Emotionale Intelligenz im Beruf

Eine Vergleichsstudie der Trait-EI zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ohne Personalverantwortung


Masterarbeit, 2019

97 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ausgangslage
1.2. Forschungsfragen und Zielsetzung der Arbeit
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Emotionale Intelligenz
2.1.1. Wortherkunft und historische Entwicklung
2.1.2. Modelle zur Beschreibung von Emotionaler Intelligenz
2.1.2.1. Fahigkeits-EI
2.1.2.2. Trait-EI und gemischte EI-Modelle
2.2. Die Big Five der Personlichkeitspsychologie
2.2.1. historische Entwicklung und Bedeutung der Faktoren
2.2.2. Messinstrumente zur Erfassung der Personlichkeit
2.3. Fuhrung - Definition, theoretische Zugange und Anforderungen
2.3.1. Emotionale Intelligenz als Erfolgsfaktor von Fuhrungskraften
2.3.2. Personlichkeit und Fuhrung
2.4. Der Zusammenhang zwischen Trait-EI und Personlichkeit
2.5. EI und Personlichkeit in Abhangigkeit von Alter und Geschlecht
2.6. Ableitung zu untersuchender Hypothesen

3. Methode
3.1. Vorgehen zur Datenerhebung
3.2. Ableitung und Beschreibung der Messinstrumente
3.2.1. Emotional Intelligence Inventar („EI4“) von Dr. Satow
3.2.2. Big Five Inventory - 10 („BFI-10“) von Rammstedt und John
3.3. Beschreibung des Fragebogens
3.4. Statistische Methoden

4. Ergebnisse
4.1. Deskriptive Statistik zu den erhobenen Variablen
4.2. Hypothesenprufung
4.3. Prufung des Zusammenhangs von Trait-EI und Personlichkeit

5. Diskussion
5.1. Interpretation der Ergebnisse und Beantwortung der Leitfragen
5.2. Qualitat des eigenen Vorgehens und Limitationen der Studie
5.3. Praktische Relevanz und Schlussfolgerungen
5.4. Zusammenfassung und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

Elektronischer Anhang

Anmerkung der Redaktion: Der elektronische Anhang ist nicht Teil dieser Publikation.

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Fuhrungstheorien im Zeitverlauf

Abbildung 2: Grundidee der Eigenschaftsansatze

Abbildung 3: Grundidee der Verhaltensansatze

Abbildung 4: Gridansatz nach Blake & Mouton

Abbildung 5: Grundidee der Kontingenztheorien

Abbildung 6: Reifegradmodell nach Hersey & Blanchard

Abbildung 7: Branchenverteilung der Stichprobe

Abbildung 8: Skalenergebnisse des EI4 und BFI-10 - Prufung auf Normalverteilung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ubersicht Messinstrumente zu Emotionaler Intelligenz

Tabelle 2: Die vier Skalen des MSCEIT

Tabelle 3: im TEIQue genutzte Facetten von Trait-EI

Tabelle 4: Dimensionen und korrespondierende Facetten des TEIQue

Tabelle 5: Dimensionen und Facetten des EQ-i

Tabelle 6: Subskalen der Big Five auf Basis des NEO-PI-R

Tabelle 7: Studienergebnisse zum Zusammenhang von Trait-EI und Personlichkeit

Tabelle 8: Zusammenhang der Big Five mit Facetten von Trait-EI

Tabelle 9: Unterscheidungsmerkmale Management vs. Fuhrung

Tabelle 10: Metaanalyse zum Zusammenhang von Personlichkeit und Fuhrung

Tabelle 11: Vergleich der Dimensionen von EI uber verschiedene Messinstrument

Tabelle 12: Indikatoren der Dimensionen des EI4

Tabelle 13: Punktverteilung zur Auswertung des EI4

Tabelle 14: Dimensionen und Indikatoren des BFI-10

Tabelle 15: Demographie der Stichprobe

Tabelle 16: Deskriptive Statistik der untersuchten Konstrukte

Tabelle 17: t-Test zum Zusammenhang Trait-EI und Fuhrungsverantwortung

Tabelle 18: Ergebnisse zum Zusammenhang Trait-EI & Fuhrungserfahrung

Tabelle 19: Varianzanalyse - Zusammenhang Trait-EI und Fuhrungserfahrung

Tabelle 20: Personlichkeit der Vergleichsgruppen auf den Skalen des BFI-10

Tabelle 21: t-Test - Personlichkeitsdimensionen der Vergleichsgruppen

Tabelle 22: Ergebnisse Big Five und Trait-EI im geschlechtsspezifischen Vergleich

Tabelle 23: t-Test geschlechtsspezifische Unterschiede in den Big 5 und der EI

Tabelle 24: Ergebnisse branchenspezifische Auspragungen der Trait-EI

Tabelle 25: Varianzanalyse auf Skalen des EI4 zwischen den Branchen

Tabelle 26: paarweiser Mehrfachvergleich der Branchen auf Skala der Empathie

Tabelle 27: Ergebnisse des EI4 nach Geschlecht und Fuhrungsverantwortung

Tabelle 28: Zwischensubjekteffekte der Variablen Geschlecht & FK ja/nein am EI4

Tabelle 29: Korrelationsmatrix der Skalen des BFI-10 und des EI4

Tabelle 30: erweiterte Studienergebnisse - Zshg. Trait-EI und Personlichkeit

1. Einleitung

1.1. Ausgangslage

Wir leben in einer Gesellschaft, die sich durch ein starkes Fortschritts- und Leistungsstreben immer groBeren Herausforderungen zu stellen hat. Die damit einhergehende Schnelllebigkeit zwingt Unternehmen dazu, den stetigen Veranderungen des Marktes durch permanente Produktivitatssteigerungen sowie innovativem Handeln gerecht zu werden. Hierdurch stehen nicht nur Fuhrungskrafte unter Druck, sondern auch die von ihnen verantworteten Mitarbeiter. Durch reine Fachexpertise kann den hohen Anforderungen zumeist nicht mehr entsprochen werden.1 Innerhalb unserer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft wird neben der Fahigkeit zu analytischem Denkvermogen auch vermehrt die interdisziplinare Zusammenarbeit in Teams gefordert. Daruber hinaus mussen die in den Unternehmen handelnden Personen gezielt motiviert werden, um am Markt erfolgreich zu sein. Die Verantwortung hierfur liegt bei den Fuhrungskraften. Auch renommierte Fuhrungsexperten wie Reinhard K. Sprenger sehen die wichtigsten Aufgaben einer Fuhrungskraft langst nicht mehr in der fachlichen Kontrolle der Mitarbeiter, sondern vielmehr darin, die Fahigkeit des Teams zur kreativen Zusammenarbeit zu starken.2

So stellt sich die Frage, wie Unternehmen eine solche Fahigkeit in ihren prasenten und potentiellen Fuhrungskraften ausfindig machen oder gar messen.

Um den beschriebenen neuen Anforderungen Rechnung zu tragen, werden die klassischen Auswahlkriterien fur Fuhrungspositionen, wie Allgemeine Intelligenz oder auch Fach- und Branchenerfahrung, in vielen Unternehmen bereits heute unter anderem durch Personlichkeitstests flankiert.3

Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist zudem der Begriff der Emotionalen Intelligenz (EI) immer starker in den Fokus der Fuhrungsforschung geruckt. Insbesondere Daniel Goleman hat hier mit seinem 1995 erstmals veroffentlichten Bestseller „EQ - Emotionale Intelligenz“ zu einem deutlichen Aufschwung des Interesses an den Moglichkeiten eines kompetenten Umgangs mit Emotionen gefuhrt. Golemans Buch ist inzwischen zum Klassiker der Managementliteratur gereift und liegt mit mehreren Millionen verkauften Exemplaren bereits in der 28. Auflage vor. Vom Time Magazine wurde das Buch im Jahr 2011 gar als eines der 25 einflussreichsten Managementbucher angepriesen.

Ausgangslage dieser Entwicklung ist die mittlerweile weit verbreitete Annahme, dass Emotionen die Grundlage motivierten Handelns sind und auch innerhalb sozialer Interaktionen eine bedeutende SteuerungsgroBe darstellen.4 Hieraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der kompetente Umgang mit Emotionen, sowohl der eigenen als auch der Emotionen Anderer, eine wesentliche Anforderung fur Fuhrungskrafte sein sollte. In Bezug auf das Konstrukt der Emotionalen Intelligenz wird davon ausgegangen, dass Fuhrungskrafte mit einer hohen Auspragung besser in der Lage sind, ihrem Team zu einer positiven Einstellung, besserem Zusammenhalt und nicht zuletzt auch starkerem Engagement zu verhelfen.5 In diesem Zusammenhang wird gern auch von kontextuellen Faktoren gesprochen, welche Mitarbeiter zu effizienterer Arbeitsleistung fuhren und sogar eine Art emotionale Verpflichtung gegenuber der Organisation bewirken konnen, durch welche auch die „Extra-Meile“ in Kauf genommen wird.6 Goleman fuhrte in diesem Zusammenhang ein Vielzahl an Untersuchungen durch, welche demonstrierten, dass Fuhrungskrafte mit hoher Emotionaler Intelligenz die Produktivitat ihres Teams um bis zu 20% steigern konnten. Hieraus ergibt sich seine These, dass emotionale Intelligenz das entscheidende Unterscheidungsmerkmal in der Differenzierung von Fuhrungskraften sein musse, da sich Menschen auf dieser Ebene kaum noch in ihren kognitiven Fahigkeiten unterscheiden wurden.7

Goleman wird in dieser These von zahlreichen weiteren Studien gestutzt. So erwiesen sich in einer von Nikic et al. (2017) veroffentlichten Studie uber die notwendigen Charaktereigenschaften fur erfolgreiche Arbeit in Organisationen zahlreiche Indikatoren fur Emotionale Intelligenz als ausschlaggebend.8 Hierunter fallen unter anderem die Charakteristika guter Kommunikationsfahigkeit, Anpassungsfahigkeit, emotionale Selbstkontrolle und Selbstmotivation. Selbstverstandlich stellten sich hierbei auch die erwahnten klassischen Kriterien der intellektuellen Fahigkeiten und fachlichen Expertise als relevant heraus. Nichtsdestotrotz zeigen Studien wie diese die steigende Relevanz des in dieser Arbeit naher zu untersuchenden Konstrukts der Emotionalen Intelligenz.

Es sei bereits an dieser Stelle erwahnt, dass sich im Rahmen der konzeptionellen Entwicklung von Emotionaler Intelligenz im Laufe der Zeit zwei grundlegend zu differenzierende Ansatze durchgesetzt haben, welche heute unter den Begriffen „Trait“- und „Fahigkeits“-EI (haufig auch „ability“-EI) voneinander abgegrenzt werden.

Bei der Trait-EI handelt es sich um eine Selbsteinschatzung der Befragten auf verschiedenen Skalen, wahrend die Fahigkeits-EI durch eine Methodik erhoben wird, die allgemeinen Intelligenztests ahnlich ist. Es verwundert insofern wenig, dass Trait-EI einen signifikanten Zusammenhang zu Personlichkeitseigenschaften aufweist, wahrend die Fahigkeits-EI eher als Pradiktor fur allgemeine Intelligenz herangezogen werden kann.9 In der vorliegenden Arbeit steht vor allem die Trait-EI im Fokus, da auch Zusammenhange mit Personlichkeitseigenschaften untersucht werden sollen.

1.2. Forschungsfragen und Zielsetzung der Arbeit

Das wesentliche Ziel dieser empirischen Arbeit ist es, einen wissenschaftlichen Beitrag zu der Frage zu leisten inwiefern Fuhrungskrafte uber eine hohere Trait-EI verfugen als Mitarbeiter ohne Personalverantwortung. Insofern bestimmte Personlichkeitseigenschaften tatsachlich einen Einfluss auf den potentiellen Fuhrungserfolg haben, sollte diesem Umstand bereits in der Rekrutierung des Fuhrungspersonals Rechnung getragen werden. Die Korrelationen bestimmter Personlichkeitseigenschaften mit der Trait-EI wurden bereits vielfach untersucht. Hierbei zeigten sich positive Korrelationen mit den Big Five- Personlichkeitseigenschaften Gewissenhaftigkeit, Vertraglichkeit, Offenheit, Extraversion sowie eine negative Korrelation zur Dimension des Neurotizismus.10

In der vorliegenden Untersuchung geht es auBerdem darum, diese Feststellung naher zu untersuchen und herauszufinden, ob die Zusammenhange mit den im Rahmen dieser Arbeit eingesetzten Messinstrumenten abgebildet werden konnen. Dabei soll die Frage beantwortet werden, ob die Messung von Trait-EI eine hohere Aussagekraft hat als bereits ein kurzer Personlichkeitstest liefern konnte. Der Fokus der Analyse liegt auch hier vor allem darauf, inwiefern sich Unterschiede zwischen den Befragungsgruppen der Fuhrungskrafte und Mitarbeitern ohne Personalverantwortung aufdecken lassen.

Die zu beantwortenden Forschungsfragen dieser Arbeit lauten zusammengefasst wie folgt:

1. Erzielen Fuhrungskrafte hohere Trait-EI-Werte als Mitarbeiter ohne Personalverantwortung?
2. Unterscheiden sich die erhobenen Big Five - Personlichkeitseigenschaften von Fuhrungskraften und Mitarbeitern ohne Personalverantwortung?
3. In welchen Dimensionen der Emotionalen Intelligenz und der Personlichkeit ergeben sich Unterschiede aufgrund des Geschlechts?
4. Inwiefern beeinflusst die Variable des Geschlechts den Zusammenhang zwischen Fuhrung und Emotionaler Intelligenz?
5. Lassen sich die in anderen Untersuchungen gefundenen Zusammenhange zwischen Trait-EI und den Big 5 - Personlichkeitseigenschaften durch die in dieser Arbeit genutzten Messinstrumente bestatigen?

1.3. Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit umfasst einen theoretischen sowie einen empirischen Teil und untergliedert sich in insgesamt sechs Kapitel.

Um die fur das Verstandnis dieser Arbeit notwendigen theoretischen Grundlagen zu legen, werden in Kapitel 2 zunachst etablierte Konstrukte der Emotionalen Intelligenz und der Personlichkeit erortert. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die mit den jeweiligen Modellen einhergehenden Dimensionen und Facetten gelegt. Daruber hinaus wird der Begriff der Fuhrung definiert und ein historischer Abriss uber die Entwicklungen der Fuhrungsforschung aufgezeigt. Dabei wird der Bezug zu den Modellen der Emotionalen Intelligenz und der Personlichkeit hergestellt sowie dargelegt, inwiefern diese einen Einfluss auf die zwischenmenschlichen Aspekte von Fuhrung haben. Zuletzt erfolgt im zweiten Kapitel eine kurze Analyse zu den bis dato empirisch gefundenen Zusammenhangen zwischen Emotionaler Intelligenz und Personlichkeit, welche im empirischen Teil der Arbeit wieder aufgegriffen werden.

Kapitel 3 dient der Beschreibung der angewandten Methode zur Erforschung der Leitfragen. Hierbei wird sowohl die Wahl des der Studie zugrundeliegenden theoretischen Konstrukts erlautert als auch dessen Operationalisierung fur das gewahlte Forschungsdesign. Zusatzlich wird auf die einzelnen Schritte und Methoden zur Vorbereitung, Durchfuhrung und Auswertung der Studie eingegangen.

In Kapitel 4 werden mit Hilfe von deskriptiven- und inferenzstatistischen Methoden die Ergebnisse der Studie vorgestellt. Hieraus sollen die vorgestellten Leitfragen und damit einhergehenden Hypothesen beantwortet werden.

Kapitel 5 dient zuletzt der Ergebnisinterpretation sowie der Verknupfung mit dem im Theorieteil geschafften Vorwissen. Zum Abschluss der Arbeit wird das eigene Vorgehen bewertet und die praktische Relevanz der gefundenen Ergebnisse diskutiert.

2. Theoretische Grundlagen

2.1. Emotionale Intelligenz

2.1.1. Wortherkunft und historische Entwicklung

„All learning has an emotional base.“ (Platon)

Bereits der griechische Philosoph Platon nahm an, dass Emotionen die Grundlage einer Vielzahl von kognitiven Prozessen sind, unter anderem auch des Lernens.11 Eine erste Erwahnung des Konstrukts der Emotionalen Intelligenz lieB in der wissenschaftlichen Forschung dennoch lange auf sich warten. Edward Thorndike gilt als der erste Psychologe, der das Konzept einer Emotionalen Intelligenz in den 20'er Jahren identifiziert und naher beschrieben hat, zunachst jedoch als „soziale Intelligenz“ tituliert. So sprach er von sozialer Intelligenz als die Fahigkeit, Manner und Frauen zu verstehen und in zwischenmenschlichen Beziehungen weise zu handeln.12

Der Begriff der Emotionalen Intelligenz tauchte sodann erst wieder in den spaten 1980'er Jahren auf, als die amerikanischen Psychologen Peter Salovey und John Mayer nach einem Konzept suchten, welches menschliche Fahigkeiten wie Empathie und emotionale Kontrolle zusammenfassen wurde. Durch einen im Jahr 1990 veroffentlichten Artikel in der Fachzeitschrift „Imagination, Cognition and Personality“ waren sie in der Folge die ersten Wissenschaftler, die eine zu Ende gedachte Theorie von Emotionaler Intelligenz in der akademischen Literatur vorgeschlagen haben.13 14 15 In ihrer aktuellsten Fassung differenzieren Salovey und Mayer zwischen folgenden vier Fahigkeitsbereichen:

- Emotionen wahrnehmen und zum Ausdruck bringen zu konnen
- Emotionen verstehen und analysieren zu konnen
- Forderung des Denkens durch Emotionen
- Regulation von Emotionen bei sich und anderen

Seit der im Jahre 1995 folgenden Publikation des Bestsellerbuches „Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman, wurde das Interesse an dem Thema stetig grower.

„However, following on from Mayer and Salovey's early work, the book that put EI on everyone's lips and ignited worldwide interest was Daniel Goleman's Emotional Intelligence. This book has been translated into myriad languages and has become the best-selling popular book on psychology ever published.“16

Dies hangt vor allem damit zusammen, dass durch eine Vielzahl an Studien die positiven Begleiterscheinungen von Emotionaler Intelligenz publik wurden.17 So stellten beispielsweise Kernback und Schutte (2005) fest, dass Service- und Vertriebsmitarbeiter mit hoher Emotionaler Intelligenz auch die besseren Werte in Bezug auf gemessene Kundenzufriedenheit aufweisen.18

Wie aber ist „Emotionale Intelligenz“ vom alltagspsychologisch haufiger genutzten Begriff der „sozialen Kompetenz“ abzugrenzen?

Menschen nehmen im Alltag eine Vielzahl an sozialen Rollen ein. Eine Frau, die morgens noch voller Liebe und Sorgfalt das Fruhstuck fur ihre Kinder bereitet, kann am Nachmittag die knallharte Geschaftsfrau sein, die in Meetings keine Miene verzieht. Personen, die solch gegensatzliche Rollen gleichermaBen gut beherrschen und zwischen ihnen jederzeit umschalten konnen, gelten als sozial kompetent, da sie sich schnell und flexibel an die erforderlichen Verhaltensweisen bestimmter sozialer Situationen anpassen konnen.19 Noch konkreter beschreiben Asendorpf und Neyer soziale Kompetenz als ein Fahigkeitskonzept, dass aus den untereinander nur wenig korrelierten Komponenten Durchsetzungs- und Beziehungsfahigkeit besteht. Eine sozial kompetente Person schafft es insofern, die eigenen Interessen weitestgehend durchzusetzen und dabei positive Beziehungen mit anderen aufrechtzuerhalten.20 So versucht die Mutter in unserem Beispiel gegenuber ihren Kindern ihr Erziehungsinteresse durchzusetzen, wahrend ihre Kinder das maximal mogliche MaB an Gluckseligkeit empfinden. Am Nachmittag geht es ihr ggf. um das Interesse eines moglichst wirtschaftlichen Geschaftsabschlusses, bei dem das gute Verhaltnis zum betreffenden Lieferanten moglichst gewahrt bleiben soll.

Eine hiervon recht deutliche Abgrenzung bietet Van der Zee's (2002) Definition Emotionaler Intelligenz, wonach sich diese als Fahigkeit auszeichnet, eigene und anderer Menschen Emotionen zu erkennen und mit diesen durch eine angemessene Interpretation angebracht umzugehen.21

Wie die beiden Worter bereits andeuten, hat Emotionale Intelligenz mit Fuhlen und Denken zu tun. Demzufolge spaltet sich der Begriff in einen affektiven und einen kognitiven Bereich auf. Wahrend es bei dem Begriff der Intelligenz vor allem um die Fahigkeit des Lernens und der darauffolgenden Anwendung auf die Herausforderungen des Lebens geht, bezieht sich Emotionale Intelligenz speziell auf die Fahigkeiten, Emotionen differenziert wahrzunehmen, zu verstehen, zu regulieren und auszudrucken.22 Nach dieser Definition ist Emotionale Intelligenz als Voraussetzung fur sozial kompetentes Verhalten zu betrachten. Insofern die Mutter im genannten Beispiel die Unzufriedenheit der Kinder und des Lieferanten nicht erkennt, kann sie auch nicht entsprechend darauf reagieren. Es gilt jedoch festzuhalten, dass in der wissenschaftlichen Forschung noch keine Einigung uber eine klare Definition des EI-Konstrukts erzielt worden ist.23 Bar-On definierte Emotionale Intelligenz einige Jahre zuvor beispielsweise noch sehr viel allgemeiner als „multifaktorielles Spektrum zusammenhangender emotionaler, personlicher und sozialer Fahigkeiten, welche die gesamtheitliche Fahigkeit des Menschen beeinflussen, aktiv und effektiv mit den Herausforderungen des taglichen Lebens umzugehen“.24 Im Laufe der Jahre wurden noch viele weitere Definitionsversuche unternommen, die vor allem davon abhangen, wie das dahinterstehende wissenschaftliche Konstrukt verstanden wird.

2.1.2. Modelle zur Beschreibung von Emotionaler Intelligenz

Zur Beschreibung und Messung Emotionaler Intelligenz haben sich verschiedene Methoden und Modelle etabliert. Hinsichtlich der Definition und damit auch der Operationalisierung des Konstrukts herrscht hierbei teilweise substantielle Uneinigkeit. Im Laufe der Zeit haben sich hier zwei klar voneinander zu differenzierende Ansatze entwickelt.

So charakterisieren einige Forscher Emotionale Intelligenz als eine Fahigkeit, bei der durch kognitive Prozesse emotionale Informationen verarbeitet werden, was wiederum zu bestimmten Verhaltensweisen fuhrt. In diesem Zusammenhang wird von der sogenannten Fahigkeits-EI gesprochen, deren prominenteste Vertreter Mayer, Salovey und Caruso sind, die mit ihrem Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT) ein breit akzeptiertes Messinstrument fur den fahigkeitsorientierten Ansatz entwickelt haben.

Auf der anderen Seite positionieren sich Forscher, welche Emotionale Intelligenz eher als dispositives Merkmal eines Menschen beschreiben, wodurch sich der Begriff der Trait-EI entwickelt hat.25

Der Unterschied zwischen diesen beiden Modellen zeigt sich vor allem in der Messmethodik, auf die im Folgenden noch etwas naher eingegangen wird.

Aber auch wenn die Definitionen und Methoden hinter diesen EI-Modellen variieren, sind die Konstrukte eher komplementar als gegensatzlich zu betrachten. Unabhangig vom konkreten Ansatz, werden im Allgemeinen immer wieder folgende vier Kategorien verwendet:26

- Wahrnehmung von Emotionen
- Verstehen von Emotionen
- Regulierung von Emotionen
- Nutzbarmachung von Emotionen

Tabelle 1 gibt eine Ubersicht uber die klassischen Messinstrumente der beiden zu differenzierenden Ansatze. Hierbei wurden auch die Methoden zur Fremdbeurteilung integriert, wobei diese im Rahmen dieser Arbeit nicht naher betrachtet werden. Fur die Fahigkeitsansatze von EI ist auBerdem die Methodik eines Tests gebrauchlicher, weswegen hier auch die Messinstrumente mit Fragebogen von einer weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Ubersicht Messinstrumente zu Emotionaler Intelligenz (eigene Darstellung, in Anlehnung an: Plucken (2015), S.4)

Die Unterschiede zwischen den beiden Konzepten von EI wird auch in den empirischen Befunden sehr deutlich, bei denen in der Regel sehr niedrige und damit nicht signifikante Korrelationen zwischen Trait- und Fahigkeits-EI festgestellt wurden.27 Dies unterstutzt umso mehr die notwendige Differenzierung zwischen den beiden Konstrukten.

Im Folgenden sollen die beiden Ansatze zur Erfassung von EI unter Vorstellung der jeweils etablierten Messinstrumente naher beschrieben werden.

2.1.2.1. Fahigkeits-EI

Im Fahigkeitsmodell werden Emotionen als nutzliche Informationsquellen betrachtet, die dabei helfen sollen, sicher durch das soziale Umfeld zu navigieren. Es wird davon ausgegangen, dass individuelle Unterschiede in der Fahigkeit dieser Art von Informationsverarbeitung bestehen. In Anlehnung an klassische Instrumente zur Messung allgemeiner Intelligenz, liegt der Fokus also auch hier auf kognitiven Variablen, durch die eine objektivierbare Leistung gemessen werden soll.28

MSCEIT nach Salovey, Mayer und Caruso

Das aktuell bekannteste Verfahren zur Messung dieser Art von Emotionaler Intelligenz ist der bereits erwahnte Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test, abgekurzt und gelaufiger als „MSCEIT“. Der Name dieses Tests geht auf seine ebenfalls bereits im vorhergehenden Kapitel erwahnten Begrunder Peter Salovey, John Mayer und David R. Caruso zuruck, welche EI als das Vermogen charakterisieren, Emotionen treffsicher wahrnehmen zu konnen, sie kognitiv zu verarbeiten und fur effizientes Denken und Handeln nutzbar zu machen. Fur ebenso wichtig halten es die Autoren, auf eigene Emotionen Zugriff zu haben und diese verstehen und regulieren zu konnen.29

Hierdurch ergeben sich die in Tabelle 2 dargestellten und jeweils kurz erlauterten Skalen des MSCEIT, welche uber acht Aufgabenbereiche und insgesamt 141 Items getestet werden.30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Die vier Skalen des MSCEIT (eigene Darstellung, in Anlehnung an: Bracket & Salovey (2006), S.35)

Beim MSCEIT handelt es sich um eine Weiterentwicklung des MEIS, welcher in seiner ursprunglichen Form mit 402 Items noch wesentlich umfangreicher ausfiel, aber im Wesentlichen mit den gleichen Skalen zur Messung der Emotionalen Intelligenz konzipiert wurde.31

Der Test wurde als eine Serie von Frageitems aufgebaut, in denen teilweise hypothetische Situationen geschildert werden, zu denen mehrere Antwortalternativen einer jeweils moglichen reaktiven Verhaltensweise zur Verfugung stehen. Ziel ist es, die der jeweiligen Situation angemessenste und damit emotional kompetenteste Verhaltensweise zu wahlen. Hier liegt jedoch gleichzeitig die hauptsachliche Kritik an dem Modell. Wer legt fest welches Verhalten als emotional kompetent zu bewerten ist? Gibt es fur objektivierbare MaBe fur die Einschatzung emotionaler Denkmuster? Ware es nicht naheliegend, dass in Abhangigkeit der konkreten Situation mehrere Losungen in Frage kommen?

Durch Fragestellungen wie diesen zeigt sich, dass die Konstruktion des MSCEIT nicht einwandfrei nachvollziehbar ist, wodurch auch die wissenschaftlichen GutemaBstabe der Objektivitat, Reliabilitat und Validitat bei diesem Test sehr unterschiedlich bewertet werden.32

2.1.2.2. Trait-EI und gemischte EI-Modelle

Trait-EI ergibt sich, ahnlich wie bei einem Personlichkeitstest, aus der Selbstwahrnehmung der eigenen Person. Die Messergebnisse der mit diesem Modell von Emotionaler Intelligenz einhergehenden Tests sind somit abhangig von der Einschatzung der eigenen emotionalen Fahigkeiten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Selbstberichtverfahren“.33 Trotz einiger Unzulanglichkeiten in der psychologischen Diagnostik sind Selbsteinschatzungen das bewahrteste Mittel zur Erfassung von Personlichkeitseigenschaften.34 Sie bilden daher auch die Basis personlichkeitsorientierter Modelle Emotionaler Intelligenz.

Zu den bekanntesten Verfahren zur Messung von Trait-EI zahlen die Instrumente von Konstantin Vasily Petrides mit seinem Trait Emotional Intelligence Questionaire (TEIQue) und Reuven Bar-On's Emotional Quotient Inventory (EQ-i).35 Im deutschsprachigen Raum wird daruber hinaus der Emotional Intelligence Inventar (EI4) von Dr. Lars Satow sehr anerkannt.36 Die erwahnten Modelle werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Trait Emotional Intelligence Questionaire (TEIQue) nach K.V. Petrides

Petrides begann mit der Entwicklung seines TEIQue bereits 1998 im Rahmen seiner Dissertation. Er arbeitete hierbei eine Vielzahl der Items und insgesamt 15 Facetten heraus. In der aktuellsten Version enthalt der TEIQue 153 Items, die sich nach wie vor auf die dargestellten 15 Facetten verteilen. Daruber hinaus gibt es auch eine Kurzfassung dieses Messinstruments, den TEIQue-SF (SF fur short form). Dieser beruht auf dem Original, wurde aber auf 30 Items reduziert, zwei fur jede der 15 Facetten. Die Itemauswahl erfolgte dabei auf Grundlage der korrespondierenden Gesamtscores in den Dimensionen, wodurch eine adaquate interne Konsistenz erreicht wird.

Tabelle 3 listet die von Petrides herausgearbeiteten 15 Facetten auf und erklart diese durch eine damit einhergehende Eigenschaft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: im TEIQue genutzte Facetten von Trait-EI (eigene Darstellung, in Anlehnung an: Petrides & Mavroveli (2018), S.25)

Unabhangig ob in Kurz- oder Langform, gehen die 15 Facetten wiederum in vier Dimensionen uber, welche in ihrer Gesamtheit die Trait-EI beschreiben sollen.

Tabelle 4 macht deutlich, welche Facetten in welche der vier Dimensionen einspielen. Hierbei gilt es zu erwahnen, dass die Facetten Anpassungsfahigkeit und Selbstmotivation keiner Dimension zugeordnet sind und damit unmittelbar in den Trait- EI score einspielen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Dimensionen und korrespondierende Facetten des TEIQue37 (eigene Darstellung)

Die Darstellung der eingesetzten Dimensionen und Facetten veranschaulicht, dass der TEIQue einen starken Bezug zur Theorie der Emotionalen Intelligenz hat. Durch die Vielzahl an berucksichtigten Facetten wird die ausfuhrliche Erfassung des Konstrukts der EI sehr deutlich. Gegenuber den Big Five wurde fur den TEIQue eine inkrementelle Validitat ermittelt. So konnen die gemessenen Werte unter anderem als Pradiktoren fur Lebenszufriedenheit und Einsamkeit verwendet werden.38

Der TEIQue ist ein international sehr anerkanntes Verfahren zur Messung von Trait-EI und wurde folgerichtig bereits in uber 20 Sprachen ubersetzt.39

Emotional Quotient Inventory (EQ-i) nach R. Bar-On

Im Laufe der 80'er Jahre beschaftigte sich R. Bar-On mit der Frage, was Menschen im Leben zu Erfolg und Gluckseligkeit fuhrt. Aus dieser Fragestellung heraus entwickelte er 1997 ein Konstrukt von Emotionaler Intelligenz, welches seiner Auffassung nach als Kompetenz fur den erfolgreichen Umgang mit sozialen und externen Einflussen zu betrachten ist.

Hierbei grenzte er sich bereits fruh vom Konstrukt der allgemeinen Intelligenz ab und beschrieb Emotionale Intelligenz als eine Meta-Fahigkeit, die eine Reihe von Faktoren beinhaltet. Im Kern sah Bar-On EI vor allem als die Fahigkeit, sich selbst und andere Personen verstehen zu konnen, mit diesen umgehen zu konnen und anpassungsfahig zu sein. Hierdurch ergibt sich nach Bar-On's Auffassung erst die Moglichkeit die eigentlichen mit allgemeiner Intelligenz einhergehenden Kompetenzen effizient einzusetzen. Aus diesem Grund argumentiert Bar-On auch, dass sein Konstrukt lediglich das Potential fur Erfolg messbar macht, nicht jedoch den Erfolg selbst.40 Nichtsdestotrotz ergibt sich nach Bearbeitung seines 133 Items umfassenden Inventars ein Score, der analog der Messung des IQ konstruiert wurde. So befindet sich der Durchschnitt stets beim Wert 100, wahrend eine Standardabweichung bei 15 liegt. In Folge dieser Analogie ergibt sich die Bezeichnung als EQ intuitiv.41

Bar-On's EQ-i misst die Trait-EI unter Bezug auf die folgend aufgezeigten funf Hauptdimensionen, welche sich wiederum in 15 zu differenzierende Subfaktoren untergliedern. Tabelle 5 zeigt diese jeweils auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Dimensionen und Facetten des EQ-i (eigene Darstellung, in Anlehnung an: Fernandez-Berrocal & Extremera (2006), S.9)

Manche Forscher kritisieren an Bar-On's Messinstrument, dass die Theorie hinter den eingesetzten Skalen unscharf ausgearbeitet wurde, da die Skalen in Teilen nur ein subjektives Meinungsbild der eigenen Kompetenz widerspiegeln.42

Emotional Intelligence Inventar (EI4) nach L. Satow

Der von Dr. Lars Satow (2012) entwickelte EI4 erfasst Trait-EI uber 28 Selbstbeschreibungs-Items in den folgenden vier Skalen:

- Empathie
- Menschenkenntnis
- emotionale Selbstkontrolle
- Uberzeugungskraft

Dr. Satow fasst diese vier Skalen als verhaltensbezogene Kompetenzen und wichtigste Bereiche Emotionaler Intelligenz auf. Die Items teilen sich dabei gleichverteilt auf seine vier ausgemachten Dimensionen auf. Die Reliabilitat der Skalen liegt sich zwischen .70 und .84. Faktoranalysen konnten auBerdem die Struktur des Inventars mit vier Skalen bestatigen.43

Der EI4 wird in Kapitel 3 noch naher erlautert.

Gemischte EI-Modelle

Unter der Rubrik der Trait-EI-Modelle werden auch die sogenannten gemischten EI- Modelle einsortiert. Bei diesen Modellen wird die strikte Trennung zwischen Leistungstest und Selbstbeschreibung etwas aufgeweicht, da hier durch Selbstbeschreibung versucht wird auf kognitive Fahigkeiten zu schlieBen. Aufgrund der vorrangigen Nutzung der Selbstbeschreibungsmethodik ergibt sich jedoch die Zuordnung zu den Trait-EI-Modellen.

Das erste gemischte EI-Modell wurde von Daniel Goleman publiziert. Sein Modell von Emotionaler Intelligenz besteht aus den folgenden vier Dimensionen:

- Selbstwahrnehmung
- Selbstmanagement
- soziales Bewusstsein
- Beziehungsmanagement

Der Versuch mittels Selbstbeschreibung auf kognitive Fahigkeiten zu schlieBen wird gleichwohl haufig kritisch bewertet.44 Aus diesem Grund spielen Mischmodelle zur Messung von EI in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle.45 Golemans Modell von EI wird insofern im Rahmen dieser Arbeit auch nicht naher betrachtet.

Trotz des Bestehens von drei unterschiedlichen Ansatzen zur Erfassung von Emotionaler Intelligenz gibt es vielfaltige theoretische- und statistische Ahnlichkeiten zwischen den vorgestellten EI-Konzepten. Immerhin versuchen alle Modelle auf globaler Ebene das Konstrukt der Emotionalen Intelligenz in die Elemente zu operationalisieren, die fur das Erkennen, Verstehen, Analysieren und Regulieren der eigenen sowie fremden Emotionen zustandig sind. Ein kompletter Konsens kann in Bezug auf die Operationalisierung auch nicht erwartet werden, da es hierfur keine objektiven Kriterien gibt.46

2.2. Die Big Five der Personlichkeitspsychologie

2.2.1. historische Entwicklung und Bedeutung der Faktoren

Merkmale, die Menschen in ihrem Erleben und Verhalten voneinander unterscheidbar machen, werden Personlichkeitsmerkmale genannt. Fur genau diese Art von Unterschieden zwischen Individuen interessiert sich die Personlichkeits- und insbesondere die Differentielle Psychologie.47 Hierbei ist naheliegend, dass der Versuch zur Differenzierung der Eigenschaften verschiedener Menschen zu einer langen Liste von beschreibenden Merkmalen fuhrt. An diesen Ansatz knupften im fruhen 20. Jahrhundert die Psychologen G. Allport und H. Odbert im Rahmen der sogenannten Sedimentationshypothese an, heute auch bekannt als psycholexikalischer Ansatz. Die Hypothese sagt aus, dass alle zur Beschreibung einer Person relevanten Personlichkeitseigenschaften durch Eigenschaftsworter der jeweiligen Sprache reprasentiert werden.48 Allport und Odbert fanden hierzu knapp 18.000 englische Begriffe, welche durch Raymond Cattell im Jahre 1946 faktoranalytisch in 35 Cluster eingeteilt werden konnten.49 Im Laufe der darauf folgenden Jahre wurde versucht diese Liste weiter zu reduzieren, wodurch sich im Ergebnis funf Faktoren herauskristallisierten, uber deren Gultigkeit seit mehreren Dekaden weitestgehender Konsens herrscht, die sogenannten Big Five.50

Anstelle der „Big Five“ wird haufig auch vom „Funf Faktoren-Modell“ sowie im englischsprachigen Raum vom „OCEAN-Modell“ gesprochen. Letzteres Akronym ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der funf Dimensionen, die uber eine Vielzahl an Studien bestatigt werden konnten:51

- Openness / Offenheit
- Conscientiousness / Gewissenhaftigkeit
- Extraversion / Extraversion
- Agreeableness / Vertraglichkeit
- Neuroticism / Neurotizismus

Die angegebenen Faktoren erwiesen sich im Verlauf der Zeit uber eine Vielzahl an Studien als auBerst robust und sind deshalb im Feld der Personlichkeitspsychologie die meistgenutzte Trait-Taxonomie.52 Daruber hinaus konnte man in diversen Untersuchungen demonstrieren, dass sich andere Personlichkeitsmodelle, wie das PEN-Modell von Eysenck oder das 16-Faktoren-Modell von Cattell, mehr oder weniger in das Funf-Faktoren-Modell integrieren lassen.53 So kann man die Big Five als Koordinaten eines funfdimensionalen Raums interpretieren, durch den sich eine Person in guter Naherung beschreiben lasst.54

Da es sich bei den Big Five um ein hierarchisches Faktormodell handelt, konnen die funf Faktoren fur differenziertere Betrachtungen weiter differenziert werden. Aufgrund der faktoranalytischen Entstehung des Modells lasst sich jede Dimension als Cluster stark korrelierender darunter liegender Facetten beschreiben.55 Daruber hinaus konnen sich eine Vielzahl gebrauchlicher Adjektive zur Beschreibung von Personen auch als Kombination der funf Hauptdimensionen herangezogen werden. So kann Schuchternheit beispielsweise gut als eine Synthese aus geringer Extraversion in Verbindung mit hohem Neurotizismus betrachtet werden.56

Bevor die funf Faktoren im Folgenden jeweils kurz vorgestellt werden, muss noch einmal deutlich gemacht werden, dass sich Personlichkeit immer nur auf einem Kontinuum beschreiben lasst. So konnen wir Menschen beispielsweise nicht einfach in die Schublade der „Extravertierten“ oder „Introvertierten“ gesteckt werden, da die meisten Personen eine Auspragung zwischen diesen beiden Extremen haben, die auf einer quasi-unendlich skalierbaren Abstufung gemessen werden muss.

Offenheit

Offenheit beschreibt vor allem das Interesse an neuen Erfahrungen. Personen mit einer hohen Auspragung in dieser Dimension sind stetig an neuen Erlebnissen und Eindrucken interessiert. Sie nehmen meist aktiv am kulturellen Geschehen teil und haben eine stark ausgepragte Neugier. Durch das damit einhergehende Interesse an neuen Theorien und ihrer allgemeinen Wissbegier, werden Personen mit einer hohen Auspragung in dieser Dimension haufig als gebildet, kreativ, aber durchaus auch kritisch beschrieben. Es verwundert nur wenig, dass die Dimension der Offenheit positiv mit allgemeiner Intelligenz korreliert.57,[58]

Auf der Gegenseite der Skala werden Menschen als konservativ und beharrlich beschrieben. Menschen mit geringeren Werten in der Dimension der Offenheit sind demnach tendenziell Routinen und Traditionen verpflichtet und geistig weniger flexibel. Damit einher gehen haufig auch geringere Auspragungen an Kreativitat.57 58 59 60 61

Gewissenhaftigkeit

Gewissenhaftigkeit auBert sich insbesondere durch ein starkes MaB an Zielstrebigkeit, Zuverlassigkeit und Selbstorganisation. Personen mit einer geringen Auspragung dieses Personlichkeitsmerkmals sind tendenziell nachlassiger und unbestandig. Auch bei dieser Dimension gilt, dass eine hohe Auspragung nicht automatisch als „besser“ eingeschatzt werden sollte. Insbesondere bei einer sehr starken Auspragung kann das Verhalten schnell zwanghaft werden. So ist ein gewisses MaB an Ordnung und Genauigkeit in beruflichen Zusammenhangen sicher hilfreich, kann jedoch beispielsweise auch mit Perfektionismus erhohtem Zeitaufwand zur Erledigung bestimmter Aufgaben einhergehen. Auch der Begriff des „Erbsenzahlers“ ist sicher nicht unbedingt positiv belegt, obwohl er doch ein hohes MaB an Gewissenhaftigkeit umschreibt.

Extraversion

Extraversion kennzeichnet sich vor allem durch Geselligkeit, Aktivitat und Expressivitat. Auch der Gegenpol der Introversion ist vielen Menschen gelaufig. Wahrend introvertierte Menschen tendenziell still und distanziert agieren, suchen extravertierte Personen aktiv den Kontakt zu anderen Menschen. Haufig geht dies auch mit einem erhohten MaB an Optimismus und Heiterkeit einher.

Wie auch schon bei dem vorher diskutierten Faktor der Gewissenhaftigkeit gilt, dass extreme Auspragungen durchaus negative Seiten mit sich bringen. So konnen extravertierte Personen beispielsweise auch durchaus als aufdringlich oder gar anstrengend empfunden werden.62

Vertraglichkeit

Vertraglichkeit druckt sich durch Attribute wie Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit sowie einem wohlwollenden und vertrauensvollen Umgang mit seinen Mitmenschen aus. Personen mit einer starken Auspragung dieses Personlichkeitsmerkmals gehen Konflikten tendenziell aus dem Weg oder geben im Zweifel schneller nach. Den Gegenpol dazu bilden Menschen, die als tendenziell „unvertraglich“ zu klassifizieren waren. Unvertraglichkeit zeigt sich vor allem durch Argwohn, Streitsucht, Misstrauen, Konkurrenzdenken und geringer Kooperationsbereitschaft. Emotional kuhle Personen, die den standigen Vergleich mit anderen Personen suchen, gelten ebenfalls als unvertraglich.63 64

Neurotizismus

Personen mit stark ausgepragten Werten in der Dimension des Neurotizismus sind verhaltnismaBig empfindlich und kommen schneller aus dem Gleichgewicht, vor allem unter Stress. Sie gelten als nervos, angstlich, unsicher, schuchtern sowie tendenziell klagend und depressiv. In der Extremform kann es sich hier also um emotional labile Personen handeln. Auf der Gegenseite spricht man von emotional stabilen Menschen, die sich durch ein besonders hohes MaB an Belastbarkeit und Stressresistenz auszeichnen. Damit einher gehen Ungezwungenheit, Entspannung und ein allgemein unbesorgtes Auftreten. Letzteres fuhrt allerdings auch zu einer hoheren Risikobereitschaft sowie einer gegebenenfalls schlechteren Wahrnehmung der Emotionen Dritter.65

2.2.2. Messinstrumente zur Erfassung der Personlichkeit

Mit der zunehmenden Etablierung der Big Five wird Personlichkeit auch vermehrt in Anwendungskontexten auBerhalb der Psychologie erhoben. Hierbei ist insbesondere die steigende Relevanz im Rahmen von Recruiting- und Assessment-Verfahren zu erwahnen. Die Auswahl an moglichen Messinstrumenten ist dabei beinahe schon unubersichtlich groB geworden.

Dessen ungeachtet werden im Folgenden einige gelaufige Verfahren kurz vorgestellt.

NEO-PI-R und NEO-FFI nach Costa und McCrae

Beim NEO-PI handelt es sich um das wahrscheinlich bekannteste Inventar zur Messung von Personlichkeit. Es enthalt in seiner revidierten Form, als NEO-PI-R, insgesamt 240 Items. Bei diesem Inventar werden die Big Five-Faktoren in jeweils sechs Subskalen unterteilt, die wiederum mit jeweils acht Items gemessen werden.66 Die eingesetzten Subskalen sind in Tabelle 6 aufgelistet und geben gleichzeitig einen anschaulichen Uberblick uber die verschiedenen Facetten der zu differenzierenden Personlichkeitsdimensionen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Subskalen der Big Five auf Basis des NEO-PI-R (eigene Darstellung, in Anlehnung an: Bipp (2006), S.19)

An dieser Stelle sei erwahnt, dass sich die Benennung der Subskalen und Facetten auf den Ebenen unterhalb der Big Five je nach Autor und Erhebungsinstrument durchaus voneinander unterscheiden. Auch wenn die Faktorenstruktur des NEO-PI-R sowie die Reliabilitaten und Validitaten die Skalenstruktur stutzen, geben auch Costa und McCrae zu, dass ihre Auswahl eher unsystematisch erfolgte und nicht zwangslaufig die beste Prazisierung des Konstrukts darstellt.67

Costa und McCrae entwickelten daruber hinaus eine Kurzform dieses Inventars mit 60 Items, den NEO-FFI. Fur beide Messinstrumente konnte eine hohe psychometrische Gute nachgewiesen werden. Die Inventare von Costa und McRae basieren auf dem Verhalten von Personen, dass sich als Gewohnheit im Alltag manifestiert.68

BFI und BFI-2 von Soto und John

Das Big Five Inventar (BFI) wurde von John, Donahue und Kentle (1991) aus dem lexikalischen Ansatz heraus entwickelt und ist mit 44 Items ein vergleichsweise okonomisches Messinstrument zur Erfassung der Personlichkeit. Es wurde von Rammstedt im Jahre 1997 in eine deutsche Version uberfuhrt.69

25 Jahre nach der Veroffentlichung des originaren BFI wurde das Inventar durch John und Soto mit dem Ziel wieder aufgegriffen, die in der Zwischenzeit gemachten Fortschritte der Personlichkeitsforschung in einen neuen Inventar einflieBen zu lassen sowie die im Laufe der Jahre festgestellten Schwachen des BFI zu beseitigen. Das damit einhergehende Forschungsvorhaben brachte den BFI-2 hervor. Unter der Zielstellung, dass auch dieses Inventar in weniger als zehn Minuten zu bearbeiten sei, wurde einige Items hinzugefugt, so dass das BFI-2 insgesamt 60 Items umfasst.70

Big Five Inventory-10 (BFI-10) von Rammstedt und John

In vielen Anwendungsfallen ist die Untersuchungszeit sehr begrenzt, so dass konventionelle Verfahren, aufgrund des damit einhergehenden Zeitaufwands, nicht eingesetzt werden konnen. Aus diesem Grund wurde durch Rammstedt und John (2007) mit dem BFI-10 ein auBerst okonomischer Personlichkeitstest entwickelt, welcher innerhalb von ein bis zwei Minuten bearbeitet werden kann.71

Das BFI-10 ist eine Kurzversion der deutschen Adaption des Big Five Inventory und erfasst die Big Five-Personlichkeitsdimensionen durch zehn Items, zwei pro Dimension. Trotz der starken Reduzierung des originaren BFI, weist das BFI-10 zufriedenstellende psychometrische Kennwerte auf.72

Das BFI-10 wird in Kapitel 3 noch naher erlautert.

[...]


1 Vgl. Urban (2008), S.221

2 Vgl. Sprenger (2012), S.51f.

3 Vgl. Bosley & Kasten (2018), S.46

4 Vgl. Urban (2008), S.221

5 Vgl. Nikic, Stamatovic & Suceska (2017), S.99

6 Vgl. Matthews, Zeidner & Roberts (2012), S.33

7 Vgl. Satow (2012), S.3

8 Vgl. Nikic, Stamatovic & Suceska (2017), S.101

9 Vgl. Siegling, Nielsen & Petrides (2014), S.65

10 Vgl. Atta, Ather, & Maher (2013), S.253

11 Vgl. Hank (2016), S.3

12 Vgl. El Telbani (2014), S.942

13 Vgl. Siebert (2006), S.5

14 Vgl. Atta, Ather, & Maher (2013), S.254

15 Vgl. Salovey & Mayer (1990), S.189

16 Vgl. Matthews, Zeidner & Roberts (2012), S.2

17 Vgl. Golzner & Meyer (2018), S.24

18 Vgl. El Telbani (2014), S.942

19 Vgl. Bosley & Kasten (2018), S.66

20 Vgl. Asendorpf & Neyer (2012), S.159

21 Vgl. Asendorpf & Neyer (2012), S.163

22 Vgl. Northouse (2016), S.28

23 Vgl. Bosley & Kasten (2018), S.44

24 Vgl. Bar-On (2000), S.385

25 Vgl. El Telbani (2014), S.946

26 Vgl. Ciarrochi, Chan & Caputi (1999), S.540

27 Vgl. Matthews, Zeidner & Roberts (2007), S.151

28 Vgl. Siebert (2006), S.26

29 Vgl. Mayer, Salovey & Caruso (2004), S.197

30 Vgl. Bracket & Salovey (2006), S.36

31 Vgl. Conte (2005), S.436

32 Vgl. Siebert (2006), S.27

33 Vgl. Wentura & Degner (2006), S.55

34 Vgl. Siebert (2006), S.2

35 Vgl. El Telbani (2014), S.947f.

36 Vgl. Bosley & Kasten (2018), S.158

37 Vgl. Petrides & Mavroveli (2018), S.27

38 Vgl. Petrides & Mavroveli (2018), S.26

39 Vgl. Tack (2013), S.59ff.

40 Vgl. Conte (2005), S.435

41 Vgl. Rossi (2012), S.145

42 Vgl. Conte (2005), S.434

43 Vgl. Satow (2012), S.5

44 Vgl. Perez, Petrides & Furnham (2006), S.195

45 Vgl. Tack (2013), S.55

46 Vgl. Matthews, Zeidner & Roberts (2007), S.155

47 Vgl. Schmitt & Altstotter-Gleich (2010), S.9

48 Vgl. Asendorf & Neyer (2012), S.478

49 Vgl. Schumann (2005), S.30

50 Vgl. Bipp (2006), S.14

51 Vgl. Asendorf & Neyer (2012), S.107

52 Vgl. Eckardt (2017), S.135

53 Vgl. Singh & Pathardikar (2010), S.34

54 Vgl. Herzberg & Roth (2014), S.42

55 Vgl. Matthews, Zeidner & Roberts (2012), S.46

56 Vgl. Asendorf & Neyer (2012), S.109

57 Vgl. Asendorf & Neyer (2012), S.107

58 Vgl. Herzberg & Roth (2014), S.41

59 Vgl. Simon (2006), S.118

60 Vgl. Asendorf & Neyer (2012), S.107

61 Vgl. Herzberg & Roth (2014), S.41

62 Vgl. Herzberg & Roth (2014), S.41

63 Vgl. Herzberg & Roth (2014), S.41

64 Vgl. Herzberg & Roth (2014), S.41

65 Vgl. Asendorf & Neyer (2012), S.107

66 Vgl. Gerlitz & Schupp (2005), S.3

67 Vgl. Bipp (2006), S.19

68 Vgl. Bipp (2006), S.18

69 Vgl. Rammstedt & Danner (2016), S.71

70 Vgl. Danner et al. (2019), S.2

71 Vgl. Rammstedt & John (2007), S.203

72 Vgl. Rammstedt et al. (2013), S.240f.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Emotionale Intelligenz im Beruf
Untertitel
Eine Vergleichsstudie der Trait-EI zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ohne Personalverantwortung
Hochschule
SRH Hochschule Riedlingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
97
Katalognummer
V1156226
ISBN (eBook)
9783346549211
ISBN (Buch)
9783346549228
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emotionale Intelligenz, Führung, Trait-EI, EI, Personal, Persönlichkeit, Psychologie, Big Five
Arbeit zitieren
Ferry Schütz (Autor:in), 2019, Emotionale Intelligenz im Beruf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156226

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