Georg Simmel (1858-1918) zählt neben Émile Durkheim und Max Weber zu den Klassikern der Soziologie; dank ihrer Arbeiten konnte sich diese Fachdisziplin als moderne Einzelwissenschaft Ende des 19. Jahrhunderts im Kanon der Humanwissenschaften etablieren. Während Durkheim den Gegenstandsbereich des Faches mit dem Begriff der sozialen Tatbestände bestimmte, begriff Simmel die Soziologie als Wissenschaft, die sich nicht mit spezifischen Inhalten, sondern mit den Formen der Wechselwirkung zwischen Individuen befasst. Dabei ist Simmels Bezugsproblem das Verhältnis von sozialer Differenzierung und Individualität, verortet im Bezugsrahmen des Wechselspiels von Gesellschaft, Kultur und Persönlichkeit. Dieser Forschungsansatz des Berliner Soziologen wird im zweiten Kapitel dieser Arbeit näher erläutert.
Nach Lichtblau gibt es wohl kaum ein Problem, das Simmel mehr bewegt hat als die Frage, wie unter den Bedingungen der modernen Massengesellschaft und des großstädtischen Lebens überhaupt noch eine Form von Persönlichkeit vorstellbar ist. In dem hier untersuchten Essay "Die Großstädte und das Geistesleben" (1903) richtet sich Simmels Erkenntnisinteresse nicht in erster Linie auf eine Soziologie der Stadt, sondern allgemeiner auf die Entstehung des modernen Sozialcharakters. Dabei rechnet er die Großstadt zu den neben Arbeitsteilung und Geldwirtschaft entscheidenden Ursachen für die Herausbildung dieses Charakters. Simmel sucht eine Antwort auf die Frage, wie sich städtisches Leben auf die Persönlichkeit und die Lebensform der Individuen auswirkt.
Nachdem in Kapitel drei die Entstehung und Publikation des Essays kurz dargestellt wird, schließt sich mit Kapitel vier dieser Arbeit die Schilderung der gesellschaftlichen Entwicklung in der Großstadt als Prozess sozialer Differenzierung an; dabei werden die von Simmel untersuchten sozialen Verhaltensweisen wie Blasiertheit, Intellektualisierung, Reserviertheit und Individualisierung im urbanen Raum rekonstruiert. In Kapitel fünf werden die Ambivalenzen herausgestellt, die den sozialen Prozessen in der Großstadt anhaften. Es folgt eine kritische Betrachtung der Simmelschen Großstadtdiagnose und im abschließenden Fazit werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Rekonstruktion zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wechselwirkung und Vergesellschaftung
- Genese und Publikation des Essays
- Soziale Verhaltensweisen der GroßstadtbewohnerInnen
- Blasiertheit
- Intellektualisierung
- Reserviertheit
- Individualisierung
- Ambivalenz sozialer Prozesse im urbanen Raum
- Kritik an der Großstadtdiagnose
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit Georg Simmels Essay „Die Großstädte und das Geistesleben“ und analysiert, wie Simmel die Auswirkungen des urbanen Lebens auf die menschliche Psyche und das soziale Verhalten beschreibt. Die Arbeit zeichnet die Entstehung und Publikation des Essays nach und rekonstruiert Simmels Analyse des modernen Großstadtmenschen.
- Die Rolle der Vergesellschaftung in Simmels Soziologie
- Die Herausbildung des modernen Sozialcharakters in der Großstadt
- Simmels Analyse der sozialen Verhaltensweisen in der Großstadt
- Ambivalenz der sozialen Prozesse im urbanen Raum
- Kritik an Simmels Großstadtdiagnose
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Georg Simmel als einen der Klassiker der Soziologie vor und hebt seine These hervor, dass Soziologie nicht spezifische Inhalte, sondern die Formen der Wechselwirkung zwischen Individuen untersucht. Simmels besonderes Interesse gilt dem Verhältnis von sozialer Differenzierung und Individualität, vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von Gesellschaft, Kultur und Persönlichkeit.
Kapitel zwei erläutert Simmels Theorie der Vergesellschaftung, die er als einen fortwährenden Prozess der Wechselwirkung zwischen Individuen begreift. Simmel betont, dass Gesellschaft aus der Summe dieser Wechselwirkungen entsteht, wobei er die Formen der Wechselwirkung als relevanter erachtet als deren Inhalte.
Kapitel drei beleuchtet die Entstehung und Publikation von Simmels Essay „Die Großstädte und das Geistesleben“. Der Essay entstand aus einem Vortrag und stellt Simmels systematische Überlegungen zur neuen Qualität des sozialen Lebens in der Großstadt dar.
Kapitel vier rekonstruiert Simmels Analyse der sozialen Verhaltensweisen der GroßstadtbewohnerInnen, insbesondere die Blasiertheit, die Intellektualisierung, die Reserviertheit und die Individualisierung. Simmel sieht diese Verhaltensweisen als Anpassungsmechanismen an das beschleunigte und anonymisierte Großstadtleben.
Kapitel fünf befasst sich mit den Ambivalenzen sozialer Prozesse in der Großstadt. Simmel argumentiert, dass die Veränderungen in der Großstadt sowohl positive als auch negative Folgen haben können und dass die Beurteilung dieser Prozesse ambivalent ist.
Das Kapitel über die Kritik an der Simmelschen Großstadtdiagnose und das abschließende Fazit werden in dieser Vorschau nicht behandelt.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen dieses Textes sind: Georg Simmel, Vergesellschaftung, Großstadt, Sozialcharakter, Blasiertheit, Intellektualisierung, Reserviertheit, Individualisierung, Ambivalenz, Kritik, Soziologie, Moderne.
- Arbeit zitieren
- Markus Lüske (Autor:in), 2021, Georg Simmel und die Vergesellschaftung im urbanen Raum. Rekonstruktion des Essays "Die Großstädte und das Geistesleben", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1157931