Homosexualität und das Coming-Out im schulischen Kontext


Bachelorarbeit, 2021

46 Seiten, Note: 1.0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Aufbau und methodisches Vorgehen der Arbeit
1.2 Inhaltsabgrenzung
1.3 Relevanz

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 Homosexualität
2.1.2 Heterosexualität
2.1.3 Sexuelle Orientierung
2.1.4 Sexuelle Identität
2.1.5 Coming-out
2.1.6 Identität
2.1.7 Homophobie
2.1.8 Heterosexismus

3. Die Geschichte von Homosexualität vom Altertum bis heute
3.1 Päderastie im antiken Griechenland
3.2 Homosexualität bei den alten Römern
3.3 Homosexualität im Nationalsozialismus bis heute

4. Die Entwicklung der sexuellen Orientierung von Jugendlichen
4.1 Pubertät und Hormone
4.2 Theorien und Ansätze
4.2.1 Freud Theorie
4.2.2 Kinsey Report

5. Das Coming-Out von homosexuellen Jugendlichen
5.1 Sechs Phasenmodell nach Cass
5.2Fünf Phasenmodell nach Rauchfleisch
5.3Risiken und Chancen eines Coming-out

6. Homophobie im Schulalltag
6.1Homophobe Verbalaggression unter Jugendlichen
6.2Folgen von Homophobie
6.2.1 Minderheitenstress und psychische Gesundheit
6.2.2 Minderheiten-Stress-Modell von Ilan H. Meyer

7. Handlungsmöglichkeiten der Institution Schule
7.1 Unterrichtsmaterialien im Umgang mit Homosexualität
und Coming-out
7.2 Die Aufgabe der Schule und Rolle der Lehrkräfte
7.3 Flankierende Maßnahmen
7.3.1 Das Projekt SeBiLe - Sexuelle Bildung für das Lehramt
7.3.2 Das Projekt SCHLAU
7.3.3 Das Projekt Schule der Vielfalt

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„So kann sie sein, die Jugend. Sie kann schön sein. Sie kann eine Zeit der Leidenschaft sein. Aber sie kann auch zu einer Zeit der schweren Krisen werden, der existenziellen Bedrohung, der Neurosen, was Sie wollen. Sie kann beängstigend sein“ (Bade, 2014, Kap. 1, zitiert nach Strauch, 2003, S. 313).

Die eigene Homosexualität zu erkennen, ist oft schwierig und beklemmend. Besonders in einer Welt, in welcher Heterosexismus als soziale Norm postuliert wird und die verschiedenen Nuancen der menschlichen Sexualität abgelehnt werden, kann sie besonders für homosexuelle Jugendliche zu einem sorgenvollen Ort werden (Bade, 2014, S. 5).

Es ist unumstritten, dass auch im 21. Jahrhundert Homosexualität noch von weiten Teilen der Gesellschaft nicht vollständig anerkannt wird. Von vielen wird die gleichgeschlechtliche Liebe nach wie vor als etwas Anormales angesehen. Die reaktionäre Inakzeptanz war sehr lange von einer andauernden Persistenz geprägt. Zwar hat sich in der letzten Dekade eine sukzessiv steigende Akzeptanz der Gesellschaft erwiesen, jedoch haben es Menschen mit einer von der ursprünglichen Norm abweichenden sexuellen Orientierung noch immer mit Diskriminierung, Intoleranz und Ungleichbehandlung zu kämpfen.

Mittlerweile ist Homosexualität in unserem heutigen deutschen Kulturkreis und vor allem in der heutigen Generation transparenter und unverhohlener geworden. Schwule und Lesben dürfen in Deutschland zwar grundsätzlich offen mit ihrer Homosexualität umgehen, Personen des öffentlichen Lebens, wie Politiker*innen oder Prominente können inzwischen ein offenes Leben mit ihrer sexuellen Orientierung führen und das im deutschen Rechtssystem verankerte Gesetz der Gleichberechtigung legt fest, dass Minderheitendiskriminierung in jeglicher Form verboten ist - die Realität zeichnet jedoch häufig ein anderes Bild (Heyer, 2017).

Um eine Veränderung in diesem Bereich zu schaffen, bedarf es einer Politisierung von mehr Gleichberechtigung. Das 2006 verabschiedete Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat bereits erste Schritte in die richtige Richtung bewegen können (Dieckmann, 2017). Und das im Juni 2017 verabschiedete Gesetz zur Einführung homosexueller Ehen hat als eine weitere Maßnahme zur rechtlichen Gleichstellung beigetragen können (Mangold, 2018). Dies erscheint, auch vor dem Hintergrund der klerikalen Diskussion um die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren, nach wie vor nicht ausreichend.

Ausgangslage der nachfolgenden Betrachtung ist, dass Diskriminierung nicht nur im Privaten, also versteckt stattfindet, sondern auch schonungslos, teilweise enthemmt in der Öffentlichkeit kundgetan wird. Rechtsextreme Parteien, wie die AfD, aber auch öffentliche Institutionen, wie die katholische Kirche, vollziehen diskriminierende Handlungen gegenüber Schwulen und Lesben (Pick, 2021). Folglich ist, durch eine immer noch weit verbreitete einschränkende Ideologie, keine von der breiten Masse gelebte Akzeptanz von Vielfalt zu erkennen.

Aufgrund dessen verspüren Homosexuelle häufig einen lebenslangen Leidensdruck durch Diskriminierung oder gar ihres dadurch unterdrückten Coming-outs. Das durch die Verdrängung der eigenen sexuellen Identität häufig entstehende psychische Leiden ist meist so hoch, dass trotz langer Repression ein verspätetes öffentliches Bekenntnis stattfindet (Dieckmann, 2017, zitiert nach Dieckmann & Steffens, 2014).

Und trotz der einer stetigen Dynamik ausgesetzten Prozesse und der aktuellen Konsolidierung hinsichtlich der Akzeptanz von Homosexuellen weist das Thema weiterhin defizitäre Handlungsfelder auf. Zwar fand bereits ein gesellschaftliches Umdenken und eine Entwicklung hin zu einer offeneren Gesellschaft statt, jedoch müssen sich neben den bereits genannten Problemen gleichgeschlechtlich orientierte Jugendliche noch immer öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennen. Dies spiegelt die nicht vorhandene Selbstverständlichkeit sapphischer Liebe wider (Berchtold, 2012, S. 1). Häufig verspüren die Betroffenen einen „heteronormative[n] Erwartungsdruck“ (Dieckmann, 2017), was bedeutet, dass lediglich Heterosexualität eine normkonforme Verhaltensweise darstellt.

Im Bildungssektor muss hier angesetzt werden. Die Institution Schule sollte neben ihrer Aufgabe zu lehren und den Schüler*innen ein fundiertes Wissen zu verschaffen, auch als Umgebung fungieren und ein Fundament bieten, indem Vielfaltensensibilität die Normalität darstellt (Kleiner, 2016, S. 14, zitiert nach Jäckle, 2009).

1.1 Aufbau und methodisches Vorgehen der Arbeit

Die vorliegende Arbeit, welche sich in Form einer Literaturarbeit präsentiert, sieht vor, mit einem theoretischen Teil einzuleiten, der zur Klärung zentraler Begriffe dient. Darauf folgt ein Überblick über die Geschichte von Homosexualität vom Altertum bis heute, um die Rolle von Homosexualität in den verschiedenen Zeitepochen aufzuzeigen. Die Entwicklung der sexuellen Orientierung von Jugendlichen sowie die Pubertät und hormonelle Veränderungen als auch die Freud Theorie und die Kinsey-Skala schließen an den geschichtlichen Verlauf an. Im Anschluss daran greift die Arbeit das Coming-out mit dem Sechs Phasenmodell nach Cass, dem Fünf Phasenmodell nach Rauschfleisch und die Risiken und Chancen eines Coming-outs auf. Daran knüpft das Thema Homophobie mit den Unterpunkten homophobe Verbalaggression unter Jugendlichen und die Folgen von Homophobie an. Hier wird genauer auf Minderheitenstress und die Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit eingegangen sowie das Minderheiten-Stress-Modell nach Illan H. Meyer betrachtet. Darauf aufbauend bilden die Handlungsmöglichkeiten der Institution Schule einen Teil des Kernbereichs dieser Arbeit. Dabei werden Unterrichtsmaterialien im Umgang mit Homosexualität und Coming-out für die Sekundarstufe und die Schulform des Berufskollegs sowie die Aufgabe der Schule und die Rolle der Lehrkräfte behandelt. Abschließend beleuchtet die vorliegende Arbeit Initiativprojekte zur Implementierung und Akzeptanz von Vielfalt. Das Projekt SeBiLe - sexuelle Bildung für das Lehramt, das Projekt

SCHLAU und zuletzt das Projekt Schule der Vielfalt sollen der fächer- und unterrichtsübergreifenden Integration dienen. Das Fazit und die durch Literaturrecherche gewonnenen Ergebnisse sowie einen Ausblick bilden den Abschluss dieser Thesis.

1.2 Inhaltsabgrenzung

Die Bildung und Entwicklung von Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt ist ein breit angelegter Bereich. Zu der Akzeptanz von Homosexualität zählen viele weitere Formen der Diversität. Auch Transgenderismus, also Personen, die sich nicht mit dem bei ihrer Geburt zugeteilten Geschlecht identifizieren können (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018), sowie kulturelle und religiöse Unterschiede (Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt (Diversity), o. D.) und viele weitere Ausprägungen werden dem Begriff der Vielfalt zugeordnet. Nicht nur Schwule und Lesben leiden unter Ablehnung und Druck von Teilen der Gesellschaft. Auch transsexuelle und queere Menschen werden von der Gesetzgebung kaum berücksichtigt. Dies trägt auch hier zu einer weitreichenden gesellschaftlichen Inakzeptanz bei (Krell & Oldemeier, 2016, S. 46). Neben der anzustrebenden gesellschaftlichen Toleranz von Homosexualität, darf auch die große Bedeutung der Akzeptanz von Transsexualismus nicht außer Acht gelassen werden.

Die vorliegende Arbeit aber beschränkt sich größtenteils auf Homosexualität als Vielfalt und dem Coming-out homosexueller Jugendlicher, sowie den damit einhergehenden allgemeinen Herausforderungen. Weitere Ausprägungen sexueller Orientierung und Transgenderismus sind nicht Teil dieser Arbeit.

Die in dieser Thesis genutzten Begriffe Schwuler, Lesbe, Betroffene*r, Andersartigkeit und Ähnliche werden diskriminierungsfrei verwendet. Die Begriffsdefinitionen gliedern sich in einer chronologischen Reihenfolge, äquivalent zur Gliederung und zu dem Aufbau der vorliegenden Ausarbeitung.

1.3 Relevanz

Dieses Werk hat zieldifferente Ansätze. Zum einen soll es mir als angehende Lehrerin auf diesem Themengebiet spezifisches Wissen verschaffen, damit ich als Lehrperson in meinem zukünftigen Beruf mit diesem, teils sensiblen, Thema verstehe umzugehen. Zum anderen soll die vorliegende Ausarbeitung zukünftige Kollegen*innen, Schüler*innen und weiteren Mitmenschen, die noch in tradierten Strukturen verhaftet sind, zu einem Umdenken animieren und damit erfreuliche Perspektiven schaffen. Die Institution Schule ist hier von essentieller Bedeutung und muss dort ansetzen, wo die Gesetzgebung Akzeptanz und Toleranz von Vielfalt vernachlässigt hat. Noch immer werden Wörter wie schwul als Diffamierung verwendet, was die dringende Notwendigkeit von Aufklärung widerspiegelt. Trotz unserem, in vielen Bereichen fortschrittlichen Land, auch im globalen Kontext, weisen sich einige Absenzen bezüglich der Aufklärung und dem Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe im Rahmen der Bildungsinstitution Schule auf. Es ist wichtig sowohl Hetero- als auch Homosexualität als normkonforme Verhaltensweise Anerkennung zu gewähren.

Wie in der Vergangenheit und aktuell mit Homosexualität im Schulwesen umgegangen wird, ist ein kontrovers und viel diskutiertes Thema. Es bleibt festzustellen, dass die bisherigen Handlungsansätze nicht ausreichend sind. Die Schule als Sozialisationsinstanz ist ein wichtiger Ort um Heteronormativität als Normkonformität ganzheitlich abzuschaffen und jegliche Formen von Diversität und vielfältige Geschlechtsidentitäten als soziale Normvorstellung zu bilden. In der Schule muss künftig Vielfalt erfahren, gelehrt und akzeptiert werden sowie die Möglichkeit und Sicherheit geboten werden, die eigene Identität konfliktfrei entwickeln zu können.

Es bedarf noch großer Fortschritte im Entwicklungsprozess, um Homosexualität als natürliche Form menschlicher Sexualität die vollständige Akzeptanz zu verschaffen. Trotz dessen, dass jeder Mensch bis zu einem bestimmten Grad von Vorurteilen und Klischees beeinflusst und geprägt ist, müssen in der Gesellschaft starre Gedankenmuster gelöst werden, um zu positiven Ergebnissen zu gelangen und Vielfaltsensibilität zu erreichen. Der Ort Schule muss es schaffen Jugendliche zur Vielfalt zu ermutigen.

2. Theoretische Grundlagen

Für die Untersuchung über das Coming-out homosexueller Jugendlicher, insbesondere an Schulen, ist das fundamentale Verständnis damit verbundener Begrifflichkeiten unerlässlich. Im Folgenden werden deshalb wichtige Terminologien definiert und genauer erläutert, um dieses Verständnis für die diejenigen zu schaffen, die auf diesem Themengebiet weniger profund sind.

2.1 Begriffsdefinitionen

2.1.1 Homosexualität

Homo kommt aus dem Griechischen und bedeutet „gleich“. Homosexualität bezeichnet also die emotionale und sexuelle Anziehung gleichgeschlechtlicher Menschen. Trotz dessen, dass diese Form der sexuellen Orientierung schon immer existierte, wurde der Begriff Homosexualität erst in den 1860er Jahren inauguriert (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018; Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Aufgrund dessen, dass Heterosexualität in der Bevölkerung stärker vertreten ist, wird Homosexualität häufig als Normabweichung angesehen (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018). Statistisch gesehen sind nur etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell (Voß 2015, S. 37, zitiert nach Rauchfleisch, 2011, S. 27) und lediglich ein Bruchteil der Schwulen und Lesben lebt seine sexuelle Orientierung öffentlich aus (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Das Thema Homosexualität wurde erst spät genauer erforscht und verschiedene Wissenschaftler stellten unterschiedliche Theorien und Ansätze zur Entstehung von Homosexualität auf. Einige sind der Auffassung, dass es sich um eine angeborene Naturerscheinung handelt, andere hingegen gehen von sozialen Einflüssen oder sonstigen Erklärungen aus. Etliche Forscher stuften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleichgeschlechtlich Liebende als psychisch krank ein. Mittlerweile sind sich renommierte Wissenschaftler aber einig, dass Homosexualität kein Krankheitsbild darstellt. Allerdings existieren bis heute keine eindeutigen Erkenntnisse und vollständigen Übereinstimmungen (Stinauer, 2019, zitiert nach Campolo, 2017).

2.1.2 Heterosexualität

Vom Griechischen in die deutsche Sprache übersetzt bedeutet hetero „verschieden“ oder „ungleich“. Unter Heterosexualität versteht man also die Anziehung ungleiche r Geschlechter. Noch mit Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Heterosexualität im Fremdwörterbuch als normale Sexualität definiert (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Der Begriff Heteronormativität, welcher in Heterosexismus seinen Ursprung findet, wird als Norm postuliert. Von der Heterosexualität abweichende Formen der sexuellen Orientierung wurden früher, wie bereits zuvor genannt, als krankhaft bezeichnet. Mittlerweile ist bekannt, dass sexuelle Orientierungen verschmelzen können (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Die neuere Wissenschaft konnte zwischenzeitlich eruieren, dass es hier keine vollkommen starren Muster gibt, in denen sich Menschen bewegen. Im Laufe des Lebens kann sich die sexuelle Orientierung, bis hin zur diametralen Entfaltung, verändern (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Die Grenzziehung zwischen den definierten Orientierungen ist deutlich diffuser, als von den meisten angenommen (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Somit wir deutlich, dass die Termini Homo- und Heterosexualität nicht klar abgrenzbare Begriffe mit verschiedenen Ausprägungen darstellen.

2.1.3 Sexuelle Orientierung

Die sexuelle Orientierung definiert, welches Geschlecht man begehrt, zu welchem Genus man sich hingezogen fühlt und ob man Männern oder Frauen gegenüber ein sexuelles, erotisches Verlangen und Verbundenheit verspürt. Es gibt unterschiedlichen Formen der sexuellen Orientierung, wie es die oben erläuterten Begriffe Homo- und Heterosexualität erklären, sowie Bisexualität, welche beide Formen umschließt (Bisexualität - Duden, 2021). Bisexuelle Menschen spüren sowohl beim eigenen als auch beim gegensätzlichen Geschlecht eine „psychische, emotionale und erotische Anziehung“ (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018). Bei der sexuellen Orientierung handelt es sich um einen unterbewussten Vorgang, welcher nicht von der Person selbst bestimmt wird (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018).

Die sexuelle Identität umfasst als einen Bestandteil die sexuelle Orientierung und beginnt sich in der Pubertät zu bilden (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Durch die Entwicklung der Geschlechtshormone in diesem Alter entstehen emotionale, erotische und sexuelle Wünsche, welche sich entweder auf dasselbe oder das gegenteilige Geschlecht beziehen. Ausgedrückt und manifestiert wird dies durch sexuelle Vorstellungen oder gar sexuelle Berührungen und Körperkontakt (Watzlawik & Heine, 2009, S. 101).

2.1.4 Sexuelle Identität

Gemäß der Homosexuellen Initiative Wien - Lesben und Schwulenverband Österreichs (2018), steht sexuelle Identität für das Selbstverständnis eines Individuums und die Wahrnehmung des eigenen Wesens mit seinem Geschlecht. Es beschreibt also die Selbstdefinition sowie die eigene Wahrnehmung eines Menschen und die der Mitmenschen (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018). Die Faktoren „sexuelle Orientierung, biologisches und soziales Geschlecht sowie die Geschlechtsidentität“ (Homosexuelle Initiative Wien - Begriffe, 2018; Schmidt & Sielert, 2013, S. 44) kohärieren hier. Bei der sexuellen Identität handelt es sich um den auf sexueller Orientierung beruhenden Teil des Ichbewusstseins der Spezies Mensch (Watzlawik & Heine, 2009, S.101). Man versteht darunter, sich mit Veränderungen des eigenen Körpers und der Entwicklung der eigenen Sexualität zu befassen, damit auseinanderzusetzen und diese schlussendlich zu akzeptieren (Watzlawik & Heine, 2009, S.105).

Im Gegensatz zur Ausbildung der Geschlechtsidentität, also dem Gefühl, dass das anatomische mit dem empfundenen Geschlecht übereinstimmt, entwickelt und festigt sich die sexuelle Identität erst im jugendlichen Alter (Habermas, 2008, S. 7, zitiert nach Stoller, 1968). Hierzu zählt, dass die Personen sich sowohl mit ihrem Körper als auch ihren sexuellen Bedürfnissen identifizieren können. Dies kann sich in Form von Hetero-, Homo­, oder Bisexualität äußern (Habermas, 2008, S. 7).

2.1.5 Coming-out

In den deutschen Sprachgebrauch transferiert bedeutet Coming-out „herauskommen“, was sinngemäß Bekanntmachung ausdrückt und sich hauptsächlich auf das selbst initiierte Veröffentlichen der eigenen sexuellen Orientierung bezieht (Coming-out - Duden, 2021).

Man unterscheidet zwischen dem inneren und äußeren Coming-out. Beim inneren Coming- out findet das Bewusstwerden der individuellen sexuellen Orientierung statt. Also ein inneres Realisieren, zum Beispiel der eigenen Homosexualität. Wohingegen es sich beim äußeren Coming-out um die aus eigenem Antrieb entstehende, nach außen wirkende Kundtuung der persönlichen sexuellen Orientierung handelt. Das Coming-out darf nicht mit dem sogenannten Outing verwechselt werden. Häufig wird hier von Dritten eine unfreiwillige Offenbarung herbeigeführt (Lexikon der kleinen Unterschiede - Begriffe zur sexuellen und geschlechtlichen Identität, 2015). Umgangssprachlich wird die Redewendung „sich outen“ jedoch auch häufig für diejenigen verwendet, die aus eigenem Antrieb ihre sexuelle Orientierung preisgeben.

2.1.6 Identität

Im Verlauf der Arbeit wird das Sechs Phasenmodell nach Vivienne Cass aufgegriffen. Hierbei ist es wichtig, den Identitätsbegriff genauer zu definieren und zu verstehen. Der Begriff Identität wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verschieden beleuchtet und kann mehrere Bedeutungen haben.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit dem Identitätsbegriff die Frage nach dem Ich oder die Frage nach dem Du definiert wird (Keupp, 2000). Identität beschreibt das unverwechselbare Charakteristikum eines jeden Individuums oder einer Gemeinschaft. Anhand von unverwechselbaren Charakterzügen ist der Wiedererkennungswert eines Menschen festzumachen. Obwohl die Basis des Ichbewusstseins schon im frühen Kindesalter gebildet wird, ist laut entwicklungspsychologischer Erkenntnisse die Adoleszenz sehr bedeutsam für die Konstituierung der Identität (Roll, 2015, Kap. 3.2, zitiert nach Fröhlich-Gildhoff in Nomos, 2011. S. 441).

Laut Hurrelmann und Quenzel bedeutet Identität, wenn über die Dauer der Selbstentfaltung hinweg eine Verstetigung des Selbstverständnisses erfolgt. Dafür muss bei jungen Menschen die Selbstinterpretation, die Bewertung des eigenen Tuns und die Reflexion desselben entwickelt sein (Roll, 2015, Kap. 3.2, zitiert nach Hurrelmann & Quenzel, 2013, S. 33). Teil der persönlichen Identität ist die oben erläuterte sexuelle Identität (Watzlawik & Heine, 2009, S.101).

2.1.7 Homophobie

Unter Homophobie versteht man das Zurückweisen und die Abwertung von nicht cisgeschlechtlichen Personen - die Personen die sich mit dem bei ihrer Geburt zugeteilten Geschlecht nicht identifizieren können - (Kühne, 2016) oder eine negative Haltung diesen gegenüber haben. Homophobie kann sich in vielerlei Taten, wie zum Beispiel Diskriminierung oder Feindseligkeit, äußern.

Der Begriff Phobie leitet sich ebenfalls aus der altgriechischen Sprache ab und meint Angststörung, was die Widersprüchlichkeit des Begriffs zeigt (Lexikon der kleinen Unterschiede - Begriffe zur sexuellen und geschlechtlichen Identität, 2015). Denn es geht hierbei nicht um Ängste einzelner, sondern um durch die Gesellschaft geformte Einstellungen (Steffens, 2010). Somit hat sich der antagonistische Begriff dort etabliert. Bei einzelnen Menschen mag es sich zwar tatsächlich um eine Phobie handeln, wobei dies dann als krankhaft einzuordnen gilt und hier eine psychologische Behandlung zu empfehlen wäre. Für die Mehrheit der Menschen trifft jedoch in diesem Fall die medizinische Definition der Phobie eher weniger zu. Aus diesem Grund kann der Begriff Homophobie missverständlich interpretiert werden. Die Verwendung des verallgemeinernden Begriffs ist meist zu umfassend und beschreibt ein Phänomen, welches in dieser übergeordneten Betrachtung nicht das gesamte, zugrundeliegende Spektrum erfasst. Oftmals werden auch Abweisungen und Stigmatisierungen gegenüber Transsexuellen mit diesem Begriff in Verbindung gebracht. Durch die genannten Kritikpunkte wurde der Begriff Heterosexismus eingeführt (Dieckmann, 2017).

2.1.8 Heterosexismus

Sexismus bezeichnet die Grundeinstellung, bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer Geschlechterzugehörigkeit zu diskriminieren. Dies geschieht häufig in von Form von sexistischen Bemerkungen sowie chauvinistischen Einstellungen, die sich beispielsweise durch die Abstraktion von Frauen zum Sexualobjekt äußern oder aber auch durch Äußerungen wie die Notwendigkeit der Gefühlsunterdrückung bei Männern (Dieckmann, 2017).

Bei dem Begriff Heterosexismus handelt es sich um eine Stigmatisierung, die jegliche Form von homosexuellem Auftreten ablehnt. Heterosexismus geht von der Heterosexualität als normkonforme Verhaltensweise aus. Das heißt also, dass Menschen, welche keiner binären Geschlechterordnung zugehörig sind, als normabweichend empfunden werden. Neben rassistischen, sexistischen Grundeinstellungen und sonstigen Formen der Unterdrückung zeichnet sich Heterosexismus, wie bereits erläutert, in öffentlichen Institutionen wie der Kirche oder in der Rechtsprechung ab (Dieckmann, 2017, zitiert nach Herek, 1990, 317f., Übersetzung durch Autorin). Demnach existiert Heterosexismus auf allen Ebenen; der persönlichen, der institutionellen und der gesamtgesellschaftlichen. Außerdem besteht in der heterosexistischen Denkweise lediglich das mit der Geburt zugeteilte Geschlecht. Vielfältige Geschlechtsidentitäten werden ausgeschlossen. Es gibt ausschließlich zwei Geschlechter - männlich und weiblich. Bei Homosexualität handelt es sich somit um eine typwidrige sexuelle Orientierung (Dieckmann, 2017).

Je eher die Tendenz hin zur reinen Institutionalisierung von Heteronormativität geht, also das ausschließliche Akzeptieren vom Begehren des gegenteiligen Geschlechts, desto mehr wird Geschlechtsverkehr nur als Fortpflanzung zwischen der männlichen und weiblichen Natur betrachtet. Familie wird lediglich als heterosexuelles Konstrukt mit Mutter, Vater und Kinder und die Ehe als rein auf die Reproduktion ausgerichtete Organisation, unter der Prämisse der Erfüllung der durch das jeweilige Geschlecht zugeteilten Aufgaben, angesehen (Dieckmann, 2017, zitiert nach Clarke et al., 2010).

Die Bezeichnung Heterosexismus wurde in Ende des 20. Jahrhunderts etabliert und meint die ungerechtfertigte Benachteiligung gleichgeschlechtlich liebender Menschen wegen ihrer sexuellen Identität (Homophobie, Heterosexismus und Heteronormativität - Definitionen, 2014). Die Heteronormativität zwingt das menschliche Dasein in zwei organisch und sozial klar getrennte Geschlechter, deren sexuelle Anziehung explizit auf das jeweils gegenteilige gerichtet ist. Heteronormativität entfaltet ein rein rationales Register des Verständnisses und schnürt ein Paket von Verhaltensmaßstäben (Wagenknecht, 2007, S. 17).

3. Geschichte von Homosexualität vom Altertum bis in die Neuzeit

Die gesellschaftliche Position zur gleichgeschlechtlichen Liebe, vor allem die unter Männern, hat sich über die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte immer wieder verändert. Zur Homosexualität unter Frauen, gibt es hingegen nur wenig Literatur und Informationsmaterial.

Im alten Griechenland stellten Verhältnisse, nicht unbedingt auf sexueller Ebene, zwischen einem erwachsenen Mann und einem Jungen die Normalität dar. Auch bei den alten Römer war die gleichgeschlechtliche Liebe nicht tabuisiert, während im Nationalsozialismus Schwule als Staatsfeinde bezeichnet wurden und somit als auszurotten galten (Treiblmayr, 2010). Die Lage hat sich über die Jahrzehnte hin verbessert, aber auch heute ist noch keine bedingungslose Gleichstellung erreicht.

Der geschichtliche Verlauf untermauert die Herausforderungen, mit welchen Homosexuelle sich schon seit Jahrhunderten konfrontiert sehen. Es lässt sich festhalten, dass sich Normvorstellungen und Lebensphilosophien von Homosexualität innerhalb verschiedener Zeitalter unterscheiden.

3.1 Päderastie im antiken Griechenland (1600 v. Chr.)

Im alten Griechenland war die, unter strengen Regeln geführte Päderastie gesellschaftlich integriert. Hier führten ältere Männer mit jungen Knaben ein Verhältnis, welches jedoch nicht primär eine körperliche und sexuelle Verbindung darstellte, sondern sich vielmehr um einen seelischen Konnex handelte (Patzer, 1983, S. 67). Nach der Vollendung des 18. Lebensjahres endete die Päderastie und die Beziehung konnte nun als philia lebenslang weitergeführt werden (Patzer, 1983, S. 89f.).

Durch eine männlich dominierte Gesellschaft wurde die Liebe zwischen Eromenos, also dem Knaben, und Eraster, dem erwachsenen Mann, im Vergleich zur Ehe zwischen Mann und Frau als höherrangig eingestuft. Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen gesellschaftlich eine geringerwertige Stellung einnahmen als Männer (Patzer, 1983, S. 89f.).

Ein päderastisches Verhältnis wird also nicht vorrangig als homosexuelle Beziehung betrachtet, sondern mehr als „zusätzliche Beziehung mit erzieherischen Elementen“ (Stinauer, 2019, S. 6, zitiert nach Laios et al. 2017, 61). Des Erbes Willen wurde von allen Männern eine Heirat erwartet. Allerdings wurde, im Gegensatz zu dem in einer Ehe Möglichen, Liebes- oder Freundschaftsverhältnisses, gelegentlich auch Sex zweier Männer, als bedeutsamer ermessen, denn Männer waren unabhängig vom Altersunterschied gleichgestellt (Stinauer, 2019, S. 5, zitiert nach Farley 2015, 46).

Daniel Wilson, ein aus den USA stammender Germanist, hat in seiner 2012 durchgeführten Studie namens „Goethe, Männer, Knaben“ demonstriert wie avantgardistisch repressionsfrei Goethe die Homosexualität ansah. Goethe erachtete die griechische- oder gleichgeschlechtliche Liebe, welche im Gegensatz zur heterosexuellen Beziehung, die sich hauptsächlich auf den Aspekt der Fortpflanzung reduzierte, als einen unverzichtbaren Bestandteil des menschlichen Lebens. In Goethes Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“ gibt er Ausschluss darüber, dass hetero- und homosexuelle Liebe gleichermaßen Zärtlichkeit und Gefühl erzeugen kann (Psychoanalyse, Geschlecht und Begehen, 2013, S. 2).

3.2 Homosexualität bei den alten Römern (750 v. Chr.)

Zwar war bei den Römern die Ehe zwischen Mann und Frau grundlegend, um ein gesellschaftliches Leben führen zu können, gleichgeschlechtliche Verbindungen und Partnerschaften waren aber auch hier nicht ungewöhnlich. Die Oberschicht der Römer und Römerinnen suchte außerhalb der Ehe körperliche Befriedigung (Stinauer, 2019, S. 9, zitiert nach Farley 2015, 45). Im alten Rom wurde das männliche Geschlecht von Natur aus als bisexuell betrachtet und Liebesverhältnisse zwischen männlichen Erwachsenen und Knaben wurde nicht als fremdartig angesehen.

3.3 Homosexualität im Nationalsozialismus (1933-1945) bis heute

Lange Zeit wurde Schwulsein als Krankheit eingestuft. Im Nationalsozialismus galt ein Schwuler als Staatsfeind, welcher eliminiert werden sollte, da er eine Bedrohung für die demographische Entwicklung darstellte (Rönn, 1998, S.123). Zu Zeiten des Hitlerfaschismus war Sexualität lediglich eine Fortpflanzungsmethode. Im Oktober 1936 wurde die sogenannte Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung, mit der Zentralaufgabe Homosexuelle zu verzeichnen, gegründet (Treiblmayr, 2010, zitiert nach Jellonek, 1990, S. 129.).

Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus trat der § 175, Reichsstrafgesetzbuch im Jahre 1871 in Kraft. Diese Verordnung bestrafte sexuelle Akte zwischen Männern, 64.000 von ihnen wurden nach § 175 schuldig gesprochen (Pepping, 2019), da sexuelle Handlungen dieser Art vom Reichsstrafgesetzbuch als widernatürliche Unzucht bezeichnet wurden (Von Lüpke, 2014). Erst Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Gesetz abgeschafft. Trotzdem ist die Gleichbehandlung zwischen Homo- und Heterosexuellen bis dato nicht vollzogen. 1970 wurden erste Maßnahmen zur Bekämpfung eingeleitet. In Großbritannien fand das sogenannte Gay Liberation-Meeting statt, danach bildete sich in Frankreich die pariser Bewegung Front Homosexuel d'Action Révolutionnaire, woraufhin sich in Deutschland ein Jahr später die Homosexuelle Aktion Westberlin und in Italien die Fronte Unitario Omosessuale Rivoluzionario Italiano entwickelten. Die umfangreichen Bekanntmachungen über das Thema HIV und AIDS, und die damit einhergehenden vielfachen Informationen über Homosexualität, führten zu einer Akzeptanzsteigerung für Homosexualität in der Bevölkerung (Treiblmayr, 2010).

Homosexuelle Paare haben seit 2017 ein Recht auf Eheschließung, was mit der Adoption von Kindern einhergeht (Mangold, 2018). Die Mehrzahl der Kirchen refüsiert jedoch die Segnung homosexueller Eheleute. Im Jahr 2020 wurde das Gesetz zum Verbot von Konversionstherapien eingeleitet, denn laut Gesundheitsminister Jens Spahn ist „Homosexualität ,...‘ keine Krankheit. Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend (Therapien zur „Heilung“ von Homosexualität sollen verboten werden, 2020). Homosexualität war und ist trotz einiger Fortschritte in vielen Belangen ein unterrepräsentiertes Thema.

4. Die Entwicklung der sexuellen Orientierung von Jugendlichen

Im Jugendalter fühlen sich viele Heranwachsende der Konfrontation sexueller Entwick­lungsaufgaben ausgesetzt. Der Körper versucht, eine sexuelle Identität zu entwickeln, und sich seiner sexuellen Orientierung klar zu werden. Diese Entwicklung und der Umgang damit kann eine Belastung für manch menschlichen Mechanismus mit sich bringen. Die Wissenschaft ergab, dass vor allem für homosexuelle Jugendliche Faktoren wie ein öffent­liches Bekenntnis zu ihrer sexuellen Orientierung und die Identifizierung mit dem Ich sowie herabwürdigende und rabiate Handlungen sich als belastend erweisen (Krell & Oldemeier, 2015, S. 6).

Bis heute existiert eine Vielzahl von teils kontroversen Ansätzen und Theorien zur Erklärung von Homosexualität. Da es sich bei dieser Arbeit nicht um eine biologische Ausarbeitung handelt, bezieht sich diese lediglich auf die drei Bereiche: Pubertät und Hormone bei Jugendlichen, Freuds psychoanalytische Theorie und die Kinsey Skala. Es existieren viele weitere Forschungsergebnisse und Wissenschaftler vertreten teils stark gegensätzliche Meinungen, warum bis heute mehr aposteriorische Klarheit auf diesem Gebiet erforderlich ist, um für die verschiedenen Theorien der Psychologie, Soziologie und Biologie einen Vergleich herstellen zu können oder gar zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen zu können.

4.1 Pubertät und Hormone

Innerhalb der Reifung der sexuellen Identität kristallisiert sich die sexuelle Orientierung heraus (Watzlawik & Heine, 2009, S. 101). Diese hat ihren Ausgangspunkt in der Pubertät beziehungsweise der frühen Adoleszenz. Durch die Bildung der Geschlechtshormone kommt es bei den Jugendlichen nun zu emotionalen, erotischen und sexuellen Wünschen. Diese können nun auf das andere oder das gleiche Geschlecht gerichtet sein und manifestieren sich durch sexuelle Präferenzen. Ausgelebt wird dies durch sexuelle Phantasien bis hin zum sexuellen Kontakt (Watzlawik & Heine, 2009, S. 101f.).

Die durch die Pubertät ausgelösten Veränderungen des Körpers und die damit verbundene Schaffung eines neuen Bewusstseins für sexuelles Verhalten sowie der Umgang der Ju­gendlichen mit den eigenen Gefühlen, stellt die Heranwachsenden vor die große Aufgabe der sexuellen Identitätsentwicklung sowie des Bewusstwerdens der eignen sexuellen Ori­entierung und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht (Bade, 2009, Kap. 2.2, zitiert nach Fend, 2000, S. 225). Somit wird die Entfaltung der sexuellen Identität, wel­che die Haltung gegenüber Sexualität und Sexualverhalten definiert, zu einem essenziellen Bestandteil für die Jugendlichen (Kolanowski, 2005, S. 8, zitiert nach Zimbardo, 1992).

Besonders für homosexuelle Jugendliche kann dies eine Belastung darstellen, da ihre se­xuelle Orientierung nach wie vor eine gesellschaftliche Normabweichung darstellt. Man kann also annehmen, dass für homosexuell orientierte Jugendliche die Dimension, der im Laufe der Adoleszenz stattfindenden Veränderung des Körpers, mit einer hohen psychi­schen Belastung verbunden ist (Bade, 2009, Kap. 2.2, zitiert nach Fend, 2000, S. 225).

4.2 Theorien und Ansätze

Es gibt verschiedene Theorien und Ansätze, welche die Entstehung von Homosexualität bei Jugendlichen versuchen zu erklären. Im Folgenden greift die Arbeit zwei populäre Theorien auf. Zum einen wird die Freud Theorie, zum anderen die Kinsey-Skala präzisiert.

4.2.1 Freud Theorie (1923)

Freuds Erkenntnissen nach durchläuft jeder Mensch im Laufe seines Lebens eine homosexuelle Periode. Seine Annahme enttabuisierte das Thema Homosexualität und löste das Bild von Schwulen und Lesben als psychisch kranke Menschen auf. Durch seine Entpathologisierung legte er erste Meilensteine in diesem Bereich. Der Psychoanalytiker vertrat die Meinung, dass gleichgeschlechtlich Liebende keine psychische Störung haben (Definition sexueller Orientierungen: Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, 2014). Freuds Forschungen nach wollen Jugendliche mit Eintreten der Pubertät Erfüllung durch das andere Geschlecht erfahren. Falls dies nicht zutrifft, sei der Ödipuskomplex der Grund für die Homosexualität. Bei einer negativen Konstellation des Ödipuskomplexes ist seitens des Sohnes eine misslungene Identifikation mit dem Vater eingetreten - stattdessen aber mit der Mutter, was zur homosexuellen Orientierung führen kann (Psychoanalyse, Ge­schlecht und Begehren, 2013, S. 16f.).

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Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Homosexualität und das Coming-Out im schulischen Kontext
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1.0
Jahr
2021
Seiten
46
Katalognummer
V1154546
ISBN (eBook)
9783346550736
ISBN (Buch)
9783346550743
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Homosexualität Schule, Coming-Out Jugendliche Vielfalt Akzeptanz
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Homosexualität und das Coming-Out im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1154546

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