Thesenpapier: Das Haustier als Bestandteil eines menschenwürdigen Existenzminimums?


Hausarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Haustier als Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe
These 1: Das Halten eines Haustieres ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe und ist somit Bestandteil eines menschenwürdigen Existenzminimums.
Antithese 1: Ein Haustier ist nicht zwingend erforderlich, um Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe zu erhalten und somit als Luxusgut jenseits des soziokulturellen Existenzminimums zu werten.

Das Haustier als Faktor für die Gesundheit des Menschen
These 2: Die Haltung eines Haustieres ist der Gesundheit der Halter*innen zuträglich und somit durch den Gesetzgeber gemäß Art. 2 Abs. 2 S.1 GG zu schützen.
Antithese 2: Haustiere stellen ein nicht unerhebliches Gesundheitsrisiko für ihre Halter*innen dar. Sie zu besitzen kann daher nicht als Bestandteil eines menschenwürdigen Existenzminimums staatlich gefördert werden.

Resümee

Literaturverzeichnis

Einleitung

Was ist „gutes Leben“, was braucht es dazu und wie kann es dem/der Einzelnenermöglicht werden? Eine Frage, die nicht nur die Grundlage für die Ethik der Sozialen Arbeit bildet (vgl. Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e. V., 2014), sondern auch ganz konkreter Bestandteil von Überlegungen legislativer Gewalt bei der Festsetzungsozialstaatlicher Leistungen ist. Den deutschen Bundesbürger*innen1 gegenüber muss der Sozialstaat gemäß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom09. Februar 2010 folgende existenzsichernde Maßgaben erfüllen:

1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seinephysische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
2. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seinerVerbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch ausArt. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber derKonkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zuerbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm einGestaltungsspielraum zu.
3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitäts-gerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.

(BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, Rn. 1-220)

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, legt der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Regelbedarfsermittlungsgesetzes fest, welche Güter Bestandteil des in unsererGesellschaft als angemessen erachteten Existenzminimums seien. Er kategorisiert Güterhierbei in physisch und soziokulturell notwendige und beraumt für deren Mindestwerteinen im Bedarfsfall monatlich durch den Staat zu entrichtenden Festbetragan (vgl. „RBEG vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855)“, 2020).

Expliziter Bestandteil dieses Existenzminimums seien z. B. Güter wie Nahrung undGetränke, sowie Tabakwaren, die sich unter der „Abteilung 1 und 2“ mit einemzusammengefassten Deckungsbeitrag versammeln. Weitere existentielle Güter stellten laut § 5 Abs. 1 RBEG zum Beispiel Bekleidung und Schuhe, Wohnungsmieten, Gesundheitspflege, ebenso wie Freizeit, Unterhaltung und Kultur dar (vgl. ebd.).

Als Ermittlungsgrundlage des gesetzlich fixierten Existenzminimums in Höhe undZusammensetzung seiner Bestandteile dienen gem. § 1 Abs. 1 RBEG „(…) Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 zur Ermittlung der durchschnittlichen Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte (…)“ (ebd.). Zu diesen einkommensschwachen Haushalten zählen laut § 3 Abs. 2 RBEG allerdings auchjene, die einen Leistungsanspruch nach SGB II oder XII aufweisen, obwohl sie Einkünfte aus Erwerbsarbeit beziehen (sog. „Aufstocker*innen“), faktisch also am Existenz-minimum leben (vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V., 2020, S. 16). Als Richtschnur für die Bedarfsermittlung werden demnach auch diejenigen Mitglieder unserer Gesellschaft zu Rate gezogen, die aufgrund von Armut nachweislich von gesellschaftlicher Ausgrenzung betroffen sind (vgl. Rudnicka, 2020). Daher kritisiert u.a. der Paritätische Gesamtverband die Ermittlung des Regelbedarfsatzes in seiner Höhe und Zusammensetzung unter dem Aspekt der Menschenwürde als durchaus fragwürdig und unter zahlreichen Gesichtspunkten als unzureichend (vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V., 2020).

Eine Komponente, die im Rahmen der Regelbedarfsermittlung keinerlei Berücksichtigung findet, ist die der Haustierhaltung. Ein Haustier stellt per Gesetz der Bundesrepublik also kein explizites Element zur Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens dar.

Dieses Thesenpapier widmet sich der Frage, inwieweit nicht auch die Haltung eines Haustiers notwendiger Bestandteil eines vom Staat anerkannten, soziokulturellenExistenzminimums sein müsste, um als materielles Gut ein menschenwürdiges, „gutes Leben“ und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und daher gerechterweise nach dem Sozialstaatsprinzip von der Solidargemeinschaft finanziell mitzutragen und von einer Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession einzufordern wäre.

Das Haustier als Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe

„Für das Menschenbild des Grundgesetzes und damit die Menschenwürde ist die Gemeinschaftsbindung, die Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens, konstitutiv.“

(Borchert, 2015, S. 658)

Diese Feststellung des ehemaligen vorsitzenden Richters des Hessischen Landesozialgerichtes Ernst Jürgen Borchert macht deutlich, dass der Sozialstaat im Rahmen seiner Fürsorgeleistungen gem. SGB II und XII auch die Verantwortung zur Ermöglichunggesellschaftlicher Teilhabe der Leistungsempfänger*innen trägt. Daraus lässt sichableiten, dass im Rahmen der Regelbedarfsermittlung sämtliche Güter Berücksichtigung finden müssen, die in besonderem Maße dazu geeignet sind, die Leistungsberechtigten in Kontakt mit anderen Menschen zu bringen – beispielsweise im Rahmen der Ausübung eines Hobbies oder des schlichten Aufenthalts im öffentlichen Raum und der dortigen Teilnahme an kulturellen Angeboten.

Im Folgenden sei anhand zweier Thesen gegenübergestellt, inwieweit das Gut „Haustier“ Menschen dazu zu befähigen in der Lage ist, gesellschaftliche Teilhabe zu erfahren und inwieweit es daher zur Gewährleistung der Menschenwürde im Rahmen eines sozio-kulturellen Existenzminimums von der Solidargemeinschaft mitgetragen werden müsste.

These 1:Das Halten eines Haustieres ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe und ist somit Bestandteil eines menschenwürdigen Existenzminimums.

Ein solches, wie oben beschriebenes, Gut stelle ein Haustier dem Robert-Koch-Institut zufolge ausdrücklich dar: So hätten in einer Reihe von UntersuchungenHeimtierbesitzer*innen als positiven Aspekt der Tierhaltung u.a. ausdrücklich häufigere soziale Kontakte durch das Tier genannt (vgl. Robert-Koch-Institut, 2003, S. 7).

So begegneten etwa Hundebesitzer*innen beim Gassi gehen regelmäßig anderenMenschen, würden über die Interaktionen des Tieres mit diesen nicht selten in einGespräch verwickelt oder sähen sich veranlasst dazu, das tägliche Ritual des Hundeausführens durch das Verabreden zum gemeinschaftlichen Spaziergang mit anderenHundebesitzer*innen attraktiver zu gestalten (vgl. Landkammer, 2017, S. 232).

Oftmals stehen auch Hobbies wie etwa Hundesport in Verbindung mit dem Besitz des Tieres und schaffen über die Mitgliedschaft in entsprechenden Vereinen Zugang zueinem spezifischen, sozialen Umfeld. So zählt nach eigenen Angaben allein der „Verband für das Deutsche Hundewesen“ derzeit ca. 600.000 Mitglieder (vgl. Verband für dasDeutsche Hundewesen, o. J.). Bereits im Jahr 2000 ermittelte der Mediziner Armin Claus im Zuge seiner Dissertation, dass die Anschaffung eines Hundes oder auch einer Katze für die Besitzer*innen nach eigenen Angaben in Verbindung mit einer deutlichenZunahme ihrer sozialen Kontakte stehe (vgl. Claus, 2000 nach Robert-Koch-Institut,2003, S. 9).

Bezogen auf Pferdehalter*innen lässt sich sogar vermuten, dass ein Großteil derprivaten, zwischenmenschlichen Kontakte in unmittelbarem Zusammenhang mit dernotwendigen Grundversorgung und dem Beritt des Tieres stehen. Den Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zufolge sind seien Pferde zum überwiegenden Teil als Pensionstiere in gemeinschaftlich genutzten Ställen untergebracht (vgl. „Zahlen und Fakten aus Pferdesport und Pferdezucht“, o. J.), wo sich demnach ihre Besitzer*innen regelmäßig beim Bereiten und Verpflegen ihrer Pferde begegnen.

Diese Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass Haustiere einen nicht zuunterschätzenden Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe ihrer Halter*innen darstellen. Da, wie oben bereits erwähnt, der sich Staat auf Basis des verfassungsgemäßenMenschenbildes dazu verpflichtet, diese Teilhabe im Rahmen seiner Sozialleistungen des SGB II und XII zu ermöglichen, wäre auch eine Abteilung „Heimtierhaltung“ explizit im Regelbedarfsatz auszuweisen und durch die Steuerzahler*innen gemäß Solidaritätsprinzip zu finanzieren.

[...]


1 Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird das Gender-Sternchen als Mittel der geschlechtergerechten Schreibweise verwendet, um neben dem männlichen und weiblichen auch weitere Geschlechter und Geschlechtsidentitäten typografisch sichtbar zu machen und einzubeziehen.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Thesenpapier: Das Haustier als Bestandteil eines menschenwürdigen Existenzminimums?
Hochschule
Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt
Veranstaltung
Ethische Kartografien
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V1154759
ISBN (eBook)
9783346548528
ISBN (Buch)
9783346548535
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hartz IV, Sozialhilfe, Regelbedarf, Regelbedarfsermittlung, Regelbedarfsermittlungsgesetz, Teilhabe, Gesellschaftliche Teilhabe, Soziale Teilhabe, psychische Gesundheit, SGB II, Regelbedarfsbestandteil, Haustier, Haustiere, soziokulturelles Existenzminimum, Existenzminimum, soziokulturelle Güter, Haustierhaltung, Mehrbedarf, Ethik, Sozialleistungen, Sozialstaat, Inflation
Arbeit zitieren
Simone Rost (Autor:in), 2020, Thesenpapier: Das Haustier als Bestandteil eines menschenwürdigen Existenzminimums?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1154759

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