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Eigenverantwortung als Bildungsziel der Schule

Wie verhält sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung?

Título: Eigenverantwortung als Bildungsziel der Schule

Proyecto/Trabajo fin de carrera , 2021 , 78 Páginas , Calificación: 1,0

Autor:in: Hanna Gloerfeld (Autor)

Pedagogía - Sistemas educativos, políticas educativas
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Wie verhält sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung?
Um diese Frage beantworten zu können, erfolgt zunächst eine Klärung der Begriffe Eigenverantwortung und Autorität. Im zweiten Kapitel wird anhand einer kurzen, bildungspolitischen Problemanalyse die Rolle der Kompetenzorientierung im Rahmen der aktuellen schulischen Bildungsziele erläutert und darüber hinaus, welche Bedeutung Pädagog:innen, Bildungspolitik und Wirtschaft den überfachlichen Kompetenzen und speziell der Eigenverantwortung beimessen. Außerdem werden Kenntnisse und Fähigkeiten beschrieben, welche Lehrkräfte benötigen, um diese überfachlichen Kompetenzen zu vermitteln. Nach der Vorstellung des ausgewählten Konzepts Neuen Autorität wird zunächst das besondere Verhältnis dieses Konzepts zur Autorität hinterfragt und anschließend die in der Literatur geäußerte Kritik diskutiert. Abschließend wird auf die Fragestellung dieser Arbeit eingegangen und untersucht, wie sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung bei den Schüler:innen verhält und wie Eigenverantwortung grundsätzlich gefördert werden kann. Basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit werden abschließend im Fazit die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und ein kurzer Ausblick für eine künftige Fragestellung gegeben.
Im Rahmen dieser Staatsexamensarbeit wurde mit dem Diplom. Psychologen und Therapeuten Martin Lemme, der das Systemische Instituts für Neue Autorität gemeinsam mit Bruno Körner leitet, ein Interview geführt. Dieses ist im Anhang zu finden.

Extracto


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anmerkung bezüglich der Zitierweise:

Einleitung

1 Begriffsklärung
1.1 Eigenverantwortung
1.2 Autorität

2 Problemanalyse
2.1 Forderung nach (Schlüssel-) Kompetenzen
2.1.1 Bildungspolitik
2.1.2 Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
2.1.3 Pädagog:innen
2.2 Die Lehrkraft als Vermittler:in von Kompetenzen
2.2.1 Professionelle Kompetenz
2.2.2 Beziehungskompetenz

3 Neue Autorität
3.1 Hintergrund
3.2 Die Säulen der Neuen Autorität
3.2.1 Präsenz und wachsame Sorge
3.2.2 Deeskalation und Selbstkontrolle
3.2.3 Öffentlichkeit und Kooperation
3.2.3 Netzwerke und Unterstützung sowie Zusammenarbeit mit den Eltern
3.2.5 Gewaltfreier Widerstand und Protest
3.2.6 Beziehungsgesten und Wiedergutmachung

4 Diskussion
4.1 Neue Autorität und Autorität
4.2 Kritik an der Neuen Autorität
4.2.1 Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder
4.2.2 Gewaltfreies Handeln
4.2.3 Hierarchisches System
4.2.4 Partizipation
4.2.5 Lernvoraussetzungen und ähnliche Konzepte
4.3 Neue Autorität und Eigenverantwortung
4.3.1 Voraussetzungen für die Entwicklung von Verantwortung und die Rolle der Führung
4.3.2 Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit
4.3.3 Eigenverantwortung und Selbstkontrolle
4.3.4 Das Spiralprinzip

Fazit und Ausblick

Anhang

Anhang 1: Interview mit Martin Lemme zur Neuen Autorität - 12.08.2021

Anhang 2: Fragebogen zur Selbstreflexion

Literaturverzeichnis

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich während der Anferti­gung meiner Staatsexamensarbeit unterstützt haben.

Mein besonderer Dank gilt:

Frau Prof. Dr. Barbara Drinck und Herrn Dr. Robert Wilkens, die meine Arbeit betreut und begutachtet haben. Insbesondere für die konstruktive Kritik zu Beginn meiner Arbeit möchte ich mich herzliche bedanken.

Herrn Dr. Thomas Weißenborn für seine Expertise und Frau Katrin Weißenborn für ihre per­sönlichen Erfahrungsberichte mit dem Konzept der Neuen Autorität.

Herrn Prof. Dr. Christoph Kampmann, Professor an der Philipps Universität Marburg der Ge­schichte der frühen Neuzeit, für das Gespräch über den historischen Ursprung der Autorität.

Herrn Dipl.-Psych. Martin Lemme, Leiter des Systematischen Instituts für Neue Autorität, für die Bereitschaft eines Interviews zur Neuen Autorität.

Abschließend möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die mich während meines ge­samten Studiums unterstützt und begleitet haben!

Leipzig, 09.09.2021

Abkürzungsverzeichnis

BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

BDI Bundesverband der Deutschen Industrie

KMK Kulturministerkonferenz

OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

PISA Programme for International Student Assessment

Schüler:innen Schülerinnen und Schüler

TIMSS Trends in International Mathematics and Science Study

Abbildungsverzeichnis

Titelbild: Schilt, Michèle (2012). Éducation â la citoyennetéin Luxemburg-politische Bildung oder Bürgerkunde? (Dissertation): https://docplayer.org/56140213-Education-a-la-cito- yennete-in-luxemburg-politische-bildung-oder-buergerkunde.html (01.09.2021).

[Anm. d. Red.: Das Titelbild ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Lieferumfang enthalten]

Abb.1: Grundschule Edenkoben, Aufgaben der Schule (Edenkoben 2015), online unter http:// www.gs-edenkoben.de/images/fotos/tagebuch/aufgaben_der_schule.jpg (19.05.2021)

Abb.2: Wilkens, Robert (2020): Entwicklungs- und Instruktionspsychologie [Vorlesungsfolien]. Universität Leipzig, Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung. https://moodle2.uni- leipzig.de/course/view.php?id=27977, 20.

Abb.3: Lohmann, A., & Hasenclever, W.-D. (2008). Erziehung zur Verantwortung: Persönlich­keitsentwicklung von Schülerinnen und Schülern. In B. Busemann, J. Oelkers, & H. S. Rosenbusch (Hrsg.), Eigenverantwortliche Schule—Ein Leitfaden: Konzepte, Wege, Ak­teure (Nachdr.). LinkLuchterhand, 221.

Abb.4: Schack, N., & Mau, J. (2008). Verbesserung der Unterrichtsqualität: Zentraler Teil der Schulentwicklung. In B. Busemann, J. Oelkers, & H. S. Rosenbusch (Hrsg.), Eigenver­antwortliche Schule—Ein Leitfaden: Konzepte, Wege, Akteure (Nachdr.). LinkLuchter- hand, 212.

Anmerkung bezüglich der Zitierweise:

Befindet sich der Punkt vor der Klammer, so bezieht sich der Vergleich auf mehrere, voran­gehende Sätze; steht er nach der Klammer, bezieht er sich nur auf einen Satz.

Einleitung

»Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Er­kenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.« (Roger Willemsen)

Das Zitat von Roger Willemsen beinhaltet eine Kritik, welche in den vergangenen Jahren auch am Bildungssystem laut wurde: Insbesondere die unbefriedigenden Ergebnisse interna­tionaler Vergleichsstudien zeigten, dass an deutschen Schulen zu wenig Kompetenzen ver­mittelt werden, die auf das Leben nach der Schulzeit vorbereiten. So ging beispielsweise aus der TIMS-Studie im Jahr 2019 hervor, dass in Deutschland die „Leistungsstreuung der Kom­petenzen im internationalen Vergleich eher gering aus[fiel]“ (Schwippert et al., 2020, S. 15). Es ist von fehlenden Schlüsselkompetenzen die Rede (Klippert, 2007, S. 10) und auch die Anforderungen, die sich tagtäglich stellen, machen die Notwendigkeit einer Vermittlung von überfachlichen Kompetenzen deutlich, die über das reine Fachwissen hinausgeht. Eine Per­sönlichkeitsentwicklung ist notwendig, um selbst Verantwortung für das eigene Handeln zu tragen, nicht unreflektiert die Meinung anderer anzunehmen und kritisch zu denken. Die Übernahme von Eigenverantwortung sollte deshalb schon im frühen Kindesalter beginnen, sodass den Heranwachsenden im Laufe der Zeit zunehmend Verantwortung übertragen werden kann. Folglich sollten Schulen auch die Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden in den Blick nehmen, denn „zum Bildungsauftrag [gehört] weit mehr [.] als Wissensvermitt­lung. Zu den zu vermittelnden Kenntnissen und Fähigkeiten müssen auch Haltungen und Wertvorstellungen hinzukommen. Ethische Erziehung und Persönlichkeitsbildung sind we­sentliche Zukunftsaufgaben [.]“ (Lohmann & Hasenclever, 2008, S. 218). Im sächsischen Schulgesetz ist sogar ausdrücklich festgeschrieben, dass Kinder dazu befähigt werden sol­len „das soziale Leben verantwortlich mitzugestalten“ und „für die Erhaltung der Umwelt Ver­antwortung zu tragen“ (Lohmann & Hasenclever, 2008, S. 218). Auch von der Kultusminis­terkonferenz wurde die Kompetenz der Eigenverantwortung als Bildungsziel gefordert (vgl. KMK, 2005, S. 7). Ihre Förderung soll im Zentrum dieser Arbeit stehen. So stellt sich nun die Frage, wie zukünftig Eigenverantwortung besser vermittelt werden kann. Hierbei kommt der Beziehung von Lehrenden und Lernenden eine besondere Bedeutung zu und in diesem Zu­sammenhang die Art und Weise, wie die Lehrenden ihre gegebene Führungsrolle in dieser Beziehung wahrnehmen: überwiegend aufgrund ihrer Legitimation durch ihr Amt oder viel­mehr durch die Wirkung ihrer persönlichen Autorität. Es gibt eine große Vielfalt an pädagogi­schen Konzepten, die in unterschiedlichem Ausmaß Eigenverantwortung fördern. Die Ziel­setzung der vorliegenden Arbeit ist jedoch nicht das Vergleichen verschiedener Konzepte. Vielmehr wird der Ansatz verfolgt, ein ausgewähltes Konzept dahingehend zu untersuchen, ob es die Eigenverantwortung der Schüler:innen fördern kann und auch den Lehrkräften Handlungsmöglichkeiten bietet. Ein nachgefragtes Konzept ist die Neue Autorität, welches die Stärkung der Autorität der Lehrperson zum Ziel hat und in den letzten Jahren zunehmend bekannt geworden ist. Kritiker befürchten, dass durch die Stärkung der Lehrpersonen die Entwicklungsmöglichkeiten der Schüler:innen beschränkt würden, was bedeuten könnte, dass die von vielen Seiten geforderte Entwicklung von Eigenverantwortung eingeschränkt wird. Im Rahmen dieser Examensarbeit soll deshalb folgende Fragestellung beantwortet werden:

Wie verhält sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung?

Um diese Frage beantworten zu können, erfolgt zunächst eine Klärung der Begriffe Eigen­verantwortung und Autorität. Im zweiten Kapitel wird anhand einer kurzen, bildungspoliti­schen Problemanalyse die Rolle der Kompetenzorientierung im Rahmen der aktuellen schu­lischen Bildungsziele erläutert und darüber hinaus, welche Bedeutung Pädagog:innen, Bil­dungspolitik und Wirtschaft den überfachlichen Kompetenzen und speziell der Eigenverant­wortung beimessen. Außerdem werden Kenntnisse und Fähigkeiten beschrieben, welche Lehrkräfte benötigen, um diese überfachlichen Kompetenzen zu vermitteln. Nach der Vor­stellung des ausgewählten Konzepts Neuen Autorität wird zunächst das besondere Verhält­nis dieses Konzepts zur Autorität hinterfragt und anschließend die in der Literatur geäußerte Kritik diskutiert. Abschließend wird auf die Fragestellung dieser Arbeit eingegangen und un­tersucht, wie sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung bei den Schüler:innen verhält und wie Eigenverantwortung grundsätzlich gefördert werden kann. Basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit werden abschließend im Fazit die wich­tigsten Erkenntnisse zusammengefasst und ein kurzer Ausblick für eine künftige Fragestel­lung gegeben.

Im Rahmen dieser Staatsexamensarbeit wurde mit dem Diplom. Psychologen und Therapeu­ten Martin Lemme, der das Systemische Instituts für Neue Autorität gemeinsam mit Bruno Körner leitet, ein Interview geführt. Dieses ist im Anhang zu finden.

1 Begriffsklärung

1.1 Eigenverantwortung

Das Verb „verantworten“ bedeutet im Allgemeinen auf etwas (zum Beispiel vor Gericht) „ant­worten ", beziehungsweise „für etwas einstehen “ (vgl. Dudenredaktion, 2019, S. 872). Die „Antwort “ ist im Wort “Ver-antwortung“ enthalten. Wer bezüglich seines Handelns zur Rede gestellt wird, sollte in der Lage sein, eine Antwort zu geben und damit für sein Handeln „ge­rade zu stehen“ (vgl. Moser, 2013, S. 26). Verantwortung sollte deshalb das Vermögen vor­aussetzen, die eigenen Fähigkeiten und mögliche Folgen persönlicher Entscheidungen ein­schätzen zu können und so zu handeln, dass das angestrebte Ziel mit hoher Wahrschein­lichkeit erreicht werden kann (vgl. Nida-Rümelin, 2011, S. 11).

Jesper Juul unterscheidet zwischen innerer und äußerer Verantwortung. Innere Verantwort­lichkeit zu übernehmen, bedeute, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen und zu beachten. Jeder Mensch sei einzigartig und müsse für sich selbst Verantwortung über­nehmen und lernen, die eigenen Grenzen zu respektieren. Dieser Entwicklungsprozess er­folge zunächst in Interaktion mit der Herkunftsfamilie (vgl. Juul, 2011, S. 48). Äußere Verant­wortlichkeit sei dagegen die „Verantwortung gegenüber sozialen und kulturellen Werten und Wertesystemen“ (ebd., S. 48). In vergangenen Jahrhunderten sei eher Unterordnung erwar­tet worden, was zwangsläufig eine Vernachlässigung der inneren Verantwortlichkeit zur Fol­ge gehabt habe (vgl. ebd., S. 48).

Eigenverantwortung setzt also Kenntnis und Berücksichtigung sowohl der eigenen Bedürf­nisse als auch die von Gesellschaft und Umwelt voraus. Sie ist von den im gesellschaftlichen Umfeld geltenden Wertvorstellungen, sozialen und religiösen Normen und Vorschriften ge­prägt. Eigenverantwortung hat also auch einen moralischen beziehungsweise ethischen As­pekt und impliziert gerade deshalb die Bereitschaft, die Konsequenzen des entsprechenden Handelns zu tragen.

In diesem Zusammenhang ist außerdem zwischen Verantwortung, die freiwillig und Verant­wortung, die unfreiwillig übernommen wird, zu unterscheiden. Willensfreiheit ist eine grund­legende Voraussetzung für die Übernahme von Verantwortung. Nur so kann sichergestellt werden, dass die verantwortlich handelnde Person auch uneingeschränkt Einfluss auf das Ergebnis nehmen kann (vgl. Prechtl, 2008, S. 75). Von der Eigenverantwortung ist deshalb die Fremdverantwortung abzugrenzen. Fremdverantwortung übernimmt eine Person, wenn sie für das Handeln Anderer verantwortlich ist und für deren Handlungsfolgen aufkommen muss. Da dies ein Risiko für die verantwortliche Person darstellt, werden der anderen Person häufig Beschränkungen und Regeln auferlegt. Die handelnde Person ist also lediglich für die Ausführung, aber nicht die Aufgabe an sich verantwortlich. „Fremdverantwortung setzt vor­aus, dass die handelnde Person von einer übergeordneten Instanz abhängig ist und dieser gegenüber rechenschaftspflichtig ist“ (Moser, 2013, S. 37). Die handelnde Person ist somit fremdbestimmt. Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich oder Lehrkräfte für ihre Schüler:in- nen, zumindest in den frühen Lebensjahren. Sie formulieren Regeln, schränken die Freiheit der Kinder anfänglich ein, um Schaden von ihnen abzuwenden. Heid kritisiert deshalb die Fremdverantwortung als „Schein-Verantwortung“ und schreibt: „Der Handelnde wird auf Zwecke verpflichtet, die er nicht selbst bestimmt hat, aber akzeptieren «muß»[sic!], indem ihm deren «selbstverantwortliche» Erfüllung übertragen wird, oder er wird für die Folgen ei­nes Tuns haftbar gemacht, auf dessen Voraussetzungen er nur unzureichenden Einfluß[sic!] hat“ (Heid, 1991, S. 466).

Die Problematik, mit dieser Ambivalenz im schulischen Kontext verantwortungsvoll umzuge­hen, ist im Thema dieser Arbeit enthalten. Einerseits sind die Lernenden schulpflichtig und werden gesetzlich „gezwungen“ zur Schule gehen, um bestimmtes Wissen und Kompeten­zen zu erwerben. Andererseits sollen sie lernen, Verantwortung selbst zu übernehmen. „Wis­sen heißt auch, Entscheidungen treffen zu müssen und für das eigene Handeln verantwort­lich zu zeichnen“ (Kuwan & Waschbüsch, 1998, S. 89). Minderjährige, Kinder und Jugendli­che sind zunächst nur bedingt in der Lage, Eigenverantwortung zu übernehmen. Die Über­tragung von Verantwortung, in Form von Fremdverantwortung als Vorbereitung auf ihr Leben als Erwachsene, sollte in der Art erfolgen, dass die Kinder nach und nach immer mehr Ver­antwortung übertragen bekommen. Dies sollte dazu führen, dass sie nach Beenden der Schule zu Persönlichkeiten herangereift sind, die Verantwortung für ihr Handeln mit Wirkung auf die eigene Person sowie Umwelt und Gesellschaft tragen können.

Die Begriffe Selbstbestimmung und Eigenständigkeit stehen in besonderem Bezug zur Ei­genverantwortung und sind von dieser abzugrenzen. Eigenständigkeit (oder auch Selbst­ständigkeit) beschreibt die Fähigkeit, autonom handeln zu können. Das heißt, dass die han­delnde Person nicht auf Hilfe von außen angewiesen ist, wobei die Tätigkeiten aber durch­aus fremdbestimmt sein können. Klafki fordert eine Bildung, als „Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung“ (Klafki, 2007, S. 18). Unter Selbstbestimmung wird in Politik und Sozio­logie die „Unabhängigkeit des bzw. der Einzelnen von jeder Art der Fremdbestimmung (z.B. durch gesellschaftliche Zwänge, staatliche Gewalt)“ verstanden (Dudenredaktion, 2019). Ei­genverantwortung setzt die Möglichkeit selbstbestimmt zu handeln voraus. Indem eine Per­son selbstbestimmt agiert, trifft sie eigene Entscheidungen und ist damit für das eigene Han­deln (und Nicht-Handeln) sowie dessen Konsequenzen in Bezug auf sich selbst und andere verantwortlich. Eigenverantwortung meint also die Übernahme der Verantwortung für das eigene selbstbestimmte Handeln. Im Kontext dieser Arbeit soll der Begriff der Eigenverant­wortung nicht nur als die Fähigkeit verstanden werden, das eigene Leben zu „meistern“, sondern auch als sozial kompetentes Mitglied der Gesellschaft das Gemeinwohl zu fördern. Um Entscheidungen zu treffen, benötigt eine Person also auch die Fähigkeit, die Perspektive anderer Menschen einzunehmen beziehungsweise die Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere abschätzen zu können. Es geht darum, Verantwortung für sich und für andere zu übernehmen. So sind auch Retzman et al. der Meinung, dass Verantwortung neben der Sor­ge um das persönliche Wohl auch die Fürsorge für die Mitwelt beinhalte. „Diese Verantwor­tung erstreckt sich insbesondere auf die Sorge um das Wohlergehen anvertrauter, selbst unmündiger und untüchtiger Menschen, [.] auf die verantwortliche Mitgestaltung der Ge­sellschaft und auf ein nachhaltiges Wirtschaften“ (Retzmann et al., 2010, S. 12). Damit wird ganz explizit die Verantwortung der Lehrenden für die Schüler:innen angesprochen; die Ver­antwortung, diese auf dem Weg in die eigene Verantwortlichkeit zu begleiten und sie zur Übernahme von eigener Verantwortung zu befähigen. Aufbauend auf den zuvor dargelegten Grundlagen, wird folgende Arbeitsdefinition formuliert, die in dieser Arbeit Anwendung finden wird. Der Begriff der Eigenverantwortung soll drei Aspekte beinhalten:

1. die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen und das eigene Leben erfolgreich zu gestalten
2. die Bereitschaft, ggf. die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen
3. die Fähigkeit, Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt zu übernehmen.

1.2 Autorität

In diesem Kapitel soll der Versuch einer Definition der Autorität gemacht werden, welche his­torisch und pädagogisch anschlussfähig ist. Dies ist notwendig, weil der Begriff im Alltagsge­brauch sehr unterschiedlich verstanden wird. Autorität ist ein emotional besetzter Begriff, welcher sowohl positive als auch negative Assoziationen hervorrufen kann. So stößt ein „au­toritärer Führungsstil“ meist auf Ablehnung, während es sehr positiv zu sein scheint „Autorität zu besitzen“ (vgl. Baumann-Habersack, 2015a, S. 35). Das folgende Zitat von Hannah Arend verdeutlicht die Begriffsunsicherheit:

„Hinter der scheinbaren Konfusion steht eine theoretische Überzeugung, [...] näm­lich, daß[sic!] es in der Politik immer nur eine entscheidende Frage gäbe, die Fra­ge: Wer herrscht über wen? Macht, Stärke, Kraft, Autorität, Gewalt - all diese Wor­te bezeichnen nur die Mittel, derer Menschen sich jeweils bedienen, um über an­dere zu herrschen; man kann sie synonym gebrauchen, weil sie alle die gleiche Funktion haben.“ (Arendt, 1985, S. 45)

Kann Autorität tatsächlich mit Macht und Gewalt gleichgesetzt werden, wie Hannah Arendt es darstellt? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Autorität einer Person und ihrer Funktion, ihrer Amtsgewalt?

Persönliche Autorität und Amtsgewalt sind zwei verschiedene Begrifflichkeiten, deren Bedeu­tung und Wurzeln, sowie ihre Beziehung zueinander im Folgenden erläutert werden. Hierfür werden die Begriffe Autorität und autoritatives Handeln von der Amtsgewalt und autoritärem Handeln abgegrenzt sowie Strukturmerkmale von Autoritäten benannt.

Autorität kommt von dem lateinischen Wort auctoritas (= Ansehen, Würde). Dies wiederum lässt sich zurückführen auf auctor (= Urheber:in, Schöpfer:in) und das Verb augere (= för­dern, wachsen lassen) (Baumann-Habersack, 2015a, S. 37). Im Gegensatz zur auctoritas (später dann autoritas und schließlich Autorität) steht das lateinische Wort potestas (= (legi­time) Amtsgewalt). Auctoritas beschreibt die Durchsetzungsfähigkeit einer Person allein auf­grund ihrer Persönlichkeit und potestas eine Autorität aufgrund der rechtlich hierarchischen Stellung, wegen des Amtes. In Sinne der zweiten Deutung wird deshalb Autorität häufig mit autoritärem Verhalten, mit Zwang und Gewalt gleichgesetzt. Folglich muss zwischen der Autorität (auctoritas) und der Amtsgewalt (potestas) unterschieden werden. Eine Person mit Amtsgewalt kann dieses Amt auch ohne persönliche, natürliche Autorität ausüben. Allerdings kann auch ein Tyrann, also eine Person, die ihre Amtsgewalt mit besonderer Härte ausübt, eine gewisse persönliche Autorität haben. Adolf Hitler haben die Massen zunächst zugeju­belt. Autorität im Sinne der auctoritas hingegen muss immer wieder neu erworben und aus­gehandelt werden, man hat sie nicht per se. Autorität erwächst aus einem Aushandlungspro­zess, ganz ohne erzwungenen Gehorsam. Im Staatslexikon wird Autorität definiert als „das Vermögen von Personen, Personengruppen, Institutionen, aber auch von Objekten [und] Symbolen [.], das Denken, Verhalten und Handeln von Menschen und Menschengruppen zu bestimmen, ohne dass diese Bestimmung als Zwang empfunden wird“ (Gebhardt, 2019). Es handelt sich also um ein asymmetrisches Machtverhältnis, welches jedoch von den be­troffenen Personen anerkannt wird (Keupp, 2013, S. 22 f). Eben diese Anerkennung ist grundlegend für das Autoritätsverständnis, da es sich hierbei um das Interaktionsprodukt ei­nes kommunikativen Aushandlungsprozesses handelt, welcher der Gewaltherrschaft nicht zugrunde liegt. Autorität entsteht durch den Respekt der anderen, durch Beziehung, die in­nerhalb eines sozialen Settings entsteht und nicht durch einen „zugeschriebenen Herr­schaftsanspruch“ mit Entscheidungs- oder Machtbefugnis (vgl. Baumann-Habersack, 2015a, S. 42). Der Sozialwissenschaftler Ulrich Gebhardt schreibt weiter : „[Autorität] ist nur dann und solange gegeben, als diese von Menschen und Menschengruppen anerkannt wird, d.h. das Ausführen der Befehle oder Anweisungen von [Autoritäten] zumindest bis zu einem ge­wissen Grad freiwillig geschieht“ (Gebhardt, 2019).

An dem Begriff der Autorität sind Kommunikationsprozesse ablesbar, weshalb er insbeson­dere für Historiker eine große Faszination ausübt, da er Aussagen über gesellschaftliche Wandlungsprozesse macht. Wie diese Autorität erworben werden kann, ist deshalb immer gesellschaftlich bedingt. Beispielsweise konnte eine Uniform im 20.Jhd. noch die Autorität ihres Trägers steigern, was heute in dieser Form nicht mehr zwingend der Fall ist. „Mit dem Bedeutungsverlust institutioneller [Autorität] gewinnen Formen personaler [Autorität], die es immer gegeben hat, wieder größere Bedeutung. Als [Autorität] gilt zunehmend nur noch der­jenige, der Individualität, Authentizität und Glaubwürdigkeit „ganzheitlich“ verkörpern kann“ (Gebhardt, 2019). Die auctoritas (Autorität), als zweiseitiger Prozess, beinhaltet somit Absender:in und Adressat:in und muss immer wieder neu ausgehandelt werden, während die potestas (Amtsgewalt) einseitig ist und von außen auferlegt wird und somit ein unilaterales Verhältnis von Befehl und Gehorsam beschreibt. Im schulischen Kontext wird beispielsweise durch das Vergeben von Noten keine Autorität hergestellt; es beruht einzig und allein auf der Amtsgewalt der Lehrperson. Autorität hat eine Lehrkraft erst dann, wenn sie von den Ler­nenden anerkannt wird. Dabei wird also der oben beschriebene zweiseitige Prozesscharak­ter vorausgesetzt. Lehrkräfte ohne Autorität müssen deshalb besonders stark ihre Amtsge­walt ausüben, da ihnen die Anerkennung durch ihr gegenüber fehlt. Baumann-Habersack unterscheidet zwischen dem professionellen Sachwissen sowie den persönlichen Eigen­schaften, welche als Grundlage für eine personale Autorität dienen, welche im Folgenden als 10 persönliche Autorität bezeichnet wird. Diese wird geprägt durch Eigenschaften wie zum Bei­spiel persönliche Integrität, Charakterstärke, Einfühlungsvermögen, Fachkompetenz und die Führungsqualität der Lehrkraft. (vgl. Baumann-Habersack, 2015a, S. 38) Nach dem Soziolo­gen Max Weber beruht Autorität ebenfalls auf Anerkennung und aufbauend auf seinem An­satz wurden Strukturmerkmale der Autorität formuliert, die im Folgenden erläutert werden sollen:

a) Autorität wird einer Person durch andere Menschen zugesprochen und besteht nicht von Natur aus, also ohne deren Zuspruch (vgl. Sofsky & Paris, 1991, S. 20).
b) Autorität beruht auf reziproken Erwartungen, d.h. bei denjenigen, die Autorität zu­sprechen, besteht auch eine Erwartungshaltung in Bezug auf Schutz, Formung der Persönlichkeit etc. (vgl. Sofsky & Paris, 1991, S. 27).
c) Autorität fußt auf freiwilliger Anerkennung. Muss sie eingefordert werden, ist diese bereits lädiert. Sie beruht auf Anerkennung der Überlegenheit der Autoritätsperson, welche in Verbindung mit konkreten Werten am stärksten ist und eine Vorbildfunktion impliziert. Strafen und andere Machtmittel sind deshalb nicht notwendig. (vgl. Geb­hardt, 2019)
d) Autorität beruht auf Personalität, die auf der Wertschätzung der gesamten Person gründet. Die autoritative Ausstrahlung jener Person führt zu einer objektiven Wahr­nehmung von deren Autorität. (vgl. Gebhardt, 2019)
e) Auch wenn Autorität auf Anerkennung fußt, ist sie in gewisser Weise inszeniert. Sie muss den Anschein erwecken, unabhängig von der Akzeptanz des Gegenübers zu sein, um Selbstständigkeit zu demonstrieren. (vgl. Gebhardt, 2019)

Die Akzeptanz der Autorität ist notwendig und führt zu einem gewissen Maß an Gehorchen­wollen, wobei die Motivation für den Gehorsam „allein in der aus Begeisterung oder Not und Hoffnung geborenen, gläubigen, ganz persönlichen Hingabe an die außerordentlichen Quali­täten einer Person“ (Weber, 1976, S. 140) zu finden ist und nicht auf Traditionen, Hierarchie­strukturen oder formalen Kriterien beruht .

Eltern und Lehrkräfte, auch der Bundespräsident, müssen ihre Autorität täglich aufs Neue erarbeiten, indem sie sowohl Persönlichkeit als auch Sachkompetenz in die Waagschale le­gen (vgl. Baumann-Habersack, 2015a, S. 40 f). Dies gelingt selbstverständlich nicht immer, weshalb dann Sanktionen und Disziplin gefordert werden: „In der Politik („Zero tolerance!“) [und] in der Schule („6!“). [.] Doch diese im Grunde hilflosen Varianten der Sanktionsautori­tät helfen paradoxerweise nicht dabei, die Wertschätzung der Führung zu stabilisieren, son­dern höhlen diese sogar weiter aus“ (ebd., S. 40 f). Ein solches Vorgehen hat häufig eher Verachtung als mehr Respekt zur Folge. Lehren und Lernen erfolgt in einem Spannungsfeld zwischen Autorität und Bürokratie, zwischen auctoritas und potestas. Dabei bedarf es natür­lich auch eines gewissen Sanktionssystems, um die Kontrolle zu behalten (potestas). Den­noch wird die Bürokratie erst erfolgreich sein, wenn sie auf der Beziehungsebene (auctoritas) anerkannt und respektiert wird . Anerkennung lässt sich jedoch nicht erzwingen, sodass ein struktureller Konflikt besteht. (ebd., S. 40 f) Trotzdem scheint die Anerkennung einer Amtsau­torität in der Regel sehr reizvoll, da sie, im Gegenzug für Unterordnung und Akzeptanz, Si­cherheit bietet und Gemeinschaft ermöglicht. Die Handlungsfreiheit ist durch die Autorität einer anderen Person zwar teilweise eingeschränkt, doch wird sie durch den Vorteil der Handlungssicherheit größtenteils als positiv erlebt. (vgl. Keupp, 2013, S. 23)

„Autorität als bejahte Abhängigkeit kann sowohl fortschrittliche, dem Interesse der Beteiligten entsprechende [.] Verhältnisse bedeuten, als [auch] einen Inbegriff künstlich aufrecht erhal­tener, längst unwahr gewordener gesellschaftlicher Beziehungen und Vorstellungen, die den wirklichen Interessen der Allgemeinheit zuwiderlaufen“ (Fromm & Horkheimer, 1936, S. 24). Basierend auf diesen Erläuterungen soll abschließend herausgestellt werden, was in dieser Arbeit konkret unter Autorität verstanden werden soll. Persönliche Autorität bedeutet, dass sich eine Person sowohl aufgrund ihrer Persönlichkeit als auch aufgrund ihrer Fachkompe­tenz authentisch durchsetzen kann. Diese Person ist anerkannt, wird akzeptiert und erhält dadurch ihre Macht- und Handlungsbefugnis (auctoritas). Eine Autorität, welche ihre Macht und Handlungsbefugnis lediglich mit einer zugeschriebenen Funktion oder einem Amt legiti­miert, die sich auf Befehl und Gehorsam gründet sowie gegebenenfalls mit Strafen sanktio­niert wird mit formaler Autorität bezeichnet (potestas) (vgl. Sofsky & Paris, 1991, S. 42).

2 Problemanalyse

2.1 Forderung nach (Schlüssel-) Kompetenzen

Laut Artikel 7 des Grundgesetzes steht das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates, obgleich Artikel 6 besagt, dass die Erziehungspflicht zuvörderst bei den Eltern liegt und deren natürliches Recht ist (vgl. Deutscher Bundestag, o. J.). In erster Linie obliegt also die Verantwortung der Erziehung den Eltern, und stellvertretend für den Staat den Lehrkräf­ten und Erzieher:innen. Sie sind Bildungspartner, welche (im besten Fall) das gemeinsame Ziel „Erziehung“ verfolgen. Weiterhin besteht eine Schulpflicht, weshalb der Pädagoge Je­sper Juul provokant formuliert hat, dass Kinder einen großen Teil ihrer Kindheit in pädagogi­schen „Zwangseinrichtungen“ verbringen würden (vgl. Juul, 2011, 10min13). Die Lehrperso­nen in diesen Einrichtungen müssten ihre Arbeit an mehr als nur einem normativen Refe­renzsystem orientieren: auf der einen Seite an Schüler:innen und Eltern sowie auf der ande­ren Seite an Bildungspolitik und Gesellschaft (vgl. Tenorth, 2006, S. 585). Nicht zuletzt müss­ten sie auch ihren eigenen Ansprüchen und persönlichen Bedürfnissen Rechnung tragen.

Zunächst sollen deshalb auf einer übergeordneten Ebene die Rahmenbedingungen des Bil­dungssystems in Deutschland betrachtet werden. Hierbei sollen wichtige Grundvorausset­zungen für die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen dargestellt und Probleme deutlich gemacht werden. Im Anschluss daran werden die Anforderungen an die Lehrkraft als Vermitt- ler:in von Kompetenzen beschrieben.

2.1.1 Bildungspolitik

Die Konferenz der Kultusminister (KMK) hatte mit dem sogenannten Konstanzer Beschluss im Jahr 1997 bereits die Grundlagen für einen Leistungsvergleich innerhalb der Bundesre­publik gelegt. Nach dem sogenannten PISA-Schock im internationalen Vergleich kam es zu einer grundlegenden Neuorientierung in der Bildungspolitik. „Durch die Ergebnisse von TIMSS, PISA und IGLU ist deutlich geworden, dass die in Deutschland vorrangige Input­steuerung allein nicht zu den erwünschten Ergebnissen im Bildungssystem führt“ (KMK, 2005, S. 5). So lagen beispielsweise die Leistungen für mathematische Grundbildung im Jahr 2000 unterhalb des OECD-Durchschnitts und eine große Leistungsstreuung wurde deutlich (vgl. OECD, 2001, S. 94). Die Ergebnisse der PISA-Studie sollten dabei helfen, die Bildungsziele zu operationalisieren und zusätzlich lebensrelevante Kompetenzen zu identifi­zieren. Man befürwortete eine Verlagerung von der Input- auf die Output-Steuerung (vgl. OECD, 2001, S. 3). Die KMK führte in Folge dessen in den Jahren 2003 und 2004 (vgl. KMK, 2005, S. 5) bundesweite Bildungsstandards für einige Fächer und Jahrgangsstufen ein.

Die erwähnte Input-Steuerung meint, dass die Rahmen- und Lehrpläne zunächst nur auf die Lerninhalte bezogen waren, die vermittelt werden sollten. Output-Steuerung definiert nun die zu erreichenden Lernergebnisse. (vgl. Küster, 2016, S. 83) „[Die Bildungsstandards] formu­lieren Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule. Sie benennen Ziele für die pädagogische Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und 13 Schüler“ (KMK, 2005, S. 10). Die Forderung nach Schlüsselkompetenzen führte infolge zu einer zentralen Stellung des Kompetenzbegriffs in den didaktischen Diskursen. Die Bil­dungsstandards legen fest, welche Kompetenzen die Schüler:innen, in dem speziellen Fach und zu einem bestimmten Zeitpunkt, erlangen sollen. Sie stellen ein mittleres Anforderungs­niveau (Regelstandards) dar, welches von allen Lernenden erreicht werden soll. (KMK, 2005, S. 6) An dieser Stelle ist es wichtig, diesen Paradigmenwechsel auch zu hinterfragen. Zum einen scheint das Ziel von einer Input- zu einer Outputsteuerung zu wechseln leichter gesagt als getan, denn ohne Input erfolgt auch kein Output (vgl. De Florio-Hansen, 2008, S. 69). Die Kompetenzbeschreibungen der KMK beschränken sich außerdem nur auf die „funktional­pragmatischen Leistungsanforderungen [.] und weiterführende fachimmanente und fächer­übergreifende Bildungsziele [werden] nicht konkretisier[t]“ (ebd., S. 62). Zum anderen darf nicht vergessen werden, dass auch vorher bereits, neben den zu vermittelnden Inhalten, Kompetenzen unterrichtet wurden. Der Unterschied zur traditionellen Wissensorientierung liegt darin, dass die neue Kompetenzorientierung Fähigkeiten in den Mittelpunkt rückt, die sich an Kompetenzmodellen orientieren (vgl. Benner, 2012, S. 103) und sich nicht allein auf den Inhalt fixieren. Zum Verständnis des Kompetenzbegriffs soll an dieser Stelle eine Defini­tion von Franz E. Weinert herangezogen werden:

„Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren ko­gnitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und ver­antwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001, S. 27-28).

Trautwein und Kunert definieren Kompetenzen wie folgt: „Kompetenz beschreibt die persön­lichen Voraussetzungen zur erfolgreichen Bewältigung spezifischer situationeller Anforde­rungen und ist prinzipiell erlern- und vermittelbar“ (Kunter & Trautwein, 2018, S. 144). Was aus diesen Definitionen deutlich hervorgeht, ist die Prämisse der Bildsamkeit. Kompetenzen werden als erlernbar beschrieben und eben dies ist eine wichtige Grundvoraussetzung für den Unterricht. Bereits Platon schrieb in seiner Abhandlung über den Staat, dass der Mensch ein lernendes Wesen sei, welches von Natur aus der Erziehung bedürfe (vgl. Ben­ner, 2012, S. 39). Die Grundlage der Vermittlung von Kompetenzen liegt somit bereits in der Definition von Kompetenz, da aus der Erlernbarkeit auch eine Vermittelbarkeit folgt, die für das Unterrichten notwendig ist. Erwähnt werden sollte ebenfalls, dass die Kompetenz nur das Handlungspotenzial beschreibt und sich von der tatsächlichen Ausführung, der Perform­anz, unterscheidet. Eine Kompetenz kann nicht gemessen werden, die erfolgreiche Bewälti­gung einer Situation lässt jedoch einen Rückschluss auf vorhandene Kompetenzen zu. (vgl. Lersch, 2010, S. 5)

Weiterhin lassen sich Kompetenzen in fachliche und überfachliche Kompetenzen unterteilen. Zu den fachlichen Kompetenzen zählt ein fundiertes, inhaltliches Fachwissen und ebenso Strategien, wie dieses Wissen angewendet werden kann. Es handelt sich diesbezüglich um Sachkompetenz. Unter die überfachlichen Kompetenzen fällt der Erwerb von Schlüsselquali­fikationen und Sozialkompetenzen wie Kooperationsfähigkeit, Empathie und Selbstständig- 14 keit. Außerdem gehören sogenannte selbstregulative Kompetenzen dazu, welche ein „Sys­tem von kognitiv-motivationalen Handlungs- und Wertorientierungen“ (ebd. S. 6) implizieren. Dies lässt sich unter der Selbstkompetenz zusammenfassen. Diese Unterteilung soll anhand des nachfolgenden Kompetenzmodells (siehe Abb.1) genauer erläutert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der vertikale Lerntransfer bezieht sich auf die Vermittlung von intelligentem Wissen und wird zum Beispiel durch Vernetzung von Wissen oder gemeinsamen Erarbeiten gefördert. Der horizontale Lerntransfer beschreibt die Anwendungsfähigkeit des gelernten Wissens, welche durch situiertes Lernen, Übertragen und Anwenden entsteht. Im Kompetenzbegriff fallen Wissen und Können zusammen, sodass die Kombination des vertikalen und horizontalen Lerntransfers als fachliche Kompetenz beschrieben werden kann. (vgl. Lersch, 2010, S. 15) Die überfachlichen Kompetenzen übersteigen die erlernbaren fachlichen Kompetenzen und werden im Kontext des Fachunterrichts erworben. Hier geht es beispielsweise um Koopera­tionsfähigkeit oder das “Lernen des Lernens“. Dies kann grundsätzlich in allen Fächern erfol­gen, jedoch müssen explizit Lerngelegenheiten dafür geschaffen werden. Der Erwerb über­fachlicher Kompetenzen ist also im Prozess des fachlichen Kompetenzerwerbs möglich. (vgl. ebd., S. 16)

Zuletzt beschreibt der reflexive Lerntransfer den Erwerb der selbstregulativen Kompetenzen, da es „um den Rückbezug der erworbenen Kompetenzen auf die subjektiven Motive des Handelns geht, im Sinne einer verantwortungsvollen Kompetenznutzung“ (ebd., S. 19). Der Kompetenzerwerb soll folglich ebenso auf die Entwicklung eines Wertesystems abzielen, sodass unter die selbstregulativen Kompetenzen auch personale und soziale Kompetenzen fallen, z.B. Eigenverantwortung, Rücksichtnahme und Selbstregulierung (vgl. ebd., S. 18).

Es wird deutlich, dass der Bildungsauftrag nicht nur auf fachliche Kompetenzen, sondern auch auf die Entwicklung der Persönlichkeit abzielt. „Schüler sollen zu mündigen Bürgerin­nen und Bürgern erzogen werden, die verantwortungsvoll, selbstkritisch und konstruktiv ihr berufliches und privates Leben gestalten und am politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können“ (KMK, 2005, S. 6 f). Dieser anforderungsorientierte Ansatz bezieht sich folglich auf die Fragestellung welche Kompetenzen benötigt werden, um sich in der Welt zu­recht zu finden. Diese orientieren sich sowohl an gesellschaftlichen als auch an individuellen Zielen. (vgl. Rychen, 2008, S. 16) Bildung im Sinne von Kompetenzvermittlung soll die Men­schen dazu befähigen sich selbst zu bilden (vgl. Heinemann, 2008, S. 54) und stellt so die Voraussetzung für ein lebenslanges Lernen dar. Die Anforderungen an Wissen und Können verändern sich so schnell, dass die Erziehungsziele nicht nur von Fachwissen abgeleitet werden können. Es ist vielmehr notwendig, grundlegende Kompetenzen zu vermitteln, die rationales Handeln und urteilen ermöglichen und Menschen befähigen, in neuen Lebenssi­tuationen angemessen zu reagieren. (vgl. Benner, 2012, S. 16)

In dieser Arbeit wird der Fokus auf der selbstregulativen Kompetenz der Eigenverantwortung liegen, die im ersten Kapitel bereits definiert wurde. Warum der Eigenverantwortlichkeit eine derart zentrale Rolle zukommt, soll im Folgenden begründet werden. Neben beispielsweise dem Erwerb digitaler Fachkompetenzen bedarf es anwendungsbezogener und insbesondere kritisch-reflexiver Kompetenzen, die zu souveränem und mündigem Umgang mit den gesell­schaftlichen Auswirkungen z.B. der Digitalisierung befähigen. (vgl. Autorengruppe Bildungs­berichterstattung, 2020, S. 297). Eigenverantwortung stellt eine Metakompetenz dar, die als Voraussetzung für den Erwerb weiterer Kompetenzen zu sehen ist. Dies formuliert Sauter folgendermaßen: „Erfolgreiche Kompetenzentwicklung setzt Eigenverantwortung und Selbst­organisation, Lernen in realen Herausforderungssituationen sowie die Anwendung und Be­währung in der eigenen Lebenswelt voraus“ (2019, S. 2). In den Bildungstheoretischen Grundlagen beschreibt auch Klafki Bildung als Befähigung frei zu denken und eigene morali­sche Entscheidungen zu treffen (vgl. Klafki, 2007, S. 19). Entsprechend hat auch die Kul­tusministerkonferenz bereits 1973 das eigenverantwortliche Handeln als eines der Bildungs­ziele der Schule benannt (vgl. KMK, 2005, S. 7). Sie fordert, dass die Lernenden zu „mündi­gen Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden, die verantwortungsvoll [und] selbstkritisch ihr privates und berufliches Leben gestalten“. Der Bildungsauftrag gehe über Bildungsstandards hinaus und nehme auch die Persönlichkeitsentwicklung in den Blick (ebd., S. 6). Die Erzie­hung zur Mündigkeit und die damit verbundene Eigenverantwortung forderte bereits Kant 1784, der die Menschen dazu aufrief ihrer (selbstverschuldeten) Unmündigkeit zu entfliehen und mit Hilfe des eigenen Verstandes selbst die Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen (vgl. Klafki, 2007, S. 19). Untersuchungen von John Hattie haben gezeigt, dass viele ver­schiedene Faktoren Einfluss auf das Lernen der Schüler:innen hätten und Lernen ein einzig­artiger Prozess sei, der bei jeder Person anders verlaufe. Eigenverantwortliches Handeln 16 versetze die Schüler:innen in die Lage, nach ihren persönlichen Bedürfnissen zu arbeiten und sich selbstständig zu organisieren, sodass die Aufgabe der Lehrpersonen zunehmend das Schaffen von Lernräume sei. (Erpenbeck & Sauter, 2019, S. 239 f) Die Bedeutung der Eigenverantwortung ist vielschichtig. Deshalb müssen die Schüler:innen darin unterstützt werden, immer mehr Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Auch wenn die Eigenver­antwortung nicht die einzig wichtige Kompetenz ist, so nimmt sie insofern eine Schlüsselstel­lung ein, als sie auch den Erwerb von anderen Kompetenzen und Wissen erleichtern sollte. Ganz in diesem Sinne hat die Gesamtschule Münster-Mitte mit ihrem Konzept des selbstor­ganisierten Lernens den deutschen Schulpreis 20/21 gewonnen. Die Schule soll großen Wert darauflegen, dass die Lernenden Selbstwirksamkeit erfahren, indem sie Verantwortung für den eigenen Lernprozess übernehmen.

Zur Einführung der Bildungsstandards und der Output-Orientierung wurde auch Kritik laut. Beispielsweise wurde die Befürchtung geäußert, dass die Fokussierung auf die Lernergeb­nisse zu einem sogenannten “teaching-to-the-test“ führen könnte, um in internationalen Ran­kings erfolgreich abzuschneiden (vgl. Heinemann, 2008, S. 53). Auch Benner fragt kritisch, ob das erfolgreiche Lösen von Vergleichstest wirklich lebensrelevante Kompetenzen vermit­teln würde (vgl. Benner, 2012, S. 104). Außerdem wird Kritik daran geäußert, dass die PISA­Studie von einer internationalen Wirtschaftsorganisation (OECD) durchgeführt wird. Diese Kritiker sehen die PISA-Studien eher als eine Markterschließungsstrategie der Wirtschaft, die Bildung nach den Bedürfnissen der Industrie auszurichten versuche, statt die „soziale Selek­tivität der Bildungsinstitutionen [zu beheben]“(Heinemann, 2008, S. 53). Die Interpretation der PISA Ergebnisse und die Neuorientierung in Richtung von Kompetenzen sind also nicht unumstritten.

2.1.2 Wirtschaft, Politik und Gesellschaft

„Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die heutigen Unterrichtsmethoden längst überholt sind und den Anforderungen der Berufswelt nicht mehr gerecht werden [.]“ (Klip- pert, 2007, S. 112). Immer öfter finden sich solche Stellungnahmen von Seiten der Wirtschaft und Kritiker:innen, welche die Unterrichtsmethoden bemängeln, wovon einige im Folgenden genannt werden sollen.

Das Bildungs-Delphie hat sich mit den Auswirkungen einer sich rasant weiterentwickelnden Wissensgesellschaft auseinandergesetzt. Delphie-Studien sind Expertenbefragungen, an denen in diesem Fall 669 Expert:innen aus Theorie und Praxis teilnahmen und zu verschie­denen Themenbereichen befragt wurden. Sie waren sich einig: Zwischen den im Bildungs­system erworbenen Kompetenzen und den jeweiligen Anforderungen, beispielsweise von der Wirtschaft, bestehe eine Kluft, die eine Veränderung notwendig mache (vgl. Kuwan & Waschbüsch, 1998, S. 51). Sie vermuteten, dass die überfachlichen Kompetenzen zu wenig trainiert würden, sodass die Schulabgänger:innen den Anforderungen im Beruf nicht genüg­ten. Die Mehrheit, der auf der Konferenz Anwesenden, ging also bereits vor über 20 Jahren davon aus, dass im Jahr 2020 der Erwerb bestimmter Kompetenzen zur Aneignung von Wis­sen im Fokus stehen und wichtiger als das reine Fachwissen sein werde. Außerdem vertra­ten sie den Standpunkt, dass die Eigenverantwortung des Individuums zunehmen werde. (vgl. ebd., S. 14)

Der Schulforscher und Erziehungswissenschaftler K.-J.Tillmann untersuchte den Ausbil­dungsmarkt, sowie den Übergang vom Bildungssystem ins Beschäftigungssystem. Er stellte fest, dass „es [.] inzwischen eine deutlich differenzierte Sicht aus dem Wirtschafts- und Un­ternehmerlager auf die allgemeinbildenden Schulen [gibt]: Der Glaube an die Richtigkeit ei­ner möglichst geradlinig ausgerichteten Stoff- und Lernschule ist zumindest in den veröffent­lichten Aussagen erheblich geschwunden“ (Tillmann, 2005, S. 143). Die Bielefelder Absol­ventenstudie habe gezeigt, dass die kommunikativen und sozialen Kompetenzen in den Be­trieben weit stärker gefordert würden als im schulischen Kontext (Tillmann, 2005, S. 143). Diese Sichtweise der Wirtschaft wird auf der Tagung Gesprächskreis Ausbildung 2000 bestä­tigt. Einige Wirtschaftsvertreter:innen von Großbetrieben wie Bosch, BMW und Miele kritisier­ten, dass die Abiturient:innen zu „Einzelkämpfer:innen“ ausgebildet würden und ihnen an­schlussfähiges Wissen sowie Schlüsselkompetenzen wie Teamgeist, Lernbereitschaft und ebenso Eigenverantwortung fehlten (vgl. Becker & Seydel, 1993, S. 86). Der frühere Perso­nalvorstands von Otto, K.-A. Hopman forderte die Gymnasien auf, ihren Bildungsauftrag besser auf die Arbeitswelt auszurichten, die sich in permanentem Wandel befinde. Insbeson­dere sollten Verantwortungsbewusstsein und Einsicht in die Arbeitswelt vermitteln werden. (vgl. ebd., S. 107) Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Karlheinz Kaske der Siemens AG äußerte sich bezüglich der Frage, welche Anforderungen an Abiturient:innen im Jahr 2001 gestellt würden, bereits 1993, dass nicht nur Allgemeinbildung vermittelt, sondern ebenso Einstellungen und persönliches Verhalten thematisiert werden müssten. Es sei wichtig, die jungen Menschen in einer sich schnell verändernden Welt zu kooperativer und erfolgreicher Zusammenarbeit zu befähigen (Kaske, 1993, S. 22).

Die veränderten Anforderungen an Kompetenzen werden besonders darin deutlich, dass bis in die 80-er Jahre häufig Mitarbeiter:innen gesucht worden seien, die bereit waren, Anwei­sungen ohne sie zu hinterfragen, auszuführen, während Firmen heutzutage Schlüsselqualifi­kationen wie Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit und Problemlöse­kompetenz forderten (vgl. Klippert, 2007, S. 20 und Autorengruppe Bildungsberichterstat­tung, 2020, S. 232). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, welche Kompetenzen wie Eigenverantwortung, Selbstwertgefühl und Teamfähigkeit in den Fokus der Bildungsarbeit rückt (Brockhagen et al., 1999, S. 9).

Klafki sieht Bildung im Zusammenhang mit den drei Grundfähigkeiten: Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidaritätsfähigkeit. Diese grundlegenden Fähigkeiten seien es, die im Arbeitsleben und in der Gesellschaft für ein gutes Miteinander erforderlich seien. (Klafki, 2007, S. 52) Für Klafki bedeutet Allgemeinbildung die Vermittlung eines geschichtlichen Be­wusstseins, welches zum einen die Probleme der Gegenwart als auch jene der Zukunft in den Blick nehme. Er fordert die Bereitschaft, sich für deren Lösung einzusetzen und sich mit- 18 verantwortlich zu fühlen. (ebd., S. 56) Die Frage nach den zentralen Problemen und den zu deren Lösung notwendigen Kompetenzen ist jedoch nicht einfach zu beantworten. Das Insti­tut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nahm diese Problematik bereits 1974 wahr und äußerte sich bezüglich der zu vermittelnden Inhalte wie folgt: „[Es] zeigt sich eine grundle­gende Unsicherheit über diejenige Art von Bildung, welche als ernst- und dauerhaft ver­wendbarer Grundstock für die berufliche Existenz anzusehen ist. [.] Der rasche Wandel von Arbeitsplatzverhältnissen verbietet es, berufliche Bildung unmittelbar auf gegebene Arbeits­plätze auszurichten“ (Mertens, 1974, S. 39). Die Ausganghypothese der Bildungsziel-Überle­gungen sei die notwendige Ablösung des Faktenwissens durch ein instrumentelles Bildungs­verständnis (vgl. ebd., S. 40). Die auszubildenden Schlüsselqualifikationen seien folglich nicht durch den unmittelbaren Bezug gekennzeichnet, sondern durch ihre Eignung Anforde­rungen, die im Laufe des Lebens bestehen und sich in oft unvorhersehbarer Weise verän­dern, zu bewältigen (ebd., S. 40).

Firmen und Unternehmen fordern nicht nur gewisse Kompetenzen, sondern machen auch Vorschläge, wie Unterricht gestaltet werden sollte, um die nötigen Kompetenzen zu vermit­teln. So beispielsweise von Siemens: „Warum macht man nicht öfters den Weg zum Ziel? Warum sollen Schüler nicht häufiger versuchen, sich innerhalb einer Gruppe einem Problem zu nähern, eine Lösungsstrategie zu entwickeln und zu diskutieren“ (Klippert, 2007, S. 21). Diese Frage muss von Lehrkräften beantwortet werden, die sich in Klassen wiederfinden, in denen die Leistungsheterogenität in den letzten Jahren stark angestiegen ist, sodass häufig ein Fünftel der Klasse als leistungsschwach einzustufen ist (vgl. Autorengruppe Bildungsbe­richterstattung, 2020, S. 138) und aufgrund von Zuwanderung teilweise Sprachbarrieren, sowie kulturelle Unterschiede bestehen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020, S.27). Ein derartiger Unterricht ist sicherlich erstrebenswert, doch stellt sich immer auch die Frage nach der Umsetzbarkeit. Allerdings gibt es auch Wirtschaftsvertreter:innen, die Ver­ständnis für die Anforderungen der Lehrpersonen haben. So äußerte sich der Vorsitzende des Bildungsausschusses von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Ich habe höchsten Respekt für die tägliche pädagogische Arbeit der vielen Lehrerinnen und Lehrer, zumal in oft nicht ein­fachen Situationen“ (BDA, 2020, S. 3) und fordert Unterstützung und mehr Wertschätzung für den Lehrberuf. Auch Becker& Seydel machen in ihrem Bericht darauf aufmerksam, dass Lehrkräfte mit vielen Herausforderungen konfrontiert sind, welche manchen Wirtschaftsver- treter:innen nicht bewusst seien (vgl. Becker & Seydel, 1993, S. 15). „Wäre dies den Ab­nehmern deutlicher, könnten sie die Forderungen und die großen Wünsche, die sie von au­ßen gern an eine Schule herantragen, wirksam relativieren“ (ebd., S. 15). Abnehmer: innen, sind diejenigen, die nach der schulischen Ausbildung mit den jungen Menschen zu tun ha­ben. Teilweise scheint es, als sähen diese die Schüler:innen als Produkte, gar Humankapital an (vgl. ebd., S. 14).

Die Kritik von Seiten der Wirtschaft mag sicherlich in einigen Punkten gerechtfertigt sein, doch stellt D. Benner in Frage , ob eine bestmögliche Vorbereitung auf den beruflichen Alltag 19 und die Ausrichtung an punktuellen Anforderungen der Wirtschaft und Gesellschaft das Hauptziel der Schule sein sollten (vgl. Benner, 2012, S. 16). Wie in Kapitel 2.1 dargestellt wurde, zielt Bildung neben den fachlichen Kompetenzen ebenso auf eine umfassende Ent­wicklung der Persönlichkeit ab (vgl. KMK, 2005, S. 6) und geht demnach über die Forderun­gen der Wirtschaft hinaus. Des Weiteren kritisiert Tillmann, dass die von der Wirtschaft ge­forderten Kompetenzen nur unzureichend differenziert beschrieben würden. Die Forderung nach Kooperationsfähigkeit beispielsweise sei widersprüchlich: Kooperationsfähigkeit bei Führungskräften heiße, „lernen sich mit Fingerspitzenggefühl durchzusetzen“ (Heid, 1991, S. 106) während Kooperationsfähigkeit bei Angestellten auf die Fähigkeit Anforderungen zu er­füllen abziele. Im Grunde zeige sich an dieser Stelle eine Hierarchisierung, die, so scheint es, verschleiert werden soll (vgl. Tillmann, 2005, S. 145). Diese Ambivalenz könnte ebenso für die Forderung nach Eigenverantwortung zutreffen. Schon Max Weber war der Meinung, dass man nur Verantwortung für etwas übernehmen könne, worauf man selbst verändernden Einfluss habe (vgl. Weber, 1988, S. 551). „Unter diesen Voraussetzungen ist die geforderte Verantwortlichkeit geradezu strukturell darauf reduziert, daß[sic!] jeder den jeweils vorgefun­denen Arbeitsauftrag sich selbst zu eigen, ja zur Gewissensangelegenheit macht, [...] akzep­tiert und möglichst aus eigenem Antrieb tut, was von ihm verlangt wird“ (Heid, 1991, S. 461). Bei der Übertragung der Verantwortung werde die handelnde Person auf ein Vorhaben ver­pflichtet, welches sie akzeptieren müsse, auch wenn sie den Zweck nicht selbst bestimmt habe (Fremdverantwortung). Diese Person könne für mögliche Folgen ihres Handelns im Grunde nicht haftbar gemacht werden, weil sie keinen oder nur geringen Einfluss auf die Voraussetzungen gehabt habe. (Heid, 1991, S. 466) K.-J. Tillmann stellt deshalb die Frage, ob Schule wirklich auf eine solche “halbierte Verantwortlichkeit“ vorbereiten oder diese nicht vielmehr durchschaubar machen solle, aufzeigen, welche Machtverhältnisse diesen Anforde­rungen zugrunde lägen (vgl. Tillmann, 2005, S. 145).

Der Lernvorgang, Verantwortung selbst zu übernehmen, beginnt in der Kindheit zwangsläufig fremdbestimmt und sollte sich dann bis zum Erwachsenenalter zu einer persönlichen Eigen­verantwortung entwickeln (Bueb, 2007, S. 11). In jungen Jahren sind die Lernenden nämlich noch nicht in der Lage, die volle Verantwortung zu übernehmen, sodass ihnen Verantwortung erst sukzessiv übertragen werden kann. Es gilt deshalb zu unterscheiden, ob es sich um eine Scheinverantwortlichkeit handelt oder ob die Schüler:innen noch nicht in der Lage sind, die volle Verantwortung selbst zu tragen. Dabei muss sich die Lehrperson immer wieder die Kant'sche Frage stellen: „Wie kultiviere ich die Freiheit in dem Zwange?“ und das Lehren und Lernen bezüglich einer “Scheinverantwortlichkeit“ hinterfragen. Dies hängt davon ab, ob die Lehrperson wirklich bereit ist, die Zügel nach und nach aus der Hand zu geben.

Eigenverantwortung ist sicherlich eine Kompetenz, die für alle Lebensbereiche von besonde­rer Bedeutung ist. Deshalb ist es wichtig, den Lernenden zu vermitteln, was es heißt, ver­antwortlich zu sein und welche Voraussetzungen dafür erforderlich sind (vgl. Heid, 1991, S. 465). Die Förderung von Eigenverantwortung sollte nicht nur zum Ziel haben aus dem „Sol­len“ ein „Wollen“ zu machen, welches wirtschaftlich gewünscht ist. Es geht vielmehr darum, 20 mit kritischem Blick die gegebenen Umstände und Voraussetzungen zu untersuchen und persönlich darauf zu reagieren. Dies unterstützt die Bildungskomission der Heinrich-Böll-Stif­tung, welche eine Empfehlung bezüglich der zu erreichenden Schlüsselkompetenzen abge­geben hat. Sie fordert ebenfalls die Förderung von zukunftsrelevanten Kompetenzen und präzisiert dies wie folgt: „Schulen müssen der lebensweltlichen, sozialen und kulturellen Ori­entierung der Individuen dienen, d.h. ihnen soziale, berufsbefähigende und kulturelle Kompe­tenzen (z.B. Beschäftigungsfähigkeit, Kulturfähigkeit und Gesellschaftsfähigkeit) vermitteln, ohne dass dies der bloßen Anpassung an die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse gleichkommt“ (Heinrich-Böll-Stiftung. Bildungskommission, 2003, S. 5). Damit soll deutlich gemacht werden, dass der Fokus nicht nur auf der Beschäftigungsfähigkeit liegen sollte, sondern Kompetenzen zur individuellen Teilhabe an der Gesellschaft und zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit vermittelt werden müssen (vgl. ebd., S. 8).

Der Gemeinschaftsaussschuss der deutschen gewerblichen Wirtschaft, darunter BDA und BDI, sieht den Bildungsauftrag darin, dass die Lernenden durch die Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt dazu befähigt werden, sich eigenständig neues Wissen anzueignen, welches sie kritisch bewerten und in größere Zusammenhänge einordnen können (vgl. Retzmann et al., 2010, S. 34). Die hierfür notwendigen Kompetenzen wie Selbstständigkeit und Verant­wortungsbewusstsein fordert auch die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2009, S. 48). Zusammenfassend zeigt sich, dass wie die Vertreter der Bildungspolitik im vorigen Kapitel auch Vertreter der Wirtschaft den Überfachlichen Kompetenzen eine besondere Bedeutung beimessen und hierbei insbeson­dere der Kompetenz der Eigenverantwortung.

2.1.3 Pädagog:innen

In dem fachwissenschaftlichen Nachschlagewerk Enzyklopädie der Neuzeit wird Bildung, als ein Formationsprozess beschrieben, „in dessen Verlauf das Individuum durch Erziehung und eigene Anstrengungen zu einer Persönlichkeit werden soll, die den Normen der ihn bestimm­ten Gesellschaft möglichst gut entspricht [.] “(Walther, 2005, S. 1). Diese Ausrichtung der Bildung an Gesellschaft und Politik ist jedoch nicht unumstritten. Jean-Jaques Rousseau war der radikalen Ansicht, dass Bildung nur außerhalb von Gesellschaft stattfinden dürfe, damit sich das Individuum frei von dieser entfalten könne (vgl. ebd., S. 10). In seinem Werk Emile ou de l'éducation schreibt er: „Sitöt donc que l'éducation est un art, il est presque impossible qu'elle réussise [...]“ (Rousseau, 1905, S. 2). Er sieht Erziehung jedoch als Kunst an, welche kaum gelingen könne, und ihm selbst bekanntlich auch nicht gelungen ist. Er strebt eine neue Gesellschaft durch Bildung an und scheint sich gleichzeitig bewusst zu sein, dass seine Vorstellungen schwer umsetzbar sind, da Bildung nicht losgelöst von Gesellschaft erfolgen kann. J.G.Herder kritisierte in Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit im Jahr 1774 das Bildungsverständnis der Aufklärung. Bildung vermittle nicht das Wesentliche von Leben, Geschichte und Kultur, sondern sei „ein Sklave des politischen Kalküls“ (Walther, 2005, S. 11). Auch der Pädagoge Friedrich Herbart äußerte sich über die Erziehung unter öffentlicher Mitwirkung und sagte, dass der Weg von der Politik in die Päd­agogik ein verkehrter sei, da Politik und Pädagogik verschiedenen Handlungslogiken ver­pflichtet seien (Herbart, 1810, S.146). Dies erklärt er damit, dass Erziehung nicht nur als Mit­tel zum Zweck betrachtet werden dürfe. Politiker seien (meistens) keine Pädagogen und deshalb nicht befähigt pädagogische Konzepte zu entwickeln. (ebd., S.145) Auch der Erzie­hungswissenschaftler Dietrich Benner beschreibt das traditionelle Selbstverständnis, wel­ches die Ziele der Erziehung aus den Anforderungen der Gesellschaft ableitet, in welcher die Lernenden groß werden, als ungeeignet (vgl. Benner, 2012, S. 16). „In dem Maße, in dem menschliches Wissen und Können in permanentem Umbruch begriffen sind [.] muss [Er­ziehung] den Heranwachsenden elementare Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, [um] die sich verändernde Welt zu verstehen und [.] rational urteilen und handeln zu können“ (ebd., S. 16). Es habe folglich noch nie “die Bildung“ gegeben, da sie immer von der jeweiligen Ge­sellschaft und deren Wertesystem geprägt gewesen sei (vgl. Walther, 2005, S. 2).

Wünschenswert wäre also, dass Politik zwar die Rahmenbedingungen für Schule und Bil­dung schafft, um die Zukunft der Gesellschaft zu sichern, dabei aber gleichzeitig unabhängig von den persönlichen Interessen einzelner Akteure der Wirtschaft bleiben muss. In diesem Sinne stellte der Pädagoge John Dewey bereits 1964 die Forderung nach einer Erziehung mit dem Ziel, die Menschen dazu zu befähigen, persönlich an einer modernen Gesellschaft mitwirken zu können, ohne eine Unterordnung zu implizieren (vgl. Dewey, 1964, S. 136). Das humboldtsche Erziehungsideal fasst dies treffend zusammen:

„Es gibt gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine ge­wisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäfts­mann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähig­keit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen“ (Berglar, 2008, S. 87).

Im Vordergrund steht für Humboldt also eine humanistische ganzheitliche Bildung und nicht allein die Vermittlung spezifischer Kompetenzen für einen bestimmten Beruf.

Die Allensbachstudie aus dem Jahre 2012 belegt ebenfalls, dass gegenüber einer einseiti­gen Ausrichtung an beruflichen Anforderungen Vorbehalte bestehen und 52% der Lehrer:in- nen sowie 46% der Eltern der Meinung sind, dass eine gute Allgemeinbildung im Zentrum der Bemühungen stehen sollte und nicht eine spezielle Vorbereitung auf das Berufsleben (vgl. Trautmann & Süßlin, 2012, S. 11).

Neben den bereits erwähnten Pädagogen wie Herbart und Humboldt, fordern auch moderne Pädagogen die Vermittlung von Kompetenzen und explizit die Übernahme von Eigenverant­wortung. So spricht sich auch Jesper Juul dafür aus, Kinder zu ermutigen Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und bewusst Entscheidungen zu treffen (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 110 ff). Sauter und Erpenbeck beschreiben ebenfalls die individuelle Kompetenz­entwicklung als Ziel der Bildungsbemühungen, sodass die Lernenden die Verantwortung für 22 den Lernprozess übernehmen und Selbstwirksamkeit erleben können (vgl. Erpenbeck & Sauter, 2019, S. 238). Kurt Hahn, der Schulleiter und Gründer der Internatsschule Salem forderte Eigenverantwortung von seinen Schüler:innen und ermunterte sie sich als Teil der Schule zu sehen und nicht als Gast: „It depends entierly on you whether this term will be a succes or not!“ (von Haeften, 1993, S. 10). Dieses Zitat verdeutlicht, dass die Übertragung von Verantwortung eine Involvierung der Schüler:innen in den Lernprozess impliziert.

Die Forderung nach Kompetenzen und insbesondere die der Eigenverantwortung bezieht die Kinder in das Lernen ein und es liegt nicht allein an den Lehrpersonen, ob Bildung gelingt oder nicht. Es entsteht eine Beziehung, in der beide Seiten wichtige Funktionen einnehmen.

Die Forderung nach Vermittlung von überfachlichen Kompetenzen wird folglich nicht nur von Seiten der Bildungspolitik und der Wirtschaft laut, sondern auch von den dafür zuständigen Pädagog:innen selbst. Diese sehen insbesondere die Persönlichkeitsentwicklung der Schü- ler:innen als Bildungsziel an. Im Folgenden soll nun konkret auf die Lehrkräfte eingegangen werden, welche eine wichtige Funktion bei der Förderung von Kompetenzen einnehmen.

2.2 Die Lehrkraft als Vermittler:in von Kompetenzen

2.2.1 Professionelle Kompetenz

Aus dem Zitat von Weinert geht hervor, dass Kompetenzen erlernbar sind. Unter dieser Prämisse der Bildsamkeit der Schüler:innen (vgl. Benner, 2012, S. 23) kommt nun den Leh­renden eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung von Kompetenzen zu (vgl. Autorengruppe Bil­dungsberichterstattung, 2020, S. 53). „Zahlreiche Studien der letzten Jahre belegen, dass Lehrkräfte die Unterrichtsqualität und Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler sogar stär­ker beeinflussen können als schulstrukturelle oder organisatorische Aspekte (z.B. Hattie, 2009; Kunter et al., 2011).“ (ebd., S. 124). Eine Voraussetzung für das Erlernen von Kompe­tenzen ist folglich, dass die Lehrpersonen ebenfalls ein gewisses Repertoire an Kompeten­zen besitzen müssen, um diese erfolgreich vermitteln zu können (vgl. Bormann & Haan, 2008, S. 8). Die KMK fordert in ihrem Beschluss, dass die Lehramtsstudierenden nach Ende ihres Studiums über anschlussfähiges Fachwissen, Erkenntnis- und Arbeitsmethoden der Fächer, sowie fachdidaktisches Wissen verfügen sollen (vgl. Retzmann et al., 2010, S. 83). Die KMK legt folglich nicht nur fest, welche Kompetenzen die Lehrkräfte vermitteln sollen, sondern ebenso welche Kompetenzen Lehrkräfte für diese Aufgabe erwerben müssen.

Auch wenn Merkmale guten Unterrichts, unter anderem basierend auf Untersuchungen von Hilbert Meyer, bekannt sind (Meyer, 2018), so kann daraus trotzdem noch keine Theorie oder Praxis abgeleitet werden, die für jede Lehrkraft passend ist. Unterricht kann in vielen ver­schiedenen Formen gelingen und hängt entscheidend von der unterrichtenden Person und dem schulischen Rahmen ab. (vgl. von der Groeben, 2007, S. 10) Tenorth schreibt in diesem Zusammenhang, dass fachliche Kompetenz nicht ausreichend sei, sondern darüber hinaus pädagogische und insbesondere auch eine soziale Kompetenz notwendig seien (Tenorth, 2006, S. 590). Diese Kompetenzen, werden im Folgenden Professionelle Kompetenz ge­nannt. „Der Begriff der «professionellen Kompetenz» bezieht sich demnach auf diejenigen Voraussetzungen, die zur Bewältigung spezieller beruflicherAufgaben notwendig sind“ (Kun- ter & Trautwein, 2018, S. 144). Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich die Pro­fessionelle Kompetenz im Laufe von Studium und Berufsausübung entwickelt und schließlich das Ergebnis eines Lern- und Entwicklungsprozesses ist (vgl. ebd., S. 144). Der Umgang mit den Schüler:innen, das Unterrichten an sich und die nötigen Kompetenzen können folglich im Laufe der Zeit erlernt werden. Tenorth beschreibt es wie folgt: „Erst die Praxis macht den Lehrer“ (Tenorth, 2007, S. 30), Lehrer:in werde man nicht an der Universität sondern erst im Beruf, mit selbst erfahrener Unterrichtspraxis (vgl. ebd., S. 29). Welche Aspekte die Profes­sionelle Kompetenz beinhaltet, soll im Folgenden erläutert werden und wird durch die fol­gende Abbildung veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Aspekte der professionellen Kompetenz

Das professionelle Wissen umfasst das fachliche, pädagogische und fachdidaktische Wis­sen. Das fachliche Wissen, also der zu unterrichtende Stoff, muss von der Lehrkraft selbst verstanden worden sein, um ihn den Lernenden zu vermitteln. Das fachdidaktische Wissen, z.B. Kenntnisse über mögliche Schwierigkeiten oder angemessene Aufgaben, ist notwendig, um die Inhalte begreifbar zu machen. Das pädagogische Wissen, das fachunabhängige Wis­sen über Classroom Management oder Unterrichtsmethoden, ist notwendig, um Vorausset­zungen für ungestörtes Lernen zu schaffen. (vgl. Kunter & Trautwein, 2018, S. 149 f)

Neben dem Wissen bestehen außerdem gewisse Überzeugungen. „Überzeugungen sind persönliche Bewertungen, die immer eine subjektive Komponente enthalten [...] und reprä­sentieren die Überzeugungen von Personen und deren Eindrücke“ (ebd., S. 151), die wie­derum die professionellen Entscheidungen der Lehrpersonen beeinflussen. Dieser subjekti­ven Anteile des pädagogischen Handels ist man sich jedoch in seiner Wirkung nicht immer bewusst. Empirisch hat sich gezeigt, dass Unterrichtserfolg aber auch von diesen Überzeu­gungen abhängt (vgl. ebd., S. 151).

Ein weiterer Aspekt der professionellen Kompetenz ist die Motivation. Hierbei zeigte die COACTIV-Studie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, dass eine hohe intrinsische Motivation der Lehrkräfte für den Unterricht besonders förderlich ist (vgl. ebd, S. 155). Au­ßerdem spielte eine positive Einschätzung der Selbstwirksamkeit der Lehrer:innen, darüber wie erfolgreich ihr Unterricht ist, eine große Rolle. Auch die Zielorientierung ist entscheidend, dh. ob vorrangig Lern- oder Leistungsziele verfolgt werden. (vgl. Kunter & Trautwein, 2018, S. 157) Die Selbstregulationsstrategien sind ebenfalls Teil der professionellen Kompetenz. Hierunter fallen Coping-Strategien, also Verarbeitungsstrategien, mit Stress umzugehen so­wie die Fähigkeit eine Balance zwischen Engagement und Distanzierung zu finden (vgl. ebd., S.159).

Besondere Bedeutung für einen gelingenden Unterricht hat schließlich auch die zwischen­menschliche Ebene, die persönliche Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. „Die Beziehungsebene der menschlichen Kommunikation dominiert die Inhaltsebene [...]. Ist eine Schülerin oder ein Schüler davon überzeugt Lehrer(in) B. sei ein A. Loch, so wird er/sie kaum etwas von dieser Person lernen. Es geht also in erster Linie darum, die Beziehungs­ebene im Verhältnis Erwachsene-Jugendliche zu entwickeln“ (von der Groeben, 2007, S. 16). Von der Groeben geht davon aus, dass die Lehrperson dann Autorität und Respekt der Lernenden erhalte, wenn diese bereit sei, auch auf zwischenmenschlicher Ebene zu inves­tieren. Jesper Juul fordert eine neue Form der Autorität und spricht in diesem Zusammen­hang von der persönlichen Autorität, also der auctoritas (siehe Kapitel 1.2), welche die Auto­rität allein durch das Amt (potestas) ablösen solle (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 20). Dabei gehe es ihm nicht nur darum, das Verhalten der Schüler:innen günstig zu beeinflussen, son­dern vor allem das der Lehrenden zu verändern (vgl. ebd., S. 27). Die bisherige Tradition der Schuldzuweisung, „die einseitig auf Veränderung im Verhalten der Kinder abzielt [.]“ (ebd., S.31) müsse gebrochen werden. Schädliche Beziehungen, im schulischen Kontext, könnten existenzielle Reaktionen auslösen, weshalb eine starke Lehrerautorität eine notwendige Grundlage für eine gelingende Interaktion darstelle. Eine professionelle Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass bei ihnen eine Seite professionell ausgerichtet ist, wodurch sie sich von einer Eltern-Kind-Beziehung unterscheidet, welche von emotionalem Charakter ist. Über Generationen hinweg setzte man Beziehungskompetenz bei pädagogischen Fachkräften einfach voraus. Heute weiß man, dass sie keinesfalls selbstverständlich und von Natur aus gegeben ist, obwohl gerade diese Beziehungskompetenz für den Erfolg des Unterrichts von größerer Bedeutung als die Fachkompetenz ist. (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 168) Fachwis­sen über Wissensvermittlung reicht nicht aus. Ausbildung und Entwicklung von Beziehungs­kompetenz müssen Teil der Ausbildung von Lehrpersonal werden. Fachkräfte „müssen etwas über Beziehungen wissen und ihre Kompetenz entwickeln, um sie zu etablieren, zu korrigie­ren und weiterzuentwickeln“ (ebd., S. 169). Unter Einbezug des obigen Modells zeigt sich, dass die Aspekte der professionellen Kompetenz durch die Beziehungskompetenz ergänzt werden müssen. Dieser Begriff bezieht sich vor allem auf professionelle Erwachsenen-Kind- Beziehungen. „Beziehungskompetenz ist somit ein Mittel zur Realisierung der Wertvorstel­lungen, die wir für entscheidend halten“ (ebd., S. 178).

Diese könnten laut Juul und Jensen folgendermaßen definiert werden:

1) Die Fähigkeit die einzelnen Kinder zu „sehen“ und sie in die eigenen Entscheidungen miteinzubeziehen, ohne die Führung zu verlieren.
2) Die Fähigkeit authentischen Kontakt herzustellen.
3) Die Fähigkeit und den Willen in der asymmetrischen Beziehung die volle Verantwortung zu übernehmen. (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 178)

Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich das Kind „in einer Subjekt-Subjekt-Beziehung am wohlsten fühlt und am besten entwickelt, also in einer Beziehung, in der das Kind als selbst­ständiges Subjekt (Person) begriffen und behandelt wird, das von Anfang an in seinen Be­ziehungen aktiv mitwirken kann“ (Juul & Jensen, 2009, S. 170). In der traditionellen Pädago­gik wird das Kind häufig als Objekt gesehen, doch sei gerade die Gegenseitigkeit ein wichti­ger Faktor der Beziehungsqualität. Juul stellt die Prinzipien der Erziehung von früher: Macht, Kontrolle und Begrenzung, den neuen Prinzipien: Kontakt, Respekt und Abgrenzung gegen­über. Diese ermöglichen eine Gleichwürdigkeit, sodass sich Erwachsener und Kind als zwei Subjekte begegnen können, anstelle einer Subjekt-Objekt-Beziehung. Auf diese Bezie­hungsqualität soll im folgenden Kapitel noch weiter eingegangen werden. Die angesproche­ne Gleichwürdigkeit bedeutet nämlich nicht, dass Kind und Lehrperson alles gemeinsam ent­scheiden und gleichberechtigt sind, sondern dass das Kind als Individuum wahrgenommen und gesehen wird, also mehr ist als nur ein Objekt, das “erzogen werden soll“.

Die Notwendigkeit einer neuen, persönlichen Autorität zeigt sich besonders darin, dass die Schüler:innen die qua Amt legitimierte Autorität (potestas) nicht mehr ernst nehmen. Eine Studie hat gezeigt, dass 56% der Lehrkräfte der Aussage zustimmen, dass es Klassen gibt, die man kaum in den Griff bekommen kann. 53% derjenigen, die versuchen die Schüler:in- nen mit Argumenten zu überzeugen, haben berichtet, dass sie bei einigen Klassen weitge­hend machtlos sind. (Trautmann, 2012, S. 8) Das mag auch daran liegen, dass die Lehren­den eine ganze Reihe „traditioneller Durchsetzungsmittel“, wie körperliche Gewalt, nicht mehr zur Verfügung stehen und zum Beispiel Nachsitzenlassen und Strafarbeiten zuneh­mend weniger eingesetzt werden. Weitere Studien haben ergeben, dass sich die Lehrperso­nen durch „konfliktbesetzte Schüler- Interaktionen [.] offensichtlich stark belastet fühlen (vgl. Rudow 1994, Terhart et al. 1994)“ (S. C. Körner, 2002, S. 70). Die Entwicklung einer persönlichen Autorität von Lehrpersonen kann dabei helfen, die Beziehung zu den Schüler:innen zu verbessern und so eine gute Bedingung für den fachlichen Unterricht und die Vermittlung von Kompetenzen zu schaffen. Zusammenfassend kann festgehalten wer­den, dass gelingende schulische Bildung von der professionellen Kompetenz der Lehrkräfte und dabei ganz wesentlich von der Beziehungsqualität zwischen Lehrenden und Lernenden abhängig ist.

2.2.2 Beziehungskompetenz

Im Rahmen einer Allensbachstudie wurden Lehrkräfte in Bezug auf ihren Lehrberuf reprä­sentativ befragt. Mehr als 70% der Befragten gaben an, dass ihnen der Lehrberuf überwie­gend Freude bereite (vgl. Trautmann, 2012, S. 6). Gleichzeitig berichtete „jeder zweite Lehrer von zunehmenden Disziplinschwierigkeiten“ (ebd., S. 7) und Klassen, die man nicht in den Griff bekommen könne (ebd., S. 53).

„Erfolgreicher Unterricht kann auf eine sehr verschiedene, aber nicht beliebige Weise reali­siert werden" (Weinert & Helmke, 1997, S. 472). Mit diesem Zitat von H. E. Weineim Sinne des Sprichwortes: „Viele Wege führen nach Rom“, gibt es verschiedene Konzepte, die im Unterricht Anwendung finden können und deshalb stellt sich die Frage, welches letztendlich sinnvoll für die jeweilige Lehrperson ist.

Giesecke schreibt in seinem Buch Das Ende der Erziehung (1985), dass durch pädagogi­sche Konzepte eine Entmündigung der Kinder erfolge, da ihnen jegliche Verantwortung ab­genommen werde (vgl. Giesecke, 1985, S. 40). Deshalb ist es notwendig zu prüfen, ob päd­agogische Konzepte Raum für die Entwicklung von überfachlichen Kompetenzen wie der Eigenverantwortung ermöglichen oder deren Entstehung behindern. Angesichts der be­schriebenen (Disziplin-) Schwierigkeiten stellt sich zudem die Frage, wie die Beziehung von Lehrenden und Lernenden verändert werden kann, um den Bedürfnissen beider Akteure ge­recht zu werden. Welches pädagogische Konzept erscheint dafür geeignet?

Ein Konzept, welches immer mehr an Präsenz gewinnt und auf der zuvor angesprochenen Beziehungsebene aufbaut ist die Neue Autorität. „Anzeichen dafür ist die Zunahme von Ver­öffentlichungen und Fortbildungsangeboten zu diesem Ansatz und dass immer mehr öffentli­chen und privaten Trägern der Kinder- und Jugendhilfe dieser Ansatz vielversprechend zu sein scheint“ (Dierbach, 2016, S. 30). Mittlerweile bieten viele verschiedene Institute Semina­re zur Neuen Autorität an, wie z.B. das Systemische Institut für Neue Autorität von Bruno Körner und Martin Lemme, das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB, 2021), das österreichische Institut für Neue Autorität und das Hamburger Institut für Lehrerfortbildung (ebd., S. 30). Dieses Jahr tagte eine internationale Konferenz mit dem Thema "Von der Angst zum Vertrauen zur Kooperation" mit 260 Teilnehmenden aus aller Welt (Institut für Neue Autorität, 2021). Immer mehr Bücher zur Neuen Autorität erscheinen auf dem Markt, wie z.B. Raus aus der Ohnmacht von Regina Haller und Haim Omer (Omer & Haller, 2020), Neue Autorität - Das Handbuch (B. Körner et al., 2019) und viele mehr.

Ziel dieses systemischen Ansatzes sei es, aufbauend auf Beziehung, die Rolle der Lehrkraft zu stärken, um destruktiven Verhaltensweisen der Lernenden angemessen begegnen zu können (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 10). Gleichzeitig wurde in Kapitel 2.1 deutlich, dass die überfachlichen Kompetenzen der Lernenden, speziell die der Schlüsselkompetenz Eigenver­antwortung, ebenfalls gefördert werden müssen. Lässt das Konzept der Neuen Autorität die Entwicklung von Eigenverantwortung zu oder schränkt es die Bedürfnisse der Lernenden zu Gunsten der Lehrenden ein?

3 Neue Autorität

3.1 Hintergrund

Das Konzept der Neuen Autorität wurde von dem israelischen Psychologen Haim Omer ent­wickelt, um Eltern zu helfen, die sich machtlos gegenüber ihren Kindern fühlen und wurde später in Zusammenarbeit mit Arist von Schlippe auch im deutschsprachigen Raum bekannt. Seitdem wurde und wird es immer weiterentwickelt (unter anderem von M. Lemme, B. Kör­ner und P. Streit) und für verschiedene Kontexte angepasst, unter anderem für den schuli­schen. Das Konzept der Neuen Autorität ist an den gewaltlosen Widerstand nach Martin Lu­ther King und Mahatma Ghandi angelehnt und soll handlungsleitend für die Gestaltung der Beziehung zwischen Kindern und Erziehenden sein. (vgl. Körner et al., 2019, S. 16) Regina Haller beschreibt das Konzept der Neuen Autorität mit folgenden Worten: „Das traditionelle Autoritätsverständnis baut auf Verbote und Sanktionen und verfolgt das Ziel des blinden Ge­horsams. Im Gegensatz dazu fördert die Neue Autorität Eigenverantwortung, Empathie, Ur­teils- und Kritikfähigkeit der Kinder. Sie unterstützt ihren Entwicklungsprozess hin zu mündi­gen Menschen“ (Omer & Haller, 2020, S. 10). Ausgehend von der systemtheoretischen Er­kenntnis, dass Machtausübung meist in eine Gewaltspirale mündet, rückt bei der neuen Au­torität das Beziehungsangebot in den Vordergrund, welches auf grundlegenden Werten be­ruht. (Omer & Schlippe, 2016, S. 10). Es beinhaltet das Verständnis, dass Kinder in ihrer Entwicklung die Führung von Erwachsenen benötigen, die ihnen Schutz und Orientierung bieten können (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 13).

In Kapitel 2 wurden bereits die verschiedenen Ansprüche und Herausforderungen beschrie­ben, die an Lehrkräfte gestellt werden und die Lehrkräfte auch an sich selbst stellen. Das Konzept der Neuen Autorität soll der Lehrperson Handlungsmöglichkeiten bieten, im Alltag darauf angemessen zu reagieren. Der systemische Ansatz beruht auf der humanistischen Grundannahme, dass Menschen immer aus Bedürfnissen heraus handeln, die sie zu befrie­digen versuchen. Eine Handlung richtet sich somit nicht gegen jemanden, sondern erscheint der handelnden Person in diesem Kontext sinnvoll. (vgl. Körner et al., 2019, S. 33) „Insofern wird unterschieden zwischen der Person, die durch die gewaltfreien Maßnahmen wieder er­reicht werden soll, dem Verhalten, welches eine Positionierung der Erziehungsverantwortli­chen benötigt, und dem Bedürfnis, aus dem heraus die betroffene Person handelt“ (ebd., 2019, S. 33). Destruktives Handeln dient somit ebenfalls der Befriedigung eines unerfüllten Bedürfnisses (vgl. ebd., 2019, S. 38). Durch die Unterscheidung zwischen der Person selbst und ihrem problematischen Verhalten besteht die Möglichkeit, Widerstand gegen die Hand­lung an sich zu leisten und gleichzeitig zugewandte Beziehungsangebote an die Person zu richten. Das Konzept baut auf der Grundidee auf, dass die Lehrperson für die Beziehungs­gestaltung verantwortlich ist. Dies zeigt die Notwendigkeit der in Kapitel 2.2 angesprochenen Beziehungskompetenz der Lehrkraft. Indem sie ihr eigenes Verhalten ändert, kann dies wie­derum zu einer Veränderung im Verhalten des Kindes führen.

Omer und von Schlippe streben mit diesem Konzept folglich einen Perspektivwechsel und eine Verabschiedung von Kontrolle und Gehorsam an, mit dem Ziel einer persönlichen Auto­rität, die auf Beziehung aufbaut. (vgl. Baumann-Habersack, 2015, S. 5) Der Wirtschafts-No­belpreisträger J. Heckman untersuchte die Wirksamkeit von Bildungsprogrammen und zeigte unter anderem, dass die Beziehung zu Bezugspersonen im schulischen Umfeld ein wichtiger Einflussfaktor für gelingende Bildung ist (vgl. Körner et al., 2019, S. 235).

Das Konzept basiert außerdem auf der Akzeptanz, dass jede:r nur für das eigene Verhalten verantwortlich und nicht von dem Gegenüber abhängig ist (vgl. Körner et al., 2019, S. 33).

Die grundlegenden Haltungsaspekte der Erwachsenen sind die Folgenden: Selbstkontrolle & Deeskalation, Präsenz & Wachsame Sorge, Netzwerke & Unterstützung, Öffentlichkeit & Ko­operation, Gewaltfreier Widerstand & Protest, Beziehungsgesten & Wiedergutmachung (vgl. ebd., 2019, S. 20). Auf diese Säulen der Neuen Autorität wird nun im Folgenden konkret ein­gegangen, die man nach Lemme und Körner wie ein Mischpult einsetzen kann, um die Reg­ler je nach Situation zu variieren (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 125).

3.2 Die Säulen der Neuen Autorität

Es gibt verschiedene Ansätze, um das Konzept der Neuen Autorität zu beschreiben. Das In­stitut für Neue Autorität (INA) tut dies anhand von sieben Säulen, während Lemme & Körner sechs Präsenz Dimensionen unterteilen. Im Folgenden wurden beide Darstellungsweisen zusammengeführt, um ein möglichst umfassendes Bild der Neuen Autorität zu erhalten.

3.2.1 Präsenz und wachsame Sorge

Laut Omer & Haller stellt die pädagogische Haltung der Präsenz den Kern des Konzepts der Neuen Autorität dar und die Handlungsprinzipien dienen dazu diese Präsenz zu stärken (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 42). „Der Begriff Präsenz beschreibt ursprünglich die entschiedene Bereitschaft von Erziehenden, im Leben der ihnen anvertrauten Kinder eine zentrale Rolle zu spielen“ (Körner et al., 2019, S. 24). Es geht hierbei folglich um eine grundsätzliche Haltung, welche die Botschaft vermittelt: „Hier bin ich und hier bleibe ich! Auch wenn es schwierig wird.“ Präsenz meint außerdem die Überzeugung auch schwierige Situationen und Heraus­forderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, sowie den Kindern etwas zuzutrauen. Das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit kann allerdings durch ungünsti­ge Entwicklungen und Eskalationsdynamiken verloren gehen. (vgl. ebd., 2019, S. 24) Er­wachsene erleben sich nach Lemme und Körner dann als handlungsfähig, wenn sie sich in der eigenen Präsenz stark fühlen (vgl. ebd., 2019, S. 44). Ziel der Neuen Autorität ist somit „die Stärkung der eigenen Präsenz im Umgang mit dem erlebten Verhalten und [.] [kein] gezieltes Verhaltenstraining für das Kind/ den Jugendlichen“ (ebd., 2019, S. 28). Somit wird „nicht primär auf das wahrgenommene und für uns konfliktauslösende Verhalten, sondern auf unsere eigene Reaktion, auf unsere Präsenz in der Begegnung mit diesem Verhalten [reagiert]. Omer und von Schlippe bezeichnen dies als Stärke statt Macht “ (Körner et al., 2019, S. 28). Arbeit an der Präsenz meint also das Fokussieren des eigenen Handelns, mit Blick auf das Verhalten des Kindes. Die Intervention erfolgt nur indirekt, da nicht das Verhal­ten des Kindes, sondern nur das eigene Verhalten bewusst verändert wird. Die Neue Autori­tät beschreibt deshalb ein prozessdynamisches Modell, das ohne Strafen und Belohnungen auskommen möchte. (vgl. Körner et al., 2019, S. 32)

Die Präsenz wird nach Lemme und Körner in sechs Dimensionen unterteilt, die im Folgen­den erläutert werden sollen. Die physische Präsenz bezieht sich auf die räumliche und zeitli­che Gegenwart der Erziehenden im Alltag der Kinder. Ein entschiedenes und klares Auftreten sowie Mimik und Gestik haben eine wesentliche Wirkung darauf, wie die Präsenz wahrge­nommen wird. (vgl. ebd., 2019, S. 24) Eine beharrliche Anwesenheit des Erwachsenen ver­mittelt dem Kind: „Ich bin da!“ (Lemme & Körner, 2019, S. 45). Außerdem wird dadurch die Verantwortlichkeit des Erwachsenen für die Beziehung deutlich. Die emotional-moralische Präsenz beschreibt die Kongruenz zwischen den persönlichen Einstellungen und dem Han­deln. Dies bedeutet, dass das eigene Handeln richtig und angemessen erscheint. Diese Überzeugung und Authentizität kann zu einer gesteigerten Wahrnehmung des Selbstwerts bei der Lehrperson führen und so mehr Handlungsenergie freisetzen. (vgl. Körner et al., 2019, S. 25) Die intentionale Präsenz „beinhaltet die Absicht, aus der heraus Erziehende handeln. [.] Neben der Verbalisierung der eigenen Absichten drückt sich die intentionale Präsenz in der Mimik und Gestik sowie im Verhalten aus.“ (ebd., 2019, S. 25). Es geht also darum, warum etwas getan wird. Die pragmatische Präsenz beschreibt das Erfahren der ei­genen Handlungskompetenz. Es ist das Vermögen auch dann wirksam zu handeln, wenn Situationen kritisch sind. Sind keine Handlungsoptionen mehr verfügbar, entsteht ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit, sodass oft auf Strafen oder alte Handlungsmuster zurück­gegriffen wird. (vgl. ebd., 2019, S. 26) Mit dem Wissen der Lehrperson, dass „in der Regel die Umstände und das Verhalten anderer nicht verändert werden können, löst sich die Hilfs- losigkeit auf, wenn sie ihren Erfolg nicht von der Reaktion der Kinder abhängig machen, sondern beharrlich und schweigend anwesend [bleibt]“ (ebd., 2019, S. 26). Dies beschreibt die internale Präsenz. Sie bezieht sich darauf, dass das eigene Handeln relativ unabhängig von der Reaktion der anderen ist. Die Lehrperson ist somit nicht kontextgesteuert. Eine in­ternal präsente Person kann sich z.B. selbst beruhigen, statt sich provozieren zu lassen (sie­he Kapitel 3.2.2). Zuletzt ist die systemische (interpersonale) Präsenz zu nennen , welche sich auf die gegenseitige Unterstützung und den Austausch im Lehrerkollegium und auch mit den Eltern bezieht. Ist man sich der Unterstützung anderer, trotz physischer Abwesenheit, bewusst, ist es in vielen Fällen leichter präsent und sicher aufzutreten und zu handeln. Trotzdem wird diese Vernetzung oft nicht genutzt, aus Scham seine Schwächen zu zeigen. (vgl. Körner et al., 2019, S. 26) Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!“. Darüber hinaus sollte das Kind, als Teil dieses Dorfes, im Sinne einer Wir-Kultur mitbeteiligt werden (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 66).

Forschungen haben gezeigt, dass Präsenz erlernbar ist. Dies geschieht, indem man den Gedanken loslässt andere kontrollieren zu wollen und sich auf das eigene Handeln bezieht. (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 31) „Je besser wir Kontrolle über unser Handeln gewinnen, umso vielversprechender sind die Auswirkungen auf unsere Kinder. Auf diese Weise können diese nicht einfach «gehorsame Kinder », sondern «kooperierende Kinder» werden“ (Omer & Streit, 2016, S. 31). Es geht folglich nicht darum die Kinder zu etwas zu zwingen. Vielmehr sind Lehrkräfte Führungspersonen von denen Kinder Schutz und Sicherheit erwarten. Kön­nen Lehrpersonen dies nicht bieten, verlieren sie an Autorität und Ansehen. Studien haben gezeigt, dass eine hohe Präsenz der Lehrkraft das Sicherheitsgefühl der Lernenden erhöht und Gewalt abnimmt. Besonders verhaltensauffällige Kinder achten diese Verlässlichkeit, weil sie ihnen Sicherheit gibt. (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 45 f)

Um verstärkt präsent zu sein und einen positiven Kontakt mit den Eltern zu knüpfen, schla­gen Haller & Omer beispielsweise Elternanrufe zu Jahresbeginn vor, um die Autorität zu stärken und bei potenziellen Schwierigkeiten bereits in Beziehung zu stehen (vgl. ebd., 2020, S.57), denn „Präsenz hat viel mit Beziehung zu tun. Im schulischen Kontext bedeutet dies neben der Zuwendung auch Führung; also das Vertreten von Werten, Aufzeigen von Gren­zen, Einfordern von Leistungen, Erteilen von Kritik, Ermutigen, Unterstützen und Raumgeben für Entwicklung“ (ebd., 2020, S. 36). Außerdem strebt der Mensch nach Resonanz, Anerken­nung sowie Wertschätzung, die durch Präsenz vermittelt werden kann (vgl. Bauer, 2007, S. 93 f). Durch das Kennen von Namen kann die eigene Präsenz und damit die Autorität ge­stärkt werden. Zusammenfassend dient die Präsenz als Quelle der Autorität.

Neben der Präsenz stellt die wachsame Sorge ein weiteres wichtiges Element der Neuen Autorität dar, durch welches sich dieses Konzept „von einem Krisenmodell zu einem allge­mein pädagogischen Konzept verändert [hat]“ (Körner et al., 2019, S. 27). Wachsame Sorge beschreibt die Haltung des Erwachsenen, wichtig zu nehmen, was im Leben des Kindes passiert und auf diese Weise auch Aufmerksam für mögliche Gefährdungen des Kindes zu sein (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 20). Es wird in drei Grade der Aufmerksamkeit unterteilt: der erste beschreibt eine grundsätzliche Aufmerksamkeit; der zweite eine fokussierte Auf­merksamkeit, wenn Signale von den Kindern gesendet werden und sich Schwierigkeiten an­deuten; der dritte Grad greift in einer Gefahrensituation und impliziert eine einseitige Hand­lung auf Seiten der Lehrperson. (vgl. Körner et al., 2019, S. 32)

Der erste Grad, die offene Aufmerksamkeit, ist die wachsame Sorge der Bezugs- und Lehr­personen, um Verhaltensauffälligkeiten früh zu erkennen. Sie dient außerdem als Grundlage von Beziehung und Kontakt, sodass bei Konflikten ein festerer Zusammenhalt besteht. (vgl. ebd., 2019, S. 28).

Sobald sich Komplikationen oder Veränderungen andeuten, verstärkt sich die Aufmerksam­keit und die Kinder werden explizit angesprochen und versorgt. Diese fokussierte Aufmerk­samkeit zielt auf eine direkte Veränderung ab, sodass wieder zur offenen Aufmerksamkeit zurückgekehrt werden kann. In dieser Stufe wird auch Kontakt zu anderen Bezugspersonen aufgenommen und es werden kleine Ankündigungen gemacht beziehungsweise Absprachen getroffen. (vgl. ebd., 2019, S. 29). Die Ankündigung wird im nachfolgenden Kapitel erläutert.

Reichen die getroffenen Vorkehrungen nicht aus und die kritische Phase tritt ein, ist das Er- greifen von einseitigen Maßnahmen notwendig. Diese dienen dem Schutz des Kindes und dessen Einverständnis wird hierbei nicht eingeholt. Das Eintreten der dritten Stufe ergänzt das Vorgehen der fokussierten Wachsamkeit und wird mit einer Ankündigung eingeleitet. Transparenz und Verbindlichkeit sind wichtige Faktoren. (vgl. Körner et al., 2019, S. 31) Maßnahmen an dieser Stelle können sein: „Ankündigung, Besuche, das schweigende Ge­spräch, Sit-ins oder die Präsenz an den Orten, wo dies notwendig erscheint“ (ebd., 2019, S. 32). Diese Maßnahmen werden im Folgenden noch genauer erläutert (siehe Kapitel 3.2.5).

3.2.2 Deeskalation und Selbstkontrolle

In eskalierenden Situationen ist eine effektive Kommunikation nur dann realisierbar, wenn sich die involvierten Personen sicher fühlen, da so die neurobiologischen Defensivstrategien gehemmt werden. Sicherheit begünstigt Kooperation und eine Veränderung des Verhaltens maßgeblich. (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 90) Ebenfalls von großer Bedeutung ist hierbei die intuitive Kommunikation, also Gestik, Mimik und Körpersprache. Ist eine Situation bereits eskaliert, gibt es verschiedene Strategien, die helfen können, um aus Eskalationskreisläufen auszubrechen. Hierfür machen Körner et al. einige konkrete Vorschläge zum Schutz der Be­teiligten (vgl. Körner et al., 2019, S. 34):

Statt Moralpredigten und Drohungen hilft das Formulieren von klaren Sätzen ohne Vorwürfe. Eine gewaltfreie und wertschätzende Kommunikation unterstützt diesen Prozess. Des Weite­ren ist es hilfreich die eigenen Trigger-Punkte zu erforschen und Strategien zu erarbeiten, um sich in derartigen Situationen selbst zu beruhigen. Es ist förderlich sich nicht von Be­schimpfungen oder Ähnlichem von Kindern provozieren zu lassen und z.B. schweigend an­wesend zu bleiben, ohne darauf einzugehen. Auch andere Personen können zu Hilfe geholt und miteinbezogen werden, da Gewalt Geheimhaltung benötigt, die dadurch aufgebrochen wird. (vgl. Körner et al., 2019, S. 34)

Ankündigungen sind ebenfalls ein wichtiges Werkzeug der Neuen Autorität. Eine Ankündi­gung übermittelt die Entscheidung der Erwachsenen, ein Verhalten nicht mehr zu akzeptie­ren und kündigt die folgenden Schritte an. Dies erfolgt meist in Form eines Briefes, der vor­gelesen wird und zielt auf eine erhöhte Transparenz ab. (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 126) Es werden Beobachtungen, Empfindungen und Einstellungen beschrieben, ohne dabei je­manden anzuklagen oder etwas zu fordern (vgl. Körner et al., 2019, S. 39). Eine Ankündi­gung zeigt, dass man sich für die Wiederherstellung der verletzten Werte verantwortlich fühlt und darauf achtet, dass diese respektiert werden (vgl. ebd., 2019, S. 20 f). Die Erwachsenen müssen die Verantwortung für Veränderung übernehmen. Das kommende Vorgehen für die Öffentlichkeit transparent machen (vgl. ebd., 2019, S. 22).

Zuletzt folgt eines der wichtigsten Prinzipien: der Aufschub. „Man muss das Eisen schmie­den, wenn es kalt ist!“ (Omer & Haller, 2020, S. 34). Die Fähigkeit des Erwachsenen in Kon­fliktsituationen die Reaktion aufzuschieben und auf erhitzte Diskussionen zu verzichten, gibt sowohl der erwachsenen Person als auch dem Kind die Möglichkeit sich zu beruhigen und über das nachzudenken, was vorgefallen ist (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 21). Diese Verzö­gerung zeugt nicht von Passivität, sondern beinhaltet eine klare Aussage und Verbindlichkeit: „Das akzeptiere ich nicht. Ich werde mir meine weiteren Schritte überlegen und komme dar­auf zurück!“ (ebd., 2016, S. 21). Dies ermöglicht es der Lehrperson in Ruhe über Konse­quenzen und Handlungsmöglichkeiten nachzudenken und bei Bedarf auch andere Personen um Rat zu bitten. Die Kinder erleben dadurch, dass die Erwachsenen an ihrem Leben inter­essiert sind, und durch die Beruhigung ist im Anschluss wieder Begegnung und Beziehungs­aufbau möglich. (vgl. ebd., 2016, S. 62 f)

Die Haltung des Erwachsenen ist Folgende: „Ich bin nicht allein, ich kann mir Unterstützung holen. Man muss nicht gewinnen, sondern nur beharrlich sein! Fehler sind unvermeidbar, aber sie können korrigiert werden!“ (Omer & Haller, 2020, S. 34). Da nur das eigene Verhal­ten und nicht das der anderen kontrollierbar ist, helfen klare Aussagen und Selbstkontrolle (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 21). Durch Selbstkontrolle schützt man sich selbst vor über­stürzten Reaktionen und kann Situationen deeskalieren. Selbstverständlich kann nicht erwar­tet werden, dass eine Person sich in jeder Situation zu hundert Prozent unter Kontrolle hat. In diesem Fall gilt, dass sich die Erwachsenen nach einer emotionalen Entgleisung entschul­digen können, ohne ihren Widerstand gegen das problematische Handeln des Kindes aufge­ben zu müssen. Eine Entschuldigung kann sowohl Präsenz wiederherstellen als auch Bezie­hung stiften. (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 54) „Eine Lehrkraft, die Fehler offen zugibt, er­langt die Achtung der Schülerschaft und kann Situationen deeskalieren“ (Omer & Haller, 2020, S. 125).

3.2.3 Öffentlichkeit und Kooperation

In der israelischen Kultur kommt der Gemeinschaft eine große Bedeutung zu (z.B. bei der Tradition der Kibbuz), die auch im Konzept der Neuen Autorität eine wichtige Rolle spielt (vgl. Omer & Schlippe, 2016, S. 10). Körner et al. sehen das Involvieren der Öffentlichkeit sowie Transparenz als wichtige Grundhaltung der Neuen Autorität. Wenn von Öffentlichkeit gespro­chen wird, geht es nur um eine partielle Öffentlichkeit der tatsächlich betroffenen und wohl­gesinnten Menschen, da es sich in keiner Weise um eine Bloßstellung handeln darf. Eine wohlwollende Einstellung der Erwachsenen ist eine notwendige Voraussetzung dafür. Grundsätzlich gilt: Öffentlichkeit erhöht den Schutz, da sich dadurch die Aufmerksamkeit der Beteiligten erhöht. Außerdem sorgen heimliche Aktionen für Misstrauen und verringern die Kooperationsbereitschaft. (vgl. Körner et al., 2019, S. 35) Es hat sich gezeigt, dass „sobald ein Verhalten bzw. ein Ereignis, welches Grenzen anderer überschreitet, auch anderen ge­genüber bekanntgemacht wird, die Auftretenswahrscheinlichkeit in der Regel geringer [wird]“ (Lemme & Körner, 2019, S. 99). Aufgrund von Scham wird problematisches Verhalten jedoch teilweise nicht öffentlich gemacht. Es ist trotz allem sinnvoll insbesondere Tabuthe­men offen zu kommunizieren (vgl. ebd., 2019, S. 104). Das “richtige Handeln“, also die so­zialen Regeln sowie moralischen Normen, entstehen im kulturellen Miteinander (vgl. Körner et al., 2019, S. 36). Das heißt, dass „die Person, die sich nicht an diese Normen hält, quasi durch das Verhalten anderer auf die Überschreitung dieser Normen und Regeln hingewiesen [wird]“ (ebd., 2019, S. 36). Werden beispielsweise die Schulregeln vom gesamten Kollegium einheitlich eingefordert, fällt es den einzelnen Lehrpersonen leichter, im Unterricht auf dem gewünschten Verhalten zu bestehen (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 42). Dies setzt voraus, dass solche Regeln existieren und diese sollten im besten Fall unter Einbezug aller Beteilig­ten (auch den Kindern) erarbeitet werden (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 107).

Um einen Vorfall der Öffentlichkeit bekannt zu machen, werden folgende Schritte benannt: Zunächst soll das zu beobachtende Verhalten beschrieben werden; dann erklären sich die Erwachsenen für die Aufklärung des Problems verantwortlich und informieren über das fol­gende Vorgehen (vgl. Körner et al., 2019, S. 35). Durch die Transparenz im Vorgehen erhöht sich die Verbindlichkeit und die Überprüfbarkeit. Dies kann beispielsweise erfolgen, indem die Betroffenen (z.B. Eltern und Kind) zu Besprechungen bezüglich des problematischen Verhaltens eingeladen werden und auf diese Weise die Überlegungen der Lehrpersonen mitbekommen und auch selbst befragt werden können. (vgl. ebd., 2019, S. 36) Fortschritte und Verlauf werden offengelegt, sodass eine Glaubwürdigkeit entsteht (vgl. Lemme & Kör­ner, 2019, S. 104).

3.2.3 Netzwerke und Unterstützung sowie Zusammenarbeit mit den Eltern

Als Mitglied eines Teams steigt die selbsterlebte Autorität und gleichzeitig wird das Grundbe­dürfnis nach Zugehörigkeit befriedigt. Zudem wird Handeln häufig gerade mit Hilfe von Un­terstützung erfolgreich und die verschiedenen Kompetenzen der Beteiligten wirken zusam­men (vgl. Recke & Seefeldt, 2019, S. 540 f). „Ein zentraler Bestandteil der Präsenz ist die Botschaft: «Ich bleibe nicht allein!»“ (Körner et al., 2019, S. 37). Die Einrichtung eines Unter­stützernetzwerkes ist somit kein Zeichen von Schwäche, sondern stärkt die involvierten Per­sonen im Handeln (vgl. ebd., 2019, S. 37). Die Stärke entsteht durch das Akzeptieren von Schwäche (vgl. Recke & Seefeldt, 2019, S. 541). Diese zu zeigen, ist jedoch meist scham­besetzt und so tendieren viele Menschen dazu, ihre Emotionen zu unterdrücken und diese zu leugnen. Laut Recke sei diese Verleugnung häufig Auslöser von Gewalt und Aggression. Scham, Scheitern und Ohnmacht seien als wichtige Elemente der Arbeit zu betrachten, die Raum benötigen, um die Isolation aufzuheben und ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen. (vgl. Recke & Seefeldt, 2019, S. 544) Diese Offenheit beseitige das Gefühl von Ohnmacht, sodass mit Stärke statt mit Macht gehandelt werden könne (vgl. ebd., 2019, S. 549).

Es ist notwendig, bereits vorausschauend ein Team zu etablieren, sodass ein persönliches Fundament besteht und bei Problemen sofort mit einem gemeinsamen Vorgehen reagiert werden kann. Beispielsweise indem die Lehrkraft die Eltern ihrer Klasse zu Schuljahresbe­ginn anruft, um einen ersten Kontakt herzustellen. Es ist außerdem wichtig, den Eltern auch positives Feedback zu geben und nicht nur im Problemfall mit ihnen zu sprechen. (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 80 f)

Werden Ankündigungen (z.B. bei Mobbing) gemeinsam von zwei Lehrkräften gemacht, stärkt die sichtbare Kooperation deren Auftreten (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 111 f). Um ein sol­ches Team zu etablieren, benötigt es einen offenen Dialog. Dieser Austausch unter Lehrkräf­ten kann außerdem durch Feedback zu einer erhöhten Selbstkontrolle und persönlichen Stärkung führen. (vgl. ebd., 2019, S. 109)

Neben der Zusammenarbeit im Lehrerkollegium stellt besonders die Kooperation mit den Eltern eine wichtige Grundlage der Neuen Autorität dar. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Eltern, die nicht auf sich allein gestellt sind, souveräner handeln können. Dies gilt auch für die Lehrer-Eltern-Beziehung, welche sehr förderlich für die Entwicklung des Kindes sein, je­doch bei Streit auch destruktive Folgen für das Kind haben kann. (vgl. Omer & Streit, 2016, S.77) Bestehen ungelöste Konflikte zwischen Lehrkraft und Eltern, schadet dies allen Betei­ligten. Spüren die Kinder eine Missstimmung zwischen Eltern und Lehrperson kann es au­ßerdem passieren, dass Kinder beide Parteien gegeneinander ausspielen. (vgl. Omer & Hal­ler, 2020, S. 71 f) „Das Verständnis von Eltern und Pädagogen [.] als gegenseitige Unter­stützer in einem Entwicklungsprozess der Kinder und Jugendlichen ermöglicht weitergehen- dere Möglichkeiten als eine Haltung der Konkurrenz und Abgrenzung“ (Lemme & Körner, 2019, S. 115). Es wird von einem Verständnis gleichwertiger Partner ausgegangen. Das Ziel sind klare Absprachen, Transparenz und Partizipation beider Seiten, sodass das Unterstüt­zernetzwerk eine Entlastung für alle Beteiligten darstellen kann (vgl. ebd., 2019, S. 117). Auf diese Weise kann auch Kindern mit herausforderndem Auftreten nachhaltig begegnet und deren Entwicklung gefördert werden (Omer & Haller, 2020, S. 71). Wenn Unterstützung be­nötigt wird, gilt grundsätzlich, dass diese erbeten werden muss und nicht eingefordert wer­den darf (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 80). Eine mögliche Formulierung eines Elternbriefes könnte wie folgt aussehen:

„X ist ein aufgeweckter Junge [...] und bei seinen Mitschülern beliebt. Probleme bereitet mir, dass er [...] seine Hausaufgaben vergisst. Ich erbitte nun Ihre Unter­stützung, damit wir dieses Problem gemeinsam angehen können. Sie als Mutter stehen X nahe und kennen ihn. Gern würden wir hier auf Ihre elterliche Kompetenz zurückgreifen“ (Omer & Streit, 2016, S. 81).

Ein wertschätzender und respektvoller Umgang sei der Schlüssel für eine erfolgreiche Zu­sammenarbeit, sodass sich Lehrer:innen und Eltern gegenseitig stärken (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 83). Lehrkräfte wie Eltern müssen und können nicht immer perfekt reagieren. Laut Jesper Juul seien es gerade auch Schwierigkeiten, die zu Entwicklung beitragen, sodass Perfektion auch gar nicht das Ziel sein sollte (vgl. Juul et al., 2015, S. 128).

„Man muss verstehen, dass das wirkungsvollste Werkzeug zur Stärkung der Auto­rität von Eltern und Pädagogen allein schon die Demonstration gemeinsamer Prä­senz und Entschlossenheit ist. Beobachtung, Kommunikation und Kooperation zwischen Lehrkräften und Eltern sind die wichtigsten Elemente zur Verringerung problematischer Verhaltensmuster. Die einfachste Reaktion auf einen unerwünsch­ten Vorfall ist daher die Mitteilung der Lehrkraft ans Kind: Die Schule und seine Eltern würden gemeinsam über ihr Vorgehen gegen das negative Verhalten nach­denken“ (Omer & Haller, 2020, S. 111).

Sobald Kinder wissen, dass die Lehrpersonen untereinander, beziehungsweise mit den El­tern, vernetzt sind, erhöht dies meist bereits die Kooperationsbereitschaft (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 109). Falls Eltern die Lehrkraft um Hilfe bitten, weil sie mit ihrem Kind stark gefordert sind, kann diese beispielsweise eine Unterstützerkonferenz empfehlen, bei der alle möglichen Unterstützer:innen der Eltern anwesend sind und gemeinsam überlegen, wie ih­nen am besten geholfen werden kann (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 93). Eine weitere Mög­lichkeit zur Stärkung der Beziehung zu den Eltern kann auch ein beziehungsorientierter El­ternabend sein, bei dem die Interaktion im Zentrum steht und möglicherweise Themen der Neuen Autorität mit den Eltern besprochen und diskutiert werden (vgl. Körner et al., 2019, S. 246). Seefeldt fasst es wie folgt zusammen: „Kooperation zahlt sich aus, wirkt ressourcen­schonend und gesundheitsfördernd, ist politisch sinnvoll, kann die Bildungs- und Erziehungs­landschaft verbessern und sorgt dafür, dass wir gern und gut arbeiten“ (Recke & Seefeldt, 2019, S. 553).

3.2.5 Gewaltfreier Widerstand und Protest

In der bisherigen Erziehung wurden Strafe und Belohnung als Mittel eingesetzt, um das Ver­halten der Kinder zu regulieren (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 98). Strafe als negative Verstär­kung führt bestenfalls dazu, dass Kinder aus Angst vor Strafe ihr Verhalten ändern, während die Strafe im schlimmsten Fall dazu führt, dass Kinder sie „heldenhaft erleiden und ihr nega­tives Verhalten aus Trotz verstärken“ (ebd., 2016, S. 99). „Unter Gewaltfreier Widerstand werden die Maßnahmen verstanden, die es möglich machen, gegen ein Verhalten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Beziehung zu protestieren“ (Körner et al., 2019, S. 22). Darüber hinaus drückt der Widerstand aus, dass sich der Erwachsene für die Verbesserung und Klärung der Beziehung verantwortlich fühlt (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 120). Ziel ist es zu vermitteln, dass man mit dem gezeigten Verhalten nicht einverstanden ist, aber zwi­schen Person und Verhalten differenziert wird, sodass trotzdem Interesse an einer Bezie­hung mit der Person selbst besteht. Es geht folglich nicht um die Kontrolle des Kindes, son­dern um eine klare Positionierung in Bezug auf dessen Verhalten. Durch diese Art des Wi­derstandes fühlen sich die Erwachsenen gestärkt und die Kinder erleben sie als konsequent, da der Protest unabhängig von der Reaktion des Kindes ist. (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 105) Lemme und Körner haben in diesem Kontext den Begriff des Gegenübers geprägt. „Dort wo Kinder von ihren erwachsenen Bezugspersonen eine Zustimmung oder Ablehnung in Sprache, Mimik oder Gestik bekommen, sind diese Erwachsenen den Kindern ein Gegen­über an dem sich die Kinder orientieren können“ (Körner et al., 2019, S. 119).

Es gibt verschiedene Formen des gewaltfreien Widerstands und Protests, welche im Folgen­den vorgestellt werden sollen. „Allen Maßnahmen ist gleich, dass sie keinen Zwang und kei­ne Drohungen enthalten sondern auf die Verbesserung der Beziehung ausgerichtet sind“ (Lemme & Körner, 2019, S. 124). Anstelle von Strafen stehen Beziehung, Lernen und der Erziehungsauftrag im Vordergrund (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 35). Eine Form des Ge­waltfreien Widerstands ist die Ankündigung, welche bereits erläutert wurde (siehe K.3.2.2).

Sollten verstärkte Maßnahmen notwendig sein, bietet der Besuch, z.B. im Elternhaus, eine Möglichkeit präsent zu sein und mit den Betroffenen in Kontakt zu kommen. Bei diesen Be­suchen sollte die wohlwollende Einstellung und Kooperationsbereitschaft zum Ausdruck kommen sowie der Wunsch nach einer guten Beziehung. (vgl. Körner et al., 2019, S. 40) Die Methode Ausrufezeichen dient dazu, die bestehende Sorge oder Haltung zum Ausdruck zu bringen. Der Erwachsene geht zu der betroffenen Person und formuliert einen knappen Satz. Vor und nach diesem Satz bleibt er schweigend vor dem Kind stehen, um seiner Geste Nachdruck zu verleihen. (vgl. ebd., 2019, S. 40) Ein solcher Satz könnte beispielsweise sein: «Ich werde deine Störungen im Unterricht nicht mehr dulden!».

Das Schweigende Gespräch erfolgt ebenso wie das Ausrufezeichen unangekündigt und stellt in gewisser Weise ein Beziehungsangebot dar (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 130). „[Die Erwachsenen] gestehen ihre Grenzen des Handelns ein («Wir würden gerne die Situa­tion ändern, doch alleine schaffen wir es nicht!») und appellieren an die Kooperationsbereit­schaft («Wir fragen dich was deine Vorschläge zur Änderung der Situation sind!»)“ (Körner et al., 2019, S. 40). Im Anschluss daran wird circa drei Minuten lang geschwiegen und das Kind wird aufgefordert Änderungsvorschläge zu machen. Ist die Zeit um, erfolgt eine Verabschie­dung und die Übermittlung eines Unterstützungsangebots. (vgl. ebd., 2019, S. 40)

Beim Sit-In erfolgt zunächst eine Ankündigung (ohne konkrete Ort- / Zeitangaben). Zwei oder mehr Verantwortliche setzten sich zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Kind zusammen und beginnen wie beim Schweigenden Gespräch. Das anschließende Schweigen dauert diesmal ungefähr 10 Minuten, kann jedoch bei guten Vorschlägen von Seiten des Kindes oder einer Eskalationsgefahr verfrüht abgebrochen werden. Die innere Haltung der Erwachsenen, also der Wunsch einer Beziehungsverbesserung, sind hierbei besonders wichtig, da der Sit-In keine Strafe darstellen soll. Am Ende des Sit-Ins erhält das Kind wieder ein Unterstützungs­angebot von den Erwachsenen. (vgl. ebd., 2019, S. 40) „Die schweigenden und anwesenden Maßnahmen [schaffen] nach und nach eine Möglichkeit der gespürten und nachhaltigen Nähe [.] für die Neugestaltung der Beziehung“ (Lemme & Körner, 2019, S. 134).

3.2.6 Beziehungsgesten und Wiedergutmachung

Bei Beziehungsgesten geht es darum dem Gegenüber durch ein Zeichen der Zuwendung, eine wohlwollende Haltung zu vermitteln. Gesprächsangebote, sich auch nach dem Unter­richt Zeit für die Schüler:innen zu nehmen sowie Fragen nach dem Befinden, können helfen dieses Interesse sichtbar zu machen und ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. (vgl. Kör­ner et al., 2019, S. 41) Dem Grundsatz folgend, dass zwischen dem inakzeptablen Verhalten und der Person selbst unterschieden wird, ist der Wunsch nach einer guten Beziehung au­thentisch (vgl. Gens, 2012, S. 11). Wichtig ist deshalb, dass diese Gesten unabhängig von der Reaktion des Kindes sind und die Erwachsenen keine Erwartungen damit verbinden (vgl. Körner et al., 2019, S. 41). Dies steht konträr zu dem Konzept bei dem Zuwendung und Be­lohnung an Gehorsam geknüpft sind und im Sinne eines Bonusprogramms erfolgen (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 134). Diese Kategorisierung von Belohnung und Strafe scheinen gängige Handlungsmuster zu sein, doch baut das Konzept der Neuen Autorität auch dann auf Beziehung, wenn es, z.B. wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens, schwierig ist. Fehlverhalten darf nicht unbeachtet bleiben, trotzdem sollten weiterhin Beziehungsangebote gemacht und der Kontakt aufrechterhalten werden. Neben dem beziehungsfördernden Cha­rakter können Beziehungsgesten außerdem deeskalierend wirken, da es schwerer fällt sich gegen eine Person zu wenden, die es offensichtlich gut mit einem meint. Weiterhin stellt die Entschuldigung eines Erwachsenen für das eigene Fehlverhalten eine besondere Bezie­hungsgeste dar, die dem Kind auch als Vorbildfunktion dienen kann. (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 136)

„Der Erziehungsverantwortliche ist im Grunde genommen leitender Repräsentant des Sys­tems, indem die destruktiven Verhaltensweisen stattgefunden haben. Jemand, der auf nega­tiv bewertete Art und Weise Regeln dieser Gemeinschaft [.] verletzt, stellt sich damit [.] an den Rand dieses Systems“ (ebd., 2019, S. 136). Neben Beziehungsgesten von Seiten der Lehrperson benötigt es deshalb ebenso eine öffentliche Wiedergutmachung für eine Reinte­gration (z.B. in die Klassengemeinschaft). Eine Wiedergutmachung dient somit nicht nur dazu den Schaden zu beheben, sondern zielt auch auf die Wiedereingliederung des Kindes in die Gemeinschaft ab, die durch Fehlverhalten eines Einzelnen immer mitbetroffen ist. Die­se soziale Reintegration erfolgt durch eine Wiedergutmachung, die die Würde des Kindes wahrt und es stärkt, statt zu demütigen. (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 121 f) „Auf eine Wie­dergutmachung können Kinder stolz sein, sie erleben sich als selbstwirksam“ (Omer & Streit, 2016, S. 124). Es geht also in erster Linie nicht mehr um das Fehlverhalten, sondern um die Lösung, und die Wiedereingliederung in die Klassengemeinschaft steht mit im Vordergrund. Hierbei stehen der Erwachsene und das Unterstützernetzwerk dem Kind helfend zur Seite. Zunächst wird gemeinsam ein Brief geschrieben, in dem das negative Verhalten beschrieben und bedauert wird. Ist dies nicht der Fall, kann man durch das Sit-In, ein Schweigendes Ge­spräch oder den Einbezug weiterer Unterstützer, das Vorgehen intensivieren. „Um nachhaltig eine Veränderung erwirken zu können, ist es erforderlich, das positive Schamgefühl des de­struktiv Handelnden anzuregen und zu erreichen“ (Lemme & Körner, 2019, S. 137). Das Prinzip des gewaltlosen Widerstands lässt sich daher gut mit dem Prinzip der Wiedergutma­chung vereinbaren. Auf diese Weise sollen die Kinder nicht als Besiegte zurückgelassen, sondern ihre Fähigkeit zur Selbstkontrolle gestärkt werden (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 120). In Konfliktsituationen, in denen die Erwachsenen in der Lage sind, die Reaktion zu verzö­gern, haben die positiven Stimmen der Kinder die Möglichkeit zu Tage zu treten, da sie von Eltern oder Lehrern vermittelt bekommen: „Wir glauben, dass es möglich ist, einen Ausweg zu finden, wir glauben, dass du das schaffst! Wir sind bereit abzuwarten!“ (ebd., 2016, S. 121). Nach diesem ersten Schritt des Bereuens erfolgt die konkrete Handlung der Wieder­gutmachung. Hierbei soll dem Geschädigten etwas Gutes getan werden (beispielsweise ei- nen Kuchen backen). Bei finanziellem Schaden ist dieser selbstverständlich zusätzlich zu begleichen (vgl. Lemme & Körner, 2019, S. 138). Nach einer erfolgreichen Wiedergutma­chung wird dies der Klasse kommuniziert und der oder diejenige wieder in die Klassenge­meinschaft aufgenommen. Wiedereingliederung, Stärkung des Selbstwerts und Beziehungs­förderung stehen bei der Wiedergutmachung im Vordergrund. Es sind Aktionen, die der ge­samten Gemeinschaft dienen, werden bei Nicht-Kooperation des Kindes jedoch nicht er­zwungen. (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 129 f) Durch dieses Prinzip lernen Kinder, dass sie Fehler zugeben und diese auch wieder in Ordnung bringen können (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 35). „Im Gegensatz zur Bestrafung, deren Ziel Vergeltung und Abschreckung ist, besteht das Ziel der Wiedergutmachung darin, die Verinnerlichung der Wertvorstellung ge­gen Gewalt zu fördern“ (Omer & Schlippe, 2016, S. 268).

4 Diskussion

In diesem Kapitel wird zunächst das Autoritätsverständnis der Neuen Autorität in Hinblick auf die Definition aus Kapitel 1.2 untersucht. Anschließend werden verschiedene Kritikpunkte des Konzepts aufgegriffen. Zuletzt wird auf die Fragestellung dieser Arbeit eingegangen und der Zusammenhang von Eigenverantwortung und dem Konzept der Neuen Autorität betrach­tet. An dieser Stelle werden mögliche Handlungsschritte benannt, welche ergänzend zum Konzept zu einer Förderung von Eigenverantwortung der Schüler:innen beitragen bezie­hungsweise einen Missbrauch des Konzepts behindern.

4.1 Neue Autorität und Autorität

Wie im Kapitel 1.2 dargelegt ist der Autoritätsbegriff im deutschsprachigen Raum aufgrund von früheren hierarchischen Gesellschaftsformen beeinflusst und durch kriegerische Ereig­nisse, wie zuletzt den ersten und zweiten Weltkrieg, vorbelastet und zunächst häufig negativ konnotiert (Omer & Schlippe, 2016, S. 19). Das Konzept der Neuen Autorität kommt ur­sprünglich aus Israel. Einem Land, in dem noch bis 1966 das Militärrecht galt und das von einigen kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt wurde (vgl. Beck, 2020, S. 1). Es be­steht folglich ein anderer Bezug zu Autorität und Gehorsam, sodass eine genauere Untersu­chung notwendig ist, auf welchem Autoritätsverständnis dieses Konzept beruht und worin sich die „neue“ von der „alten“ Autorität unterscheidet. Es ist kaum möglich eine „alte“ Autori­tät zu definieren. Im 18. Und 19. Jahrhunderts besaß die Lehrperson primär aufgrund ihres Amtes Autorität, im Sinne der potestas (siehe Kapitel 1.2). Das Erziehungsverhalten war häufig autoritär, es wurde auf das Einhalten von strengen Regeln gepocht und Fehlverhalten wurde mit Strafen, teilweise auch mit körperlicher Gewalt, sanktioniert (vgl. Rutschky, 2001, S.148). Die Unnahbarkeit der Erwachsenen und die Be- und Verurteilung des Verhaltens der Kinder, führte zu einem Gefühl der Angst. Autoritäre Beziehung habe oft auf Beziehungsab­bruch oder Liebesentziehung als Strafe gebaut, sodass sich in Folge entweder ängstliche, angepasste Kinder entwickelten, oder aber Rebellen, die dagegen aufbegehrten (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 15 f). Nach der 68er-Bewegung änderte sich die Pädagogik Ende der siebziger Jahre hin zu einem Laissez-faire beziehungsweise kooperativen Erziehungsstil, welcher den Kindern große Freiheit gab, in der Hoffnung, dass sie daraufhin von selbst ihr Potenzial entfalten würden. Diese antiautoritäre Erziehung führte jedoch eher zu Kindern mit geringer Frustrationstoleranz und mangelndem Selbstwertgefühl, weil sie entweder unter der großen Freiheit litten und ängstlich wurden oder aber nie lernen mussten, sich in eine Ge­sellschaft einzufügen und nur ihre eigenen Interessen im Blick zu haben schienen. (vgl. ebd., 2020, S. 16) In beiden Fällen sei Autorität gleichgesetzt „mit Distanz und Unnahbarkeit, Be­fehl und Gehorsam, Willkür und Intransparenz“ (Baumann-Habersack, 2015, S. 1).

„Von Lehrkräften und Eltern wird immer noch erwartet, dass sie keine Autorität ausüben und in ihrer Erziehung lediglich auf ihre wohltuende Anwesenheit und ihr persönliches Charisma setzen. [...] Die allermeisten von uns sind aber irgendwann mit einer Situation konfrontiert, in der wir auf Unterstützung, Vernetzung und Zu­sammenarbeit angewiesen sind, um den Erziehungsauftrag und die Fürsorge­pflicht adäquat wahrnehmen zu können.“ (Omer & Haller, 2020, S. 22)

Im Verhältnis von Lehr:innen und Schüler:innen ergibt sich zwangsläufig ein notwendiges Machtgefälle. Roland Reichenbach beschreibt dies in seinem Buch Pädagogische Autorität: das Erziehungsverhältnis sei immer ein Machtverhältnis und es gehe nicht darum, dieses aufzulösen, sondern kontinuierlich zu prüfen, welches Ziel der Machtgebrauch verfolge und ob er letztlich dem Wohle der Schüler:innen diene (vgl. Reichenbach, 2011, S. 155). Lehr­kräfte müssen sich also immer wieder selbst kritisch hinterfragen. Die sogenannten Ankündi­gungen der Neuen Autorität könnten zum Beispiel leicht als ein Machtinstrument missbraucht werden, um autoritär Regeln durchzusetzen. Es muss stetig geprüft werden, in wessen In­teresse die Maßnahmen stehen und ob diese notwendig und angemessen sind. Selbstver­ständlich gibt es gewisse Regeln, die in einer Gemeinschaft eingehalten werden müssen und deren Missachtung Konsequenzen zur Folge haben muss. Es stellt sich jedoch die Frage wie diese aussehen und umgesetzt werden. Die Neue Autorität möchte Autorität mit Beziehung verbinden. Das Neue an diesem Konzept ist die Wechselwirkung der Beziehung, welche im Vordergrund steht. Lemme formuliert dies wie folgt: „Sobald ich Werte und Normen in mei­nem Handeln unterlegt habe und das was ich tue, auch in Bezug auf mein pädagogisches Handeln hin reflektiere, bin ich deutlich gesicherter, weil ich mein Handeln anhand dieser Werte überprüfe“ (M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 5). Indem Eltern und Bezugspersonen ihr eigenes Verhalten ändern, bewirken sie bei den Kindern dadurch meis­tens ebenfalls eine Veränderung (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 9). „Als Autorität wird jemand dann anerkannt, wenn er sich selbst emotional disziplinieren kann“ (Lemme & Körner, 2019, S. 52). Autoren der Neuen Autorität betonen jedoch, dass ein solches Verhalten einen gro­ßen Kraftaufwand bedeute und der Prozess, das Konzept der Neuen Autorität erfolgreich umzusetzen, mehrere Monate dauern könne. Die Praxis bestätige, dass diese Autoritätsbe­ziehungen dann als tragfähig erlebt würden. (Baumann-Habersack, 2015, S. 5)

Die Neue Autorität basiert grundsätzlich auf der lateinischen auctoritas und hat das Ziel durch Präsenz eine „Autorität auf eine moralisch vertretbare und die Bedürfnisse des Kindes berücksichtigende Weise wiederherzustellen“ (Omer & Schlippe, 2016, S. 14). In Kapitel 1.2 wurde bereits die Notwendigkeit der Legitimation einer Autorität erwähnt, da sie auf eine freiwillige Anerkennung angewiesen ist. Die Neue Autorität beruht auf einem solchen kom­munikativen Aushandlungsprozess. Die Schüler:innen werden als ein gleichwürdiges Ge­genüber angesehen und in die Gespräche auf Augenhöhe mit einbezogen. Der Begriff „Gleichwürdigkeit“ meint, „dass beiden Seiten in einer Beziehung der gleiche menschliche Wert zugeschrieben und der gleiche Respekt entgegengebracht wird, obwohl sie sich in Sta­tus und Macht unterscheiden“ (vgl. Juul, 2011, S. 316). Dies bedeutet, dass die Wahrneh­mungen beider Seiten gleichwertig sind. Allerdings sei es in Anbetracht der historischen Tra­dition und fehlenden Gleichstellung nicht immer einfach die Gleichwürdigkeit in der Erwach- senen-Kind-Beziehung umzusetzen. Gleichwürdigkeit sei ein Wert, „den die professionelle Beziehung manchmal verwirklicht und an dem sie manchmal scheitert“ (Juul, 2011, S. 317).

Mit der Bezeichnung der „neuen“ Autorität grenzen sich die Entwickler des Konzepts von dem „alten“ Autoritätsverständnis ab, welches auf Gehorsam basiert und machen deutlich, dass keine Unterordnung der Kinder erfolgen soll (vgl. Baumann-Habersack, 2015, S. 3). Hierfür sei es notwendig, dass die Lehrperson nach Stärke statt nach Macht strebe. „Eine Stärke, die sich aus der Wechselwirkung der Elemente des Konzepts der Neuen Autorität speist. [Lehrkräfte suchen den Dialog] [.], statt dem Druck zu erliegen, Konsequenzen so­fort zu vollstrecken. Macht führt zu Eskalation, Stärke baut Beziehungen auf“ (ebd., 2015, S. 4). Beruht die Autorität nur auf einer sofortigen Reaktion so sei sie flüchtig und beinhaltet au­ßerdem die Gefahr, dass die Reaktionen unangemessen sind (Omer & Haller, 2020, S. 32). Sennet beschreibt, dass durch die Stärke der Lehrkraft auch ein Sicherheitsgefühl ver­mittelt werde, sodass die Autoritätsperson Schutz bieten könne (Sennett, 1985, S. 188). Das Fehlen von Furcht habe keineswegs zur Folge, dass die Lehrperson nicht mehr respektiert werde, sondern dass stattdessen auf ihre Führung vertraut werden könne (Sennett, 1985, S. 190). Dieses Verständnis vertritt auch die Neue Autorität. Sie will ihre Autorität nicht auf Furcht (vor Strafen) aufbauen, sondern auf Beziehung und Kontakt (vgl. M. Lemme, persön­liche Kommunikation, 2021, S. 2). Die Beziehung steht im Zentrum des Konzepts, sodass auf dieser Grundlage eine Lehrperson von den Schüler:innen als Autorität anerkannt werden kann; nicht aufgrund ihrer Amtsgewalt, sondern aufgrund der Persönlichkeit und der persön­lichen Beziehung. Solange das Kind sich dem Erwachsenen widersetzt und dieser sich mit Macht durchsetzt, erzwingt er Gehorsam. Sobald Kooperation das Ziel ist und auf das Kind eingegangen wird, stärkt dies die Beziehung. „Das Ziel der Vorgehensweisen im Konzept der Neuen Autorität ist die (Wieder-) Herstellung der Präsenz der Erwachsenen, damit sie wieder in kooperative Beziehungsangebote mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen eintreten können“ (Lemme & Körner, 2017, S. 69).

Die Neue Autorität vertritt ein neues Verständnis von Autorität, „das sowohl die Autonomie des Kindes achtet, als auch der Verantwortung und Handlungsfähigkeit von Eltern gerecht wird“ (Escherich, 2020, S. 3). Der Name des Konzepts macht folglich deutlich, dass sich die Autoren vom traditionellen Autoritätsverständnis abgrenzen möchten. Es werden jedoch be­reits andere Namen wie verbindende oder transformative Autorität diskutiert (vgl. M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 4).

4.2 Kritik an der Neuen Autorität

Auf die Frage nach dem persönlich favorisierten pädagogischen Konzept im Kontext Schule wird wahrscheinlich jede:r Pädagog:in eine andere Antwort geben. Es gibt eine Vielzahl päd­agogischer Strömungen und Konzepten, die sich in manchen Punkten ähneln, in anderen verschieden sind und teilweise kritisch hinterfragt werden müssen. „Jeder Versuch, im politi- schen, religiösen und vor allem auch im wissenschaftlichen Bereich nur eine oder nur einige wenige Perspektiven zuzulassen, ist bisher grandios gescheitert“ (Reichenbach, 2007, S. 11). In diesem Kapitel soll es deshalb nicht darum gehen, die Kritik an der Neuen Autorität zu widerlegen und für dieses Konzept zu plädieren, noch ist das Ziel die Kritik zu bestärken und das Konzept der Neuen Autorität abzulehnen. Es sollen an dieser Stelle mögliche Schwach­stellen betrachtet werden, sodass auch potenzielle Problematiken bewusst gemacht werden können, um darauf zu reagieren. Die bildungspolitischen Rahmenbedingungen sind bereits im zweiten Kapitel und das Konzept der Neuen Autorität im dritten Kapitel beschrieben wor­den. Im Folgenden soll zunächst in der Literatur geäußerte Kritik am Konzept der Neuen Au­torität untersucht und geprüft werden, ob diese auf mögliche Schwachstellen des Konzepts hinweist.

4.2.1 Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder

Ein sensibler Umgang mit den Bedürfnissen der Kinder ist wichtig für eine gesunde Entwick­lung der Lernenden, da sich der Selbstwert insbesondere durch Rückmeldungen der Umwelt konstruiert und Erfahrung aus der Schule diesen sowohl positiv als auch negativ beeinflus­sen können (vgl. Schick, 2012, S. 49). Dies impliziere die Notwendigkeit einer Subjekt-Sub­jekt-Beziehung, welche die „innere Realität des Kindes genauso ernst [...] [nimmt], wie die der Erwachsenen“ (Juul, 2006, S. 3). Voraussetzung dafür, dass die Bedürfnisse der Schüler:innen uneingeschränkt Berücksichtigung finden können, ist jedoch, dass auch jene der Lehrkräfte wichtig genommen werden. Diesbezüglich kritisiert der Diplompädagoge Ste­phan Dierbach das Konzept der Neuen Autorität in seinem Beitrag Der Plan von der Ab­schaffung der Ohnmacht (2016a). Es sei nur ein Autoritätskonzept, welches einzig die Be­dürfnisse der Erwachsenen in den Blick nehme und nicht auf jene der Kinder ausgerichtet sei. Beziehungsprobleme würden als Autoritätskonflikte interpretiert. Es gehe primär darum, Interessen der Erwachsenen mit Hilfe von verschiedenen Strategien auf Kosten der Kinder durchzusetzen. (vgl. Dierbach, 2016b, S. 4) „Während Pädagogik danach fragt, wie Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung geeignete Erfahrungen von Selbstwirksamkeit zu er­möglichen sind, stellt der Blick auf das Gefühl eines Mankos an eigener Evidenz den Er­wachsenen in den Mittelpunkt“ (ebd., 2016b, S. 4 f).

Laut Lemme und Körner hingegen, als Vertreter der Neuen Autorität, ist die Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder zentral in diesem Konzept verankert. „Präsenz meint die [.] pädagogische oder professionelle Kompetenz, sich im Sinne einer an den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes, an moralischen und sozialen Normen und an den Kontexten orien­tierten Erziehung einzusetzen“ (Lemme & Körner, 2019, S. 44). Die Diskrepanz zwischen den Kritikern und den Vertretern der Neuen Autorität zeigt, dass es bei dem Verständnis und der äußeren Wahrnehmung des Konzepts sowie bei der Übertragung der Theorie in die Pra­xis zu Missverständnissen kommen kann. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Neue Autorität von einer Lehrperson auch missbräuchlich dafür eingesetzt wird, lediglich die eigenen Interessen zu verfolgen. Dies bestätigt auch Lemme: „Wenn man nicht gut aufpasst und die Selbstreflektion vergisst, und nur in das Handeln hineingeht, ohne dieses mit den grundlegenden Werten abzugleichen und bevor man für sich klar hat, was die eigenen Ab­sichten sind, ist das Konzept missbräuchlich verwendbar“ (Lemme, persönliche Kommunika­tion, 2021, S. 4).

Die größte Schwachstelle der Neuen Autorität scheint deshalb ein Fehlverständnis der Grundidee zu sein. Das Konzept basiert insbesondere auf einer inneren Haltung, die das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellt, sowie der zentralen Rolle der Beziehung zwischen dem Erwachsenem und den Kindern. Ohne diese Einstellungen und Werte kann das Kon­zept schnell missbraucht werden, sodass vor allem eine regelmäßige Selbstreflektion not­wendig ist. Die Lehrperson sollte sich immer wieder kritisch hinterfragen, ob sie wirklich hin­ter dem Konzept steht, oder es nur nutzt, um die eigene Position zu stärken. Eine Ankündi­gung beispielsweise sollte gut überlegt sein, um nicht nur als Machtdemonstration zu dienen und auch die einseitigen Maßnahmen sollten immer den Schutz des Kindes als Ziel haben und nicht dessen Überwachung. Eine gewisse Macht der Lehrperson ist notwendig, da Kin­der auch in jungen Jahren noch nicht immer wissen, was gut für sie ist und deshalb häufig noch eine Führung benötigen. Bei den pädagogischen Überlegungen der Lehrperson sollte jedoch das Kind und dessen (Kompetenz-) Förderung im Zentrum stehen. Deshalb sollten besonders bei Fortbildungen nicht nur Handlungsprinzipien vermittelt werden, sondern zuerst die dazugehörige Grundhaltung.

Dadurch, dass Werte, innere Haltung und Selbstreflexion so eine große Rolle für das Gelin­gen des Konzepts spielen, sollte über mögliche Kontrollmechanismen nachgedacht werden, auch wenn das Prinzip der Selbstreflexion bereits fest im Konzept verankert ist (siehe Kapitel 3.2.4). In Neue Autorität in Haltung und Handlung ( Lemme & Körner, 2019) steht bereits ein Selbstreflexionsbogen bezüglich der Präsenz zur Verfügung. Ergänzend wäre ein spezifi­scher Fragenkatalog für die Lehrkräfte und Pädagogen eine Möglichkeit zu prüfen, welche Ziele sie mit ihrem Handeln verfolgen sowie die eigenen Werte und die innere Haltung zu hinterfragen. Darin wären einige Fragen aufgeführt, die in Hinblick auf verschiedene Berei­che (wie z.B. die Förderung der Eigenverantwortung) eine Selbstreflexion ermöglichen (siehe Anhang 2).

4.2.2 Gewaltfreies Handeln

Weiter kritisiert Dierbach, dass durch die Übertragung des Prinzips des Gewaltfreien Wider­stands aus dem politischen Setting, die Lehrpersonen in einer Opferrolle gesehen würden, die drastische Maßnahmen rechtfertige. Im politischen Kontext seien solche Maßnahmen letzter Ausdruck des Widerstands gegen die Herrschenden und dienten nicht dazu, verlorene Autorität zurückzugewinnen. Außerdem sei eine gewaltfreie Erziehung im Grundgesetz ver­ankert und müsse deshalb nicht gesondert erwähnt werden. (vgl. Dierbach, 2016b, S. 10) Tilmann Lutz, Professor für Soziale Arbeit, ergänzt, dass die Lernenden den Lehrern generell strukturell unterlegen seien. Die Bewertung durch Noten, die Schulpflicht etc. trügen dazu bei, dass die Lernenden in einer schwächeren Position seien. Allerdings stellt sich nun die Frage wie groß die Macht der Lehrkraft tatsächlich ist. Sobald ein:e Schüler:in die Noten nicht wichtig nimmt und unbeeindruckt von Strafarbeiten oder Elternanrufen bleibt, sind der Lehrperson scheinbar jegliche Mittel der Einflussnahme genommen. Es wird wieder die Not­wendigkeit einer persönlichen Autorität deutlich, die von den Lernenden respektiert wird.

Das Verbot körperlicher Züchtigung in Bildungseinrichtungen wurde bereits 1949 in der DDR und 1973 in der BRD erlassen. Das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung in Familien wurde jedoch erst im Jahr 2000 im Gesetz verankert, womit jegliche Bestrafungen seelischer oder körperlicher Art verboten worden sind (vgl. Drinck, 2010, S. 121). Das Konzept der Neuen Autorität wurde aus dem familiären Kontext auf den schulischen übertragen. Dies erklärt auch, warum der Gewaltverzicht so stark im Fokus steht, da Gewaltlosigkeit in der Erziehung Anfang des 21. Jahrhunderts noch keine Selbstverständlichkeit war, als das Konzept publi­ziert wurde . „Besonders jetzt, nachdem Gewalt unter Strafe steht, so die Bussmann-Studie, sei [den Eltern] bewusst geworden, dass ein solches Erziehungsmittel nicht mehr angemes­sen ist. Ein anderes haben sie aber nicht kennen gelernt“ (Drinck, 2010, S. 122). Auf der Such nach neuen gewaltfreien Erziehungskonzepten klingen Begriffe wie „Widerstand“ oder „Protest“ in der Neuen Autorität im pädagogischen Kontext zunächst etwas befremdlich, doch beruht dieser Widerstand auf einer Grundhaltung der Gewaltfreiheit im Sinne von Re­spekt, Wertschätzung und dem stetigen Angebot von Beziehung und Kontakt (vgl. Lemme & Körner, 2017, S. 69). „Wenn man sich diesen Werten verpflichtet hat, dann muss alles über­prüft werden, ob es den eigenen Werten entspricht, bevor es in die Handlung umgesetzt wird“ ( Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 4). Der Verweis der Neuen Autorität auf das gewaltfreie Handeln meint also insbesondere diesen Rückbezug auf grundlegende Wer­te, die in der praktischen Umsetzung stets überprüft und im Sinne der Selbstreflexion immer wieder hinterfragt werden müssen.

4.2.3 Hierarchisches System

Dierbach ist der Ansicht, dass aufgrund einer schnellen Konfliktbehebung, die Situationen nicht multiperspektivisch, sondern nur aus Sicht der Erwachsenen betrachtet würden. Ursa­chen aller Probleme würden lediglich der mangelnden Autorität der Erwachsenen zuge­schrieben, sodass Auslöser und Sichtweise des Kindes unbeachtet blieben und keine Refle­xion des eigenen Handelns erfolge. (vgl. Dierbach, 2016b, S. 8)

Die Systemik sieht keinen linear-kausalen Zusammenhang von Wirkung und Ursache, son­dern erklärt die Entstehung eines Konflikts durch Wechselwirkungen innerhalb eines Prozes­ses (vgl. Classen, 2017, S. 66). Aus systemischer Perspektive entstehen Probleme allein durch die Wahrnehmung des Beobachters. Das heißt, dass die persönliche Bewertung einer Situation darüber entscheidet, ob diese als ein Problem wahrgenommen wird oder nicht. Laut Lemme und Körner gebe es in Problemsituationen immer mindestens so viele Perspek- tiven wie involvierte Personen. (vgl. Lemme & Körner, 2017, S. 64) Um einer einseitigen Sichtweise entgegenzuwirken, sollten die Kinder mit in die Lösungsfindung eingebunden werden (vgl. M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 3). Weiterhin sind die Selbst- reflektion und das Eingestehen von Fehlern auch von Seiten der Lehrperson als Teil des Konzepts hilfreiche Vorgehensweisen (siehe Kapitel 3.2.6). Der bereits erwähnte Fragebo­gen könnte ebenfalls dazu beitragen, eine einseitige Sichtweise zu vermeiden. Unterstüt­zungsangebote der Lehrperson, durch Fragen wie: „Was brauchst du? Wie können wir dich unterstützen?“, helfen weiterhin zu einem besseren gegenseitigem Verständnis.

Tilman Lutz bemängelt weiter, dass allein die Erwachsenen entscheiden, welches Verhalten geduldet wird und eine Sinnsetzung von Seiten der Kinder keine Rolle spiele (Lutz, 2019, S. 7). Dieses vorhandene Machtgefälle sei hinderlich, um das Konzept der Neuen Autorität auf den schulischen Kontext zu übertragen (Escherich, 2020, S. 3). Nun ist aber „die Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem im Grundsatz eine hierarchische. [.] Der Erwachsene hat somit eine Führungsrolle gegenüber dem Kind - abgestimmt auf dessen Alter, und auf eine Art, die das Kind stets willkommen heißt, auch wenn sein Verhalten nicht akzeptiert wird“ (Classen, 2017, S. 66). Ein solches Machtgefälle ist somit auch in der Schule unver­meidbar, wenn es auch mit zunehmendem Alter der Schüler:innen in dem Maße abge­schwächt wird, wie diese lernen Eigenverantwortung zu übernehmen. Das Ziel sollte eine gleichwürdige Beziehung sein, welche die Bedürfnisse beider Seiten wichtig und ernst nimmt, auch wenn ein Machtgefälle besteht und notwendig ist. Der Grundsatz der Neuen Au­torität keinen Gehorsam einzufordern, sondern auf Beziehung zu bauen, muss deshalb kon­sequent umgesetzt werden. Hierbei sei es auch wichtig, so Reichenbach, dass die Schüler:innen lernen sich innerlich von den Autoritäten zu distanzieren. „Der autonome Mensch sei aber skeptisch gegenüber der Autorität: Wenn Autoritäten zwar auch nicht um­gangen werden konnten, so »verinnerliche« sie doch der autonome Mensch nicht, sondern macht sie vielmehr zu etwas «Äußerlichem»“ (Reichenbach, 2011, S. 160).

4.2.4 Partizipation

Eine weitere Kritik am Konzept der Neuen Autorität ist, dass es keine Möglichkeiten zur Par­tizipation der Lernenden biete. „Der Zustand, dass die Kinder nicht das tun, was die Erwach­senen sich von ihnen wünschen, ist dort das zentrale Problem, welches es mit Hilfe der For­mel «Stärke durch Präsenz» zu bearbeiten gilt“ (Dierbach, 2016a, S. 31). Ziel sei einzig und allein die Durchsetzungsfähigkeit der Erwachsenen und nicht die Perspektive der Kinder, so­dass „Formen der Beteiligung oder der Mitgestaltung innerhalb des Vollzugs der pädagogi­schen Maßnahmen der «Neuen Autorität» nicht vorgesehen sind“ (Dierbach, 2016a, S. 31).

Die verschiedenen Handlungsprinzipien der Neuen Autorität scheinen den Eindruck zu ver­mitteln, dass es nur um das Handeln der Erwachsenen ginge. Laut Lemme ist hingegen eine hohe Partizipation der Jugendlichen unumgänglich, da die Förderung der Eigenverantwor­tung ein Ziel der Neuen Autorität sei (vgl. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 5).

Im Konzept werden konkrete Beispiele benannt, wie z.B. die Einbeziehung der Kinder bei der Entwicklung von Regeln, sodass bereits gewisse Maßnahmen vorhanden sind, um die Parti­zipation der Lernenden sicherzustellen. Zusätzlich könnte neben dem bereits erwähnten Fragebogen zur Selbstreflexion, auch ein Handout mit Möglichkeiten zur Partizipation der Kinder anzufügen, das Orientierung und Ideen bieten kann.

Tilman Lutz kritisiert weiterhin, dass „die jungen Menschen [.] nur sehr bedingt als Subjekte wahrgenommen [werden], die eigene Rechte haben und mit denen in pädagogische Aus­handlungsprozesse gegangen wird. Das Konzept spricht von «einseitigem Handeln»“ (Lutz, 2019, S. 6). Als Beispiel für seine Kritik führt er das Prinzip des Aufschubs an, bei dem die Erwachsenen allein die Rahmenbedingungen des Gesprächs festlegen. Das Kind könne nicht mitentscheiden, wann es bereit sei, den Konflikt zu klären. (vgl. ebd., 2019, S. 6) Tat­sächlich ist der Rahmen bei dem Prinzip des Aufschubs vorstrukturiert, da Zeitpunkt, Ort etc. von der Lehrperson vorgegeben werden, doch soll dies nur ein Angebot zum Kontakt sein. Lemme beschreibt es als Aufgabe der Lehrperson, wiederholt Angebote zu machen und die Entscheidung dem Kind zu überlassen, ob es diese Angebote annimmt oder womöglich noch nicht dazu bereit ist. (Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 6) Die Lehrperson muss dementsprechend auch bereit sein einen möglichen Frust auszuhalten, wenn die Angebote wiederholt abgelehnt werden. „Ich werde dir einen Vorschlag machen und komme darauf zu­rück. Aber ich werde immer wieder darauf zurückkommen, bis auch du so weit bist den Kon­flikt zu klären“ (ebd., 2021, S. 6). An dieser Stelle besteht folglich wieder die Gefahr des Missbrauchs und einer damit verbundenen Machtdurchsetzung von Seiten der Lehrperson. Dies führt erneut auf die innere Einstellung zurück: macht die Lehrkraft dem Kind lediglich ein Angebot, dass es ablehnen oder annehmen kann, oder will sie ihren Willen durchsetzen und bestimmen, wann das Kind mit ihr ins Gespräch kommt? Um dem vorzubeugen, könnte es hilfreich sein, bei der Vermittlung explizit und immer wieder darauf zu verweisen, dass es bei dem Konzept der Neuen Autorität nicht um Zwang gehen soll, sondern darum den Kin­dern Angebote zu machen und in Beziehung zu bleiben. Dies ist selbstverständlich kein Hin­dernis für jemanden, der das Konzept bewusst missbräuchlich einsetzt. Der Erwachsene ist für die Beziehung verantwortlich. Es ist „die Aufgabe der führenden Personen [.] die Ver­antwortung für den Prozess der Wiederherstellung der Verbundenheit zu übernehmen“ (ebd., 2021, S. 6). Ein Sprichwort besagt: „Man kann die Pferde zur Tränke führen, trinken müssen sie selbst.“ Lemme äußert sich diesbezüglich wie folgt: „Unsere Aufgabe ist es das Pferd zur Tränke zu führen, damit es trinken kann. Ob das Pferd letztendlich trinkt, liegt in seiner eige­nen Verantwortung“ (Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 6). Dies stärkt die Eigen­verantwortung, auf die in Kapitel 4.3 noch genauer eingegangen wird. Die Lehrperson macht dem Kind somit immer wieder ein Angebot den Konflikt zu klären.

Die von Lutz kritisierten einseitigen Maßnahmen wurden in Kapitel 3 erwähnt (z.B. die An­kündigung oder konkretes Eingreifen). Diese sollen laut Konzept nur dann ergriffen, wenn eine offensichtliche Gefährdung der Kinder vorliegt und diese die Kooperation strickt verwei­gern (vgl. Lemme & Körner, 2017, S. 69). „Alle einseitigen Maßnahmen zielen nicht auf 47 Machtdurchsetzung, sondern fordern die Rückkehr der Jugendlichen zur Kooperation mit den Erwachsenen und einer weniger gefährlichen Entwicklung ein“ (ebd., 2017, S. 70). Ziel sei es, zu einem Dialog zurückzufinden, der von den Jugendlichen bisher verweigert wurde, die sich in einer bedrohlichen Situation befinden. Regelmäßige Selbstreflexion und Prüfung des eigenen pädagogischen Handelns sind deshalb notwendig, um das Konzept richtig an­zuwenden und keine einseitigen Maßnahmen einzuleiten, ohne dass diese notwendig sind. Um dies besser einzuschätzen, könnten z.B. in Lehrbüchern zur Neuen Autorität beispielhaf­te Gefahrensituationen benannt und bei Fortbildungen zur Neuen Autorität auch besprochen werden, um einen Referenzrahmen zur Verfügung zu stellen.

4.2.5 Lernvoraussetzungen und ähnliche Konzepte

Es stellt sich abschließend die Frage, ob das Konzept der Neuen Autorität von jeder Person angewendet werden kann. Jesper Juul erklärt, dass es im schulischen Umfeld nicht nur um das fachliche Unterrichten gehe, sondern auch um die Beziehungskompetenz im Sinne einer pädagogischen Kompetenz (Juul, 2011, 7min07). Einige Lehrkräfte seien dahingehend be­gabter und besser vorgebildet als andere und manche gestalteten den Unterricht interessan­ter als andere, doch es gebe kein Grundrezept nach dem verfahren werden könne (ebd., 2011, 5min10). So würden die Prinzipien in einer gleichen Situation wahrscheinlich von ver­schiedenen Personen trotz gleicher Bedingungen anders umgesetzt werden.

Die eigene Erziehung spiele auch eine große Rolle. Je nachdem mit welchem Verständnis von Autorität eine Lehrperson groß geworden ist, sei eine Umstrukturierung notwendig (ebd., 2011, 24min55). Doch für wen gilt das nicht? Jeder Mensch ist aufgefordert, sich lebensläng­lich weiterzuentwickeln, Lehrpersonen haben dabei jedoch eine besondere Verantwortung mit Blick auf die ihnen anvertrauten Schüler:innen. Omer und Schlippe weisen darauf hin, dass sich eine geplante Veränderung des persönlichen Lehrkonzepts in Richtung der Neuen Autorität im ganz persönlichen Tempo entwickeln könne. Auch wenn noch nicht die ganze Schule das System umsetzen möchte, könnten einzelne Lehrkräfte damit beginnen. Am An­fang sei nur der Wille nötig, sich auf das Konzept einzulassen und neue Einsichten zu ge­winnen. (Omer & Schlippe, 2016, S. 17) Auch wenn dies sehr verlockend klingt, ist jedoch wichtig sich zu Beginn ausführlich mit dem Konzept auseinanderzusetzen. Die Grundhaltung des Konzepts ist ebenso wichtig wie die Handlungsprinzipien. Außerdem ist das Bewusstsein nötigt, dass die Prinzipien nicht von einem Tag auf den anderen Erfolg zeigen. Es handelt sich um einen langfristigen Prozess.

Da es bisher noch keine empirischen Studien zur Wirksamkeit der Neuen Autorität gibt, sind noch keine Aussagen über nötige Voraussetzungen der Lehrpersonen möglich. Es gibt je­doch einige Konzepte, die dem der Neuen Autorität ähneln und dadurch die Annahmen der Neuen Autorität stützen. Beispielsweise haben Tausch und Tausch vier Verhaltensdimensio­nen für Lehrpersonen formuliert, um Kinder bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Soziali­sation in die Gesellschaft unterstützend zu begleiten. Die erste Dimension bezieht sich auf Wertschätzung, Beistand und einen wohlwollenden Umgang (vgl. Tausch & Tausch, 1998, S. 120). Diese findet sich auch im Konzept der Neuen Autorität, insbesondere im Kapitel 3.2.6 (Beziehungsgesten und Wiedergutmachung) und Kapitel 3.2.1 (Präsenz und Wachsame Sorge) wieder. Die zweite Dimension beschreibt das Einfühlen und Verstehen des Gegen­übers. Es geht darum, das Erleben eines anderen Menschen nachzuvollziehen und sich dementsprechend zu verhalten (vgl. ebd., 1998, S. 45). Auch dieses Merkmal wurde bereits in Kapitel 4.2.3 diskutiert. Die dritte Dimension betrifft ein authentisches und aufrichtiges Verhalten des Erwachsenen. Das bedeutet, als ganze Person auch mit Gefühlen und Emo­tionen anwesend zu sein. (vgl. ebd., 1998, S. 215) Diese Dimension ist ebenfalls für die Neue Autorität wesentlich, da die persönliche Autorität der Lehrperson auf einem authenti­schen und transparenten Auftreten fußt. Die letzte Dimension wird als „Lenkungsdimension“ beschrieben. Hierbei geht es um die Art und Weise den Unterricht als Lernangebot zu gestal­ten und eine anregende Lernumgebung zu schaffen ohne zu stark zu lenken (vgl. ebd., 1998, S. 247). Auch die Notwendigkeit einer Führung wird in diesem Konzept herausgestellt und insbesondere die Stütze durch eine Vorbildperson hervorgehoben.

Auch das Konzept Starke Eltern - Starke Kinder von Tovio Rönka ähnelt in vielen Punkten dem Konzept der Neuen Autorität und wurde vom deutschen Kinderschutzbund adaptiert . Es geht prinzipiell um eine Autorität, die nicht auf Machtmitteln fußt und auf Bestimmtheit und Kritikfähigkeit der Erwachsenen abzielt. Die Beziehung steht wie auch bei der Neuen Autori­tät im Zentrum und die Bedürfnisse aller Beteiligten sollen Berücksichtigung finden. (vgl. Drinck, 2010, S. 133) „Das Konzept zielt dabei vorbereitend auf eine Verbesserung der Kommunikation [...] und auf ein gegenseitiges Verständnis. Beides wird als Voraussetzung für eine zufriedenstellende und gute Beziehung angesehen“ (Drinck, 2010, S. 133). Anhand dieser Beispiele konnte zunächst gezeigt werden, dass, auch wenn die Wirksamkeit der Neuen Autorität bisher noch nicht empirisch nachgewiesen worden ist, Parallelen zu anderen Konzepten existieren.

4.3 Neue Autorität und Eigenverantwortung

„Der Wunsch, Autorität zu installieren, und die Notwendigkeit, sie an die gesell­schaftlichen Wertvorstellungen unserer Zeit anzupassen, erzeugen ein Dilemma für Eltern und Pädagogen: Wie können sie eine neue Autorität aufbauen und um­setzen und gleichzeitig die Werte von freiem Willen, Erziehung zu Eigenständigkeit und kulturellem Pluralismus berücksichtigen?“ (Omer & Schlippe, 2016, S. 13).

Dieses Zitat beschreibt die Ausgangslage, auf welcher die Fragestellung dieser Arbeit grün­det: bietet die Neue Autorität Raum für das Entstehen von Eigenverantwortung? Im Folgen­den werden einige Voraussetzungen und Konzepte betrachtet, die zur Förderung von Eigen­verantwortung beitragen, sodass vor diesem Hintergrund das Konzept der Neuen Autorität im Sinne der Fragestellung überprüft wird. Die Prinzipien des Sit-Ins, des Aufschubs und der Wiedergutmachung werden explizit untersucht, da diese in Kapitel 4.2 gezielt kritisiert wur­den oder genauer erläutert werden müssen.

4.3.1 Voraussetzungen für die Entwicklung von Verantwortung und die Rolle der Führung

Die Wahrnehmung der persönlichen Lebensqualität beziehungsweise der Qualität von Be­ziehungen hängt in großem Maße davon ab, ob Personen bereit sind eine persönliche Ver­antwortung zu übernehmen oder diese sich eher an die Erwartungen anderer anpassen (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 100). Deshalb sei es wichtig, sich der eigenen Erwartungen und Be­dürfnisse sowie derer anderer Menschen bewusst zu sein, um der Situation entsprechend verantwortungsvoll entscheiden zu können (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 100). Laut Juul und Jensen sei die persönliche Verantwortung besonders wichtig in der pädagogischen Erzie­hung, da sie „die fruchtbarste Alternative zu Unterdrückung und Erniedrigung“ (Juul & Jen­sen, 2009, S. 101) darstelle. Außerdem gelte sie als „der zuverlässigste Garant für verant­wortungsbewusste Gemeinschaften“ (Juul & Jensen, 2009, S. 101), was ihre besondere Be­deutung für die Gesellschaft deutlich macht. Wie erwachsene Menschen persönliche Ver­antwortung in ihrem Leben wahrnehmen, sprich eigenverantwortlich handeln, hängt in gro­ßem Maße vom Umfeld und der Förderung ab, die sie in Kindheit und Jugend erhalten ha­ben. Die Sorge der erwachsenen Bezugsperson und deren soziale Verantwortung sind dem­nach mit entscheidend für eine gesunde Entwicklung der Eigenverantwortung. (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 102) Umso älter ein Kind wird, desto besser kann es seine Integrität kennt­lich machen. Leider führe der Konflikt zwischen Integrität und Kooperation häufig zur Anpas­sung. Integrität bedeutet in Übereinstimmung mit seinen eigenen Werten zu handeln. Sie be­ruht auf einer inneren Verantwortung, also der Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse und steht in Wechselwirkung mit der äußeren Verantwortung (z.B. Kultur, Werte der Gesellschaft etc.) ( vgl. Juul, 2011, 1h16min19). „Die Fähigkeit des Kindes, im Verlauf des Heranwach­sens persönliche Entscheidungen zu treffen, ist ganz eng damit verbunden, wie intakt seine persönliche Integrität ist und in welchem Maß sich sein Selbstwertgefühl gesund entwickeln konnte“ (Juul & Jensen, 2009, S. 105). Da sich die Eigenverantwortung über einen langen Zeitraum entwickelt, bedeutet dies für die Erwachsenen, dass sie Geduld haben und den Heranwachsenden etwas zutrauen müssen, indem sie z.B. Misserfolge zulassen. „Dass Kin­der Eigenverantwortung übernehmen, heißt nämlich nicht, dass sie allein klarkommen. Sie brauchen ein konstruktives Zusammenspiel, müssen aber auch die Möglichkeit haben, zu experimentieren und [...] zu scheitern“ (Juul, 2021, S. 2). Es sei wichtig und notwendig, dass Eltern die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen, doch müssten sie dabei deren Bedürf­nisse respektieren und Freiraum lassen, sodass die Kinder nach und nach selbst Verantwor­tung übernehmen können. (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 103 f) Das Konzept der Neuen Auto­rität will dies mit dem Prinzip der wachsamen Sorge sicherstellen , indem das Wohl der Kin­der im Fokus liegt und bei Bedarf Beziehungsangebote gemacht werden. Das Kind solle ge­meinsam mit den Erwachsenen lernen, welche Faktoren und Bedürfnisse außer den persön- lichen in die Überlegungen einbezogen werden müssen, um qualifizierte Entscheidungen zu treffen (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 105). Um Eigenverantwortung zu entwickeln, bedarf es folglich der Führung durch Erwachsene, die einen schützenden Rahmen schaffen, indem Kinder Erfahrungen sammeln können. Bei der Neuen Autorität gehe es nicht „um Machtau­sübung, sondern um ein intensives und beständiges Beziehungsangebot [.]. Es [gehe] dar­um, aus Machtkämpfen zwischen Eltern/ Pädagogen und Kindern/Jugendlichen auszustei­gen und zu einer Haltung der Stärke und Präsenz zu kommen“ (Escherich, 2020, S. 3). Päd­agogen haben grundsätzlich die Entscheidungsfreiheit, ihre Bildungsziele mittels ihrer Amts­gewalt, zum Beispiel mit Sanktionen und Strafen durchzusetzen oder aber die Schüler:innen in Entscheidungsprozesse soweit wie möglich miteinzubeziehen und so ihr Selbstwertgefühl und ihre Eigenverantwortlichkeit zu stärken. „Hat der Erwachsene etwas darüber gelernt, wer das Kind jetzt gerade ist, sollte das entweder durch die eigenen Worte des Kindes oder dort, wo dem Kind die Worte fehlen, durch den emphatischen Gebrauch der Sprache bestätigt werden“ (Juul & Jensen, 2009, S. 117). Einbeziehung umfasst in diesem Sinne das Einbin­den der Bedürfnisse und Wünsche des Kindes in die gemeinsame Zukunft, um dem Kind zu zeigen, dass es ernst genommen wird. Da das Treffen von Entscheidungen, meist in der Verantwortung der Erwachsenen liegt, ist es wichtig klarzumachen, wann diese dem Kind überlassen wird. (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 117) Der Entwicklungsstand des Kindes sollte hierbei stets grundlegend für die Überlegungen sein, da jedes Kind die persönlichen Fähig­keiten unterschiedlich schnell entwickelt. Eine realistische Einschätzung der Umstände ist für eigenverantwortliches Handeln beispielsweise notwendig, damit das Kind weiß, was es sich zutrauen kann. Diese Zusammenarbeit bewirkt bei den Kindern, dass sie zwar nicht zwin­gend das bekommen was sie gerne hätten, sich aber trotzdem ernstgenommen und gesehen fühlen (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 108). Es geht also darum, die Schüler:innen durch eine gute Führung und Begleitung dazu anzuleiten, aktiv Verantwortung für sich und ihr Leben zu übernehmen (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 114). Laut Juul und Jensen hänge die Entwicklung von Eigenverantwortung deshalb in großem Maße von der Führungsqualität der Erwachse­nen und deren sozialer und persönlicher Verantwortlichkeit ab, welche sie in der Interaktion mit den Kindern zeigen. Seien die Erwachsenen dazu nicht in der Lage, verlören die Kinder das Vertrauen darauf, dass die Erwachsenen führen können und Sicherheit bieten. (Juul & Jensen, 2009, S. 114 f) Kinder benötigen Vorbilder, die in der Lage sind für ihr eigenes Han­deln und ihre Grenzen Verantwortung zu übernehmen (vgl. Juul & Jensen, 2009, S. 120) und trotzdem zu eigenen Fehlern zu stehen. „Übernehmen Lehrer und Erzieherinnen die Verant­wortung für ihr eigenes Verhalten, steigt die persönliche und die soziale Verantwortlichkeit der Kinder“ (Juul & Jensen, 2009, S. 125). Dies bedeutet nicht, dass Lehrkräfte fehlerlos sein müssen, ganz im Gegenteil. Es geht lediglich darum sich für Fehlverhalten auch zu ent­schuldigen und die Konsequenzen zu tragen (Juul & Jensen, 2009, S. 126). Das Prinzip der Führungsrolle des Erwachsenen ist grundsätzlich im Konzept der Neuen Autorität verankert (siehe Kapitel 3.2.1 und 3.2.6). Wird diese Idee der Führung, verbunden mit der inneren Grundhaltung, die das Wohl der Kinder anstrebt, umgesetzt, führt dies zu einer Stärkung der Eigenverantwortung. Dies setzt aber die Bereitschaft des Erwachsenen voraus die Führung zu übernehmen und bewusst eine Rolle im Leben der Kinder einzunehmen.

Verantwortlichkeit zeigen heißt für die Lehrkraft jedoch ebenfalls für sich selbst zu sorgen und eigene Bedürfnisse und Grenzen zu beachten. „So ist verständlich, dass zunächst die Lehrkräfte im Mittelpunkt des Professionalisierungsinteresses stehen, denn Schülerinnen und Schüler sind auf authentische Vorbilder angewiesen, wenn sie lernen sollen, Verantwor­tung gern und kompetent zu übernehmen“ (Grimme et al., 2008, S. 195). Daraus lässt sich die Notwendigkeit verantwortlicher und authentischer Lehrkräfte ableiten, von denen die Kin­der lernen können. Die Vorbildrolle ist in der Neuen Autorität ein wichtiger Punkt, der bereits in Kapitel 3.2 angesprochen wurde. Der starke Fokus, welcher auf der Lehrperson liegt ist nötig, damit sie den Schüler:innen ein gutes Vorbild sein kann, jedoch darf hierbei das Inter­esse am Wohl des Kind nicht verloren gehen, da die Neue Autorität ansonsten nur einseitig die Stärkung der Lehrkraft im Blick hätte. In Kapitel 2.2.1 wurde bereits die Professionelle Kompetenz sowie die Beziehungskompetenz der Lehrpersonen beschrieben, welche we­sentliche Voraussetzung sind, um fachliche und überfachliche Kompetenzen zu vermitteln. Die Lehrerausbildung muss sich folglich in der Art verändern, dass diese Kompetenzen der angehenden Lehrpersonen gezielter ausgebildet und gefördert werden. Insbesondere die Fähigkeit einen authentischen Kontakt zu ermöglichen, bildet eine wichtige Grundlage, um Verantwortung an die Lernenden zu übertragen und diese so an das eigenverantwortliche Handeln heranzuführen. „Wohl aber folgt daraus, dass man sich genauer Zeit dafür nehmen sollte, was denn die Absicht und das Bedürfnis von Kindern und Jugendlichen in ihrem Han­deln sind und was sie benötigen, um sich selbstbestimmt und angeleitet zugleich entwickeln zu können“ (Lemme & Körner, 2019, S. 61).

4.3.2 Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit

Bei der Entwicklung von Eigenverantwortung spielt auch die Selbstwirksamkeit eine Rolle. „Denn wer eigenverantwortlich handeln will, muss die Erfahrung gemacht haben, dass er mit seinen Handlungen erfolgreich ist und dadurch seine Zukunft selbst gestalten kann“ (Ziegler, 2014, S. 4). Um Eigenverantwortung zu übernehmen, benötigt man die Gewissheit einen po­sitiven Einfluss auf sein Leben zu haben und dieses erfolgreich gestalten zu können. Unter Selbstwirksamkeit wird folglich die Überzeugung verstanden, mit der jemand an eine Hand­lung herantritt. Ist diese hoch, so geht die Person davon aus, dass das Handeln erfolgreich sein wird; ist sie niedrig so wird höchstwahrscheinlich mit einem Misserfolg gerechnet. (vgl. Ziegler, 2014, S. 4) Diese Haltung ist veränderbar und hängt insbesondere von den gemach­ten Erfahrungen und den Rückmeldungen der Umwelt ab. Selbstwirksamkeit kann bei Schü- ler:innen beispielsweise durch eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung der Erwachsenen gezielt gestärkt werden. Die angesprochene Vorbildfunktion der Erwachsenen sowie die so­ziale und emotionale Unterstützung sind deshalb von Bedeutung. (vgl. Ziegler, 2014, S. 5) Folglich ist es wichtig bei Erfolgserlebnissen konkret zu loben und dem Kind bei negativen Erfahrungen zur Seite zu stehen und gemeinsam aus dem Misserfolg zu lernen. Hierbei ist besonders das authentische und glaubwürdige Auftreten wichtig, damit die Kinder wissen, dass sie sich auf das Feedback der Erwachsenen verlassen können. Es geht darum sie Schritt für Schritt anzuleiten, wie sie immer mehr Dinge eigenverantwortlich übernehmen können und sie dabei in ihren eigenen Fähigkeiten zu bestärken. (vgl. Ziegler, 2014, S. 10 f) Die Prinzipien der Neuen Autorität berücksichtigen diesen Aspekt ebenfalls in ihren Hand­lungsmaßnahmen. Betrachtet man den Sit-In (siehe Kapitel 3.2.5) so zeigt sich, dass hierbei die Meinung des Kindes explizit erfragt wird und es nur um dessen Sichtweise und Ideen geht, die auch ausprobiert und umgesetzt werden. Der Sit-In dient als Bespiel wie das Kon­zept der Neuen Autorität die Schüler:innen mit in die Lösungsfindung einbezieht, und diese so lernen Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, auch wenn sie damit nicht allein gelassen werden. Die Erwachsenen bleiben stets anwesend und bieten im Anschluss auch ihre Hilfe an. Der Erwachsene erklärt sich zwar verantwortlich für die Beziehung an sich, doch in den Prozess der Konfliktlösung werden auch die Kinder miteinbezogen. Die Kommu­nikation sollte dabei von Seiten der Lehrperson stets wertschätzend und liebevoll bleiben: „Dich mag ich, dein Verhalten jedoch nicht“ (Omer & Streit, 2016, S. 36). Auf diese Weise lernt das Kind die Kritik an seinem Verhalten von seiner Person zu trennen und Verantwor­tung für sein Handeln zu übernehmen (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 36). Gleiches gilt für das Schweigende Gespräch. Dieser Idealzustand, wie er gerade beschrieben wurde, kann wahr­scheinlich nicht immer erreicht werden. Ist beispielsweise die Lehrkraft physisch oder psy­chisch ausgelastet oder das Kind nicht kooperationsbereit, kann dieser Prozess schwierig werden. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass der Erwachsene das Prinzip des Sit-In missbraucht und das Schweigen als Strafe für das Kind angewendet wird. Je nachdem in welcher Verfassung das Kind ist, kann es diese schweigende Anwesenheit als Tortur erle­ben, sodass dieses Prinzip äußerst kritisch zu betrachten ist und nur ganz bewusst und nach erfolgter Reflexion angewendet werden sollte. Um den Sit-In angemessen anzuwenden, wird die notwenige Verknüpfung verschiedener Prinzipien deutlich: Selbstkontrolle, die Fähigkeit zur Deeskalation und insbesondere die Bereitschaft beharrlich zu bleiben, sind notwendig, um Konflikte zu lösen. Begegnen die Erwachsenen den Kindern zusätzlich auf Augenhöhe, können diese ihre Selbstwirksamkeit erleben, weil sie in die Lösungsfindung miteinbezogen und ernst genommen werden. Den Lernenden wird Raum gegeben; sie werden involviert und es ist anzunehmen, dass sie so ihre Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung stärken können. Indem Kinder Herausforderungen bewältigen, erleben sie ihre Kompetenz, bei­spielsweise, wenn sie selbst eine schwere Aufgabe meistern. In solchen Situationen findet Entwicklung statt und Grundsteine für das Lösen zukünftiger Probleme werden gelegt. (vgl. Omer & Haller, 2020, S. 22)

Das Prinzip der Wiedergutmachung im Konzept der Neuen Autorität soll ebenfalls das Erle­ben von Selbstwirksamkeit fördern, indem die Kinder erfahren, dass sie trotz ihrer Fehler wieder Teil der Gemeinschaft werden können. Sie sollen erfahren, dass sie durch ihr eigenes Handeln dazu beitragen können Dinge wieder gut zu machen und erleben sich dadurch als 53 selbstwirksam (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 124). Durch die Stärkung der Selbstwirksamkeit, welche im Konzept der Neuen Autorität an einigen Stellen Rechnung getragen wird, wird somit indirekt auch die Eigenverantwortung der Schüler:innen gestärkt. Die Lehrperson nimmt die Grenzen der Möglichkeiten der Kinder wahr und unterstützt sie auf diese Weise in den Prozessen, indem sie teilweise Regeln vorgibt und Konsequenzen aufzeigt. Die Lehr­person hat vielmehr die Pflicht, gewisse Regeln und Normen zu etablieren, welche notwen­dig für das Zusammenleben sind und die respektiert werden müssen. Die Regeln, und auch die Konsequenzen im Falle von Fehlverhalten, sollten von Lehrenden und Lernenden ge­meinsam und einvernehmlich ausgehandelt werden. Dies führt dazu, dass sich die Lernen­den mit Werten und Vorstellungen anderer auseinandersetzen und sich so ihre eigenen Wertvorstellungen manifestieren. Dieser Schritt ist bei Kleinkindern, die noch stark auf die Autorität der Erziehungspersonen fixiert sind, schwerer möglich. Juul beschreibt, dass zu­nächst einige Konflikte durchlebt werden müssten, in denen die Kinder die Entscheidungsbe­fugnis der Erwachsenen in Frage stellen. Dadurch werde deutlich, dass die Kinder bereit seien Verantwortung zu übernehmen und die Erwachsenen etwas von ihrer Verantwortung abgeben könnten (vgl. Juul, 2011, 4min32). Eine Möglichkeit der Weiterentwicklung des Konzeptes wäre es konkrete Handlungsschritte, wie das gemeinsame Aushandeln von Re­geln, in dem Konzept zu verankern, welche die Selbstwirksamkeit und auch die Eigenver­antwortung fördern, sodass eine Stärkung dieser Kompetenzen sichergestellt ist.

Grundsätzlich geht es darum die Lernenden zu begleiten, indem man ihnen beispielsweise die eigene Kompetenz „leiht“ und mögliche Folgen aufzeigt, die das Kind bei der Planung der Handlung möglicherweise noch nicht im Blick hat, und es vor Selbstüberschätzung zu be­wahren. Da Kinder grundsätzlich danach streben, Eigenverantwortung zu übernehmen, ler­nen und möglichst etwas selber machen wollen, ist es hilfreich bei konkreten Aufgaben zu kommunizieren, dass der Erwachsene immer bereit ist zu helfen, wenn er darum gebeten wird, dass die Verantwortung dafür aber bei dem Kind liegt (vgl. Juul, 2011, 5min25). Kinder sollten sich so früh wie möglich ihrer persönlichen Grenzen und Bedürfnisse bewusst sein, um selbst Entscheidungen treffen und für sich sorgen zu können (vgl. Juul, 2011, 1min25). Doch „Veränderungen in einem System gelingen nur, wenn die Menschen, die darin arbeiten, den Prozess verstehen, kritisch begleiten, aber auch aktiv mittragen“ (Grimme et al. S.188 in Busemann, 2007). Die grundsätzliche Verantwortung liegt also stets noch bei dem Erwach­senen und die Rolle des authentischen Vorbildes ist zusätzlich grundlegend für das Konzept, sodass auch auf das Erleben von Selbstwirksamkeit der Lehrkraft Wert gelegt wird (vgl. Ka­pitel 3.2.3). Diese müssen dafür entsprechend ausgebildet sein und in diesem Sinne handeln wollen und können.

4.3.3 Eigenverantwortung und Selbstkontrolle

Für eigenverantwortliches Handeln ist eine gewisse Selbstkontrolle nötig. Das kann z.B. be­deuten, Bedürfnisse zu unterdrücken oder aufzuschieben, bis sie erfüllt werden können. Die Fähigkeit zur Selbststeuerung hängt stark mit der Reifung des Präfrontalen Cortex zusam­men, sodass sich diese Steuerung mit zunehmendem Alter erhöht und ungefähr ab dem Al­ter von 6 Jahren grundlegend vorhanden ist. Damit kann das eigene Verhalten derart ge­steuert werden, dass mehr Freiräume im Handeln entstehen, weil nicht alle Impulse unmit­telbar befriedigt werden müssen. Die vollständige Entwicklung des Präfrontalen Cortex dau­ert allerdings in der Regel bis zum zwanzigsten Lebensjahr an. (vgl. Bischof-Köhler, 2011, S. 344) In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, dass die Kinder nachvollziehen können, war­um Selbstkontrolle notwendig ist und weshalb es sinnvoll ist, ein Bedürfnis nicht immer gleich zu befriedigen. Ergebnisse des Marshmallow-Tests (Mischel, 2015) haben eindrücklich ge­zeigt, dass die Fähigkeit der Selbstkontrolle sich vom vierten bis zum zwölften Lebensjahr mehr als verfünfzigfacht. Hierbei wurde beobachtet, ob die Kinder in der Lage sind ein Marsmallow eine gewisse Zeit lang nicht zu essen, wenn sie dafür danach ein Zweites erhal­ten. Die Kinder waren mit zunehmendem Alter in der Lage länger auf eine Belohnung zu war­ten. Es ist folglich nach Alter und Entwicklungsstand der Schüler:innen zu differenzieren wie viel Verantwortung erwartet wird. Bauer schreibt, dass Anerkennung durch Erwachsene in diesem Zusammenhang ein förderlicher Faktor sei, der die Lernenden bestärkt (vgl. 2015, S. 45). Das eigene Verhalten kontrollieren zu können, ermöglicht eigenverantwortliches Han­deln, da so der nötige Freiraum vorhanden ist, um Folgen abzuschätzen, Perspektiven ande­rer miteinzubeziehen und bewusst Entscheidungen treffen zu können. Die Fähigkeit zur Per­spektivübernahme entstehe bei Kleinkindern mit circa vier Jahren und die Moralentwicklung mit ungefähr sieben Jahren (vgl. Bischof-Köhler, 2011, S. 470). Bis zu diesem Zeitpunkt, scheinen sie das Verhalten und Entscheidungen von Autoritätspersonen nicht zu hinterfragen (vgl. Schick, 2012, S. 231). „Die Fähigkeit, moralisch zu denken, ist eine der wichtigsten Vor­aussetzungen, um miteinander und nebeneinander in Gesellschaften zu leben. Moralisches Denken basiert darauf, Ansichten und Urteile über «Richtig» oder «Falsch» zu treffen und damit das Verhalten des Gegenübers abzuschätzen und vorherzusagen“ (Schick, 2012, S. 229 f). Mit zunehmendem Alter lernen die Kinder folglich nach ihren persönlichen Überzeu­gungen zu handeln und sich im Laufe der Jahre weniger von außen beeinflussen zu lassen und dadurch eigenverantwortlicher zu handeln. Es ist jedoch wichtig auf die individuellen Fä­higkeiten der Lernenden zu achten, da sich nicht alle auf dieselbe Weise entwickeln. Außer­dem fehlt ihnen an manchen Stellen das notwendige Wissen, um begründet Entscheidungen zu treffen, sodass sie weiterhin auf Führung durch Erwachsene angewiesen sind. Diese Füh­rung wird auch bei dem Prinzip des Aufschubs (siehe Kapitel 3.2.5) deutlich, bei dem jedoch teilweise kritisiert wird, dass die präzisen Vorgaben durch festlegen von Ort und Zeit die Kin­der einschränken würde (vgl. Dierbach, 2016, S. 32). Die Milgram Studie aus dem Jahr 1963 zeigte, „dass diejenigen Probanden besonders gehorsam waren, die in einer rigiden Autori­tätsstruktur aufgewachsen und den Vorschriften der Eltern unterworfen gewesen waren“ (Drinck, 2010, S. 133). Die Entstehung von Eigenverantwortung, und im Zusammen­hang damit auch von Selbstdisziplin, benötige jedoch offene Strukturen (vgl. Drinck, 2010, S. 133). Das Prinzip des Aufschubs wurde bereits in Kapitel 4.2.4 diskutiert und soll dazu die- 55 nen die Situation zu reflektieren und schließlich im Rahmen der später folgenden Ausspra­che dem Kind die Verantwortung für die Problemlösung zu übergeben. Indem die Lehrperson im Anschluss festlegt, wann und wo der Vorfall besprochen wird, scheint der nötige Freiraum jedoch wieder etwas eingeschränkt zu werden. Martin Lemme widerspricht dem jedoch und beschreibt das Vorgehen wie folgt: „Ich würde immer auf das Kind zugehen und es fragen, ob es zu einem Gespräch bereit ist. Das Kind kann jederzeit sagen, dass es noch nicht bereit ist. Ich würde beharrlich immer wieder nachfragen, ob es das nun ist“ (M. Lemme, persönli­che Kommunikation, 2021, S. 6). Dies sei es was Lemme unter der Führungsaufgabe ver­stehe, ein Beziehungsangebot. Obwohl die Verantwortlichkeit für die Konfliktlösung bei der oder dem Erwachsenen liege, mache dieser lediglich Beziehungsangebote, welche das Kind annehmen oder ablehnen könne. Es werde somit gleichzeitig die Eigenverantwortung des Kindes gestärkt, da dieses autonom entscheiden könne, ob es schon bereit für die Konflikt­klärung sei. (M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 6) In Konfliktsituationen ist es wichtig, dass nur mit den Personen an einer Veränderung der Situation gearbeitet werden kann, die auch bereit dazu sind. (vgl. Lemme & Körner, 2017, S. 67) Aus diesem Grund will die Neue Autorität Kindern Beziehungsangebote machen, wenn diese sich weigern, in einen Dialog zu treten.

„Die Neue Autorität bleibt beharrlich im Kontakt, und unterstellt dem Kind nichts Böses, sondern geht davon aus, dass sein Handeln die Botschaft eines inneren Bedürfnisses ist. Unsere Aufgabe ist es diesem Bedürfnis zu begegnen und gleichzeitig im Sinne eines Gegenübers zur spiegeln was okay ist und was nicht“ (M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 8).

Laut Lemme sei die Förderung von Eigenverantwortung nicht nur ein Ziel der Neuen Autori­tät, sondern von Erziehung generell. Diese Autonomie des Kindes zu akzeptieren sei zwar nicht immer leicht, doch sollte der oder die Erwachsene gemäß des Gewaltfreien Wider­stands dazu bereit sein. (vgl. M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 8) Lemme formuliert es noch direkter: „Wenn jemand sagt, dass er oder sie das Konzept der Neuen Autorität vertritt, dann sind sie dazu verpflichtet dem Kind die Möglichkeit der Eigenverant­wortung zu geben“ (M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 8).

Das Konzept der Neuen Autorität hat außerdem das Prinzip der Selbstkontrolle bereits inte­griert (siehe Kapitel 3.2.4 Deeskalation und Selbstkontrolle), mit dem die Erwachsenen befä­higt werden sollen, den Kindern Methoden zur Selbstkontrolle an die Hand zu geben und ih­nen darin ein Vorbild zu sein. Das bedeutet jedoch zum einen, dass sich die Lehrperson selbst über diese Strategien im Klaren sein muss und zum anderen, dass es ihr wichtig sein sollte, diese Kompetenzen den Lernenden zu vermitteln. Dies könnte durch vermehrte Hand­lungsvorgaben noch stärker in das Konzept integriert werden, doch stellt z.B. der Aufschub bereits ein Vorgehen dar, welches die Selbstkontrolle sowohl von Lehrperson als auch die des Kindes stärkt. Unter die Selbstkontrolle fällt auch das Prinzip der Wiedergutmachung (siehe Kapitel 3.2.6). „Offensichtlich halten wir ein Menschenkind dann für erzogen, wenn es sich selbst disziplinieren kann, wenn es auf Vernunftargumente eingeht und sein Handeln vor sich und seinen Mitmenschen verantwortet“ (Jank 2002: 46). Mit Hilfe des Prinzips der Wiedergutmachung der Neuen Autorität nach dem Motto „Wiedergutmachung statt Strafe“ (vgl. Omer & Streit, 2016, S. 29) sollen Kinder lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen, indem sie für ihr Handeln einstehen und gegebenenfalls einen entstandenen Schaden wieder gut­machen. Attackieren beispielsweise Jugendliche eine:n Mitschüler:in auf dem Heimweg, hat die Schule verschiedene Möglichkeiten. Eine Suspendierung des Unterrichtes und eine Hausarbeit wären eine herkömmliche Form der Strafe. Im Sinne einer Wiedergutmachung dem Opfer der Gewalt eine Entschädigung zu leisten (z.B. Kino Karten vom Taschengeld be­zahlen) in Verbindung mit einer echten Entschuldigung wären eine alternative im Sinne der Neuen Autorität. Wie bereits in Kapitel 3 angedeutet, kann es an dieser Stelle auch zu Wi­derstand des Täters oder der Täterin kommen. Falls er oder sie keine Bereitschaft für eine Entschuldigung zeigt, würde die Lehrperson beharrlich im Kontakt bleiben und sich auch mit Eltern, Kollegen etc. vernetzen, um den Kontakt auf verschiedenen Ebenen zu suchen. „Für Eigenverantwortung benötigt es ein Gewissen, eine Haltung was gut und was falsch ist. Wenn man sich dessen bewusst ist, so kann eine Wiedergutmachungsleistung erbracht wer­den, die immer mit der Einsicht verbunden ist“ (M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 4). Falls keine Einsicht vorhanden sei, dürfe auch keine Wiedergutmachungsgeste erzwungen werden, sodass diese von der oder dem Erwachsenen übernommen werden müsse (vgl. M. Lemme, persönliche Kommunikation, 2021, S. 4). In diesem Sinne wird der Prozess der Übernahme von Verantwortung zunächst fremdbestimmt initiiert, und in gewis­ser Weise auferlegt, damit dann im Laufe der Zeit Eigenverantwortung daraus entstehen kann.

4.3.4 Das Spiralprinzip

Mau und Schack halten es für notwendig, die Art und Weise wie Unterricht konkret erfolgt, neu zu überdenken. Zwar müssten die Lehrpersonen nach wie vor Expert:innen für die fach­lichen Kompetenzen sein, doch sei ihre Aufgabe im Sinne der aktuell geforderten überfachli­chen Kompetenzen zukünftig mehr die Rolle von Moderator:innen, welche die Schüler:innen beim Lernen begleiteten. Die Verantwortung für den Lernprozess werde auf diese Weise sukzessive an die Lernenden übertragen. Die Lehrpersonen sollen initiieren, dass die Ler­nenden selbstständig Problemstellungen formulieren und überwiegend als Begleiter:innen des Lernprozesses aktiv sein (vgl. Schack & Mau, 2008, S. 213). Um dies zu erreichen, müsse ein Basiswissen über geeignete Lernstrategien und Arbeitstechniken vermittelt wer­den. Diese könnten sich im Laufe der Zeit durch Anwenden und Übung immer weiter festi­gen. (vgl. Schack & Mau, 2008, S. 207) Durch die neu erlernten Routinen werden die Schü- ler:innen dazu befähigt die Organisation für ihr Lernen selbst zu übernehmen und verschie­dene Lerntechniken adäquat einzusetzen. Sie lernen insbesondere die einzelnen Arbeits­schritte kritisch zu reflektieren und neue Erkenntnisse bei spätere Aufgaben zu berücksichti­gen (vgl. Schack & Mau, 2008, S. 208). Mau und Schack weisen darauf hin, dass die Schüler:innen nur dann in der Lage seien eigenverantwortlich zu handeln, wenn sie zuvor die notwendigen überfachlichen Basiskompetenzen erworben hätten. Diese beinhalteten bei­spielsweise Kenntnisse verschiedener Lern- und Arbeitstechniken, Kommunikationsstrategi­en, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und andere überfachliche Kompetenzen. Auf diesen Basiskompetenzen aufbauend könnten die Schüler:innen individuell ihren Lernprozess ge­stalten. Da diese Basiskompetenzen zunächst erlernt werden müssen, benötige es vorstruk­turierte Aufgaben mit einer Progression. Die Vorgaben würden dann nach und nach redu­ziert, sodass die Lernenden immer eigenständiger arbeiten und selbst entscheiden könnten, wie sie die Aufgaben lösen. (vgl. Schack & Mau, 2008, S. 210) Diese überfachlichen Basis­kompetenzen werden im Sinn einer Lernspirale somit parallel zu den fachlichen Inhalten er- lernt (siehe Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Selbstgesteuertes Lernen (SegeL) im Fachunterricht nach Höfer/Madelung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4: Lernspirale

An dieser Stelle wird deutlich, dass für die Förderung von Eigenverantwortung ebenfalls strukturierte Unterrichtskonzepte erforderlich sind und erarbeitet werden müssen. Diese be­reiten die Lernenden nach und nach darauf vor, zunehmend selbst Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen und Aufgaben eigenständig lösen zu können. Derartige Vorgehens­weisen für den Unterricht bietet die Neue Autorität nicht, da sie vielmehr ein unterrichtüber­greifendes Handlungskonzept darstellt. Für eine geeignete Beziehungsebene zwischen den Lehrenden und Lernenden soll eine zwischenmenschliche Grundhaltung bewirkt werden. Für die Übernahme von Verantwortung, die freiwillig erfolgen muss, ist diese Haltung notwendig (siehe Kapitel 3). Eine vertrauensvolle Atmosphäre auf der Beziehungsebene stellt eine we­sentliche Voraussetzung dafür dar, dass sich Eigenverantwortung bei den Lernenden entwi­ckeln kann, sodass Konzepte wie das Spiralprinzip ergänzend zum Konzept der Neuen Auto­rität angewendet werden können.

Fazit und Ausblick

„Wer sich im Praxisfeld von Erziehung und Bildung bewegt, weiß, wie weit und dunkel dieses Feld ist, und er wird die Langeweile und Banalität kaum zu fürchten haben, viel eher die Konfusion. Er wird merken, dass der Lichtkegel einer einzigen Perspektive niemals genügt, um dieses Feld - die vielfältige Topografie von Bil­dung und Erziehung - auszuleuchten. Aber er wird auch akzeptieren müssen, dass es nicht möglich ist, gleichzeitig aus allen relevanten Perspektiven Licht ins Dunkel zu werfen“ (Reichenbach, 2007, S. 240).

Das Zitat von Roland Reichenbach beschreibt eindrücklich die Breite, welche das pädagogi­sche Feld umfasst. In dieser Arbeit wurde “der Lichtkegel“ auf die überfachlichen Kompeten­zen geworfen, welche seit dem PISA-Schock besondere Bedeutung erlangt haben.

Die überfachliche Kompetenz der Eigenverantwortung nimmt dabei eine Schlüsselstellung ein, weshalb sie ein zentrales Bildungsziel der Schule darstellt. Diese sollte entsprechend der Definition in Kapitel 1.1 drei Eigenschaften umfassen: zum einen die Fähigkeit das eige­ne Leben erfolgreich zu gestalten und eigene Entscheidungen treffen zu können; außerdem die Bereitschaft, ggf. die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen und schließlich die Fähigkeit, Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt zu übernehmen.

Der Eigenverantwortung wird von Seiten der Pädagog:innen, der Politik als auch der Wirt­schaft besondere Bedeutung zugemessen. Zunächst wurden die bildungspolitischen Vorga­ben untersucht, die heute explizit eine Kompetenzorientierung vorgeben. Kompetenzen schaffen die Voraussetzung, spezifische Anforderungen zu bewältigen und lassen sich in fachliche (Sachkompetenz) und überfachliche Kompetenzen (Selbst- und Sozialkompetenz) unterteilen. Neben der Vermittlung von klassischem Fachwissen wird nun auch der Persön­lichkeitsentwicklung der Lernenden große Bedeutung beigemessen, sodass die überfachli­chen Kompetenzen eine zentrale Rolle in den didaktischen Diskursen einnehmen. Inwieweit hierbei eine Qualifizierung entsprechend den speziellen Bedürfnissen der Wirtschaft im Vor­dergrund stehen soll, ist umstritten, doch sind sich Pädagog:innen, Politik und Wirtschaft ei­nig, dass überfachliche Kompetenzen, wie die Eigenverantwortung und andere Schlüssel­qualifikationen, essenziell für das (Berufs-) Leben sind.

Kompetenzen sind erlernbar und somit auch vermittelbar. Daraus geht die wichtige Rolle der Lehrkraft hervor, die als Bildungspartner:in der Eltern mitverantwortlich für die Erziehung der Kinder ist. Um Kompetenzen zu vermitteln, benötigt die Lehrperson selbst eine professionel­le Kompetenz, welche das fachliche, pädagogische und fachdidaktische Wissen umfasst und sich im Laufe von Studium und Lehrberuf entwickelt. Ein besonderer Stellenwert wird dar- überhinaus der zwischenmenschlichen Beziehungsebene zugeschrieben. Die Beziehungs­kompetenz der Lehrenden spielt eine tragende Rolle für den Lernerfolg, obgleich sie in der bisherigen Lehrerausbildung noch zu wenig behandelt wird. Es sollten deshalb bereits im Studium geeignete Konzepte für die Vermittlung von (überfachlichen) Kompetenzen vorge­stellt und diskutiert werden. Eine Pädagogik, die sich im Wesentlichen auf Amtsgewalt, Stra­fen und Gehorsam gründet, schränkt die Entwicklung der Kinder ein. Da Disziplinschwierig­keiten stets eine Herausforderung darstellen, braucht es geeignete Konzepte, welche die Lehrenden und Lernenden gleichermaßen stärken und zusätzlich den Lernenden die Ver­antwortung für ihr Lernen und Handeln sukzessive übergeben. Außerdem müsste bereits in der Ausbildung auf die Bedeutung der Beziehungsebene zwischen Lehrenden und Lernen­den hingewiesen werden. Da das Konzept der Neuen Autorität auf dieser Beziehungsebene aufbaut und den Pädagog:innen die Strärkung ihrer Autorität als Lehrperson verspricht, wur­de es im Sinne der Fragestellung dahingehend untersucht, wie es sich zur Entwicklung von Eigenverantwortung der Schüler:innen verhält. Dem zugrunde liegt die Kritik, dass dieses Konzept lediglich die Stärkung der Lehrperson in den Fokus nehme.

Um ein gemeinsames Grundverständnis sicherzustellen, wurde der Begriff „Autorität“ mithilfe von lateinischen Bezeichnungen differenziert. Auctoritas (die persönliche Autorität) be­schreibt die Durchsetzungsfähigkeit einer Person, allein aufgrund der Authentizität ihrer Per­sönlichkeit und potestas (die formale Autorität ) die Durchsetzungsfähigkeit aufgrund der rechtlich hierarchischen Stellung. Es handelt sich bei der auctoritas um das Interaktionspro­dukt eines kommunikativen Aushandlungsprozesses, welches auf Anerkennung statt auf Ge­horsam beruht.

Die Neue Autorität basiert primär auf der persönlichen Autorität (auctoritas), welche durch eine gleichwürdige Beziehung, im Sinne von gegenseitigem Respekt, gefestigt werden soll, auch wenn das Erziehungsverhältnis stets ein Machtverhältnis ist. Die Abgrenzung der „neu­en“ persönlichen von der „alten“ formalen Autorität zeigt sich insbesondere im Fokus auf die Beziehungsebene und die Führungsrolle der Lehrperson, welche die Verantwortung für die Beziehung mit den Schüler:innen trägt sowie in dem Verzicht auf Strafen und Gehorsam.

Das Konzept der Neuen Autorität basiert auf dem systemischen Ansatz, dass Menschen im­mer aufgrund von Bedürfnissen handeln, die sie zu befriedigen versuchen. Es erfolgt des­halb eine Trennung zwischen der Person selbst und ihrem Handeln, sodass die Beziehung zu einer Person aufrechterhalten werden kann, auch wenn ihr Verhalten nicht akzeptiert wird. Es geht bei der Neuen Autorität also in erster Linie um die Beziehungsebene, als Grundlage für das soziale Miteinander und als Basis für guten Unterricht, wobei der Erwachsene die Verantwortung für die Qualität der Beziehung trägt. Die Lehrperson wirkt hierbei jedoch nicht durch Zwang und Gehorsam auf das Kind ein, sondern indem sie ihr eigenes Verhalten re­flektiert, ändert und auf diese Weise versucht eine Verhaltensänderung des Kindes zu bewir­ken. Bei konfliktauslösendem Verhalten eines Lernenden folgt deshalb kein Beziehungsab­bruch durch Strafen, sondern eine Stärkung der Beziehungsebene auf der Basis einer per­sönlichen Autorität. Das Konzept der Neuen Autorität stützt sich auf verschiedene Haltungs­und Handlungsaspekte, welche anhand von sechs Säulen (Präsenz und wachsame Sorge, Deeskalation und Selbstkontrolle, Öffentlichkeit und Kooperation, Netzwerke und Unterstüt­zung, Gewaltfreier Widerstand und Protest, Beziehungsgesten und Wiedergutmachung) be­schrieben wurde. Die Präsenz wird hierbei als Quelle der persönlichen Autorität besonders hervorgehoben, und anhand von sechs Präsenzdimensionen präzisiert. Eine gute Zusam­menarbeit von Eltern und Lehrkräften wird ebenfalls betont, da die Lehrkräfte als Bildungs- partner:innen zu den Entwicklungsprozessen der Kinder beitragen. Auch in dieser Beziehung 60 sollten die Lehrkräfte die Führungsaufgabe übernehmen und auf Gleichwürdigkeit und Be­rücksichtigung der jeweiligen Bedürfnisse achten.

Die Kritik einiger Autoren, dass die Prinzipien der Neuen Autorität lediglich der Stärkung von Pädagog:innen dienten, die sich gegenüber ihren Schüler:innen ohnmächtig fühlten und nicht das Wohl der Schüler:innen im Fokus hätten, konnten nach Analyse der Methodik und nach einem Interview mit einem Vertreter des Konzepts in Deutschland grundsätzlich nicht bestätigt werden. In Form von sechs Säulen werden Werkzeuge angeboten, die helfen kön­nen im Bereich der überfachlichen Kompetenzen eine gute gleichwürdige Beziehung herzu­stellen. Die Schüler:innen sollen ermutigt werden, auf freiwilliger Basis, mit ihren Lehrer:in- nen zu kooperieren, die zwangsläufig bestehende Führungsrolle der Lehrkräfte zu akzeptie­ren und zunehmend selbst Verantwortung für ihr Lernen und Handeln sowie für die Gemein­schaft zu übernehmen. Die Lehrkräfte sollen diese Führungsrolle nicht allein auf ihrer Amts­gewalt (potestats) sondern anhand einer persönlichen Autorität (auctoritas) begründen. Trotz allem lässt sich jedes Konzept missbrauchen und auch die Neue Autorität beinhaltet Hand­lungsprinzipien, die sich missbräuchlich einsetzen lassen, was eine Einschränkung der Ei­genverantwortung der Kinder zur Folge hat . Um einen Missbrauch des Konzepts zu verhin­dern und sicherzustellen, dass z.B. die Eigenverantwortung der Kinder tatsächlich gefördert wird, ist der zentrale Ausgangspunkt die Selbstreflexion. Es muss stetig geprüft werden, in wessen Interesse die Maßnahmen stehen und ob diese notwendig und angemessen sind. Hierfür ist in Neue Autorität in Haltung und Handlung ( Lemme & Körner, 2019, ) ein Selbstre­flexionsbogen für die Lehrkräfte bezüglich der Präsenzskalierung vorhanden.

Eine weitere Voraussetzung, um das Konzept richtig anzuwenden, ist die innere Grundhal­tung, dass es immer um das Wohl der Kinder geht und die damit verbundene Bereitschaft, in deren Leben eine Rolle zu spielen. Dies beinhaltet den Wunsch, die Schüler:innen zu Per­sönlichkeiten auszubilden und ihnen zu vermitteln, dass im Leben nicht nur Leistung zählt, sondern es darum geht sich zu entwickeln, sowie Verantwortung für sich und die Gesell­schaft zu übernehmen. Das Handeln der Lehrkraft muss dabei immer wieder auf diese grundlegenden Werte und Normen ausgerichtet werden. Entscheidend wird vor allem sein, das tägliche Handeln, von dem vieles unbewusst gesteuert wird, beständig zu reflektieren, bei Bedarf zu korrigieren, und wenn es sein muss, sich auch als Lehrperson zu entschuldi­gen. Es sollten verstärkt Überprüfungsorganismen in das Konzept eingebaut werden, die da­bei helfen sicherzustellen, dass die Prinzipien richtig angewendet werden. Diesbezüglich könnte das Konzept durch einen spezifischeren Fragebogen erweitert werden, welcher dabei hilft, sich selbst als Lehrperson in Bezug auf spezielle Bereiche zu hinterfragen. Beispiels­weise könnte man einen Fragebogen erstellen, der dabei hilft die innere Haltung und Werte zu hinterfragen, die mit den angewendeten Maßnahmen verfolgt werden. Ein anderer würde hinterfragen, ob die Eigenverantwortung der Lernenden konkret gefördert wird und aufzei­gen, falls diese behindert wird (Siehe Anhang 2). Diese „Sicherheitsmaßnahme“ würde die Selbstreflexion begleiten. Da die Selbstkontrolle nur beschränkt einen Missbrauch des Kon­zeptes verhindern kann, sollten außerdem bereits in der Lehrerausbildung die notwendigen 61 überfachlichen Kompetenzen verstärkt vermittelt werden. Die Anwendung der Prinzipien soll­te bestenfalls durch eine qualifizierte Supervision und Evaluation begleitet werden. Die Ein­führung von Reflexionsteams könnte ebenfalls dabei helfen einem Missbrauch vorzubeugen, da man durch eine Außenperspektive auf mögliche „blinde Flecken“ hingewiesen wird und sich vor einer anderen Person „rechtfertigen“ muss, die das Handeln des Gegenübers gezielt hinterfragt.

So kann die Forschungsfrage dieser Arbeit derart beantwortet werden, dass die Eigenver­antwortung grundsätzlich und vielfach sogar explizit gefördert wird, wie beispielsweise mit dem Prinzip des Aufschubs und der Wiedergutmachung. Um Eigenverantwortung überneh­men zu können, ist eine gute Beziehungsebene hilfreich, um die sich das Konzept der Neuen Autorität bemüht. Die Schüler:innen sollen die Gewissheit haben, unabhängig von ihrem Handeln angenommen zu sein, was nicht heißt, dass sie alles ohne Konsequenzen machen dürfen. Aus einer Position der Stärke soll die Lehrperson befähigt werden, Grenzen zu set­zen, ohne zu strafen und ohne Liebesentzug. Die Neue Autorität vermittelt somit Werte, wel­che die Grundlage für die Übernahme von Verantwortung sind. In Anbetracht der Führungs­rolle des Erwachsenen ist darauf hinzuweisen, dass er oder sie zwar die Aufgabe hat, für eine gute Beziehung zu den Kindern zu sorgen, aber nur in dem Maße verantwortlich ist, wie die Kinder noch nicht in der Lage dazu sind, selbst Verantwortung zu übernehmen. Ziel ist es deshalb, entsprechend der persönlichen Entwicklung der Kinder, immer mehr Verantwortung an diese zu übertragen und sie in diesem Entwicklungsprozess zu begleiten. Durch die Fra­ge an das Kind: „Was brauchst du?“, wird bereits Verantwortung an das Kind übertragen, da es so selbst seine Bedürfnisse ergründen kann. Durch das stetige Beziehungsangebot kann die Lehrkraft eine Umgebung schaffen, in der die Kinder sich trauen können Verantwortung zu übernehmen, weil auch Fehler gemacht werden dürfen.

Eigenverantwortung als Bildungsziel der Schule ist eine zentrale überfachliche Kompetenz, und wesentliche Voraussetzung, um als erwachsener Mensch das Leben selbstbestimmt, in Verantwortung für Gemeinschaft und Umwelt, gelingend zu führen. Es ist zwingend notwen­dig Kinder und Jugendliche von klein auf an die Übernahme von Verantwortung heranzufüh­ren. Dieser Prozess kann durch das Konzept der Neuen Autorität grundsätzlich unterstützt werden. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn möglichst das gesamte Lehrpersonal einer Schule in das Konzept der Neuen Autorität eingeführt wird und bereit ist entsprechend zu handeln, doch können auch einzelne Lehrkräfte oder kleine Gruppen damit beginnen.

Jedes Konzept kann missbraucht werden, doch kann dem entgegengewirkt werden, wenn die Grundideen des Konzepts beachtet werden: eine regelmäßige Selbstreflexion (unter Ein­bezug der Fragebögen/ Supervision); eine innere Grundhaltung in Bezug auf persönliche Werte (z.B. den Wunsch die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder zu fördern); die Füh- rungs- und Vorbildrolle des Erwachsenen; der Fokus auf die Beziehungsebene sowie die Be­reitschaft, Verantwortung für die Beziehungsqualität zu übernehmen.

Eine Schwachstelle dieser Arbeit ist der rein theoretische Bezug zur Fragestellung, da keine praktische Forschung zu diesem Thema möglich war. So konnten die Aussagen nur auf Ba- 62 sis theoretischer Fakten und in Bezug zu anderen Konzepten und Forschungen getroffen werden. Weiterführend könnte deshalb eine prospektive Langzeitstudie zur Neuen Autorität dazu beitragen, empirisch belegbare Aussagen über ihre Wirksamkeit zu machen. Vergleiche von Schulen, an denen die Neue Autorität als Gesamtkonzept angewendet wird, mit solchen ohne besonderes schulspezifisches Konzept, könnten klären, wie hilfreich das Konzept für Lehrende und Lernende tatsächlich ist.

Weiterhin sind im Rahmen dieser Arbeit Aspekte aufgefallen, welche die Vermittlung von Kompetenzen beeinflussen. Die von der Bildungspolitik festgelegten Rahmenbedingungen, welche im zweiten Kapitel angesprochenen wurden, haben beispielsweise einen beträchtli­chen Einfluss auf die Vermittlung von Kompetenzen. Diese hängt somit nicht nur von den pädagogischen Konzepten der Lehrperson ab, sondern auch von politischen Vorgaben. Die klassische Schulstruktur scheint zu viele Vorgaben zu machen und sowohl Lehrenden als auch Lernenden wenig Freiräume zu lassen, um individuell und eigenverantwortlich zu han­deln und zu arbeiten. Weiterhin sollte also erforscht werden, wie sich diese Vorgaben verän­dern müssten, um die geforderten Kompetenzen effektiv zu fördern.

Anhang

Anhang 1: Interview mit Martin Lemme zur Neuen Autorität - 12.08.2021

HG: Sie sind neben vielen anderen Ausbildungen auch systemischer Coach für die Neue Autorität, und in meiner Staatsexamensarbeit prüfe ich, wie sich dieses Konzept zur Entwicklung von Eigenverantwortung von Schüler:innen verhält. Ich habe einige Fragen dazu vorbereitet, die ich Ihnen gerne stellen möchte: Ist die Präsenz eine der Säulen der Neuen Autorität oder ist sie noch mehr als ein Handlungskonzept?

ML: Das ist nicht unsere Darstellung mit dem Konzept der Säulen, sondern von unseren Freunden aus Österreich aus dem Institut INA. Bei ihnen sind Präsenz und wachsame Sorge eine Säule. Wir verstehen das etwas anders. In diesem Grundlagenartikel, den wir zu sechst geschrieben haben, das sind sechs Leute, die mit einem etwas unterschiedlichen Ansatz an das Konzept Neue Autorität herangehen, beschreiben wir ein prozessdynamisches Modell. Wir gehen davon aus, dass wenn ein Mensch etwas erlebt - beispielsweise, wenn eine Schulklasse laut ist - so wirkt sich das auf die Person aus, und dieses Erleben haben wir auf sechs unterschiedlichen Dimensionen beschrieben. Diese nennen wir Präsenzdimensionen, weil wir davon ausgehen, dass Präsenz etwas ist, was tatsächlich im Mittelpunkt dieses ge­samten Konzeptes steht. Unsere Idee ist im Kern, dass wenn man nachvollzieht, auf welcher Präsenzdimension man sich gerade befindet, wenn man z.B. hilflos ist und sich dann fragt: „Was brauche ich, damit ich wieder präsent werde?“. Diese Präsenz setzt sich zusammen aus „Ich bin körperlich anwesend“, „Ich habe eine Handlungsfähigkeit/ eine Überzeugung von dem was richtig ist“, „Welche Absicht verfolge ich gerade?“, „Wie selbstreguliert bin ich?“, „Wie bin ich eingebunden in ein größeres Netzwerk?“. Wenn man sich an dieser Stelle entsprechend unterstützt, kann man aus sechs Handlungs- und Haltungsaspekten überle­gen, wie man sich am besten stützen kann (z.B. durch den Sit-In, Ankündigung und andere Methoden).

Für uns ist die Präsenz im Mittelpunkt und alle Methoden dienen dazu, die Präsenz zu stär­ken.

HG: Welche Bedeutung messen Sie der Entwicklung von Eigenverantwortung auf Sei­ten von Kindern bei und wie muss eine Erziehung aussehen, die Eigenverantwortung von diesen fördert?

ML: Eigenverantwortung von Seiten der Kinder und Jugendlichen? Denn man könnte genau­so auf die Verantwortung der verantwortlich handelnden Personen schauen, da dies eine ganz spezielle Aufgabe ist. Selbst wenn man gute Strategien an einer Schule etabliert hat, so muss die Person, die handelt, immer noch eigenverantwortlich handeln, im Abgleich zu den Werten und Haltungen des Systems.

Die Frage nach Eigenverantwortung auf Seiten der Kinder hat etwas mit dem Menschenbild zu tun: wie schauen wir die Kinder und Jugendlichen an? An dieser Stelle sollte unterschie­den werden, ob Kinder in gewissen Situationen nicht können oder nicht wollen. Denn wenn sie nicht wollen, haben sie einen persönlichen Grund, dass sie verweigern und in den Protest gehen. Dies ist eine Art Botschaft an die Erwachsenen: „Ich komme damit nicht zurecht!“. Falls sie es nicht können und beispielsweise in der Reifeentwicklung noch nicht so weit sind, dann sind sie überfordert. D.h. die Rückmeldung der Kinder durch ihr Verhalten drückt aus, dass sie Hilfe brauchen. Die Eigenverantwortung greift somit erst an der Stelle, wo voraus­gesetzt werden kann, dass ein Kind grundsätzlich wissen könnte, wie man sich sozial ver­hält, es aber aufgrund gewisser Umstände oder Bedürfnislagen im Moment nicht kann.

Betrachten wir dies am Beispiel eines 14-jährigen, der auf dem Schulhof andere schubst und ein Verhalten zeigt, das von der Lehrkraft nicht geduldet werden kann, so muss interveniert werden. Kennt die betroffene Lehrperson diesen Schüler und weiß, dass er im Grunde ge­nommen die Regeln kennt und sich in anderen Kontexten (z.B. auch in der Fußballman- schaft) auch an diese hält, so besitzt dieser Junge die notwendige Kompetenz für ein ange­messenes Verhalten. Wenn die Lehrperson ihn in dieser Situation dazu bewegen möchte sein Verhalten zu ändern, würde man in einer traditionellen Autorität mit Sanktionen und Strafen arbeiten. Eben an dieser Stelle ist die Idee der Neuen - oder wir sagen mittlerweile systemischen- Autorität sich damit zu beschäftigen, die Einsicht dieses 14-Jährigen zu ge­winnen. Das bedeutet, dass ihm vermittelt werden muss: „Wir sind daran interessiert, dass es dir gut geht, dass wir zusammen in einer Verbundenheit bleiben. Wir sind daran interes­siert, dass es auch allen anderen gut geht; deswegen ist dein Verhalten nicht okay und wir sind dafür verantwortlich zu intervenieren. Gleichzeitig können und wollen wir dich zu nichts zwingen, sondern wir möchten dich motivieren, gemeinsam Lösungen für diese Situation zu finden.“ Das kann natürlich mit viel Widerstand und Protest verbunden sein, vor allem wenn das Kind bereits viel Ärger und Beschämung erlebt hat. In diesem Fall würde aber die Be­harrlichkeit der Pädagog:innen, die mit ihm arbeiten, dem Kind durch die beständige Kon­taktaufnahme zeigen, dass die Erwachsenen an ihm interessiert und um ihn bemüht sind. So kann das Kind erkennen, dass ihn sein eigenes Verhalten an den Rand der sozialen Gruppe bringt und er eigentlich Teil der Gruppe sein möchte. Die Eigenverantwortung ist im Grunde das, was wir suchen, damit das Kind, je nach seinen Möglichkeiten, bei der Veränderung seines Verhaltens mitmacht.

HG: Was wären konkret Maßnahmen in einem solchen Fall? Was passiert, wenn Kin­der sich aktiv weigern?

ML: Das Normale wäre, dass man zunächst versucht, mit dem Kind ins Gespräch zu kom­men. Das wäre normaler pädagogischer Alltag. Die anderen Maßnahmen würde man dann ergreifen, wenn das Gespräch nicht gelingt. Angenommen, der Jugendliche sitzt stur im Ge­spräch und betont seine Unlust, so kommt es zunächst auf die eigene Einstellung an. Die Lehrperson könnte sich entweder denken: „Wenn er keine Lust hat, bekommt er eben schlecht Noten; bleibt sitzen und wird im schlimmsten Fall von der Schule verwiesen.“ Oder aber die Lehrperson sagt: „Dieses Kind ist mir so wichtig und es hat seine Not, sonst würde es sich nicht so verhalten, deshalb will ich es unterstützen, damit sich das verändern kann.“ Dann könnte eine erste Maßnahme sein, dem Kind zu vermitteln: „Wir haben jetzt schon oft miteinander gesprochen, mir ist wichtig, dass sich etwas verändert; nur weiß ich nicht wie. Damit sich das verändert, müsstest du aber mitmachen. Damit du weißt, wie wichtig mir das ist, bleibe ich eine Weile hier mit dir sitzen. Wenn du magst, kannst du die Zeit nutzen, um Vorschläge zu machen; ich werde schweigen.“ An dieser Stelle sind wir beim schweigenden Gespräch angelangt, einem Mini-Sit-In. Nach zwei bis drei Minuten würden man eventuell sagen: „Heute haben wir noch keine Lösung gefunden, ich werde dranbleiben und ich bin weiterhin daran interessiert, dass sich die Situation verändert.“ Nun könnte es sein, dass sich nach mehreren schweigenden Gesprächen noch nichts verändert hat. Dann hätte man sich aber mittlerweile schon mit anderen Lehrern und den Eltern vernetzt. In diesem Fall würden diese Gespräche auch mit den anderen Pädagogen und Eltern erfolgen. Immer mit der Maß­gabe - und das ist an dieser Stelle wichtig - dass man zurückmeldet, dass es nicht um Sank­tionen oder Drohungen geht, sondern darum, dass der Jugendliche selbst dazu bereit ist, die Situation zu verändern. Die Aufgabe der Pädagogen ist es in diesem Prozess, sich quasi durch ihre Beharrlichkeit gedanklich neben den Jugendlichen zu setzen, um das Verhalten, welches er zeigt, gemeinsam zu verändern. Er soll merken, dass die Erwachsenen daran interessiert sind, dass es auch ihm damit besser geht.

Dann könnte man natürlich weitere Schritte wählen: Sit-Ins, Ankündigungen (ein schriftlich formulierter Brief, in dem kommuniziert wird, dass man mit dem Verhalten nicht einverstan­den ist, aber so sehr an dem Kind interessiert ist, dass man beharrlich dran bleiben wird ). Auch Feedback-Schleifen können eingesetzt werden (hierbei werden die Jugendlichen im Laufe des Tages immer wieder daran erinnert). Die Beharrlichkeit ist immer mit dem bekun­deten Interesse verbunden: „Ich würde dir gerne helfen und bin daran interessiert, dass du und die anderen sich wohler fühlen und dafür brauche ich dein Mitwirken.“

HG: Haben sie bereits die Erfahrung gemacht, dass dieses Vorgehen funktioniert und effektiv ist?

ML: Das Interessante daran ist, dass es besonders dahingehend funktioniert, dass die Päd- agog:innen, die Eltern etc., die damit betroffen waren, sich erstmals wieder handlungsfähig erleben und merken, dass sie etwas tun können und nicht ausgeliefert sind, auch wenn das Kind sich verweigert. Das ist der erste Schritt, denn wenn man etwas tun kann und wieder überzeugt ist von seinen eigenen Fähigkeiten und gleichzeitig daran interessiert ist, dass es dem oder der Jugendlichen gut geht, dann bekommt er oder sie das zwangsläufig irgend­wann mit. Das ist es, was trägt: dass man beharrlich dabei bleibt, ohne zu sanktionieren und daran interessiert ist, dass es allen Beteiligten besser geht, dann ist das die Kraft, die eine Veränderung möglich und sichtbar macht.

Spricht man über Präsenz, so ist der erste Erfolg die Erfahrung der Erwachsenen, dass sie in Bezug auf diese Verweigerung nicht hilflos sein müssen, sondern trotzdem etwas tun kön­nen.

HG: Es gibt also keine Strafen und Sanktionen im Konzept der Neuen Autorität?

ML: Es gibt tatsächlich keine Strafe, denn Strafen und Sanktionen verändern nicht die Ein­sicht eines Menschen. Im Gegenteil: wenn man die Justiz betrachtet, so haben meist nur die Menschen ihr Verhalten geändert, die im Rahmen dieser Inhaftierung mit Menschen zu tun hatten, die mit ihnen gemeinsam über verändertes Leben nachgedacht haben. Die anderen fühlen sich eher ungerecht behandelt. Das heißt, dass Strafe zur Folge hat, dass man uner­wünschtes Verhalten beim nächsten Mal bloß geschickter tarnt oder dass man stärker miss­trauisch wird. Jedoch stärkt es nicht die Verbundenheit, welche letztendlich die Kraft von Veränderung ist. Dies kann auch bindungstheoretisch belegt werden, da die Beziehung die Kraft ist, die es schafft, Dinge zu verändern. Auch in der Pädagogik mit Kindern, die als „Sys- temsprenger:innen“ bezeichnet werden. Das sind Kinder, die das Vertrauen in Erwachsene verloren haben; und wenn es gelingt, dort wieder Vertrauen herzustellen, dann gelingt es auch, dass diese Kinder nach und nach lernen, sich wieder anders zu verhalten.

HG: Wie würden sie vorgehen, wenn ein Kind eine Wiedergutmachung verweigert?

ML: Wenn eine Wiedergutmachung gefordert wird, weil z.B. ein starker sozialer Schaden entstanden ist, wäre die Idee die Folgende: wenn sich das Kind verweigert, so würde der Erwachsene immer weiter beharrlich bleiben, sich im Team organisieren und vernetzen und regelmäßig in Kontakt mit dem Kind bleiben.

Nehmen wir das Beispiel des 14-jährigen, der aufgrund seiner Tat (z.B. jemanden verprü­geln), aus Schutz- und Sicherheitsgründen der Schule fernbleiben muss (präsente Suspen­dierung). So würde die Lehrperson stets mit diesem Jungen in Kontakt bleiben, Klassenka­meraden würden den Kontakt halten und das Unterstützernetzwerk würde aktiv werden. Die Idee wäre, dass dieses Kind zurückkehrt und vor der Klasse bekennt: „Ich habe dir wehge­tan, ich weiß, dass das weh tut und das tut mir leid!“. Das wäre Schritt Nummer eins und der zweite Schritt wäre eine konkrete Geste der Wiedergutmachung. Voraussetzung ist somit die Einsicht, sodass eventuell Sit-Ins, Täter-Opfer-Ausgleichsgespräche oder ähnliche Maß­nahmen notwendig sind, um das Leid, das jemandem angetan wurde, sichtbar zu machen. Dies erfolgt auch mit entsprechenden Unterstützer:innen (beispielsweise das beschädigte Kind, welches erzählt wie es sich gefühlt hat), damit der Jugendliche mitbekommt, dass alle darum bemüht sind, ihn wieder in die soziale Gemeinschaft aufzunehmen, obwohl er sich so verhalten hat. Es wird versucht, eine gewisse Scham zu erzeugen. Für Eigenverantwortung benötigt es ein Gewissen, eine Haltung, was gut und was falsch ist. Wenn man sich dessen bewusst ist, so kann eine Wiedergutmachungsleistung erbracht werden, die immer mit der Einsicht verbunden ist. Wenn dem Kind keine Wiedergutmachungsgeste einfällt, kann der oder die Erwachsene Vorschläge machen. Jedoch sollte man nie vorschreiben, was er oder sie tun muss, denn dann entsteht ein Machtkampf. Wenn tatsächlich keine Einsicht besteht, so kann eine stellvertretende Wiedergutmachung von den Erwachsenen erfolgen.

HG: Sehen sie Schwächen, die zu einem Missbrauch des Konzepts führen können? Es wurde im Gespräch deutlich, dass sich bereits ihre Ansichten von denen ihrer Kolleg:innen in gewissen Punkten unterscheiden, sodass das Konzept womöglich un­terschiedlich angewendet oder interpretiert wird.

ML: Also, wenn ich mit meinen Kollegen spreche und wir Unterschiede feststellen, dann wer­den wir in den Dialog darüber gehen. Das wichtigste an der (kritischen) Auseinandersetzung ist, dass wir uns selbst hinterfragen, wenn wir Sätze formulieren, die den Einstieg in Machtauseinandersetzungen möglich machen und die dann bei der Kritik ansetzen könnten, dass es im Grunde nur eine neuverpackte, traditionelle Autorität ist. Wenn man nicht gut auf­passt und die Selbstreflektion vergisst, und nur in das Handeln hineingeht, ohne dieses mit den grundlegenden Werten abzugleichen und bevor man für sich klar hat, was die eigenen Absichten sind, dann ist das Konzept missbräuchlich verwendbar.

An dieser Stelle greift das Prinzip des gewaltfreien Widerstands: Ghandi hat Werte benannt, denen er sich verpflichtet hat (wie Gewaltlosigkeit, Offenheit, Ehrlichkeit, Transparenz...) und wenn man sich diesen Werten verpflichtet hat, dann muss alles überprüft werden, ob es den eigenen Werten entspricht, bevor es in die Handlung umgesetzt wird. Eben dies liegt dem Konzept der Neuen Autorität zugrunde und es ist notwendige Vorrausetzung, dass man sich immer wieder auf seine Werte beruft.

Deswegen sehen wir die Präsenz nicht als eine Handlungssäule sondern als Grundlage. Es muss reflektiert werden: Was passiert mit mir? Wie erlebe ich das momentane Geschehen? Wenn ich dann daraus handeln will, muss ich es prüfen mit der Absicht, mit der ich Präsenz stärken möchte. Ansonsten könnte man auch rechtsradikale Präsenz stärken oder massive Sanktionen als Idee der Präsenzstärkung sehen. Dies würde aber der bereits beschrieben Idee von Präsenz widersprechen. Omer und Arist von Schlippe haben es auch in den Grund­lagen so beschrieben: Präsenz ist immer in Bezug auf die Wiederherstellung von Beziehung und der positiven Entwicklung der Beteiligten, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, gedacht.

Der Begriff „Neue Autorität“ verführt dazu darüber nachzudenken und erst reflektieren zu müssen, was neu an diesem Konzept ist. „Neu“ heißt „anders als alt“ oder „traditionell“, nur was ist genau dieses Neue? An dieser Stelle besteht die Idee das Systemische mit dem Konzept stärker in Verbindung zu bringen. International wird gerade der Begriff „Verbindende Autorität (conncecting authority)“ diskutiert. Frank Baumann-Habersack bezeichnet es als „transformative Autorität“ im Rahmen von Führung, also eine Transformation auf eine andere Ebene des Miteinanderumgehens. Wir haben uns für „systemische Autorität“ entschieden, gemeinsam mit den Kollegen Dagmar Hoefs und Harald Kurp. Um deutlich zu machen, dass diese Wechselwirkungsbeziehung im Vordergrund steht. Wenn diese im Vordergrund steht und mir klar ist was systemisch heißt, dann kann ich gar nicht anders als mein Handeln stets in Bezug auf meine grundlegenden Werte auszurichten und zu reflektieren, was ich eigent­lich erreichen möchte. Wenn mir das bewusst ist, so ist der Missbrauch zumindest unwahr­scheinlicher. Ich denke, dass man immer noch in bestimmten Situationen nicht perfekt re­agiert. Sobald ich jedoch Werte und Normen in meinem Handeln unterlegt habe und das, was ich tue, auch in Bezug auf mein pädagogisches Handeln hin reflektiere, dann bin ich zumindest deutlich gesicherter, weil ich mein Handeln anhand dieser Werte überprüfe.

Der Begriff der „Neuen Autorität“ als Gegenüberstellung ist durch Haim Omer begründet und entstanden. Und es macht auch erstmal Sinn, weil es natürlich in dieser sanktionierenden Autorität, wo ich eben gesagt habe, dass man als Lehrperson auch sagen kann: „Dann be­kommt der Lernende eben schlechte Noten und fällt durch.“ So könnte man als Lehrperson grundsätzlich agieren. Dann wäre ich unberührbar und man könnte mich nicht kritisch errei­chen, da der oder die Schüler:in selbst Schuld wäre an der Situation. Die Frage ist wie man die traditionelle Autorität verlassen kann und was mich davor feit, in alte Muster zurück zu verfallen.

HG: Wie verhält sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenver­antwortung? Ist Eigenverantwortung gar ein Ziel der Neuen Autorität oder wird diese behindert? Beispielsweise könnte man sagen, dass der Aufschub die Eigenverantwor­tung auf Seiten der Kinder einschränkt, weil die Lehrperson bestimmt, wann der Kon­flikt erneut besprochen wird.

ML: Ich weiß nicht, ob ich das so sagen würde. Ich glaube, dass wir in der Landschaft derje­nigen, die das Konzept der Neuen Autorität vertreten, genau aufpassen müssen, was gesagt wird.

Ich glaube, dass Eigenverantwortung ein Ziel ist, und zwar grundsätzlich ein Ziel von Erzie­hung ist und nicht nur vom Konzept der Neuen Autorität. Denn wenn wir wollen, dass Men­schen sich gut sozial entwickeln, dann müssen sie für sich Prinzipien von Werten verinnerli­chen, an denen sie sich orientieren. Wenn man will, dass jemand eigenverantwortlich han­delt - dann bin ich ganz in den humanistischen Grundideen - dann müsste ich verinnerlicht haben: „Ich kann frei entscheiden, was ich von alternative A, B, C wähle. Ich wähle allerdings diejenige, die nicht nur für mich gut ist, sondern die auch im sozialen Kontakt die bestmögli­che Alternative ist.“ Sodass ich auch Kompromissfähig bin. Denn, wenn ich merke, dass mir sowohl mein eigenes Wohl wichtig ist als auch das der anderen, mit denen ich zu tun habe, dann lerne ich eigenverantwortlich eine Entscheidung zu treffen, die sozial gut verträglich ist. Also in dem Sinne wie man im Humanismus sagt: „Das Richtige und Gute zu tun“. Ich weiß dann zwar immer noch nicht, ob es das Richtige ist, aber ich weiß, dass ich dorthin auf dem Weg bin. Wenn das die Grundlage ist, dann bedeutet das für das Konzept der Neuen Autori­tät z.B. eine hohe Partizipation der Kinder und Jugendlichen bei der Entwicklung von Regeln. Beispielsweise in einer Heimgruppe: „Wie wollen wir hier zusammenleben und miteinander umgehen? Welche Werte wollen wir leben?“ Dann müssen die Kinder natürlich je nach Reife eine mehr oder weniger intensive Anleitung erhalten, wie man lernt partizipativ über Verant­wortung nachzudenken und auch gemeinsam darüber nachzudenken, was passiert, wenn jemand diese gemeinsam geregelten sozialen Normen nicht einhält. Das heißt ich bin auch damit beschäftigt zurückzumelden wie man Konflikte klärt und so bin ich permanent in der Eigenverantwortung.

Das gleiche bezieht sich auf die Einzelsituationen: wenn sich jemand dissozial verhält, dann ist es aus meiner Überzeugung nach wichtig, sich schon im Kleinkindalter mit den Kindern auseinanderzusetzen und ihnen deutlich zurückzumelden, was nicht okay ist. Denn was die Kinder benötigen, ist, dass sie mitbekommen, dass jemand für sie da ist, ihnen zu helfen die Welt sozial sinnvoll zu entdecken. Sodass ich entscheiden kann, was für alle das Verträgli­che ist. Im Kita-Bereich würde das Eingreifen eines Erziehers beim Kampf um ein Spielzeug bedeuten, dass er den Kindern rückmeldet, dass dieses Verhalten nicht okay ist. „Paul weint, weil du ihm die Schaufel auf den Kopf gehauen hast.“ Dann geht es darum, dem Kind beizu­bringen, was die Schaufel auf dem Kopf bei ihm selbst bedeuten würde. Damit dieses Kind lernt, diese sozialen Normen nicht nur in Bezug auf sich anzuwenden, sondern auch zu schauen, was es mit seinem Verhalten auslöst. Und auch später würde das heißen, z.B. bei dem Vertagen, dass ich die Autonomie des Kindes wahre. Meine Rückmeldung an das Kind - in der Schulsituation, dass morgen der Konflikt besprochen werden soll - wäre: „Ich bin so enttäuscht und frustriert von dieser Situation gerade, ich muss mich selbst erstmal beruhi­gen. Und du wahrscheinlich auch. Wenn wir uns beide beruhigt haben, dann komme ich auf dich zurück und dann möchte ich gerne mit dir gemeinsam schauen, wie wir diese Situation klären können“. Vertagen heißt nicht nur dem Kind zu sagen, wann man als Erwachsener auf Situation zurückkommen möchte, sondern es heißt: „Ich werde dir einen Vorschlag machen und komme darauf zurück. Aber ich werde immer wieder darauf zurückkommen, bis auch du so weit bist, den Konflikt zu klären. Weil mir daran gelegen ist, dass wir beide wieder besser in Kontakt kommen und auch, dass du die Situation, die dir passiert ist, klären kannst, damit es wieder gut ist. Sowohl für dich als auch für die anderen Beteiligten.“ Der Aufschub bedeu­tet insbesondere eine Selbstregulation für mich und die Möglichkeit der Selbstregulation für das Kind, da Neurobiologisch belegt ist, dass sich das Kind für Einsicht nicht mehr im emo­tionalen Erregungszustand befinden sollte. In der Situation selbst ist jedoch noch die Emoti­on handlungsführend.

HG: Denken sie, man könnte auch dem Kind die Verantwortung der Konfliktlösung übertragen, um die Eigenverantwortung zu stärken?

ML: Ich würde an dieser Stelle sagen, dass ich immer auf das Kind zugehen würde und es fragen, ob es zu einem Gespräch bereit ist. Das Kind kann jederzeit sagen, dass es noch nicht bereit ist, und ich würde beharrlich immer wieder nachfragen, ob es nun bereit ist. Denn dies verstehe ich unter der Führungsaufgabe: dass die Erwachsenen nicht erwarten, dass die Kinder auf sie zukommen. Denn dies könnte das Dilemma bedeuten, dass die Kinder sich zurückziehen und sich nicht melden und der Erwachsene handlungsunfähig ist. Ich glaube, dass es die Aufgabe der führenden Personen ist - auch bei Mitarbeitern, wenn wir im Führungskontexten denken - die Verantwortung für den Prozess der Wiederherstellung der Verbundenheit zu übernehmen. Nicht den Zwang, dass jemand das unbedingt tun muss, aber die Einladung, wieder in Beziehung zu treten. Es gibt ein Sprichwort das besagt: „Man kann die Pferde zur Tränke führen, trinken müssen sie selbst.“ Unsere Aufgabe ist es das Pferd zur Tränke zu führen, damit es trinken kann. Ob das Pferd letztendlich trinkt, liegt in seiner eigenen Verantwortung. Aber wenn wir das Pferd nicht zur Tränke führen, kann es gar nicht trinken. Ergo ist es unsere Aufgabe immer wieder Angebote zu machen und die andere Person kann autonom entscheiden, ob sie diese Angebote annimmt oder ablehnt.

HG: Das heißt, dass die Eigenverantwortung bei dem Kind liegt in diesem Falle in der Entscheidung das Angebot anzunehmen oder abzulehnen und nicht darin diesen Schritt selbst vorzuschlagen.

ML: Es geht auch darum zu zeigen, dass da jemand ist, der - komme was wolle - bereit ist, mit mir in Verbindung zu bleiben und diese Situation zu klären. Hier können wir in die Psy­chologie von dissozialen Verhaltensweisen noch genauer einsteigen: Es passiert häufig, dass sich aus Angst, Überforderung oder starker Beschämung dissozial verhalten wird. Das ist im Grunde genommen eine Notaussage von einem Kind, welches sich in der sozialen Si­tuation nicht angemessen verhalten kann. Also wählt es eine eskalierende Verhaltensweise. Doch wenn ich will, dass das Kind lernt, nicht nur die emotionale Reaktion zu zeigen, dann braucht es von mir die beharrliche, beruhigende und auch bestimmte Antwort auf dieses Verhalten. Denn wenn wir uns die Erziehung von Kindern anschauen, und schauen wie diese Normen und Regeln lernen, so fällt besonders bei Babys auf, dass sie ihre primären Be­zugspersonen anschauen, bevor sie etwas machen. 2015 ist ein Video von einem Baby ver­öffentlich worden, das immer wieder in eine bestimmte Richtung schaut. Nach einer Weile sah man, dass es zur Mutter schaute, die freundliche nickte und es bestärkte. Das sieht man auch auf Spielplätzen: die Kinder die gut gebunden sind, schauen einen Moment, was die Bezugspersonen sagen und die nicken oder schütteln den Kopf und daran merkt das Kind, ob sein Verhalten okay ist oder nicht. Durch diese Rückmeldung lernen Kinder soziale Nor­men. Ein Kind, welches das gut kann, kann dann danach du nach entscheiden, ob der innere Impuls wichtiger ist, oder ob man sich an dem orientiert was von anderen zurückgemeldet wurde. Dieses Baby von dem Video spielte mit einer Riesenschlange. Aber dadurch, dass die Mutter durch ihre Reaktion zurückgemeldet hat, dass die Situation nicht gefährlich ist, war es für das Kind kein Problem. Das heißt, die Normen und Wahrnehmung von dem was richtig und falsch, gefährlich und nicht gefährlich ist, kommt häufig noch aus der Kindheit. Ich bin auch als Psychotherapeut tätig und Menschen, die als Erwachsene Angst haben, haben als Kinder von ihren Bezugspersonen gelernt, dass diese Situationen gefährlich sind. Sie haben innere Affirmationen gelernt, was aus ihrer Sicht Angst ist, was vielleicht keine Angst sein müsste, hätte man diese Situation anders bewältigt. Das gilt auch für soziale Regeln und Kontakt. Joachim Bauer hat auf einer Tagung in Hamburg gesagt, dass das einzige Konzept, welches bei Kindern wirksam ist, die viel Beschämung erlebt haben und aus kriti­schen Zusammenhängen handeln, das Konzept der Neuen Autorität ist. Aus dem Hinter­grund, dass die Neue Autorität beharrlich im Kontakt bleibt, und dem Kind nichts Böses un­terstellt, sondern davon ausgeht, dass sein Handeln die Botschaft eines inneren Bedürfnis­ses ist. Unsere Aufgabe ist es diesem Bedürfnis zu begegnen und gleichzeitig im Sinne ei­nes Gegenübers zur spiegeln, was okay ist und was nicht. Schlagen ist z.B. nicht okay und das muss auch zurückgemeldet werden.

HG: Das heißt, da für sie die Eigenverantwortung ein generelles Ziel von Erziehung ist, ist es auch Ziel der Neuen Autorität?

ML: Ja. Ja und es muss in den Vorgehensweisen berücksichtigt werden, weil die Autonomie - auch eines Kindes - sich gegen meine Vorschläge zu entscheiden, nicht immer einfach und angenehm ist. Und trotzdem bin ich - im Sinne des gewaltfreien Widerstands dazu verpflich­tet das zu akzeptieren, denn sonst bin ich sofort im Zwang.

HG: Würden sie dann sagen, dass jede:r, der oder die das Konzept anwendet automa­tisch zur Entwicklung von Eigenverantwortung beiträgt oder stellt sich an dieser Stelle wieder die Frage der Selbstreflektion? Denn wenn man das „Nein, ich möchte das nicht!“ des Kindes nicht akzeptieren kann dann pocht man letztendlich doch auf Ge­horsam.

ML: Ich würde das noch viel schärfer formulieren. Wenn jemand sagt, dass er das Konzept der neuen (transformativen / verbindenden) Autorität vertritt - wie auch immer es genannt wird-, dann bin ich dazu verpflichtet dem Kind die Möglichkeit der Eigenverantwortlichkeit zu geben. Denn in dem Moment, wo ich ihm diese nicht zugestehe, zwinge ich dem Kind ja et­was auf. Die Frage nach Eigenverantwortlichkeit müssten wir mit einer Gegenfrage beant­worten, nämlich was wäre die Alternative? Es würde bedeuten, dass ich die Verantwortung für das übernehme, was das Kind tut und müsste demzufolge auch die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen. Das heißt, wenn das Kind in meinem Unterricht schlecht lernt, und ich sage, dass das Kind keine Eigenverantwortung trägt, muss ich automatisch die Verant­wortung dafür übernehme, dass ich einen schlechten Unterricht gemacht habe. Das heißt die Alternative wäre eine, die wir selbst nicht steuern können.

Wir sprechen gerne von der Illusion der Kontrolle: das heißt ein Mensch hat per se die Ei­genverantwortung bzw. die eigene Freiheit, sich so zu entscheiden, wie er denkt, dass es für sie oder ihn richtig ist - egal in welchem Alter. Die Eigenverantwortung bedeutet hier, dass ich in der Auseinandersetzung mit meinem moralischen und sozialen Verständnis, auch das Kind miteinbeziehe, damit das Kind Orientierungspunkte lernt, wie es sich eigenverantwort­lich im Rahmen einer Gesellschaft und in Beziehungskontexten verhalten kann. Aber die Au­tonomie ist die Grundlage, damit überhaupt eigenverantwortlich gehandelt werden kann.

Im Zusammenhang von Autorität und Humanismus gibt es ein Buch: „Die Kraft der Verant­wortung“ von Ina Schmidt, die sich sehr philosophisch mit dem Thema der Verantwortung beschäftigt. Sie stellt es in den Kontext der Freiheit der Entscheidung und auch von morali­scher und rechtlicher Verantwortung. Also zum Beispiel, wenn man aus Überzeugung etwas tut, was rechtlich einen Widerspruch erzeugt - z.B: Carola Rackete. Man sieht bei diesem Beispiel, dass die moralische Verantwortung für die Mitmenschen bei ihr höher steht als die rechtliche Verantwortung.

Wenn man Eigenverantwortung erlernt, benötigt es ebenso Selbstregulation, sodass man sich eigenverantwortlich im sozialen Milieu verhalten kann. Im Grunde genommen geht es darum, die innere Freiheit mit dem sozialen Kontext abzugleichen und dann im Sinne des Bestmöglichen zu handeln. Das wäre das Ziel von Eigenverantwortlichkeit.

HG: Dann habe ich noch eine Abschlussfrage: Gibt es bereits Pläne für eine prospek­tive Langzeit Studie, um die Effekte der Neuen Autorität empirisch zu überprüfen?

ML: Wir suchen händeringend nach jemandem, der so eine Studie durchführt. Wir haben ei­nige kleine Befragungen selbst durchgeführt und z.B. in Kiel ein langjähriges Projekt einer großen Gesamtschule, wo wir gerne ausgewertet hätten, wie sich das Konzept auf den ver­schiedenen Ebenen auswirkt und wie sich die Beziehung zwischen Lehrkräften und Eltern verändert, wie sich die Lehrpersonen und Schüler:innen entwickeln. Doch wir haben zum einen keine Finanzierung dafür erhalten und zum anderen ist das größte Problem, dass Uni­versitäten dieses Thema noch nicht aufgegriffen haben und deshalb sind Professoren bisher noch nicht bereit, Dissertationen zu diesem Thema zuzulassen. An manchen Universitäten wird das Thema zwar vermittelt, aber bisher noch nicht beforscht.

Die Forschung, die es gibt, sind die Handlungsforschungen, die Haim mit seinem Team in Israel durchgeführt hat. Die sind aber vermehrt Effektforschungen als langfristige Studien.

Wir wären daran sehr interessiert, doch können wir es leider nicht selbst durchführen und haben bisher noch niemanden gefunden, der es tun würde.

HG: Herzlichen Dank für dieses Interview und ihre Zeit!

Anhang 2: Fragebogen zur Selbstreflexion

Fragebogen: Innere Haltung und Ziele

- Wie fühle ich mich gerade/ in der Situation mit dem Kind?
- Welche Bedürfnisse habe ich? Was brauche ich?
- Welche Bedürfnisse hat das Kind? Was braucht es? Wie kann ich es unterstützen?
- Was möchte ich durch die geplante Intervention erreichen/ was ist mein Ziel?
- Wie wird das Kind auf diese Intervention reagieren?

Fragebogen: Eigenverantwortung

- Wird die Eigenverantwortung des Kindes durch die geplante Handlungsmaßnahme geför­dert?
- Kann das Kind Verantwortung für die Situation / sein Handeln übernehmen?
- Schränke ich die Eigenverantwortlichkeit des Kindes durch mein Handeln ein?
- Wie kann ich das Kind dabei unterstützen Eigenverantwortung zu übernehmen? An wel­cher Stelle kann ich Verantwortung abgeben?

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Häufig gestellte Fragen zum "Language Preview"

Was ist der Inhalt des Inhaltsverzeichnisses?

Das Inhaltsverzeichnis umfasst Danksagung, Abkürzungsverzeichnis, Abbildungsverzeichnis, Anmerkung bezüglich der Zitierweise, Einleitung, Begriffsklärung (Eigenverantwortung, Autorität), Problemanalyse (Forderung nach Kompetenzen in Bildungspolitik, Wirtschaft, Pädagogik, und die Rolle der Lehrkraft als Kompetenzvermittler), Neue Autorität (Hintergrund, Säulen wie Präsenz, Deeskalation, Öffentlichkeit, Netzwerke, Gewaltfreier Widerstand, Beziehungsgesten), Diskussion (Neue Autorität und Autorität, Kritik, Neue Autorität und Eigenverantwortung), Fazit und Ausblick, Anhang (Interview, Fragebogen zur Selbstreflexion), und Literaturverzeichnis.

Wer wird in der Danksagung erwähnt?

In der Danksagung werden Frau Prof. Dr. Barbara Drinck, Herr Dr. Robert Wilkens, Herr Dr. Thomas Weißenborn, Frau Katrin Weißenborn, Herr Prof. Dr. Christoph Kampmann, Herr Dipl.-Psych. Martin Lemme und die Eltern des Autors/der Autorin erwähnt.

Welche Abkürzungen werden im Abkürzungsverzeichnis aufgeführt?

Das Abkürzungsverzeichnis enthält BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände), BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), KMK (Kulturministerkonferenz), OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), PISA (Programme for International Student Assessment), Schüler:innen (Schülerinnen und Schüler), und TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study).

Welche Abbildungen werden im Abbildungsverzeichnis referenziert?

Das Abbildungsverzeichnis enthält Titelbild (Schilt, Michèle), Abb.1: Grundschule Edenkoben, Abb.2: Wilkens, Robert, Abb.3: Lohmann, A., & Hasenclever, W.-D. und Abb.4: Schack, N., & Mau, J.

Was ist das zentrale Thema der Einleitung?

Die Einleitung kritisiert das Bildungssystem für die unzureichende Vermittlung von Kompetenzen, die auf das Leben nach der Schulzeit vorbereiten, und betont die Notwendigkeit der Persönlichkeitsentwicklung zur Übernahme von Eigenverantwortung. Die zentrale Fragestellung ist, wie sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung verhält.

Wie werden Eigenverantwortung und Autorität definiert?

Eigenverantwortung wird definiert als die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die Bereitschaft, Konsequenzen zu tragen, und die Fähigkeit, Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt zu übernehmen. Autorität wird im Kontext der Examensarbeit in persönliche und formale Autorität unterteilt.

Welche Schlüsselkompetenzen werden im Rahmen der Problemanalyse diskutiert?

Im Rahmen der Problemanalyse werden fachliche und überfachliche Kompetenzen diskutiert, wobei ein besonderer Fokus auf der selbstregulativen Kompetenz der Eigenverantwortung liegt.

Welche Kritik wird an der Kompetenzorientierung im Bildungssystem geäußert?

Kritik an der Kompetenzorientierung umfasst die Befürchtung eines "teaching-to-the-test", die Fokussierung auf Leistungsanforderungen und die potenzielle Ausrichtung der Bildung nach den Bedürfnissen der Wirtschaft.

Welche Anforderungen stellen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft an Absolventen?

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft fordern neben Fachwissen Schlüsselkompetenzen wie Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit und Problemlösekompetenz.

Welche Kompetenzen benötigt eine Lehrkraft als Vermittler:in von Kompetenzen?

Eine Lehrkraft benötigt professionelle Kompetenz, die fachliches, pädagogisches und fachdidaktisches Wissen, Überzeugungen, Motivation, Selbstregulationsstrategien und Beziehungskompetenz umfasst.

Was sind die Säulen der Neuen Autorität?

Die Säulen der Neuen Autorität umfassen Präsenz und wachsame Sorge, Deeskalation und Selbstkontrolle, Öffentlichkeit und Kooperation, Netzwerke und Unterstützung, Gewaltfreier Widerstand und Protest, sowie Beziehungsgesten und Wiedergutmachung.

Was ist der Hintergrund des Konzepts der Neuen Autorität?

Das Konzept wurde von dem israelischen Psychologen Haim Omer entwickelt und ist an den gewaltlosen Widerstand nach Martin Luther King und Mahatma Ghandi angelehnt. Es soll handlungsleitend für die Gestaltung der Beziehung zwischen Kindern und Erziehenden sein.

Welche Kritik wird an der Neuen Autorität geübt?

Kritik an der Neuen Autorität umfasst Bedenken hinsichtlich der Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder, der Einseitigkeit des Machtverhältnisses, fehlender Partizipation und der Übertragbarkeit auf den schulischen Kontext.

Wie verhält sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung?

Das Konzept der Neuen Autorität bietet grundsätzlich Raum für die Entwicklung von Eigenverantwortung, insbesondere durch die Förderung einer gleichwürdigen Beziehung, die Stärkung der Selbstwirksamkeit und die Vermittlung von Werten. Eigenverantwortung kann durch die Anwendung dieses Konzepts gefördert werden, indem sie die Übernahme von Verantwortung durch die Schüler*innen stärkt. Gleichzeitig dürfen die Bedürfnisse und die Perspektive der Kinder nicht außer Acht gelassen werden.

Welche Maßnahmen können ergänzend zur Neuen Autorität zur Förderung von Eigenverantwortung beitragen?

Ergänzende Maßnahmen umfassen die gemeinsame Aushandlung von Regeln, die Förderung von Selbstwirksamkeit, die Vermittlung von Selbstkontrolle und die Anwendung des Spiralprinzips.

Welche Aspekte werden im Interview mit Martin Lemme behandelt?

Im Interview werden die Bedeutung der Präsenz, die Entwicklung von Eigenverantwortung, Maßnahmen im Falle von Verweigerung, der Verzicht auf Strafen, der Umgang mit verweigerter Wiedergutmachung und das Risiko des Missbrauchs des Konzepts sowie empirische Studien angesprochen.

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Detalles

Título
Eigenverantwortung als Bildungsziel der Schule
Subtítulo
Wie verhält sich das Konzept der Neuen Autorität zur Entwicklung von Eigenverantwortung?
Universidad
University of Leipzig  (Bildungswissenschaften)
Calificación
1,0
Autor
Hanna Gloerfeld (Autor)
Año de publicación
2021
Páginas
78
No. de catálogo
V1156228
ISBN (Ebook)
9783346543059
ISBN (Libro)
9783346543066
Idioma
Alemán
Etiqueta
Eigenverantwortung Autorität Neue Autorität Schule Erziehung
Seguridad del producto
GRIN Publishing Ltd.
Citar trabajo
Hanna Gloerfeld (Autor), 2021, Eigenverantwortung als Bildungsziel der Schule, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156228
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