Im ersten Teil dieser Arbeit, werde ich der Frage nachgehen, ob der agitatorische Dokumentarfilm und der Videoaktivismus als radikalste Form davon, durch zunehmende Beteiligung der Betroffenen am Herstellungsprozess im Gegensatz zum sozialen Dokumentarfilm einen echten emanzipatorischen Mediengebrauch mit sich bringt. Die These, die ich dabei untersuche, ist, dass der Einsatz des Dokumentarfilms als Medium zur Veränderung der sozialen Wirklichkeit durch drei Aspekte vorangetrieben wird: 1) die Entwicklung einer vereinfachten, billigeren Technik. In diesem Sinne wäre die Videokamera die höchste Stufe der Demokratisierung der Film-Technik. 2) die Einbindung des Filmemachers in eine soziale Bewegung oder politische Gruppierung. 3) die durch die ersten beiden Voraussetzungen ermöglichte zunehmende Beteiligung der Betroffenen am Produktions- und Distributionsprozess. Für die Untersuchung von Videoaktivismus konzentriere ich mich auf zwei historische Momente: die Geburtstunde der politischen Videoarbeit in den Medienzentren und Videoinitiativen der siebziger Jahre und die aktuellen Formen von Videoaktivismus im einundzwanzigsten Jahrhundert, was die Entwicklung der politischen Videoarbeit durch die Digitalisierung veranschaulichen soll. Da die gegenwärtige Bandbreite des Videoaktivismus in diesem Rahmen nicht ausführlich behandelt werden kann, begrenze ich mich auf die Beschreibung der ausgeprägteren Tendenzen und Formen. Um die Aspekte hervorzuheben, die mir in Zusammenhang mit der historischen Entwicklung des agitatorischen Dokumentarfilms relevant erscheinen, bediene ich mich einiger Filmbeispiele aus der globalisierungskritischen Bewegung.
Im zweiten Teil der Arbeit werde ich am Beispiel der Zapatistas, der indigenen, autonomen Gemeinden aus Chiapas im Südosten Mexikos, untersuchen, welche unterschiedlichen Formen und Funktionen Videoaktivismus annimmt. Ziel ist es, am konkreten Fall der Videoarbeit innerhalb einer sozialen Bewegung der Frage nachzugehen, ob Dokumentarfilm ein Medium zur Veränderung der Wirklichkeit sein kann. Die Organisation und Struktur der Zapatista-Gemeinden und die Rolle, die die Videoarbeit als Beispiel der kollektiven Arbeit innerhalb der Zapatista-Bewegung einnimmt, werden im zweiten Teil ausführlich beschrieben. Diese Untersuchung basiert auf meinem sechswöchigen Aufenthalt in Chiapas, meiner Mitarbeit bei der Organisation Promedios und den Interviews, die ich mit den Videomachern aus den zapatistischen Gemeinden geführt habe.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung:
- I. Videoaktivismus und die Tradition des politischen Dokumentarfilms
- Das Verhältnis zwischen Dokumentarfilm und sozialen Bewegungen
- 2.1. Die Tradition des sozialen Dokumentarfilms
- 2.2. Dokumentarfilm als Agitationsmedium
- 2.2.1. Revolutionärer Film in den zwanziger Jahren: Dziga Vertov und das Kino-Glaz
- 2.2.2. Militanter Dokumentarfilm in den dreißiger Jahren: The Worker's Film and Photo League und Frontier Films
- 2.2.3. Die 16mm Technik und der dissidente Film in den sechziger Jahren
- 2.2.3.1. Frankreich: Provokation statt Beobachtung im cinéma vérité
- 2.2.3.2. Kanada: Der National Film Board. Training von Mohawk- Indianern
- 2.2.3.3. USA: Der dissidente Film zum Vietnam Krieg
- 2.2.3.4 Lateinamerika: Kino-Aktion, Kino-Guerrilla und „,drittes Kino“
- 2.3. Technische und ökonomische Aspekte
- Videoaktivismus
- 3.1. Die Entdeckung der Videotechnik für die politische Arbeit in den siebziger Jahren
- 3.2 Die,,Camcorder Revolution"
- 3.3. Das heutige Verständnis von Videoaktivismus
- 3.4. Typen von Videoaktivismus
- 3.4.1. Witness-Video: Die Kamera als Schutz vor Menschenrechtsverletzungen
- 3.4.2. Video als Mittel zur politischen Mobilisierung
- 3.4.3. Video als Aufklärungsmedium
- 3.5. Die Bildung einer Gegenöffentlichkeit
- II. Die Videoarbeit der Zapatistas
- 4. Mediennutzung als politische Strategie der Zapatista Bewegung
- 5. Die Videoarbeit innerhalb der Organisationsstrukturen der Zapatista-Gemeinden
- 5.1. Organisation und Strukturen
- 5.2. Vorführung und Vertrieb
- 5.3. Finanzierung des Projektes
- 6. Die Videoproduktion der Zapatistas
- 6.1. Die Kamera als Waffe
- 6.2. Video als Kommunikationsmedium: Die Vermittlung der eigenen Realität
- 6.3. Video als Mittel zur politischen Mobilisierung
- 6.4. Video als kollektives Gedächtnis
- 6.4.1. Geschichte der Zapatista Bewegung
- 6.4.2. Erhalt der Traditionen und der indigenen Identität
- III. Fazit
- IV. Literaturverzeichnis:
- V. Anhang
- Interview mit Moisés, Medienbeauftragter und Koordinator von Roberto Barrios
- Interview mit José, Medienbeauftragter und Koordinator von Los Altos
- Interview mit Moisés, Promotor und Koordinator von La Garrucha
- Interview mit Andrés, Promotor von San Miguel
- Interview mit Paco, Mitarbeiter von Promedios
- Interview mit Nico, Mitarbeiter von Promedios
- Interview mit Amaranta, Mitarbeiterin von Promedios
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht Videoaktivismus, also die Nutzung von Dokumentarfilm als Medium sozialer Bewegungen durch Video. Die Arbeit analysiert die Entwicklung des Videoaktivismus, insbesondere im Kontext der Zapatista-Bewegung in Chiapas, Mexiko. Sie beleuchtet die Rolle von Video als Werkzeug für politische Mobilisierung, die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit und die Bewahrung der indigenen Kultur.
- Die Entwicklung des Videoaktivismus als Form der politischen Arbeit
- Die Rolle von Video als Werkzeug für soziale Bewegungen
- Die Nutzung von Video durch die Zapatista-Bewegung in Chiapas
- Die Bedeutung von Video für die politische Mobilisierung und die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit
- Die Rolle von Video in der Bewahrung der indigenen Kultur und Identität
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext des Videoaktivismus vor und erläutert die Bedeutung des Dokumentarfilms als Medium sozialer Bewegungen. Sie untersucht die historische Entwicklung des Dokumentarfilms und seine Rolle in der politischen Arbeit, insbesondere in Bezug auf die drei wichtigen Momente der zwanziger, dreißiger und sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Einleitung unterscheidet zwischen sozialem und agitatorischem Dokumentarfilm und analysiert die Entwicklung des Genres im Kontext von progressiven Bewegungen und linken politischen Gruppen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Dokumentarfilm und sozialen Bewegungen. Es analysiert die Tradition des sozialen Dokumentarfilms und die Rolle des Dokumentarfilms als Agitationsmedium. Das Kapitel untersucht verschiedene historische Beispiele für den Einsatz von Dokumentarfilm in politischen Bewegungen, darunter die revolutionären Filme der zwanziger Jahre, der militante Dokumentarfilm der dreißiger Jahre und der dissidente Film der sechziger Jahre. Es beleuchtet die technischen und ökonomischen Aspekte des Dokumentarfilms und die Bedeutung der 16mm Technik für die Entwicklung des Genres.
Das dritte Kapitel widmet sich dem Videoaktivismus. Es untersucht die Entdeckung der Videotechnik für die politische Arbeit in den siebziger Jahren und die „Camcorder Revolution“ der neunziger Jahre. Das Kapitel analysiert das heutige Verständnis von Videoaktivismus und die verschiedenen Typen von Videoaktivismus, darunter Witness-Video, Video als Mittel zur politischen Mobilisierung und Video als Aufklärungsmedium. Es beleuchtet die Bedeutung von Video für die Bildung einer Gegenöffentlichkeit.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Videoarbeit der Zapatistas. Es analysiert die Mediennutzung als politische Strategie der Zapatista-Bewegung und die Rolle von Video innerhalb der Organisationsstrukturen der Zapatista-Gemeinden. Das Kapitel untersucht die Organisation und Strukturen der Videoarbeit, die Vorführung und den Vertrieb von Videos sowie die Finanzierung des Projektes.
Das fünfte Kapitel analysiert die Videoproduktion der Zapatistas. Es untersucht die Kamera als Waffe, Video als Kommunikationsmedium und Video als Mittel zur politischen Mobilisierung. Das Kapitel beleuchtet die Bedeutung von Video als kollektives Gedächtnis und die Rolle von Video in der Bewahrung der Geschichte der Zapatista-Bewegung und der indigenen Identität.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Videoaktivismus, Dokumentarfilm, soziale Bewegungen, politische Mobilisierung, Gegenöffentlichkeit, Zapatista-Bewegung, Chiapas, Mexiko, indigene Kultur, Identität, Mediennutzung, Videoproduktion, Kamera als Waffe, Video als Kommunikationsmedium, Video als kollektives Gedächtnis.
- Arbeit zitieren
- MA Karin de Miguel Wessendorf (Autor:in), 2006, Videoaktivismus am Beispiel der Videoproduktion der Zapatista- Gemeinschaften in Chiapas (Mexiko), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115517