Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Bedingungsanalyse
3. Sachanalyse
3.1 Einleitung
3.2 Begriffsbestimmung
3.3 Sunde im Kontext der biblischen Urgeschichte
3.4 Begriffsgeschichte - Lutherische Sundenlehre Sunde bis zur Reformation
3.5 Sundenverstandnis nach Gerhard Ebeling
3.6 Sundenverstandnis nach Konrad Hilpert
3.7 Exkurs: Rechtfertigungslehre
3.8 Fazit
4. Tabelle der geplanten Unterrichtseinheit
5. Didaktischer Kommentar zur geplanten Unterrichtseinheit mit Bezugnahme auf den Lehrplan
6. Tabelle der Unterrichtsstunde
7. Didaktisch-Methodischer Kommentar zur Unterrichtsstunde
Literarturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Modulabschlussarbeit ist eine Unterrichtsreihe zum Thema „Sunde“ mit dem Unterthema ,,Wie die Sunde unser tagliches Leben bestimmt“ entworfen. Schulerinnen und Schuler1 sollen dabei lernen, dass das biblische Verstandnis von Sunde ein anderes Verstandnis ist, als die Gesellschaft vorgibt und pragt und diese Erkenntnisse auf ihre Lebenswirklichkeit zu beziehen.
Zunachst wird in der Bedingungsanalyse erlautert, mit welchen SuS die konzipierte Unterrichtseinheit durchgefuhrt wird. Dabei werden Alter, Schule, soziales Umfeld und religiose Sozialisierung naher beschrieben.
Bei der Entwicklung einer Unterrichtsreihe fur den Religionsunterricht2 ist das Bewusst werden der zu vermittelnden Inhalte sehr wichtig. Daher werde ich mich in der anschlie- Benden Sachanalyse ausfuhrlich systematisch-theologisch mit dem Sundenbegriff ausei- nandersetzen. Die biblische Urgeschichte (Genesis Kapitel 1 bis 11) ist dabei Grundlage dieser Erarbeitung. Kinder und Jugendliche verstehen den Begriff „Sunde“ im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder in unterschiedlichen und zunehmend komplexen Dimensio- nen. Dies lasst sich unter anderem durch die moralischen und religiosen Entwicklungs- theorien nach L. Kohlberg und J. Fowler begrunden, auf die ich im Laufe dieser Arbeit noch naher eingehen werde.
Nachdem die Ergebnisse der Sachanalyse in einem Fazit gesammelt wurden, beginnt der zweite groBe Abschnitt meiner Arbeit, der religionspadagogische Teil. Die systematisch- theologischen Erkenntnisse sollen nun in einem Unterrichtsentwurf verwertet werden. Konkret soil dies anhand einer von mir konzipierten Unterrichtseinheit deutlich werden. Danach wird diese didaktisch kommentiert, indem Bezug zum Lehrplan genommen wird und Lernziele erlautert werden. Als letztes wird eine Unterrichtsstunde genauer darge- stellt und ebenfalls kommentiert.
2. Bedingungsanalyse
Die dargestellte Unterrichtseinheit ist fur eine dritte Klasse einer staatlich offentlichen Grundschule in Nordrhein-Westfalen konzipiert. Die Klasse besteht aus 21 SuS, wovon 12 Kinder Madchen und neun Kinder Jungen sind. Am evangelischen RU nehmen 15 SuS teil, von denen wiederum sechs evangelisch sind und vier katholisch. Funf Kinder dieser Gruppe sind konfessionslos. Die sechs fehlenden SuS gehoren dem muslimischen Glau- ben an und besuchen parallel den muslimischen RU. Die SuS kommen vor allem aus der mittleren bis oberen sozialen Schicht. Etwa ein Drittel der SuS besucht regelmaBig die Kirche. Die katholischen Kinder der Klasse besuchen derzeit die Vorbereitung auf die Erstkommunion, weshalb sie auch auBerhalb der Schule Kontakt mit religiosen Themen haben und gewisses Vorwissen mitbringen.
Der RU findetjede Woche am Dienstag in der dritten Stunde und am Freitag in der funf- ten Stunde in jeweils einer Einzelstunde statt. Die Raumsituation ist so arrangiert, dass der RU fur sowohl die Lehrkraft3 als auch den SuS in einem gleichbleibenden, spezifi- schen Fachraum stattfindet. Dies bringt zum einen den Vorteil, dass den SuS eine raum- liche Abwechslung gegeben wird. Es ist ein Umfeld geschaffen, in denen nicht wie in herkommlichen Stunden lesen, schreiben und rechnen gelehrt wird, sondem das Gefuhl des Religionsunterrichtes spirituell vermittelt und veranschaulicht wird. Religioses Ler- nen wird dabei nicht nur als Vermittlung von Lem- und Glaubensinhalten angesehen, sondem das Kind steht selbst im Mittelpunkt. Im Religionsunterricht geht es in meinen Augen dabei vielmehr um die Befahigung die Welt, das Leben und sich selbst sensibel wahrzunehmen, zu bestaunen, zu befragen und zu deuten. Zum anderen stellt dieser Fachraum die Moglichkeit, gemeinsam erarbeitete Ergebnisse sowie Unterrichtsmaterialien festzuhalten und aufzubewahren. Die L kann selbst entscheiden, wie die SuS sitzen sollen und wie der Raum aufgeteilt und gestaltet ist. Der Raum in dem der RU stattfindet, ver- fugt uber eine Sitzecke, Gruppentische sowie genugend Platz an den Wanden fur Ergebnisse, Schaubilder, Plakate oder ahnlichem. Jede RU beginnt und endet im Sitzkreis des Fachraumes. Materialien wie z.B. Stifte, Kleber, Schere etc. sollen von den SuS immer selbststandig mitgebracht werden, was den SuS und Eltern auch bekannt ist.
Die Klasse hat im ersten und im zweiten Schuljahr viel uber Jesus gesprochen und einige Geschichten aus der Bibel kennengelemt. Mit dem Sundenbegriff haben die SuS sich bisher allerdings noch kaum auseinander gesetzt, weswegen ein Anknupfen an die Urge- schichte im Alten Testament wichtig ist. Viele Kinder ist die Geschichte von Adam und Eva bereits gelauftg, vielen allerdings auch noch nicht. Dazu werde ich im spateren Ver- lauf dieser Arbeit bzw. in meinem Unterrichtsentwurf, noch naher drauf eingehen. Im RU zeigen sich die SuS allgemein sehr interessiert und motiviert. Die erkennende Motivation der SuS erleichtert dabei erheblich die Durchfuhrung des RU. Auch Kinder, bei denen in herkommlichen Stunden schnell die Konzentration nachlasst, zeigen im RU nur selten Probleme, da es nicht konkret auf Leistung ankommt und sichjeder gut einbringen kann. Nach dem Stufenmodell des Glaubens von James W. Fowler befinden sich die SuS aus dieser Klasse auf der Stufe zwei des „Mythisch-wortlichen“ Glaubens, welcher auch „Buchstabenglaube“ genannt wird. Fur SuS auf dieser Stufe konnen z.B. Gotter die Welt regeln und ordnen, wobei diese Regeln strikt wortlich genommen und Symbole eindimensional wortlich verstanden werden. SuS sind in der Lage ihren Glauben bildlich zu beschreiben. Uber die Vielfalt der Deutungen und Bedeutungen der Glaubensinhalte, der Lehren und Dogmen, Mythen und moralischen Regeln wird noch nicht nachgedacht.4 Dies entspricht der „Konkret-Operationalen Stufe“ von J. Piaget. Diese bedeutet, dass SuS in der Lage sind, Schlussfolgerungen zu ziehen und Gedanken neu zu ordnen. Die Logik wird entdeckt, sowie Gesprache, Aktivitaten und Schreiben gelernt. SuS sind dabei jedoch auf Augenschein bzw. konkreten Beispielen angewiesen, welche in der Unterricht- einheit gegeben werden sollen.5 Des Weiteren stehen diese Stufen im Einklang mit der zweiten Stufe „Orientierung an do ut des“ des Modells von F. Oser und P. Gmunder. Gott wird von den SuS als extern und allmachtig angesehen, als ein Wesen, das Belohnen oder aber auch bestrafen kann. Zudem ist Gott beeinflussbar. Es ist moglich mit Gott ,,Ge- schafte“ zu machen, indem etwas gegeben, getan oder geopfert wird. Dadurch kann praventiv auf Gott eingewirkt werden, sodass SuS eine beschrankte Autonomie besitzen.6 Im Bezug auf Sunde der SuS ist dies z.B., dass nach einer schlechten Tat, eine gute Tat alles wieder gut machen kann. Nach L. Kohlberg befindet sich die Klasse in der prakon- ventionellen Ebene. Auf dieser Ebene agieren Autoritatspersonen zwar weiterhin als Vor- bilder, jedoch lernt das Kind, dass es auch weitere Sichtweisen als die eigenen geben kann.7 Mit Hinblick auf meine Unterrichtseinheit wird dies vor allem in der dritten Un- terrichtstunde thematisiert.
Dabei werden elementare Erfahrungen konkret angewendet, um einen Transfer zur Le- benswirklichkeit der SuS zu schaffen. Bei der Thematisierung des Sundenbegriffs mit Bezug auf die erwahnten Modelle ist davon auszugehen, dass Sunde fur die SuS ein kon- kretes Fehlverhalten ist. Miriam Zimmermann ist der Meinung, dass je alter die Kinder werden, desto abstrakter konnen sie von Sunde reden.8 Da in meiner Unterrichtseinheit auch die Bewertung und Vergebung der Sunde thematisiert werden soil, ist nach Zimmermann in diesem Alter „die Absicht des Tuns maBgeblich fur die Bewertung“ und Vergebung wird als ein „gutes Gefuhl“ der Erleichterung erfahren.9 Mit Bezug zu den Kompetenzerwartungen entwickeln die SuS demnach eine Urteilskompetenz.
3. Sachanalyse
3.1 Einleitung
In der folgenden Sachanalyse soil der oft missverstandene Begriff Sunde, systematisch- theologisch erarbeitet, verschiedene Deutungen von Sunde dargestellt und erortert werden. Des Weiteren soil der Sundenbegriff im Kontext der biblischen Urgeschichte eine Bedeutung erfahren und mit der heutigen Gesellschaft in Verbindung gebracht werden. Es soil herausgearbeitet werden, was SuS daraus erfahren konnen.
Dazu ermoglicht zu Beginn der Sachanalyse, eine Begriffsbestimmung die Einfuhrung in das Thema Sunde. Es erfolgt die Gegenuberstellung des traditionellen Begriffs mit dem biblischen Begriff. In einem Abschnitt werde ich dazu Auszuge aus der biblischen Urgeschichte10 entfalten. Daran anknupfend soil im Abschnitt der Begriffsentwicklung gezeigt werden, wie sich das Sundenverstandnis im Laufe der Zeit bis zur Reformation entwickelte. Grundlage ist dabei das lutherische Sundenverstandnis als eine reformatori- sche Lehre von der Sundhaftigkeit des Menschen. Mit Hinblick auf meine geplante Un- terrichtseinheit soil dies zeigen, dass das Verstandnis der Sunde eine anderes ist, als es unserer Gesellschaft vorgibt und pragt. Es folgt eine Deutung des Themas von Gerhard Ebeling, der Sunde in Abgrenzung zu dem Bosen und dem Ubel darstellt. Von dem lu- therischen Sundenverstandnis ausgehend, fuhrt er anschlieBend das christliche Sundenverstandnis auf, um die Eigenschaften der Sunde als gestorte Gott-Mensch-Relation zu thematisieren und deren Folgen aufzuzeigen. Da die Auseinandersetzung mit der Sunde auch zwangslaufig die Thematik der Rechtfertigung mit sich zieht, ist ein Umschweif zur Rechtfertigungslehre sinnvoll. Im letzten Schritt werde ich die Sachanalyse mit einem Fazit abrunden. Dabei sollen meine theologischen Einsichten und Entscheidungen zum Thema der Unterrichtseinheit dargelegt werden. Es wird dargestellt, inwieweit Sunde einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der SuS hat und welche Inhalte des theologischen Themas innerhalb eines Unterrichtsentwurfes den SuS in der Grundschule vermit- telt werden konnen.
3.2 Begriffsbestimmung
Zu Beginn soil der Sundenbegriff vorab naher definiert werden, um einen kurzen Uber- blick uber das theologische Themengebiet zu erlangen.
Durch geschichtliche und kulturelle Veranderungen gibt es fur den Begriff Sunde keine allgemeine oder eindeutige Interpretation. Es wurden zahlreiche Artikel, Beitrage und Bucher uber Sunde und das Sundenverstandnis verfasst. Viele Begrifflichkeit werden heutzutage mit dem Sundenbegriff assoziiert und in Verbindung gebracht. Nahezu in alien Bereichen unseres Alltags begegnet uns die vermeintliche Sunde. Allerdings ist es auffallend, dass das Wort „Sunde“ heute weitgehend umgangssprachlich gebraucht wird. Die „Verkehrssunderkartei“11 in Flensburg, „Umweltsunde“ bei VerstoB gegen Gesetze und offentliche Normen, „Rotsunder“ bei z.B. einem Foulspiel oder auch das „Sundi- gen“ wenn eine Diat gebrochen wird, sind fur uns Menschen gelaufige Begriffe und Si- tuationen aus dem Leben. Neben dem VerstoB ist ebenfalls auch eine „eigentumliche Dis- tanzierung von der Verbindlichkeit dieser Normen und Vorsatze, ihre Bagatellisierung“12 zu erkennen. Obwohl wir um die Notwendigkeit dieser Vorgaben Bescheid wissen, tut es die Einsicht allein nicht.
Sogar im Bereich der Sexualitat ist ein Zusammenhang geschaffen, durch z.B. die ,,sun- dige Meile“ auf der Reeperbahn in Hamburg, der Seitensprung innerhalb einer Bezie- hung/Ehe oder die Fernsehserie ,,Liebe Sunde“. Der Begriff wird hierbei ironisiert. „Man distanziert sich vom Sundenbegriff als einer moralischen Kategorie, vor allem dort, wo es um Sexualitat, um den Leib, um die Sinnlichkeit geht.“13 Ralph Frieling ist der Mei- nung, dass die Sunde in unserer Sprache harmlos geworden ist und gleichzeitig dramati- siert und verharmlost wird.14 In unserer Alltagssprache begegnet das Wort fast nur noch als Bezeichnung fur kleinere oder groBere Verfehlungen. Dabei bleibt oft unbeachtet, dass „die reformatorische Rede von Sunde in die Gottesbeziehung gehort und sich erst als Glaubenserfahrung in ihrer ganzen Tiefe erschlieBen lasst.“15
Um den nun oft missverstandenen Begriff Sunde einen aktuellen Sinn abzugewinnen, mussen Grundfragen des Menschseins zunachst thematisiert werden. Grundsatzlich stellt der Begriff der Sunde ein menschliches Verhalten mit drei Aspekten da: dem instrumen- tellen Einsatz des Verstandes, um sich selbst und seine Interessen absolut (also an die Stelle Gottes) zu setzen und anderen die eigenen Interessen aufzuzwingen. Dies kann anhand von biblischen Urgeschichten festgestellt werden, worauf ich im nachsten Ab- schnitt naher eingehen werde.
Sunde bezieht sich aus biblischer Sicht vorrangig auf die „Storung des Verhaltnisses zwi- schen Mensch und Gott“.16 Der Begriff wird auch im Zusammenhang mit den fehlenden Beziehungen der Menschen untereinander angewendet, die insbesondere durch die Ab- weichung von gesellschaftlichen und religiosen Normen auffallig werden.17 Dabei stellt sich die Frage ob die Lehre vom menschlichen Sein, Einzelding oder ein Wesen in Be- ziehung ist. Das Bild, welches wir vom Menschen haben stellt unsere Vorstellung da, was der Mensch eigentlich ist. Ein Ansatz ware, den Menschen als freies Individuum zu sehen. Jeder Mensch besitzt eine solche Vorstellung und handelt auch danach. Er macht sich jedoch diese eigenen Vorstellungen nicht deutlich. Die Ontologie, die Lehre vom Sein, thematisiert diese Menschenbilder. Heutzutage ist es weit verbreitet sich den Menschen als Einzelding, also als unabhangiges Individuum vorzustellen.18 Diese Vorstellung ist ahnlich zu der vorherrschenden Seinslehre aus dem Mittelalter. Diese Substanzontologie stellt sich den Menschen als eine fur sich allein existierende Substanz vor. Luther hingegen widerspricht dieser Substanzontologie. Fur ihn leben Menschen uberhaupt erst auf- grund von Beziehungen, in denen sie hineingeboren werden. Menschen sind Personen, insofern sie Beziehungen zu anderen Personen unterhalten. Diese spezielle Seinslehre, auch Relationsontologie genannt, wurde von Luther aus dem Studium des Alten Testaments hergeleitet. Fur Luther leben Menschen in drei Relationen: gegenuber anderen Menschen, gegenuber sich selbst und gegenuber Gott. Die Relationsontologie ist, sowohl fur die Theologie als auch fur die Wissenschaft von der Gesellschaft und fur das alltagli- che Dasein, von groBerer Bedeutung.19
3.3 Sunde im Kontext der biblischen Urgeschichte
Im Kontext der biblischen Urgeschichte wird deutlich, dass es sich bei der Sunde nicht um die „Ubertretung von Vorschriften eines bestimmten Kodex, eines gottlichen und in- sofern lenzgultigen Moralgesetztes“20 handelt, sondem vielmehr um eine „Grundhaltung der Existenz“21 des Menschen selbst. Paul Tillichs Ausfuhrungen, aus seinem Buch „Sys- tematische Theologie Band drei“22, verdeutlichen dies. Er schreibt, in der Bezie- hung zu Gott gibt es keine einzelnen Sunden, sondern die eine Sunde - die Trennung von Gott und den Widerstand gegen die Wiedervereinigung mit ihm.23 Schon auf den ersten Seiten der Bibel finden wir bei Genesis klassische Beispielgeschichten, in denen Menschen sich wiederholt an die Stelle Gottes setzen. Durch die Erzahlung des Sundenfalls wird auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass das Gottesverhaltnis zu den Menschen durch sundiges Verhalten zerstort wird. Die Menschen hielten sich nicht an das von Gott gegebene Gebot und strebten viel mehr danach, so zu sein wie Gott. Dadurch konnten sie nicht mehr in enger Gemeinschaft mit ihm leben und wurden aufgrund ihres Ungehor- sams bestraft und aus dem Garten Eden verbannt.24 Daran anknupfend tritt Sunde zur Zeit des Alten Testaments25 vorrangig als Rebellion der Menschen gegen Gott und seine Ge- bote auf, die von Gott bestraft werden. Dies kann in Form von Unheil, Krankheiten und Tod erscheinen, die sowohl das Leben des Sunders selbst als auch Personen seines nahe- ren Umfelds betreffen konnen.26
,,Gott selbst muss die Sunde, die Lebenswidrigkeitund die Gottlosigkeit uberwinden [...] damit Israel von Sunde frei einen Neubeginn seiner Gottesbeziehung erleben kann.“27 zeigt die Moglichkeit, wie das zerstorte Verhaltnis von Gott und Mensch wiederherge- stellt werden kann. Dies erfolgt, wie in den Buchern des AT angekundigt, mit dem Auf- treten der Person Jesu. Sein barmherziger Umgang mit den Menschen, die nach damali- gem Verstandnis durch ihr sundiges Verhalten zur Randgesellschaft gehorten, sollte nicht zum Ausdruck bringen, dass Sunde nicht mehr existent ist, sondern dass die Macht der Sunde durch Jesus und sein Sterben am Kreuz keine Macht mehr uber den Sunder selbst haben muss.28 Wie bereits erwahnt stellt Sunde den Versuch des Menschen da, sich selbst zu erlosen und so zu werden wie Gott. Das Besiegen dieser Sunde, kann durch Identifi- kation Gottes mit den Menschen durch Jesus am Kreuz erfolgen. Gott ist durch Jesus ein Mensch geworden, weshalb sie nicht mehr versuchen mussen, wie Gott zu sein.
Sunde hat stets ein gestortes Verhaltnis zu Gott als Folge und fuhrt unaufhaltsam zum Tod. Durchjedoch Jesu Sieg uber die Sunde und den Tod, welcher durch seine Auferste- hung deutlich wird, konnen die Glaubigen wieder Gemeinschaft mit Gott erlangen.29 Das zerstorte Gottesverhaltnis wurde somit wiederhergestellt.
Die in diesem Absatz aufgestellte These, Sunde bedeutet ,,Gott zu spielen“ bzw. so sein zu wollen wie Gott, mochte ich nun entfalten und auf die Situation der SuS anwenden. Drei Bibelpassagen bilden die zentralen Bausteine fur die Untermauerung meiner These. Die erste Bibelpassage ist der bekannte „Sundenfall“ in Genesis 3, 1-13. Eine Schlange uberzeugt Adam und Eva von dem Baum der Erkenntnis30 zu essen, obwohl Gott es Ihnen verboten hatte. Betrachtet man dabei den Zusammenhang des funften Verses genauer, wird durch drei Eigenschaften meine These belegt.Gott weiB: An dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und bose ist.“31 Die drei Eigenschaften liegen bei erstens „werden eure Augen aufge- tan“, zweitens „und ihr werdet sein wie Gott“ und drittens „und wissen, was gut und bose ist“. Adam und Eva mochten Gott gleich sein, sehen wie Gott und wissen was Gott weiB. In diesem Verlangen steckt der Kern der Sunde.
Des Weiteren ist eine Schuldzuweisung zu erkennen. ,,Der Mensch erwiderte: Die Frau, die du mir an die Seite gestellt hast, gab mir davon; da habe ich gegessen.“32 Sie antwortete: Die Schlange ist schuld, sie hatmich zum Essen verfuhrt!“33 Der Mann erklart sich als nicht verantwortlich und schiebt die Schuld auf seine Frau, selbst Gott macht er verantwortlich. Die Frau wiederum schiebt die Schuld auf die Schlange. Keiner will es gewesen sein, wie es auch im alltaglichen Menschen und der Lebenswirklichkeit der SuS zu finden ist. Auf dem Schulhof kommt es zu vielen Streitereien. Auch wenn der Unter- richt durch vereinzelte SuS gestort wird und die L. die SuS ermahnt, ist eine Beschuldi- gung mit z.B. ,,Er/Sie hat angefangen“ immer wieder zu beobachten.
Die zweite Bibelpassage, in der sich der Mensch Gott gleich macht, liegt in Genesis 4, 18. In dieser Passage geht es um die Geschichte von Kain und Abel. Kain und Abel sind Kinder von Adam und Eva und somit Bruder. Abel wurde Schafer und Kain Ackerbauer. Beide sollten Gott Opfer darbringen, wobei Gott daraufhin nur Abels Beachtung schenkte. Kain war durch diese Ungerechtigkeit nicht gut auf seinen Bruder zu sprechen, woraufhin er ihn totete. Zu erwahnen ist, dass an keiner Stelle erklart wird, warum Gott beide Opfer unterschiedlich beurteilte. Es wird daher deutlich, dass Gott nicht rechen- schaftspflichtig ist. Zwei Themen werden innerhalb dieser Verse hervorgehoben: Wer- tung/Anerkennung der Berufe (Ackerbauer und Schafer) und das Thema Neid. Unabhan- gig davon wird erneut zum Ausdruck gebracht, dass der Mensch so sein mochte wie Gott und Urteile fallen mochte. Kain will sich an die Stelle Gottes setzen und auf seine Art und Weise Recht sprechen. Es ist ebenfalls zu beobachten, dass Kain planenden strategi- sche Vernunft anwendet, um seinen Bruder zu toten. Kain wartet den passenden Ort und Zeitpunkt ab34 und bringt ihn nicht sofort an Ort und Stelle um.
Dies lasst sich in abgewandelter Form auch auf die Lebenswirklichkeit der SuS beziehen. Innerhalb einer Familie geht es nicht immer gerecht zu. Es kommt nicht selten vor, dass sich Kinder innerhalb der eigenen Familie bevorzugt oder benachteiligt fuhlen. Manche Kinder haben sogar das Gefuhl, der Bruder oder die Schwester sei das „Lieblingskind“. Auch in einer Klassengemeinschaft kommt dies oft vor. Planende strategische Vernunft wird eingesetzt, um Mitschuler oder Geschwister zu schaden oder sich zumindest einen eignen Vorteil zu verschaffen. Auch wenn es deutliche Regeln gibt und angedrohte Kon- sequenzen bei Fehlverhalten, werden diese nicht immer eingehalten. Menschen wollen ihr eigenes Vorhaben vollenden und dabei keine Einwande oder Vorschlage von auBen beachten. Klar ist, dass die Geschichte von Kain und Abel ein sehr extremes Beispiel ist. Es zeigt allerdings auch auf, zu was Menschen fahig sind und wie weit Menschen gehen konnen.
In Genesis 11, 1-9 befindet sich die dritte Bibelpassage, in der sich meine These wieder- finden lasst. In dieser Geschichte „der Turmbau zu Babel“ wird von einer Menschheit bzw. einem Volk erzahlt, dass groBe Plane realisieren will. Der Plan war es, einen Turm bis in den Himmel zu bauen, der groBer und schoner werden sollte als alle Tempel zuvor. Aber Gott bestrafte die Menschen dafur, dass sie so hochmutig und unersattlich waren und lieB sie verschiedene Sprachen sprechen.35 Menschen setzen ihre Vernunft ein, um Gott gleich zu werden und Macht auszuuben, die ihnen nicht zusteht. Statt Gottes Auto- ritat anzuerkennen, mochten sie selbst zur hochsten Autoritat werden. Sie bauten einen Turm, welcher uber das menschlich mogliche heraus geht und bis in den Himmel, den Bereich Gottes, reichte. Sollte ihnen dies gelingen, waren sie ,,im Himmel“ angekommen und damit machtig. AuBerdem hatten sie die Moglichkeit bekommen den Turm als Be- obachtungsturm zu nutzen. Dadurch hatten sie weit in die Feme sehen konnen. Sie nutzen dementsprechend ihre Vernunft, um sich unabhangig zu machen. Sie wollten Gottes Ei- genschaft, die des Allsehenden, einfach ubernehmen und selbst zu Gott werden.
Wird dieses Beispiel auf die Lebenswirklichkeit der SuS bezogen sollen diese erkennen, dass Gott die Eigenwilligkeit, den Hochmut und Stolz des Menschen richten wird. Selbst- verwirklichung fuhrt ins Chaos und nur die Bindung an Gott garantiert ein erfulltes Le- ben. Nicht alle eigenen Idee nehmen auch einen positiven Verlauf mit sich. In gewisser Weise ist es ratsam sich nicht einfach durchsetzen zu wollen und Macht auszuuben, son- dern zum einen die Autoritat Gottes anzuerkennen und vor allem auch zu begreifen. Gott hat einen guten Plan mit einem, den man nicht durch eigensinniges Verhalten durchkreu- zen sollte.
Unsere heutige Gesellschaft ist gekennzeichnet davon, dass viele Menschen sich keiner Schuld mehr bewusst sind. Wo vorhandene Schuld offen zu sehen ist, fordert sie aber Gerechtigkeit, Wiedergutmachung, Versohnung und Vergebung. Unsere Welt zeigt und hat schon immer gezeigt, dassjeder Mensch Sunder ist. Keiner ist so gerecht, dass er ohne Sunde lebt. Dem heutigen Menschen ist seine Unzulanglichkeit bewusst, aber richtig damit umzugehen fallt ihm schwer. Uns Menschen und in diesem Fall den SuS muss klar gemacht werden, dass Jesus Christus uns von Sunde und Schuld befreit hat, und dass Gott jeden Menschen annimmt, wie er ist. Dies muss als heilsame, rettende Erfahrung begrif- fen werden.
[...]
1 Im Folgenden SuS genannt.
2 Im Folgenden RU genannt.
3 Im Folgenden L. genannt.
4 Fowler, James W: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gutersloh 2000.
5 Textor, Martin R: Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung, 2005.
6 Oser, Fritz/Gmunder Paul: Der Mensch - Stufen seiner religiosen Entwicklung. Ein Ein strukturgeneti- scher Ansatz, Gutersloh 4. Aufl. 1996.
7 Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Moralentwicklung, (Hgg.): Wolfgang Althof, Frankfurt/M. 1996.
8 Zimmermann, Mirijam: Sunde in der Kindertheologie, Glaube und Lemen 20, (2005), 142 - 152.
9 Ebd. S. 143.
10 Genesis Kapitel 2-11.
11 Korrekt: Verkehrszentralregister.
12 Grab, Wilhelm: Sunde Praktisch Theologisch, in TRE 32, Berlin/New York 2001, S. 437.
13 Ebd., S. 437.
14 Frieling Ralph: Gedanken zur Woche, Audiodatei, 2015.
15 Vgl. Sunde, Schuld und Vergebung aus Sicht evangelischer Anthropologie Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, (Hgg.): Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Leipzig 2020, S. 6.
16 Schnelzer, Thomas, Sunde/Sunder, in: Eugen Biser [u.a] (Hgg.), Der Glaube der Christen 2. Ein oku- menisches Worterbuch, Munchen 1999, S. 457.
17 Hamdorf-Ruddies, Hildegard / Ruddies, Hartmut, Sunde, in: Erwin Fahlbusch [u.a.] (Hgg.): Evangeli- sches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopadie, Band 4, Gottingen 1996, S. 562.
18 Ebeling, Gerhard: Die coram-Relation als ontologischer Schlussel zur Anthropologie, S 346-355.
19 Vgl. ebd., 346-355.
20 Ott, Heinrich und Klaus Otte: Antwort des Glaubens, Freiburg 1987, S. 200.
21 Vgl. ebd., S. 259.
22 Tillich, Paul: Systematische Theologie, Band 3. Stuttgart 1966.
23 Vgl. ebd., S 259.
24 Vgl. Genesis 3.
25 Im Folgenden AT abgekurzt.
26 Vgl. Grund, Alexandra: Aites Testament. Sunde/Schuld, in: Hans Dieter Betz [u.a.] (Hgg.), Religion in Geschichte und Gegenwart. Handworterbuch fur Theologie und Religionswissenschaft, Band 7, Aufl., Tubingen 2004, S. 4.
27 Schneider-Flame, Gunda: Grundkurs Dogmatik, Gottingen 2004, S. 240.
28 Vgl. Schnelzer, Thomas: Sunde/Sunder, S. 458.
29 4. Aufl., Tubingen 2004, 1882.
30 Baum der Erkenntnis des Guten und des Bosen.
31 Genesis 3, Vers 5.
32 Genesis 3, Vers 12.
33 Genesis 3, Vers 13.
34 Vgl. Genesis 3,8: Lass uns aufs Feld gehen.
35 Vgl. Genesis 11, 1-8.