Essen im Takt der "inneren Uhr". Chronobiologie als sinnvoller Ansatz in Programmen zur Gewichtsreduktion?


Bachelorarbeit, 2020

54 Seiten, Note: 1,2

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

2. ZIELSETZUNG

3. GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1. Chronobiologie und Ernährung
3.1.1. Definition Chronobiologie
3.1.2. Historie
3.1.3. Biologische Rhythmen
3.2. Zirkadianer Rhythmus
3.2.1. Funktionsweise des zirkadianen Rhythmus
3.2.2. Hormone des zirkadianen Rhythmus
3.2.2.1. Melatonin
3.2.2.2. Cortisol
3.2.2.3. Ghrelin
3.2.2.4. Leptin
3.2.2.5.Insulin
3.3.Chronotypen
3.4. Einfluss des modernen Lebensstils auf den zirkadianen Rhythmus
3.5. Übergewicht und Adipositas
3.5.1. Definition und Bestimmung
3.5.2. Ursachen
3.5.2.1. Genetik
3.5.2.2. Lebensstil
3.5.2.3. Psyche
3.5.2.4.Schlafmangel
3.5.3. Folgen
3.5.3.1. Gesundheitliche Folgen
3.5.3.2. Gesellschaftliche Folgen
3.6. Gewichtsreduktion
3.6.1. Definiton
3.6.2. Wichtige Bestandteile der Gewichtsreduktion
3.6.3. Etablierte Methoden

4. METHODIK
4.1. Allgemeine Literaturrecherche
4.2. Bestimmung relevanter Studien/Quellen

5. ERGEBNISSE

6. DISKUSSION

7. ZUSAMMENFASSUNG

8. LITERATURVERZEICHNIS

9. TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1. Tabellenverzeichnis
9.2. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung und Problemstellung

Das Problem von Übergewicht und Adipositas beschäftigt unsere Gesellschaft schon seit vielen Jahren. Doch der Trend entwickelt sich weiterhin in eine negative Richtung. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind Erwachsene mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 25 übergewichtig. Anlässlich des Weltgesundheitstages am 7. April 2017 teilte das statistische Bundesamt (Destatis) mit, dass 53% der Bevölkerung ab 18 Jahren übergewichtig sind und 16% sogar adipös. Das bedeutet, dass in Deutschland allein 69% der Erwachsenen über einem gesunden BMI liegen (Statistisches Bundes­amt, 2021). Anfang des Jahres 2020 gab es erste Meldungen über das SARS-CoV-2 Vi­rus, besser bekannt unter dem Namen Coronavirus. Dieses Virus beschäftigt die ganze Bevölkerung nun seit über einem Jahr. Folgen dieser weltweiten Pandemie waren meh­rere Lockdowns, welche das öffentliche Leben komplett runterfahren sollten. Dies wur­de durch Schließungen aller Geschäfte mit Ausnahme der Supermärkte umgesetzt. So­mit mussten auch landesweit alle Fitnessstudios schließen und bis auf einen kurzen Zeitraum von ein paar Monaten sind sie noch immer geschlossen! Um die gesellschaft­lichen Kontakte weiterhin zu begrenzen, schickten auch viele Firmen ihre Angestellten ins Homeoffice. Im Jahr 2018 gaben 22% der Firmen an, dass vereinzelte Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, mittlerweile sind es 25% der Bevölkerung. Das heißt, jeder vierte arbeitet von zu Hause (Statistisches Bundesamt, 2021). Diese Fakten unterstütz­ten den bereits negativen Trend. Die Möglichkeiten zum Sport treiben wurden reduziert, des weiteren fällt der Arbeitsweg in vielen Fällen weg und Ausgangssperren machen auch die Bewegung nach Feierabend manchmal schwierig. Viele beziehen ihr Essen vom Lieferdienst, da Restaurants ebenfalls geschlossen sind und somit reduziert sich selbst der Weg ins Restaurant oder ins Café. Das ist aber nur der Tropfen auf den heißen Stein.

Obwohl viele Türen in der Krise geschlossen werden, öffnen sich auch neue Türen und somit ergeben sich neue Chancen. Die meisten Menschen ernähren sich unregelmäßig, meist nach dem Prinzip: Essen, wann immer es die Arbeit zulässt. Also meist in kurzen Pausen oder erst nach Feierabend. Mit dem Homeoffice bietet sich die Chance einer Strukturierung des Essverhaltens. Die Chronobiologie beschäftigt sich mit der zeitlichen 5/55 Strukturierung körperlicher Abläufe und deren internen und externen Auslösern. Zu die­sen Auslösern gehört zum Beispiel der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme. Der zirkadia­ne Rhythmus eines Menschen bereitet ihn darauf vor zu bestimmten Zeiten, die durch die „innere Uhr“ geregelt sind, zu essen und verknüpft damit weitere Abläufe im Kör­per. Wenn der zirkadiane Rhythmus nicht eingehalten wird, zum Beispiel durch unre­gelmäßiges Essen, kann es zu negativen Auswirkungen für den Menschen kommen. Beispielsweise wurde beobachtet, das Tiere und Menschen, welche vorwiegend abends Nahrung konsumierten, eine erhöhte Körpermasse und größere Fettablagerungen hatten. Es stellen sich die Fragen: Lässt sich mit der Restrukturierung des Alltags und der ex­ternen Einflussfaktoren, wie dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme, dem Zeitpunkt des Schlafs und das Essverhalten, positive Auswirkungen auf das Gewicht und die körperli­che Gesundheit erzielen? Welche Anpassung der Gesellschaft braucht es, um auch ohne eine Krise die Beachtung der Chronobiologie und des zirkadianen Rhythmus für einen Jeden weitestgehend möglich zu machen? Chronobiologie - ein sinnvoller Ansatz in Programmen zur Gewichtsreduktion?

2. Zielsetzung

Das Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, welchen Einfluss die Chronobiologie und der zirkadiane Rhythmus auf die Reduzierung des Körpergewichts haben und ob dies in der heutigen Zeit eine Alternative zu den etablierten Programmen zur Gewichtsreduzierung sein kann. Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden aktuelle Studien analysiert und interpretiert, welche sich mit Themen wie dem Schlafrhythmus, den Zeitpunkten der Nahrungsaufnahme und dem Essverhalten beschäftigen.

Im ersten Teil dieser Arbeit wird auf den aktuellen Wissensstand zur Thematik Chrono­biologie eingegangen und das zirkadiane System erläutert, um dem Leser ein Verständ­nis dieser Thematik zu gewährleisten. Im nächsten Abschnitt werden Einflüsse unserer Gesellschaft aufgezeigt und das Problem der modernen Gesellschaft „Adipositas“ ge­nauer betrachtet. Am Ende dieser Arbeit wird die momentane Studienlage betrachtet und die Fragestellung, ob die Chronobiologie ein sinnvoller Ansatz bei der Thematik Gewichtsreduzierung ist, beantwortet.

3. Gegenwärtiger Kenntnisstand

3.1. Chronobiologie und Ernährung

3.1.1. Definition Chronobiologie

Der Begriff Chronobiologie setzt sich aus den Worten „chronos“ (griech. Zeit) und „Biologie“ (Wissenschaft der belebten Natur) zusammen. Die Chronobiologie befasst sich mit zeitlichen Organisationen biologischer Prozesse. Hierbei spielen sowohl exo­gene Faktoren, wie beispielsweise die vier Jahreszeiten, der Hell-Dunkel Rhythmus und Ebbe und Flut eine wichtige Rolle, als auch die endogenen Prozesse, wie die Hormon­ausschüttung, der Herzschlag oder die Atmung.

3.1.2. Historie

Der Mensch entdeckte schon sehr früh, das sich die Flora und Fauna mit Änderungen exogener Faktoren ebenfalls veränderte oder anpasste. Ein Beispiel, was jedermann selbst schon einmal beobachtet hat, ist das Abwerfen der Blätter von Laubbäumen im Herbst. Erste Beobachtungen für chronobiologische Rhythmen sind schon aus der Zeit der Antike bekannt. Hippokrates beobachtete, das Asthmasymptome einem 24 Stunden Rhythmus zu folgen schienen. Ein weiterer Anatom bemerkte, dass der Puls des Men­schen je nach Tageszeit steigt oder fällt. Ein Angestellter Alexander des Großen beob­achtete, wie sich Blätter von manchen Bäumen bei Tagesanbruch öffneten und am Abend wieder verschlossen (Podbregar & Lohmann, 2012, S.93-94). Der Astronom Jean Jacques d'Ortous de Mairan beschrieb im frühen 18. Jahrhundert bereits seine Be­obachtung zur täglichen Blattbewegung der Pflanze Mimose (Abbruzzese, 2011, S. 133). Weitere umfangreiche Beobachtungen von rhythmischen Phänomenen fand man auch in den Aufzeichnungen der Naturforscher Charles Darwin und Carl van Linne. Dennoch begann man mit der Erforschung dieser Phänomene erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu den Pionieren der Chronobiologie zählten Wilhelm Pfeffer, Erwin Bünning, Karl von Frisch, Jürgen Aschoff und Colin Pittendrigh. Die Begründer des Fachbereiches der Chronobiologie, wie wir sie heute kennen, waren Erwin Bünning, Colin S. Pittendrigh und Jürgen Aschoff. Erwin Bünning beschäftigte sich zu Lebzeiten mit photoperiodischen Reaktionen bei Pflanzen und gilt als Endecker der „inneren Uhr“. Colin S. Pittendrigh entdeckte, dass Rhythmen bei Tieren von 24h Dauer endoge­ne sind und nicht durch exogene Faktoren bestimmt werden. Jürgen Aschoff prägte die Forschung der Chronobiologie vor allem mit seinem „Bunkerexperiment“ (Zulley&Knab, 2015, S.158). Bei diesem Experiment wurde eine Gruppe Menschen beobachtet, welche im „Bunker“ komplett von den äußeren exogenen Faktoren isoliert waren. Das Ergebnis dieses Experiments zeigte, dass die Menschen über einen endogenen zirkadianen Rhythmus verfügen, der zwischen 24,7 bis 25,2 Stunden dauert, also etwas länger als ein gewöhnlicher Tag. (Abruzzese, 2011, S.133). 1960 trafen sich in Cold Spring Harbor im US Bundesstaat New York 150 Forscher aus der ganzen Welt zum ersten internationalen Symposium zum Thema biologische Rhythmen. Nach diesem Treffen stand fest, dass biologische Rhythmen ein Kernelemt des Lebens sind.

3.1.3. Biologische Rhythmen

Biologische Rhythmen lassen sich überall in der Natur beobachten. Die Rhythmen können verschiedenste Ursachen haben, zum Beispiel: die Rotation der Erde um die ei­gene Achse, was den Rhythmus von Tag und Nacht zur Folge hat. Ein weiterer Rhyth­mus sind die vier Jahreszeiten, welche entstehen, weil die Erde die Sonne auf epilepti­schen Bahnen umkreist. Ein drittes Beispiel sind die Gezeiten, welche zwischen Ebbe und Flut alle 12,4 Stunden wechseln. Wir finden biologische Rhythmen aber nicht nur in der Natur bei Pflanzen, sondern auch beim kleinsten Einzeller bis hin zum größten 8/55 Säugetier. Die Anpassung an solche Rhythmen kann für einige Lebewesen auch überle­benswichtig sein, wie die Fettspeicherung für Tiere, die überwintern.

In der Chronobiologie unterscheidet man diese Rhythmen anhand ihrer Periodenlänge bei physiologischen Abläufen. (Die innere Uhr - was lässt uns ticken, 2012, S.93-94) Im Wesentlichen gibt es vier Rhythmen zwischen denen man unterscheidet. Zu diesen zählen der uldradiane Rhythmus, der infradiane Rhythmus, der zirkadidale Rhythmus und der zirkadiane Rhythmus.

Es handelt sich um den ultradiane Rhythmus (lat. ultra = über & lat. dies = der Tag), wenn der Rhythmus öfter an einem Tag vorkommt, seine Periodendauer also kürzer als 24 Stunden ist. Beispiele für den ultradianen Rhythmus sind der Herzschlag oder die Hormonausschüttung in der Hirnanhangsdrüse.

Beim infradianen Rhythmus (lat. infra = unter & dies = der Tag) liegt die Periodendauer bei mehr als 24 Stunden. Beispiele für den infradianen Rhythmus sind der Jahreszyklus circa 365,25 Tage oder der Menstruationszyklus bei Frauen, welcher sich durchschnitt­lich alle 27 Tage wiederholt.

Der nächste Rhythmus ist der zirkadidale Rhythmus. Hierbei handelt es sich um die wiederkehrende Folge von Ebbe und Flut. Dies geschieht alle 12 Stunden und 25 Minu­ten. Dieser Rhythmus spielt vor allem für Tier und Mensch an Küstenregionen eine wichtige Rolle, denn er bestimmt den Tagesablauf und Nahrungserwerb.

Der letzte und wichtigste Rhythmus für uns Menschen ist der zirkadiane Rhythmus (lat. circa = ungefähr & lat. dies = der Tag). Er hat eine Periodendauer von etwa 24 Stunden. Hierbei handelt es sich um den Schlaf- und Wachrhythmus mit all seinen metaboli­schen, hormonellen und immunologischen Folgen (Grundbegriffe der Chronobiologie, 2009, S.282).

Wenn die Periodendauer der verschieden Rhythmen von äußeren Faktoren, wie Licht, Dunkelheit, Wärme oder Kälte bestimmt wird, nennt man es exogene Periodik. Bei der endogenen Periodik, schließt man alle exogenen Faktoren aus und schafft eine künstli­che Umwelt. Wie es Jürgen Aschoff in seinem „Bunkerexperiment“ tat, siehe Kapitel Historie. Dabei entdeckte man, dass einige Tiere aperiodisch werden und andere die Pe­riodendauer beibehalten (Aschoff, 1995, S. 44).

Die endogene Periodik lässt sich aber durch exogene Faktoren beeinflussen. Das heißt, die „innere Uhr“ passt sich der äußeren Periodik an. Sie funktioniert aber auch eigen­ständig, wenn keine äußeren Faktoren beteiligt sind, denn sie ist genetisch gesteuert (Die innere Uhr - was lässt uns ticken, 2012, S. 93-96).

3.2. Zirkadianer Rhythmus

Wann wachen wir auf? Wann werden wir müde? Wann haben wir Hunger? Die Antwor­ten auf diese Fragen sind in jedem Organismus genetisch geregelt. Es ist der zirkadiane Rhythmus der unseren täglichen Alltag prägt und auf eine gewisse Art und Weise mitbe­stimmt. Wie dieser endogene Rhythmus funktioniert und was er in unserem Körper aus­löst, wird in den folgenden Kapiteln erklärt.

3.2.1. Funktionsweise des zirkadianen Rhythmus

Alle wichtigen Körperfunktionen schwanken tagesrhythmisch. Zu diesen zählen unser Stoffwechsel, die Körpertemperatur, der Muskeltonus, die Nierenfunktion oder die Konzentrationsfähigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen.

Der Schlaf- und Wachrhythmus ist der bekannteste zirkadiane Rhythmus. Hierbei wech­seln sich die Aktivitäts- und die Ruhephase zyklisch ab. Egal, ob auf endokrinologi- scher, immunologischer oder physiologischer Ebene, alle unterliegen den unterschiedli­chen Systemen der tageszeitlichen Schwankung. Doch was spielt sich eigentlich genau in unserem Körper ab?

In den letzten Jahren wurden Gene entdeckt, die zirkadiane Muster aufweisen, welche über Rückkopplungsmechanismen gesteuert werden. Diese Gene tragen den Namen Clock-Gene und befinden sich in jeder einzelnen Zelle eines Organismus. Es sind die wesentlichen Bestandteile der endogenen Periodik oder auch „innere Uhr“ gennant. Zir­kadiane Rhythmen werden in endogenen Oszillatoren (erzeugende Struktur bzw. Sys­tem, z.B. Nervenzelle) generiert (Vitaterna et al., 2001, S. 85-93).

Der wichtigste Zeitgeber ist das Tageslicht, dieser wird über die Ganglionzellen der Retina wahrgenommen. Von dieser wird der Reiz durch den retinohypothalamischen Trakt zum Nucleus suprachiasmaticus (lat. Nucleus = Kern), ein Teil des Hypothalamus, weitergeleitet. Dieser kann die endogenen Rhythmen an exogenen Faktoren anpassen bzw. synchronisieren. Man nennt den SCN (Nucleus suprachiasmaticus) deshalb auch „peacemaker“ (Born&Birbaumer, 2019, S. 805). Im SCN gibt es zwei Zellpopulationen, einmal im ventrolateralen Teil des SCN (vISCN) und einmal im dorsomedialen Teil des SCN (dmSCN).

Die dmSCN-Zellen sind für die Generierung des intrinsichen Rhythmus zuständig, da sie schlecht auf photische Informationen reagieren. Diese Zellen werden auch „oscilla- tor cells“ gennant. Die vISCN-Zellen reagieren auf photische Reize und synchronisieren den SCN, deshalb nennt man sie auch „gate cells“.

Vom den dmSCN-Zellen gelangt der Reiz nun zu den bereits erwähnten Clock-Genen,. Die wichtigsten Clock-Gene sind BMAL1, CLOCK, PER1-3, CRY1-2 und REV-ERB-a1. Die Clock-Gene machen genetische Informationen für die Zelle nutzbar (Genexpression).

Im Kern der Zellen BMAL1 und CLOCK startet die Genexpression, das bedeutet die DNA wird gelesen und eine Kopie (RNA) wird angefertigt. Außerhalb des Kerns bilden sich nun Proteinkomplexe und dringen wieder in den Kern der Zellen ein. Diese posi­tionieren sich nun als Transkriptoren in die Nähe der Promtorregionen der DNA-Ab­schnitte, die für die Gene PER, CRY, REV-ERB-a1 und einige Clock- kontrollierte Gene codieren. Es folgt die Genexpression der genannten Gene. Dieser Vorgang nennt sich „positive Rückkopplungsschlaufe“.

Erreicht die Proteinsynthese von PER und CRY einen gewissen Schwellenwert, binden sich die beiden Gene zu PER:CRY und regen somit die Aktivität der Gene BMAL1 und CLOCK an, diese regen wiederum die Gene PER, CRY und REV-ERB-a1 an. Dieser Vorgang nennt sich „negative Rückkopplungsschlaufe“.

Das Gen REV-ERB-a1 ist das Bindeglied zwischen der positiven und der negativen Rückkopplungsschleife. Das Zusammenspiel der beiden Rückkopplungsschlaufen der Clock-Gene ist der Ursprung der Zirkadianität eines Organismus. Vom Hypothalamus, genauer gesagt dem SCN, werden Botenstoffe an die Hypophyse und die Zirbeldrüse weitergeleitet. Dort wird die Synthetisierung und Abgabe von Hormonen gestartet. Die Hormone steuern Drüsen und Organe an, welche endokrine und metabolische Prozesse in Gang setzen (Abbruzze, 2011, S. 135-142).

3.2.2. Hormone des zirkadianen Rhythmus

Der Ausschüttung von Hormonen im menschlichen Organismus liegt auch ein zirkadia­ner Rhythmus zu Grunde. Die Hormonausschüttung ist somit auch zeitlich geregelt. In den folgenden Kapiteln werden die wichtigsten Hormone betrachtet.

3.2.2.1.Melatonin

Das Hormon Melatonin wird in den Pinealozyten der Zirbeldrüse, dem Darm und in der Netzhaut des Auges gebildet. Melatonin wird unter Einfluss der Dunkelheit pulsatil, was soviel bedeutet, wie stoßweise ausgeschüttet (Pail et al., 2011, S.152-162). Um 3Uhr nachts erreicht die Melatoninkonzentration das Maximum im menschlichen Kör­per. In der von Melatonin hervorgerufenen Tiefschlafphase wird durch das Hormon die Ausschüttung des Wachstumshormons (somatotropes Hormon STH) stimuliert. Daher ist Schlaf im Jugendalter besonders wichtig, denn ab Beendigung des Jugendalters setzt auch die Somatapause ein. Das bedeutet, die Sekretion von STH geht zu Ende und so­mit endet auch das Längenwachstum. Melatonin sorgt ebenfalls für Inaktivierungspro­zesse im gesamten Stoffwechsel (Grundbegriffe der Chronobiologie, 2009, S.284-285). Melatonin hat antioxidative Eigenschaften und fängt sogar verschiedene Radikale ab. Es gibt Beobachtungen, dass Melatonin neurodegenerative Phänomene hemmt. Zu solchen zählen Parkinson, Schlaganfälle oder Alzheimer. Das Fortschreiten von Alzheimer kann Melatonin sogar verhindern (Srinivasan et al., 2005, S. 293-318). Im Alter nimmt die Produktion von Melatonin ab, somit nehmen Schlafstörungen im mittleren Alter zu. Mit einer zusätzlichen Einnahme von Melatonin kann man die Schlafeffizienz von 86,3% auf 91,5% steigern (Attenburrow et al., 1996, S. 179-181).

3.2.2.2. Cortisol

Die Cortisolausschüttung wird durch den SCN im Hypothalamus reguliert. Im Hypotha­lamus wird Cortocotropin freigesetzt und das wiederum regt die Freisetzung von adren- corticotropen Hormonen in der vorderen Hypophyse an. Daraus folgt die Anregung der Nebennieren zur pulsatilen Ausschüttung von Cortisol (Paragliola et al., 2020). Der Cortisolspiegel hat am Morgen die höchste Konzentration im menschlichen Organismus und fällt im Laufe des Tages ab. Nach den Mahlzeiten kommt es zum Anstieg von Cor­tisol. Es ist in der Lage, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen und es fördert die Gluconeo- genese. Das heißt, es stellt dem Köper Glucose zur Verfügung. Bei Cortisolmangel kommt es unteranderem zu Symptomen wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, innerer Unru­he und Reizbarkeit (Schultes & Fehm, 2004, S.983-993).

3.2.2.3. Ghrelin

Die Synthese des Hormons Ghrelin findet in der Schleimhaut des Magens, der Lunge, der Bauchspeicheldrüse, den Keimdrüsen oder zum Beispiel in den Nieren statt. Es wird außerdem im Hypothalamus oder der Hypophyse gebildet. Das Hormon ist zuständig für die Steuerung des Hunger- und Sättigungsgefühls, es wirkt appetitsteigernd. Es be­einflusst außerdem den Glukosestoffwechsel und die Insulinsekretion. Vor Mahlzeiten liegt im menschlichen Organismus eine hohe Ghrelinkonzentration vor, welche nach den Mahlzeiten aber sehr schnell abfällt (Panagopoulos & Ralevski, 2014, S. 2725-2740). Der Antagonist zu dem Hormon Ghrelin ist das Hormon Leptin.

3.2.2.4. Leptin

Das Hormon Leptin wird im Fettgewebe produziert. Es erreicht seine Maximalwerte in der Nacht und Minimalwerte am Tag. (Sinha et al., 1996, S.1344-1347). Leptin sorgt für die Verminderung von Appetit und dem Hungergefühl. Damit sorgt es in der Nacht für einen ungestörten Schlaf. Die zirkadiane Rhythmik des Hormons Leptin ist allerdings von einer regelmäßigen Zufuhr von Nahrung abhängig (Schoeller et al., 1997, S. 1882-1887). Wobei es bei Menschen mit Diabetes und Adipositas zu keiner Verände­rung der tageszeitlichen Konzentrationsschwankungen kommt (Sinha et al., 1996, S. 1344-1347). Etwas widersprüchlich scheint es zu sein, dass bei übergewichtigen Men­schen eine höhere Konzentration von Leptin vorliegt. Daraus lässt sich aber schließen, dass diese Menschen mit der Zeit eine Leptinresistenz aufgebaut haben.

3.2.2.5.Insulin

Das Hormon Insulin wird in den sogenannten Inselzellen, daher auch der Name, in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Der wichtigste Sekretionsreiz für die Insulinausschüttung ist der Anstieg des Blutzuckerspiegels. Es transportiert den Zucker aus dem Blutkreis­lauf und aktiviert den Glucosetransport durch die Muskelmembran und die Fettgewebs­zellen. Des Weiteren reguliert es den Eiweiß- und Fetthaushalt. Eine Folge der Glucose- verstoffwechslung ist der Anstieg von ATP. Insulin wird nicht linear ausgeschüttet, son­dern unterliegt Oszillatoren, welche alle 3-6 Minuten Insulin in die Blutbahn abgeben (Heinrich et al., 2014, S.442-445).

3.3. Chronotypen

Menschen zeigen in der Strukturierung ihres Tages, besonders bei der zeitlichen Organi­sation von Aktivitäts- und Schlafenszeit, tageszeitliche Präferenzen und vor allem im Vergleich große Unterscheide. Die Unterschiede der Tagesabläufe von verschiedenen Menschen haben vermutlich kleine Unterschiede in den Clock-Genen als Ursache. Im Allgemeinen lassen sich aber Tendenzen erkennen und somit eine Aufteilung der Präfe­renzen vornehmen. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen dem Morgentypus und dem Abendtypus. Umgangssprachlich sagt man zum Morgentypus „Lerche“, da dieser Vogel am Morgen aktiv ist und zum Abendtypus sagt man „Eule“, da es sich hier um einen nachtaktiven Vogel handelt. Zwischen den beiden Typen unterscheiden sich, abhängig vom Tagesverlauf, die Höchst- und Tiefstwerte, Amplituden und Perioden von Hormonen wie Melatonin und Cortisol oder die Körpertemperatur. Beim Morgentypus gibt es eine Verschiebung von circa einer Stunde, was die Höchstwerte von Cortisol und der Körpertemperatur betrifft im Vergleich zum Abendtypus (Bailey & Heitkemper, 2001, S.249-261). Beim Morgentypus ist der Cortisolanstieg außerdem höher als beim Abendtypus. Dieser Unterschied bleibt allerdings nicht während des ganzen Tages be­stehen (Kudielka et al., 2007, S.595-596). Ein weiterer Unterschied zwischen den bei­den Typen besteht im Schlafbedürfnis sowie der Einschlaflatenz. Der Morgentypus be­nötigt im Allgemeinen weniger Schlaf und schläft auch schneller ein, während der Abendtypus prinzipiell mehr Schlaf benötigt und auch eine schlechtere Schlaflatenz hat, also länger zum Einschlafen benötigt. Im Grunde sind die Chronotypen stabil, das heißt eine Person behält in der Regel ihren Chronotyp das ganze Leben. Dennoch gibt es im Laufe des Lebens auch Veränderungen. Kinder haben meist einen frühen Chronotyp. Dieser verschiebt sich im Jugendalter allerdings immer weiter in Richtung eines späte­ren Chronotypus, bis er die maximale Verschiebung um das 20. Lebensjahr erreicht. Nach dem 20. Lebensjahr gibt es wieder eine relativ abrupte Verschiebung in Richtung des frühen Chronotypus. Eine Studie hat gezeigt, dass Frauen ihre maximale Verschie­bung mit 19,5 Jahren und Männer ihre mit 20,9 Jahren erreichen (Roenneberg et al., 2004, S. 1038-1039). Außerdem zeigt die Studie, dass Männer auch später öfter einem späten Chronotypus zugeordnet werden können. Dieser Geschlechtsunterschied hebt sich auf, wenn die Frau das 50. Lebensjahr erreicht hat und die Menopause eintritt (Ro- enneberg et al., 2007, S.429-438). Der zirkadiane Rhythmus auf Zellebene unterliegt den lebenszeitlichen Veränderungen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Essen im Takt der "inneren Uhr". Chronobiologie als sinnvoller Ansatz in Programmen zur Gewichtsreduktion?
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Note
1,2
Jahr
2020
Seiten
54
Katalognummer
V1156393
ISBN (eBook)
9783346552846
ISBN (Buch)
9783346552853
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chronobiologie, innere Uhr, zirkadianer Rhythmus, Chronotyp, Gewichtsreduktion, Zeit, Hormone, Melatonin, Cortisol, Ghrelin, Leptin, Insulin, dhfpg, Bachelorarbeit, Fitnessökonomie, Ernährung, Schlaf
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Essen im Takt der "inneren Uhr". Chronobiologie als sinnvoller Ansatz in Programmen zur Gewichtsreduktion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156393

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