„Kuba, das ist eine Aneinanderreihung von Mythen und Vorurteilen, eine Mixtur aus Träumen und Projektionen“
1, schreibt Arno Eser über jenen Ort, der gegen Ende der neunziger Jahre zum Mittelpunkt
eines beispiellosen Musik- und Tourismus-Booms avancierte. Einer der Auslöser der Euphoriewelle,
war das international erfolgreiche Album „Buena Vista Social Club“ sowie der gleichnamige Dokumentarfilm
von Wim Wenders. Seither gelten die beiden Medien in westlichen Sphären als Sinnbild für die
authentische Wiedergabe des kubanischen Lebensgefühls. Ein Blick auf die imposante Verkaufszahl
von weltweit über sieben Millionen Exemplaren2 dokumentiert bereits, dass die betagten Musiker um
Compay Segundo und Ibrahim Ferrer ein weitaus größeres Publikum erreicht haben, als dies für Veröffentlichungen
im Bereich Weltmusik üblich ist. Worin liegt also der spezielle Reiz dieser Musik? Und
lässt sich der Buena-Vista-Effekt allein auf die Ebene des Musikalischen reduzieren?
Die vorliegende Arbeit wird zeigen, dass eine Betrachtung des Phänomens, ein weitreichenderes Verständnis
um die Außenwirkung der kubanischen Musikkultur erfordert, als es das Klischee von den
munter musizierenden Senioren suggerieren mag. „Die kubanische Musik wird zum Soundtrack für unseren
privaten Film im Kopf, der beim Stichwort Kuba losrattert.“3, mit dieser treffenden Beschreibung
markiert Eser in seinem Nachwort zu Maya Roy’s Fachbuch „Buena Vista – Die Musik Kubas“, das eher
eindimensionale Kuba-Wunschbild in den Köpfen vieler Westeuropäer. Aufgeladen durch die stereoty-pen Reize aus den Werbespots einer bekannten Rummarke, wurde die Insel zur mystischen Projektionsfläche
für die unreflektierte Sehnsucht nach dem exotischem Karibikparadies. Zigarren, alte Autos
und Revolutionsromantik: Die Marke „Buena Vista Social Club“ scheint dem Wunsch nach Eskapismus
und kultureller Fremdheit in Ton und Bild zu entsprechen. Der markante Son-Rhythmus evoziert dabei
offenbar den Eindruck des Authentischen und sorgt, durch die Neuinterpretation der prä-revolutionären
Musik, gleichzeitig für einen Nostalgieeffekt. Es bleibt kritisch zu hinterfragen, inwieweit die Rezeption
von Album und Film von Vorurteilen gelenkt wird und welche Hintergründe für die Entstehung zu berücksichtigen
sind.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1. Segen oder Fluch? Zum Verhältnis von Sozialismus und Musik auf Kuba.
- 2. Der tres-spielende Opa mit der Holzgitarre: Eine kritische Betrachtung des Buena-Vista-Booms
- 2.1 Die Macher in der Schusslinie
- 2.2 Der „Buena-Vista-Effekt": Zur Rezeption und kommerziellen Verwertung kubanischer Musik
- 3. HipHop auf Kuba: „Mit der Revolution: Alles! Gegen die Revolution: Nichts!"
- Literaturverzeichnis
- Webquellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit dem Buena-Vista-Boom und dessen Einfluss auf die Wahrnehmung kubanischer Musik in der westlichen Welt. Sie analysiert die Entstehung des Phänomens, die Rolle der Musik im sozialistischen Kuba und die Rezeption des Buena-Vista-Social-Club-Projekts. Darüber hinaus wird die Bedeutung des HipHops als zeitgenössischer Musikrichtung auf Kuba beleuchtet.
- Die Rolle der Musik im sozialistischen Kuba
- Die Entstehung und Rezeption des Buena-Vista-Booms
- Die kommerzielle Verwertung kubanischer Musik
- Der Einfluss des Buena-Vista-Effekts auf die Wahrnehmung kubanischer Musik
- HipHop als zeitgenössische Musikrichtung auf Kuba
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Rolle der Musik im sozialistischen Kuba. Es werden die Möglichkeiten und Restriktionen des Systems für Musikschaffende aufgezeigt, die sich aus der kulturpolitischen Situation ergeben. Die Revolution als Motor der Landeskultur und die Herausforderungen durch die Abgrenzung von westlichen Kultureinflüssen werden diskutiert.
Das zweite Kapitel analysiert den Buena-Vista-Boom. Es werden die Macher des Projekts, die Rezeption des Albums und Films sowie die kommerzielle Verwertung kubanischer Musik untersucht. Die Arbeit hinterfragt, inwieweit die Rezeption von Vorurteilen gelenkt wird und welche Hintergründe für die Entstehung des Booms zu berücksichtigen sind.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Buena-Vista-Boom, die Musik Kubas, Sozialismus, Kulturpolitik, Rezeption, kommerzielle Verwertung, HipHop, Tradition und Moderne.
- Arbeit zitieren
- Jens Frieling (Autor:in), 2007, Der Buena-Vista-Boom und die Musik Kubas: Eine einzigartige Melange aus Tradition und Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115711