Die Bedeutung der französischen Sprache in Marokko seit 1956


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Etablierung der französischen Sprache in Marokko

3. Politik Marokkos nach 1956
3.1 Die Sprachpolitik
3.2 Außenpolitische Beziehungen

4. Wirtschaft

5. Medien
5.1 Presse
5.2 Radio
5. 3 Fernsehen

6. Literatur

7. Aktuelle sprachliche Situation in Marokko

8. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Marokko liegt am äußersten Nord-Osten des Afrikanischen Kontinents. Es grenzt im Osten an Algerien, im Süden an Mauretanien, im Norden an das Mittelmeer und im Westen an den Atlantik. Die Oberfläche des Landes beträgt 710 850 km2, wobei die Wüste Sahara über die Hälfte der Oberfläche des Landes bedeckt. 1996 wurde die Zahl der Einwohner auf ca. 26 Millionen geschätzt. Davon sind ca. 50 000 Ausländer. Das jährliche Bevölkerungswachstum beträgt ca. 2%. Die Bevölkerungsdichte liegt schätzungsweise bei 38 Einwohnern pro Quadratkilometer. Dabei ist die Bevölkerung sehr ungleichmäßig verteilt. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten im Nord-Westen und im Zentrum des Landes. Die Lebenserwartung ist relativ gering und liegt bei 60 Jahren. Die Analphabetenquote liegt bei 52%.

Marokko zählt neben Tunesien und Algerien zu den Ländern des Maghreb und ist Mitglied in der Arabischen Liga. Die Regierungsform des Landes ist eine konstitutionelle Monarchie. Der derzeitige König ist Mohammed VI. Die offizielle Sprache des Landes ist seit 1956 das Hocharabische. Die Staatsreligion ist der Islam.[1]

Von 1912 bis 1956 war Marokko französische Kolonie und die offizielle Sprache Marokkos war Französisch. Die Sprache wurde den Marokkanern auferlegt in war in allem Bereichen des öffentlichen Lebens, mit Ausnahme der Religion, präsent. Marokko ist seit 1981 Mitglied der Frankophonie.[2]

In dieser Hausarbeit möchte ich mit der Präsenz und Funktion des Französischen in Marokko nach 1956 beschäftigen. Das Französische und Arabische sind nicht nur in der grammatischen Struktur und Lexik grundverschieden, sondern die durch sie vermittelten Weltbilder sind ebenfalls völlig unterschiedlich. Deshalb werde ich mich mit der Bedeutung dieser „westlichen“ Sprache in einem islamischen Land und die damit verbundenen Konflikte auseinandersetzen. Hierzu werde ich zunächst die Einführung der französischen Sprache durch die Protektoratsmacht und die anschließende Umgang mit der Sprache anhand der Sprachpolitik, vor allem im Erziehungswesen, des unabhängigen Marokkos darstellen. Die Sprachpolitik eines Landes hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verwendung von Sprachen, da sie unter anderem die in den Schulen zu lernendenden Fremdsprachen in Umfang und Intensität festlegt.

Im Anschluss daran werde ich den Einfluss und die Funktion der französischen Sprache in den Bereichen der Wirtschaft, den Medien und der Literatur im heutigen Marokko vorstellen.

2. Etablierung der französischen Sprache in Marokko

Die Sprache der Ureinwohner sind die Berbersprachen, die bis zur Arabisierung und Islamisierung des Landes im 9. Jahrhundert, die einzige Sprache in Marokko waren. Die Islamisierung führte zu einer Teilung des Landes in arabophone und berberophone Gebiete, wobei die arabophonen den Städten und dem fruchtbaren Land, die berberophonen dem Gebirge zugeordnet werden konnten.[3]

Marokko konnte sich lange gegen die Besetzung des Landes durch eine europäische Kolonialmacht wehren. Mit der Besetzung Algeriens 1830 und Tunesiens rückte die Bedrohung immer näher. Schließlich konnte auch Marokko aufgrund von inneren Unruhen und zunehmender Staatsverschuldung bei den Europäern nicht mehr Stand halten.[4]

Am 30. März 1912 unterzeichnete der amtierende Sultan in Fès den Protektoratsvertrag mit Frankreich, den „Vertrag von Fès“, und Marokko verlor dadurch offiziell seine Unabhängigkeit, was zu Protesten und Aufständen der marokkanischen Bevölkerung führte. Damit war Frankreich bis zum 02. März 1956 Protektoratsmacht in Marokko. Der französisch-spanische Vertrag vom 27. November 1912 teilte Marokko in zwei Protektoratszonen. Spanien erhielt kleine Gebiete im Norden (um die Städte Ceuta, Tetouan und Melilla) und im Süden Marokkos (Tekna).[5]

Die Politik Frankreichs in Marokko war eine Politik der Kontrolle, d.h. Frankreich zerstörte nicht die vorhandenen Strukturen Marokkos, sondern ließ die Institutionen und Autoritäten unter französischer Kontrolle auch weiterhin bestehen. Der Sultan blieb zwar das offizielle Oberhaupt des Landes, hatte aber nur noch eine repräsentative Funktion. Frankreich übernahm seine eigentlichen Funktionen. Der französische Generalpräsident „commissaire résident général de la République Française au Maroc“ war von 1912- 1925 Lyautey. Seine Politik basierte auf dem Konzept der Traditionalisierung. Die sozialen und traditionellen Hierarchien sollten erhalten bleiben. Die Rituale und islamischen Verbote sollten durch die Gesetzgebung auch weiterhin geschützt werden und damit sollte für die Bevölkerung eine Illusion von Kontinuität entstehen, die das Ziel hatte die Bevölkerung zu beruhigen. Französisch wurde die offizielle Sprache in allen Verwaltungsstrukturen und politischen Instanzen Marokkos und breitete sich schnell auf den gesamten modernen Sektor der Industrie, des Handels und der Finanzen aus, die die Franzosen, aufgrund ihres technologischen Fortschritts im Vergleich zu Marokko, modernisierten.[6] Die französischen Siedler „Colons“ konnten Land zu Minimalpreisen kaufen und vereinnahmten entscheidende Positionen in Verwaltung, Wirtschaft, Bankwesen, Handel und Politik. Eine Partizipation der Marokkaner in diesen Bereichen erforderte somit Französischkenntnisse.

Die Einrichtung von Schulen diente zunächst in erster Linie der qualifizierten Schulbildung der europäischen Siedler. So wurden französische Vorschulen „écoles maternelles“, Grundschulen „écoles primaires“ und Sekundarschulen „collèges“ und „lycées“ eingerichtet. Der Unterricht war von ähnlicher Qualität wie in Frankreich und auch die Inhalte blieben gleich. Die Realität der in Marokko lebenden Kinder, die sich maßgeblich von der, der in Frankreich lebenden Kinder unterschied, fand im Unterricht kaum Berücksichtigung. Marokkanische Geschichte, Geographie, Zivilisation waren nicht im Lehrplan enthalten. Arabisch konnte erst im Sekundarbereich neben Englisch als Fremdsprache gewählt werden. Die französische Primarstufe „écoles primares“ wurden auch von anderen europäischen Nationen, vor allem Spaniern, von der jüdischen Bevölkerung Marokkos und später auch von muslimischen Marokkanern, deren Eltern Teil der Elite Marokkos waren, besucht. Eine französische Universität wurde nicht in Marokko eingerichtet.

Das traditionelle Schulsystem in Marokko, das auch während der Kolonialzeit existierte, bestand aus drei aufeinander aufbauenden Schulformen: Koranschulen, Mederas/ Zaouias und der Universität Quaraouiyine.[7] Die Koranschulen wurden von Kindern im Alter von 6 – 13 Jahren besucht. Sie waren für Jungen verpflichtend. In ihnen fand der elementare Religionsunterricht statt. Die Schüler lernten den Koran zu rezitieren und anhand dessen das klassische Arabisch lesen und schreiben. Die Schüler waren nicht in Schulklassen eingeteilt, sondern lernten alle zur gleichen Zeit im selben Raum. Der Besuch der Koranschulen waren für Kinder aus bedürftigen Familien kostenlos. Die Bezahlung des Lehrers erfolgte durch die Eltern zumeist in Naturalien. Die Koranschulen waren keine bestimmten Gebäude. Es handelte sich meist um von der Gemeinde genutzte Räume oder Moscheen. Nach Beendigung der Koranschule, die nicht an ein bestimmtes Alter gebunden war, konnten die Schüler die „Mederas“ besuchen. Dort wurden islamische Wissenschaften und religiöses Recht gelehrt. Auf dem Land hatten die „Mederas“ die Bezeichnung „Zaouias“. Hier wurde zusätzlich noch der Heiligenkult gelehrt. Nach dem Abschluss der „Mederas“ bzw. „Zaouias“ bestand die Möglichkeit die Universität „Qaraouiyine“ in Fès zu besuchen, die zwischen dem 9. und 14. Jahrhundert die renommierteste Universität im gesamten arabisch-islamischen Raum war, danach jedoch in ihrer Entwicklung stehen geblieben ist. An der „Qaraouiyine“ konnten religiöse Wissenschaften und Recht studiert werden, was den Zugang zu traditionellen Berufen öffnete. Zu Beginn des Protektorats studierten dort ca. 500-600 Studenten. Die meisten Kinder brachen allerdings nach Beendigung der Koranschulen, ihre Schullaufbahn ab.[8]

Die französische Regierung entschloss sich in Marokko separate Schulen für die marokkanische Bevölkerung zu gründen, um sie für die Ziele der Regierung auszubilden. Sie rechtfertigte die Gründung der Schulen damit, dass das traditionelle Bildungswesen als minderwertig ansahen, da die Religion im Mittelpunkt stand und Naturwissenschaften keine Rolle spielten.[9] Das Ziel der Schulen war eine Beibehaltung der sozialen und kulturellen Unterschiede in der Bevölkerung. In den zwanziger Jahren wurden die „Ecoles des Fils et des Filles des Notables“, Grundschulen für die marokkanische Elite, die bis 1926 gebührenpflichtig waren, gegründet. Diese Schulen konnten nur von Kindern wohlhabender Familien besucht werden. Ein weiteres Kriterium war die Loyalität zur Protektoratsherrschaft. Im Anschluss konnten die Schüler dann die Sekundarschulen „collèges franco-musulman“, die seit 1914 in Marokko existierten, besuchen. An den Schulen wurde sowohl Französisch als auch Arabisch unterrichtet, allerdings überwog der Unterricht auf französisch deutlich. Die französische Sprache wurde dabei nicht in wie eine Fremdsprache unterrichtet, sondern wie eine zweite Muttersprache. Das Ziel dieser Schulen war eine Ausbildung einer treuen Elite, die der französischen Regierung in Marokko Halt geben sollte. Nach dem Abschluss des collège, nach sechs Schuljahren, eröffnete dies den Zugang zu einer Verwaltungslaufbahn in der öffentlichen oder privaten Verwaltung.[10]

Darüber hinaus wurden allgemeine Schulen gegründet, die allen Marokkanern zugänglich waren. Die Unterrichtsinhalte wurden den Lebensverhältnissen angepasst. Die Schulen sollten in den Städten dazu beitragen, die Schüler zu einfachen Arbeitern, kleinen Händlern und Angestellten auszubilden. Auf dem Land standen vor allem Landwirtschaft sowie elementare Rechenkenntnisse auf dem Lehrplan. Das Französische diente als Unterrichtssprache und wurde überwiegend mündlich vermittelt. Dies sollte die Schüler zur Kommunikation mit den „Colons“ befähigen und zur Verbreitung der Sprache beitragen. Des weiteren gab es in der Stadt die „écoles populaires“, eine Art von Berufsschule, die an die allgemeine Schule anschloss und die die Schüler zu qualifizierten Handarbeitern ausbilden sollte.

In den zwanziger Jahren wurden ebenfalls separate Schulen für die berberophone Bevölkerung gegründet. Die Schulen entstanden in ländlichen berberophonen Gebieten. Das Ziel dieser Schule war die dauerhafte Trennung der Berber von den Arabern. An diesen Schulen fand im Gegensatz zu den anderen Schulen kein Religionsunterricht statt. Die französische Regierung gründete auch „collèges“ für die Berber, die jedoch ohne Erfolg blieben. Die berberophone Elite schickte ihre Kinder auf die „collèges franco-musulman“. Außerdem wurden zusätzlich Mädchenschulen eröffnet, in denen vor allem Hauswirtschaft und Handarbeit unterrichtet wurden. Der Unterricht fand ausschließlich auf arabisch statt, da die französische Regierung fürchtete sonst die Familien, für die die Bildung von Mädchen ein brisantes Thema war, zu verärgern. Ab 1927 konnten Mädchen auch die öffentlichen Schulen besuchen, wenn deren Eltern ausdrücklich darauf bestanden.[11]

1921 schlossen sich einflussreiche Personen der Elite zusammen, um die Koranschulen zu reformieren. Es entstanden außerdem die sog. „freien Schulen“, die auf große Zustimmung bei der Bevölkerung trafen und zum Zentrum für Nationalisten wurden. In den freien Schulen sowie in den Koranschulen war arabisch die einzige Unterrichtssprache. Sie übernahmen das Modell der europäischen Staatsschule mit ihren Disziplinen und Methoden. Unterrichtsinhalte waren jedoch die eigene Kultur und Landesgeschichte. Außerdem blieb die Religion auch weiterhin ein zentraler Unterrichtsinhalt. 1935 wurde die Eröffnung von weiteren freien Schulen von der französischen Regierung verboten und einige Schulen wurden geschlossen.[12]

Insgesamt trugen die französischen Schulen weniger zur Verbreitung der französischen Sprache bei als erwartet, da nur ein geringer Teil der Kinder die Schule besuchte. Dennoch prägte das durch Frankreich etablierte Schulsystem in Marokko das marokkanische Schulsystem nach 1956 entscheidend.

Das 1930 erlassene Berbergesetz „Dahir berbère“, das die Berber französischer Rechtsprechung unterstellte und das Ziel hatte Berber und Araber noch deutlicher zu trennen, löste den Widerstand der marokkanischen Bevölkerung gegen die Protektoratsherrschaft aus. Es führte zu Protesten von Arabern und Berbern in allen Städten und erreichte sogar die spanische Besatzungszone.[13] 1934 wurde dann die erste politische Partei „Comité d’Action Marocain“ gegründet. Sie forderten eine Reformierung des Protektoratssystems. 1937 wurde dann die „Parti National“ gegründet aus der dann die „Istiqlal-Partei“ 1943 hervorging. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Aktionen vorübergehend unterbrochen. Die „Istiqlal-Partei“ forderte nun die Unabhängigkeit Marokkos und die Anerkennung des Sultans als Staatsoberhaupt. Die Partei wurde vom Sultan unterstützt und es kam zur Krise zwischen dem Palast und der Protektoratsmacht. 1953 wurden Sultan Mohammed V und sein Sohn ins Exil nach Madagaskar geschickt. Nach 27 Monaten kehrte Mohammed 1955 aus dem Exil zurück.

[...]


[1] Fouzia Benzakour et al. (2000; S.13-14)

[2] Jürgen Erfurt (2005; S. 128)

[3] Vgl.: Fouzia Benzakour (2000; S.22)

[4] Vgl.: ebd. S.30

[5] Vgl.:Klaus Müller-Hohenstein/Herbert Popp (1990; S.52-53)

[6] Vgl.: Ulrich Mehlem (1989; S.37-40)

[7] Vgl.: Fouzia Benzakour et al. (2000; S. 39)

[8] Vgl.: ebd.: S. 43

[9] Vgl.: Martina Butzke-Rudzynski (1992; 70-72)

[10] Vgl.:Fouzia Benzakour et al. (2000; S.44-46)

[11] Vgl.: Fouzia Benzakour et al. (2000; S. 46-49)

[12] Vgl.: Martina Butzke-Rudzynski (1992; S.80); Ulrich Mehlem (1989; S.48)

[13] Vgl.: Ulrich Mehlem (1989; S.39-43)

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung der französischen Sprache in Marokko seit 1956
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Seminar für Romanische Philologie)
Veranstaltung
Frankreich und die westeuropäische Geschichte
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V115532
ISBN (eBook)
9783640170258
ISBN (Buch)
9783640179404
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Sprache, Marokko, Frankreich, Geschichte
Arbeit zitieren
Yvonne Konopka (Autor:in), 2006, Die Bedeutung der französischen Sprache in Marokko seit 1956, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115532

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