Gegensatz zur evangelischen und katholischen Kirche, die hinduistische Glaubenslehre der Leihmutterschaft grundsätzlich offen gegenübersteht (vgl. Wissenschaftlicher Dienst 2018: 7).
3 2016 verkündete die Regierung Indiens ein Verbot kommerzieller Leihmutterschaft
4 Auf weitere Parallelen kann in dieser Abhandlung nicht weiter eingegangen werden. Dies wurde zum Teil jedoch auch bereits geleistet (Schultz 2006)
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Leihmutterschaft. Ein ambivalentes Feld im Bereich der (queeren) Reproduktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1154379
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