Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, ein vorhandenes, validiertes, physikalisches Modell der RLT-Anlage der BLB in der Entwicklungsumgebung Dymola mit der Programmiersprache Modelica um eine energieflexible Regelung zu erweitern. Anschließend wird die energieflexible Betriebsweise der Anlage im Hinblick auf relevante Betriebsgrößen wie die Taupunkttemperatur (TPT) im Trockenraum, die Betriebskosten und die Umweltwirkungen untersucht. Im Zuge einer energieflexiblen Betriebsweise lassen sich zwei Regelungsstrategien anwenden: eine Regelung ohne und eine mit heuristischer Optimierung. In der Regelung ohne Optimierung werden regelbasierte Verfahren zur Steuerung der RLT-Anlage verwendet, wohingegen der Strategie mit heuristischer Optimierung ein mathematisches Optimierungsproblem zugrunde liegt, das mehrere Zielgrößen umfasst. Beide Strategien zählen zu den modellprädiktiven Re-gelungen (MPR). Die Forschungsfrage, die sich in diesem Kontext stellt, lautet: Welche der Regelungsstrategien ist in Anbetracht der Kosten und Umweltauswirkungen, der Erfüllung der raumklimatischen Bedingungen sowie der immanenten Stärken und Schwächen der jeweiligen Regelungsstrategien im betrachteten Anwendungsfall besser geeignet?
Neben der Bewertung der Regelungsansätze nach diesen Gesichtspunkten erfolgt in dieser Arbeit die Ermittlung des Energieflexibilitätspotentials der RLT-Anlage in Form von vier Kennzahlen: Abrufdauer, -häufigkeit, flexibilisierbare Leistung sowie flexibilisierbare Energie.
Diese Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der energieflexiblen Regelung von RLT-Anlagen bei, indem sie Empfehlungen für den betrachteten Anwendungsfall – ein Trockenraum für die Batterieproduktion – gibt. In dieser Arbeit wird ersichtlich, welche Vorteile ein energieflexibler Betrieb aus Betreibersicht hat, aber auch welchen Beitrag RLT-Anlagen zur Netzstabilität leisten können.
II Inhaltsverzeichnis
I Abstract
II Inhaltsverzeichnis
III Abbildungsverzeichnis
IV Tabellenverzeichnis
V Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Energieflexibilität
2.1.1 Herausforderungen an das bestehende Energieversorgungssystem
2.1.2 Angebotsflexibilität
2.1.3 Nachfrageflexibilität
2.1.4 Speicherflexibilität
2.1.5 Transportflexibilität
2.1.6 Intersektorale Flexibilität
2.1.7 Schlussfolgerung
2.2 Lüftungstechnik von Trockenräumen und Produktionsbetrieben
2.2.1 Einsatz, Aufbau und Funktionsweise von Lüftungstechnik in Produktions-betrieben
2.2.2 Normen und Arbeitsvorschriften für Lüftungstechnik in Trockenräumen und Produktionsbetrieben
2.2.3 Energieflexibler Einsatz von Lüftungstechnik in Trockenräumen
2.3 Modell- und Simulationsparadigmen
2.3.1 Modelle und ihre Kategorisierung
2.3.2 Simulation und ihre Ansätze
2.4 Regelungsstrategien
2.4.1 Regelungstechnische Grundlagen
2.4.2 Gängige Betriebsweisen von RLT-Anlagen
2.4.3 Energieflexible Betriebsweisen von Anlagen im Produktionsumfeld
2.4.4 Optimierung
2.5 Sensitivitätsanalyse und Parameterstudie
3 Cyber-physisches System
3.1 Physisches System
3.2 Datenakquise
3.3 Cybersystem
3.3.1 RLT-Anlage
3.3.2 Lasten im Trockenraum
3.3.3 Energiepreise
3.3.4 Notwendige Inputs
3.4 Entscheidungsunterstützung und kontinuierliche Regelung
3.4.1 Exergetische Hot-Spot-Analyse
3.4.2 Regelbasierte, energieflexible Regelung mit Modell und ohne Optimierung
3.4.3 Energieflexible Regelung mit Modell und heuristischer Optimierung
3.4.4 Generierte Outputs
3.5 Annahmen des Modells und Unterschiede zum physischen System
4 Auswertung
4.1 Ergebnisse der verschiedenen Regelungsstrategien
4.1.1 Wintermonat November – Kosten, Energie, Taupunkttemperaturen und Emissionen
4.1.2 Sommermonat Juli – Energie, Kosten, Emissionen und Taupunkttemperaturen …..
4.1.3 Zwischenfazit
4.2 Sensitivitätsanalyse und Parameterstudie
4.2.1 Parameterstudie zur Verbesserung der regelbasierten, energieflexiblen Regelung mit Modell und ohne Optimierung
4.2.2 Manuelle Sensitivitätsanalyse
4.3 Energieflexibilitätspotential der RLT-Anlage
4.3.1 Bemessung des Flexibilitätspotentials des Prozessventilators
4.3.2 Beurteilung des Flexibilitätsprofils des Prozessventilators
4.4 Best Practice in der BLB
4.5 Kritische Würdigung
5 Zusammenfassung und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
VI Anhang
I Abstract
This work examines the possibility of demand side management in heating, ventilation and air conditioning (HVAC) systems, i.e. the adjustment of their electricity demand in accordance to the electricity supply triggered by fluctuating electricity prices, using the example of the Battery LabFactory Braunschweig (BLB), a pilot plant scale battery cell production facility at the Technical University of Braunschweig. Using a validated physical simulation model based on Dymola/Modelica of the BLB’s HVAC system two different energy flexible operating modes have been examined. As alternative model predictive modes of operation, a rule-based method, which considers electricity prices and the dew point inside the room, is compared with mathematical optimization, i.e. all kinds of energy consumption in terms of cost and air quality are optimized. The dew point in the drying room, the overall operating costs and environmental impacts, as well as the flexibility potential are calculated in case of reducing the load during labour week to examine the best operating mode for the process fan and the regeneration fan.
Regarding the process fan, the predictive rule-based control is the preferred one, as it can be implemented, executed and maintained causing less effort and costs. At the same time, it performs almost as well as the optimization. The savings in energy costs of both methods are similar. Since the optimization can set more than two values for the control variable (the mass flow through the fan), this energy flexible mode can be activated for a longer period. This not only leads to a higher proportion of electrical energy that can be used flexibly and higher greenhouse gas savings, but also to slightly higher average dew points. It is recommended to further develop the predictive rule-based control, so that it can control the mass flow in smaller steps as well. So far, it only fluctuates between full load and one reduced load. Other findings are that the process fan has a high potential to increase its load at the weekend, when it simply needs to be activated depending on the electricity price, without considering the dew point. Last but not least, it was discovered that the regeneration fan cannot be operated in an energy flexible mode.
III Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Abbildung 2: Energieflexibilitätsmaßnahmen in einer Fabrik nach (VDI 5207 Blatt 1, S. 27)
Abbildung 3: Entwicklung des Großhandelsmarktpreises abhängig vom Anteil der erneuerbaren Energien nach (International Renewable Energy Agency 2020, S. 10)
Abbildung 4: Wechselwirkungen auf Gesamtsystemebene des Produktionsbetriebs nach (Herrmann 2010, S. 330)
Abbildung 5: Regelungstechnische Grundlagen nach (Zacher und Reuter 2017, S. 6)
Abbildung 6: Betriebsweisen von RLT-Anlagen
Abbildung 7: Hallenoptimierung nach (Popp et al. 2015, S. 508)
Abbildung 8: Schemazeichnung der Lüftungsanlage der BLB mit Hauptkomponenten (Koch 2020, S. 39)
Abbildung 9: Systemgrenze, Energie- und Materialflüsse der RLT-Anlage im Trockenraum nach (Vogt et al. 2021, S. 159)
Abbildung 10: Komponente zur Berechnung der TPT in Dymola
Abbildung 11: Oberste Modellebene (grafisch) in Dymola
Abbildung 12: Entscheidungslogik der RegOhOp für den Regenerationsventilator
Abbildung 13: Modellebene „GesamtmodellRLT“ mit RegOhOp für Prozessluftventilator und Außenlufteintritt
Abbildung 14: Implementierung der Zielfunktion zur Optimierung auf oberster Modellebene.
Abbildung 15: Energiekosten der verschiedenen Regelungsstrategien im November 2020
Abbildung 16: Abweichungen der Prozessventilatorregelungen zur Soll-TPT im November 2020
Abbildung 17: THG-Emissionen der verschiedenen Regelungsstrategien im November 2020
Abbildung 18: Energiekosten der verschiedenen Regelungsstrategien im Juli 2020
Abbildung 19: THG-Emissionen der verschiedenen Regelungsstrategien im Juli 2020
Abbildung 20: Vergleich der energieflexiblen Regelungen in Bezug auf die Massenströme im Regenerationsventilator im November 2020
Abbildung 21: Vergleich der energieflexiblen Regelungen in Bezug auf die Massenströme im Prozessventilator im November 2020
Abbildung 22: Einfluss des Strompreises auf den heuristisch optimierten Massenstrom im Prozessventilator im November 2020
Abbildung 23: Einfluss der internen Feuchtelast auf den heuristisch optimierten Massenstrom des Prozessventilators im November 2020
Abbildung 24: Vergleich der energieflexiblen Regelungen in Bezug auf die Massenströme im Prozessventilator im Juli 2020
Abbildung 25: Technische Zeichnung der RLT-Anlage in der BLB Teil 1
Abbildung 26: Technische Zeichnung der RLT-Anlage in der BLB Teil 2
Abbildung 27: Technische Zeichnung der RLT-Anlage in der BLB Teil 3
Abbildung 28: Pythonskript für die heuristische Optimierung des Prozessluftbereichs Teil 1
Abbildung 29: Pythonskript für die heuristische Optimierung des Prozessluftbereichs Teil 2
Abbildung 30: Pythonskript für die heuristische Optimierung des Prozessluftbereichs Teil 3
Abbildung 31: Pythonskript für die heuristische Optimierung des Prozessluftbereichs Teil 4
IV Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Arten von RLT-Anlagen
Tabelle 2: Mögliche Vorschriften für Trockenräume
Tabelle 3: Exergiebedarf der Anlagenkomponenten
Tabelle 4: Emissionsfaktoren
Tabelle 5: Energieeinsparungen der Regelungsstrategien in den Hauptkomponenten im November 2020
Tabelle 6: Ranking der vier Regelungsstrategien für Massenströme für Sommer und Winter
Tabelle 7: Einfluss der Preisgrenze auf die RegOhOp des Prozessventilators
Tabelle 8: Einfluss der TPT-Obergrenze auf die RegOhOp des Prozessventilators
Tabelle 9: Mögliche Parameter der Sensitivitätsanalyse
Tabelle 10: Sensitivität der Regelungen im Vergleich für November 2020
Tabelle 11: Energieflexibilitätspotential des Prozessventilators in der BLB
Tabelle 12: Zusammenfassende Gegenüberstellung der beiden Regelungsstrategien
V Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
Das drängendste, globale Problem unserer Zeit ist die Bewältigung der Klimakrise. Die Bedeutung der Energiewende hierfür wird heute kaum noch angezweifelt, stattdessen wird darüber diskutiert, wie sie bestmöglich zu vollziehen ist. Im Jahr 2020 hatten die erneuerbaren Energien in Deutschland erstmals einen größeren Anteil an der öffentlichen Nettostromversorgung als fossile Energieträger (vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2021c). Wind und Sonne sind dabei mit 37,5 % besonders bedeutend (vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2021c). Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis 2050 auf 80 % zu steigern (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019, S. 12).
Die Stabilität des Stromnetzes ist abhängig davon, dass sich Stromeinspeisung und Stromverbrauch im ständigen Gleichgewicht befinden und eine stabile Netzfrequenz von 50 Hertz herrscht. Bisher ist die Prämisse, dass sich die Einspeisung dabei nach dem Verbrauch richtet. Fossile Kraftwerke ermöglichen eine planbare, aber nur geringfügig anpassbare Einspeisung. Durch das Erstarken volatiler, erneuerbarer Energien wie Windkraft- und Photovoltaik(PV)-Anlagen ist die Stromerzeugung wetterabhängigen Schwankungen ausgesetzt, wodurch die Preise an der Strombörse stark schwanken. Um die Stabilität des Netzes zu sichern, muss das Gesamtsystem flexibilisiert werden. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 130) Zudem ist es lohnenswert, den Stromverbrauch so weit wie möglich auf die Preise abzustimmen. Knapp 44 % des Stromverbrauchs in Deutschland entfällt auf die Industrie (vgl. Umweltbundesamt 2019), die daher ein signifikantes Potential bietet, Schwankungen im Stromnetz durch die Anpassung des Stromverbrauchs an das Stromangebot auszugleichen.
Anwendungsbeispiel in dieser Arbeit ist die BLB der Technischen Universität Braunschweig, eine zu Forschungszwecken gebaute, industrietaugliche Batteriezellfabrik. Im Zuge der Energie- und Mobilitätswende werden Batteriezellfabriken stark nachgefragt. Im Fall der BLB entfallen fast 80 % des Endenergieverbrauchs – neben Strom andere Energieträger wie Gas und Fernwärme einbegriffen – auf zwei raumlufttechnische (RLT) Anlagen, da in speziell für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien konzipierten Trockenräumen hohe Ansprüche an die Raumluftqualität gestellt werden (vgl. Vogt et al. 2021, S. 159). In RLT-Anlagen trägt der Strombedarf, neben dem thermischen Energiebedarf für Heizen und Kühlen, maßgeblich zum Gesamtenergiedarf bei. Durch die weite Verbreitung von RLT-Anlagen ergibt sich insgesamt ein großes Flexibilitätspotential.
Bis dato werden RLT-Anlagen oftmals auf Grundlage von Erfahrungswerten und statischen Berechnungen ausgelegt, was zur Überdimensionierung und somit zu höheren Kosten und CO2-Emissionen führt als nötig. Zudem werden RLT-Anlagen in Trockenräumen oftmals konstant betrieben oder zeitgeschaltet gesteuert. In der Industrie existiert eine Forschungslücke bei Anlagen, die eine konstante Luftqualität und thermischen Komfort bereitstellen sowie energieflexibel laufen sollen. Die Regelung von RLT-Anlagen, um Energieflexibilitätsmaßnahmen anwenden zu können, und das Flexibilitätspotential, das durch die Regelung freigesetzt werden kann, sind noch nicht ausreichend erforscht.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, ein vorhandenes, validiertes, physikalisches Modell der RLT-Anlage der BLB in der Entwicklungsumgebung Dymola mit der Programmiersprache Modelica um eine energieflexible Regelung zu erweitern. Anschließend wird die energieflexible Betriebsweise der Anlage im Hinblick auf relevante Betriebsgrößen wie die Taupunkttemperatur (TPT) im Trockenraum, die Betriebskosten und die Umweltwirkungen untersucht. Im Zuge einer energieflexiblen Betriebsweise lassen sich zwei Regelungsstrategien anwenden: eine Regelung ohne und eine mit heuristischer Optimierung. In der Regelung ohne Optimierung werden regelbasierte Verfahren zur Steuerung der RLT-Anlage verwendet, wohingegen der Strategie mit heuristischer Optimierung ein mathematisches Optimierungsproblem zu Grunde liegt, das mehrere Zielgrößen umfasst. Beide Strategien zählen zu den modellprädiktiven Regelungen (MPR). Die Forschungsfrage, die sich in diesem Kontext stellt, lautet: Welche der Regelungsstrategien ist in Anbetracht der Kosten und Umweltauswirkungen, der Erfüllung der raumklimatischen Bedingungen sowie der immanenten Stärken und Schwächen der jeweiligen Regelungsstrategien im betrachteten Anwendungsfall besser geeignet?
Neben der Bewertung der Regelungsansätze nach den o. g. Gesichtspunkten erfolgt in dieser Arbeit die Ermittlung des Energieflexibilitätspotential der RLT-Anlage in Form von vier Kennzahlen: Abrufdauer, -häufigkeit, flexibilisierbare Leistung sowie flexibilisierbare Energie.
Diese Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der energieflexiblen Regelung von RLT-Anlagen bei, indem sie Empfehlungen für den betrachteten Anwendungsfall – ein Trockenraum für die Batterieproduktion – gibt. In dieser Arbeit wird ersichtlich, welche Vorteile ein energieflexibler Betrieb aus Betreibersicht hat, aber auch welchen Beitrag RLT-Anlagen zur Netzstabilität leisten können.
Eine Übersicht zum Aufbau der Arbeit gibt Abbildung 1. Die für das Verständnis der Arbeit erforderlichen theoretischen Grundlagen werden zu Beginn erläutert (Kapitel 2), gefolgt von der Methodik (Kapitel 3) und der Auswertung unter den in den vorherigen drei Absätzen gesetzten Zielen (Kapitel 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
Zu Beginn wird in Unterkapitel 2.1 in das Themengebiet der Energieflexibilität eingeführt. Im Abschnitt 2.1.1 wird erläutert, wieso es zukünftig in größerem Ausmaß der Energieflexibilität bedarf. In den folgenden Unterkapiteln wird auf die verschiedenen Varianten der Energieflexibilität sowie deren Vor- und Nachteile eingegangen. Besonders ausführlich wird die für diese Arbeit relevante Nachfrageflexibilität in Abschnitt 2.1.3 behandelt, inklusive des dafür notwendigen Wissens über den Strommarkt. In Abschnitt 2.2.1 gibt es eine Einführung in RLT-Anlagen und in Abschnitt 2.2.2 werden vorhandene Normen im Hinblick auf Empfehlungen für Lüftungstechnik in Trockenräumen analysiert. In Abschnitt 2.2.3 wird eine Forschungslücke im energieflexiblen Einsatz von RLT-Anlagen identifiziert, die neben den in Unterkapitel 2.1 genannten Aspekten als Motivation für diese Bachelorarbeit dient. Unterkapitel 2.3 gibt einen Überblick über Modelltypen und Simulationsansätze. Unterkapitel 2.4 stellt verschiedene Regelungsstrategien für RLT-Anlagen vor und identifiziert eine weitere Forschungslücke. Am Ende werden in Unterkapitel 2.5 kurz die Prinzipien der Sensitivitätsanalyse und Parameterstudie erklärt.
2.1 Energieflexibilität
2.1.1 Herausforderungen an das bestehende Energieversorgungssystem
Die zunehmende Gefahr der Klimakrise, ausgelöst durch fossile Brennstoffe und deren Auswirkungen auf die Umwelt, hat zu Forschungsanstrengungen und politischen Maßnahmen geführt, die erneuerbare Energiequellen fördern und die Dekarbonisierung vorantreiben sollen. Das herkömmliche Stromnetz und die Strommärkte werden durch diese Entwicklung aus dem Gleichgewicht gebracht. Neben dem Erstarken wetterabhängiger und dezentraler erneuerbarer Energiequellen wie Sonne und Wind fordert die wachsende Beteiligung der Verbraucher an der Produktion und dem Management ihres eigenen Stromverbrauchs mehr Flexibilität im Stromnetz ein. Eine steigende Zahl an Verbrauchern besitzen häusliche PV- oder Solarthermieanlagen und Smart-Home-Technologien. Nicht zuletzt fordert die Elektrifizierung des Verkehrs, insbesondere der Umstieg auf Elektroautos, das Stromnetz in seinem aktuellen Zustand heraus. (Vgl. Ketter et al. 2018, S. 1–2)
Die Leistung erneuerbarer Energiequellen wie Wind und Sonne auf Angebotsseite ist viel weniger steuerbar als die anderer Energiequellen. Der tägliche Anteil erneuerbarer Energien an der öffentlichen Nettostromerzeugung 2020 in Deutschland schwankt zwischen 16,5 % und 79,9 % (vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2021b). Die Leistung von PV-Anlagen schwankt periodisch in tages- und jahreszeitlichen Zyklen, während Winde und somit Windkraftanlagen primär jahreszeitlichen Zyklen unterliegen (vgl. International Renewable Energy Agency 2015, S. 7). Jahreszeitliche Schwankungen der Sonnenenergie werden durch sich ändernde Einstrahlwinkel bedingt, tageszeitliche Schwankungen durch den Sonnenstand. Das Wetter, z. B. die Bewölkung, beeinflusst den Anteil der Direkteinstrahlung auf die PV-Zellen.
Die sogenannte Residuallast im Stromnetz bezeichnet die Differenz der nachgefragten Leistung und der angebotenen fluktuierenden Leistung zu einem Zeitpunkt. Bei positiver Residuallast von + 40 MW wird noch Strom benötigt, bei – 40 MW wird gerade mehr Leistung aus erneuerbaren Energien erzeugt als nötig. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 209) Bei Erreichen der gesetzten Ziele zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch wird es laut Studie von Krzikalle et al. (2013, S.18) nur geringfügig weniger Phasen positiver Residuallast geben. Dafür nehmen die Phasen negativer Residuallast, also von Stromüberschüssen, zu. Laut den Forschungen von Kaspar et al. (2019, S.119-126) ergänzen sich Wind- und Sonnenenergie über das ganze Jahr betrachtet, da erstere in den Wintermonaten und letztere in den Sommermonaten stärker verfügbar ist, sodass durch Kombination beider Energieformen Stromschwankungen gesenkt werden. Vorausgesetzt wird dabei eine zukünftig gleiche Verteilung der installierten Kapazitäten in Deutschland. Aktuell ist die installierte Solarleistung zu gering, um den Einbruch der Windenergie in den Sommermonaten zu kompensieren (vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2021a).
Die Klimakrise als treibender Faktor für den Einsatz erneuerbarer Energien geht einher mit Extremwetterereignissen wie Starkregen und Überschwemmungen, Hitzewellen oder starkem Schneefall. Das führt zu Stromausfällen, bspw. durch Beschädigung von Stromleitungen und Schwankungen des Wasserpegels in Wasserkraftwerken. Um solche neuen Gefahren neben herkömmlichen Kraftwerksausfällen, z. B. durch Wartungsarbeiten, bewältigen zu können, muss sich das Energiesystem Klimaanpassungen unterziehen, d. h., widerstandsfähig und flexibel – resilient – werden. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 209)
Um Spannung und Frequenz im Stromnetz konstant zu halten und dessen Stabilität zu gewährleisten, müssen Nachfrage und Angebot stets ausgeglichen sein. Aktuell erfolgt noch keine nachfrageseitige Laststeuerung, deshalb erfolgt die Anpassung überwiegend über die Angebotsseite, d. h., die Gesamtleistung der Strom erzeugenden Kraftwerke wird kontinuierlich an die Nachfrage angepasst, was zukünftig, wie oben dargestellt, nicht mehr ausreichen wird. Daher wurde das Prinzip der Energieflexibilität eingeführt.
Energieflexibilität beschreibt das Ausmaß, in dem ein System, z. B. ein Produktionsbetrieb oder das Stromnetz als Ganzes, den Energiebedarf oder die -bereitstellung als Reaktion auf unerwartete oder vorhersehbare Schwankungen über alle Zeiträume hinweg anpassen kann, ohne dabei seine Stabilität zu gefährden (vgl. Babatunde et al. 2020, S. 102).
Allgemein werden fünf Flexibilitätsoptionen unterschieden, um Angebot und Nachfrage in zeitlicher und räumlicher Dimension besser aufeinander abzustimmen und so Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten (vgl. Lund et al. 2015):
- Angebotsflexibilität
- Nachfrageflexibilität
- Speicherflexibilität
- Transportflexibilität
- intersektorale Flexibilität
2.1.2 Angebotsflexibilität
Die Angebotsflexibilität beleuchtet den auf Flexibilität ausgerichteten Einsatz konventioneller und leicht steuerbarer Energieerzeugungsanlagen wie Gaskraftwerke (vgl. Sauer et al. 2018, S. 182).
Ein Maß für die Kosten der Energiebereitstellung sind die sogenannten Grenzkosten. Sie besagen, wie viel es ein Kraftwerk kostet, im laufenden Betrieb noch eine weitere Energieeinheit in Wh bereitzustellen. Die für die Angebotsflexibilität eingesetzten Kraftwerke müssen minimale Grenzkosten haben, damit sie mit den erneuerbaren Energien, die keine Brennstoffkosten und somit keine Grenzkosten haben, konkurrieren können. Zu diesen Anlagen gehören Wasserkraftwerke, konventionelle Gaskraftwerke und mit Biomasse oder Geothermie betriebene erneuerbare Kraftwerke. Zudem müssen sie schnell in Betrieb genommen werden können, wenn ein Ungleichgewicht im Netz auftritt. Neben dem schnellen An- und Abfahren muss ein effizienter Betrieb auf einem niedrigen Leistungsniveau während Zeiten mit hoher Einspeisung aus Sonnen- und Windenergie möglich sein. (Vgl. Babatunde et al. 2020, S. 104) Große Dampfturbinen, wie sie in Kohle- und Kernkraftgeneratoren vorkommen, erfüllen diese Anforderungen in der Regel nicht (vgl. International Renewable Energy Agency 2018, S. 25).
Der größte Vorteil der Angebotsflexibilität ist, dass die Kosten für die Bereitstellung der Flexibilität vergleichsweise gering sind, da bereits bestehende Anlagen flexibilisiert werden. Jedoch wird mit dem zunehmenden Ersatz fossiler Energieträger, dazu zählt auch Gas, durch erneuerbare Energiequellen die Bedeutung dieser Option abnehmen. (Vgl. Heffron et al. 2020, S. 5)
2.1.3 Nachfrageflexibilität
Im Rahmen der Nachfrageflexibilität wird beim sogenannten Demand Side Management (DSM) die Nachfrage (Industrie, Gewerbe, Haushalte) von der Angebotsseite (Energieversorger) technisch oder durch Anreize gelenkt, um auf Ungleichgewichte im Stromnetz zu reagieren (vgl. Babatunde et al. 2020, S. 103). Aufgrund der Volatilität im Angebot kommt es zu schwankenden Strompreisen, was die Nachfrageseite anreizt, sich daran anzupassen. Technisch gelenkt werden kann die Nachfrage durch gezielte Eingriffe seitens der Netzbetreiber.
Die aktuelle Stromnachfrage sieht wie folgt aus: In den Wintermonaten ist die Nachfrage in Deutschland höher als zur warmen Jahreszeit. Im Sommer ist sie leicht erhöht im Vergleich zum Frühjahr, da Klimaanlagen verstärkt zum Einsatz kommen. Der Strombedarf im Sommer wird steigen, wenn die Sommer im Zuge des Klimawandels heißer werden. An Wochenenden ist die Nachfrage geringer als an Werktagen. Tagsüber – mit Spitze zur Mittagszeit – ist die Nachfrage höher als nachts, da Industrie und Haushalte dann aktiver sind. (Vgl. Seifert 2009, S. 7–8) Es ist bis dato primär Aufgabe der Energieversorger, sich nach dieser Nachfrage zu richten.
Maßnahmen im Rahmen der Nachfrageflexibilität
DSM-Maßnahmen beeinflussen die Energienachfrage mit dem Ziel, z. B. in Zeiten von Spitzennachfragelasten und hohen Strompreisen wenig Energie zu benötigen (vgl. Motsch et al. 2020, S. 1749). DSM-Maßnahmen sind beispielsweise Time-of-Use-Tarife (der Strom wird nachts zu einem billigeren Festpreis verkauft als tagsüber), direkte Laststeuerung durch den Versorger (siehe Anmerkungen zu Systemdienstleistungen auf Seite 9), Critical Peak Pricing (Spitzenlasten werden teurer verkauft als Grundlast), Real Time Pricing (siehe „Strommarkt als wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmen für Nachfrageflexibilität“ auf Seite 10) und drei im Folgenden erläuterte Lastmanagementstrategien (vgl. Babatunde et al. 2020, S. 103). Als Lastverzicht wird eine temporäre Reduktion des regulären Stromverbrauchs bezeichnet. Dabei kann eine Anlage weniger Leistung aufnehmen oder sogar abgeschaltet werden. An der Definition des Lastverzichts werden Parallelen zwischen ebendieser Maßnahme und Energieeffizienzmaßnahmen deutlich. Die Energieeffizienz kann als Teilmenge der Energieflexibilität verstanden werden. Das Gegenteil des Lastverzichts ist die Lasterhöhung. Gibt es bei Einsatz beider Methoden einen Nachholbedarf des jeweils anderen, bedingt z. B. eine Lasterhöhung zum jetzigen Zeitpunkt einen Lastverzicht zu einem späteren Zeitpunkt, wird von einer Lastverschiebung gesprochen. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 54) So kann auf Preissignale reagiert werden. Weitere DSM-Maßnahmen – geordnet nach ausführender Ebene und Zeithorizont – sind in Abbildung 2 dargestellt.
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, brauchen die DSM-Ansätze auf den Planungsebenen oft einen mehrtägigen Vorlauf, während technische Ansätze auf Fertigungsebene eine sofortige Auswirkung auf den Energiebedarf haben können (vgl. Popp et al. 2015, S. 505). Innerhalb von Minuten kann der Betrieb der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) durch veränderte Prozessparameter wie eine verringerte Ventilatordrehzahl angepasst werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Energieflexibilitätsmaßnahmen in einer Fabrik nach (VDI 5207 Blatt 1, S. 27)
Vorteil der Nachfrageflexibilität ist, dass ihre Förderung die Ausbaunotwendigkeit seitens der Erzeugung und Speicher vermindert (vgl. Babatunde et al. 2020, S. 103). Wenn statt der zentralen, verbrauchsorientierten Erzeugung eine dezentrale, erzeugungsorientierte Verbrauchsmentalität im Mittelpunkt steht, kann auch der Netzausbau reduziert werden (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 1). Eine der Herausforderungen von DSM ist die Koordination der diversen Verbraucher. Dafür ist die Entwicklung von Smart Grids nötig. (Vgl. Ketter et al. 2018, S. 4) Eine wichtige Frage für die jeweiligen Verbraucher selbst ist, wie stark, wie kurzfristig und für wie lange sie ihren Energieverbrauch ändern können. Sie müssen ihr Flexibilitätspotential erforschen. Auf dafür wichtige Anlagenkenngrößen wird im Abschnitt „Bemessung des Flexibilitätspotentials auf Nachfrageseite“ ab Seite 12 eingegangen.
Strommarkt als wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmen für Nachfrageflexibilität
Zu dem Sammelbegriff der Energy-Only-Märkte (EOM), die der Strombeschaffung dienen, zählen der Terminmarkt sowie der Day-Ahead- und der Intraday-Markt. Eine zweite Kategorie bilden die Systemdienstleistungen. Sie sind vom Übertragungsnetzbetreiber durchgeführte Maßnahmen zur Sicherung der Netzstabilität und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Hierunter fällt z. B. der Regelenergiemarkt. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 130–131)
Wer für den Regelenergiemarkt Leistung bereitstellen will, muss 5 MW – möglich auch durch Anlagenpooling – zur Verfügung stellen können (vgl. Sauer et al. 2018, S. 141). Außerdem werden hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit der Flexibilität gestellt (vgl. Sauer et al. 2018, S. 184). Auf Systemdienstleistungen wird daher an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Weitere Informationen finden sich bei Sauer et al. (2018, S. 135 ff.).
Der Handel von Strom über EOM erfolgt für das Marktgebiet Deutschland/Luxemburg an der Leipziger Börse European Energy Exchange. Die Preisbildung an der Börse geht wie in Abbildung 3 veranschaulicht von statten. Jeder Balken repräsentiert eine Erzeugungstechnologie, dargestellt in aufsteigender Reihenfolge der Grenzkosten. Auf der x-Achse kann die von Erzeugerseite zur Verfügung gestellte Kapazität abgelesen werden. Die rote Kurve repräsentiert die Nachfrage. Dem Handel an EOM liegt das ökonomische Prinzip des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage zu Grunde, d.h., der Großhandelsstrompreis, den alle Marktteilnehmer für den gehandelten Zeitraum zu zahlen haben, bestimmt sich aus dem Schnittpunkt der beiden Kurven.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Entwicklung des Großhandelsmarktpreises abhängig vom Anteil der erneuerbaren Energien nach (International Renewable Energy Agency 2020, S. 10)
Da erneuerbare Energien keine Rohstoffkosten und, abgesehen von sehr geringen Wartungskosten, keine laufenden Kosten haben, sondern nur hohe Fixkosten für die Investition, entsprechen ihre Grenzkosten 0 €. Daraus resultiert, dass die Strompreise sinken, je mehr erneuerbare Energien im Strommix enthalten sind. Die zukünftige Preisentwicklung ist in Abbildung 3 eingezeichnet. Das gilt für Festpreise nur bis zu einem Anteil der erneuerbaren Energien von etwa der Hälfte. Danach steigen die Festpreise wieder, weil die Volatilität der erneuerbaren Energien beaufschlagt wird.
Der Terminmarkt dient zum Abschluss mittel- bis langfristiger Geschäfte (bis zu sechs Jahre im Voraus). Es ist eine risikoarme Beschaffung, die Kunden gegen die fluktuierende Erzeugung erneuerbarer Energien und die daraus resultierenden Marktpreisspitzen absichert. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 131) Aber sie birgt, wie im vorhergehenden Absatz beschrieben, auch das Risiko überteuerter Preise.
Auf dem Day-Ahead-Markt werden bis 12 Uhr mittags für den folgenden Tag volle Stunden oder längere Blocks gehandelt. Von 15 Uhr am Vortag bis 5 Minuten vor Lieferung können am Intraday-Markt Viertelstundenkontrakte gehandelt werden. Die Eröffnungsauktion heißt Intraday-Auction. Daneben gibt es den kontinuierlichen Handel. Der Intraday-Handel ist von zunehmender Bedeutung, je mehr die Einspeisung erneuerbarer Energien zunimmt, da nur so auf nicht prognostizierte Wetteränderungen reagiert werden kann. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 132–133) Je nach Flexibilitätspotential könnten die Unternehmen den Intra-Day oder Day-Ahead-Markt wählen. Beide Märkte sind also von Bedeutung, wenn das volle Flexibilitätspotential ausgeschöpft werden soll. (Vgl. International Renewable Energy Agency 2018, S. 31) Sie fallen unter den Begriff Real-Time-Pricing. Sogar Märkte mit fünfminütigen Intervallen statt 15-minütigen sind zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit in der Diskussion.
Eine Teilnahme an den EOM ist für Unternehmen nur attraktiv, wenn Stromkosteneinsparungen durch Flexibilitätsmaßnahmen größer sind als die Kosten, die durch Implementierung und Umsetzung entstehen. Dies ist abhängig davon, wie oft, wie lange und wann die Flexibilitätsmaßnahme eingesetzt werden kann und basiert auf teilweise unsicheren Schätzungen. Die Teilnahme an den EOM ist darüber hinaus mit Risikobereitschaft verbunden, weil die Preise stark schwanken können. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 134–135) Einige Regelungen des Strommarkts verhindern gar eine Entwicklung hin zu mehr Flexibilität. So können durch den überwiegenden Anteil der Netzentgelte, Umlagen und Abgaben am Strompreis Preissignale nur verzerrt weitergegeben werden und Anreize zum flexiblen Nachfrageverhalten entfallen. Für Unternehmen mit geringem Energieverbrauch ist der Aufwand einer direkten Börsenteilnahme gegenüber dem Nutzen daher derzeit zu groß. Energieintensive Unternehmen profitieren in Deutschland derzeit von politisch gewollten Vergünstigungen bezüglich Abgaben und Umlagen und haben aus diesem Grund wenig Anreiz, ihren Stromverbrauch dem Angebot anzupassen. Um ihre EEG-Umlage reduzieren zu können, müssen Unternehmen ein zertifiziertes Energie- oder Umweltmanagementsystem nachweisen. Bei der Nutzung von Flexibilitätspotentialen können diese Energieeffizienznachweise unter Umständen nicht mehr erbracht werden, da Flexibilität nicht nur auf Lastverzicht, sondern auch auf Lasterhöhung und -verschiebung beruht. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 167–184)
Die Suche nach Marktmechanismen, die in einem energieflexiblen Umfeld effektiv funktionieren, ist eine wichtige offene Forschungsfrage (vgl. Ketter et al. 2018, S. 7). Die deutsche bis hin zur europäischen Politik muss neue Rahmenbedingungen für den Strommarkt schaffen, in denen Energieflexibilität, erneuerbare Energien und Energieeffizienz gleichberechtigt behandelt werden und den Unternehmen zugleich Planungssicherheit gegeben wird (vgl. Sauer et al. 2018, S. 167–184). Im Strommarkt werden Verteilnetzbetreiber gegenüber Übertragungsnetzbetreibern an Bedeutung und Verantwortung gewinnen. Wichtige Grundlagen für eine flexible Stromversorgung bilden die Digitalisierung und die Internationalisierung, sodass aus einem deutschen ein europäisches Stromnetz wird und ein europäischer Markt entsteht. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 209)
Flexibilitätsanforderungen an Unternehmen
Es gibt drei verschiedene Anforderungsprofile an Unternehmen, die Energieflexibilität vermarkten wollen.
Erstens werden zukünftig öfter kurzfristige Schwankungen mittels Intraday-Handels und Systemdienstleistungen ausgeglichen werden müssen. Anpassungen an kurzfristige Schwankungen spielen auch heute schon eine Rolle, doch kurzfristige Flexibilität wird noch wichtiger als sie es bereits ist. Die Vorankündigungszeit vor Abruf der Maßnahme kann dabei teilweise weniger als 30 Sekunden betragen. Beim Intraday-Handel ist sie auf fünf Minuten vor Anbruch der gehandelten Viertelstunde festgelegt. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 185)
Aktuell sind die Preise tagsüber höher als nachts, da tagsüber eine höhere Nachfrage seitens der Verbraucher herrscht (Ausführungen siehe Seite 7). Diese Flexibilitätsanforderung spielt also heute bereits eine Rolle. In Zukunft, mit einem Ausbau von PV und einhergehend mit einem erhöhten Stromangebot tagsüber, wird sich die Bepreisung umkehren – Preise tagsüber billiger – und eine solche Flexibilitätsform gewinnt an Bedeutung. Die Vorankündigungszeit beträgt 12 bis 36 Stunden und die Abrufdauer sollte zwischen drei und zwölf Stunden liegen, um die signifikanten Preisunterschiede nutzen zu können. Preissignale für die Aktivierung dieses zweiten Anforderungsprofils werden durch den Day-Ahead-Markt gegeben (Handel bis 12 Uhr am Vortag). (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 156)
Das dritte Anforderungsprofil unterteilt sich in die Szenarien Hellbrise und Dunkelflaute. Dunkelflaute nennt man die Situation, in der im Winter die Sonneneinstrahlung allgemein schwach ist und zeitgleich bewölkte und windstille Tage auftreten. Zusätzlich ist der Strombedarf im Winter grundsätzlich höher als im Sommer (Ausführungen siehe Seite 7). Dann muss über mehrere Tage ein Lastverzicht erfolgen. Dieses dritte Anforderungsprofil wird aber erst in Zukunft, teilweise schon 2030 und in vollem Umfang 2050, relevant, wenn es weniger konventionelle Grundlastkraftwerke im Stromnetz gibt. Dunkelflauten sind zwei bis fünf Tage im Voraus prognostizierbar und der Lastverzicht müsste dann für ein bis fünf Tage erfolgen. Motiviert werden die Unternehmen durch extrem hohe Strompreise > 10.000 . Die Dunkelflaute tritt heutzutage selten ein. In den Jahren 2017 und 2018 war das Stromnetz nur in einer Januarwoche 2017 davon betroffen. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 157-158 u. S. 186) Im Sommer kann es durch starke Sonneneinstrahlung und Winde zu einer sogenannten Hellbrise oder Sonnenbrise kommen, dem Gegenteil der Dunkelflaute. Strom ist in diesem Szenario im Überschuss vorhanden. Sehr niedrige bis negative Strompreise ( 0 ) sind zu erwarten, wodurch sich eine einmalige, dauerhafte oder eine mehrmalige, kurze Lasterhöhung anbietet. Vorankündigungszeit und Abrufdauer entsprechen der Dunkelflaute. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 187) Da am Wochenende die Stromnachfrage geringer ist als in der Arbeitswoche, kann das Phänomen Hellbrise zu dieser Zeit noch verstärkt werden (vgl. Sauer et al. 2018, S. 159).
Flexibilitätspotentiale gibt es aktuell vorrangig im Zeitfenster von bis zu fünf Stunden. Neben der grundsätzlichen Vergrößerung des Flexibilitätspotentials sollte daher ein Fokus auf die Bereitstellung von Flexibilität über einen Zeitraum von mehr als fünf Stunden gelegt werden. (Vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 27)
Bemessung des Flexibilitätspotentials auf Nachfrageseite
Es gibt Anlagenkenngrößen, die der Identifizierung von technischen Flexibilitätspotentialen einzelner Anlagen oder Produktionsbereiche dienen, wobei geeignete Messsysteme zur Identifikation wichtig sind (vgl. Popp et al. 2015, S. 506).
Zunächst ist die flexibilisierbare Leistung einer Anlage zu ermitteln (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 3).
Die Abrufdauer drückt aus, wie lange eine Lasterhöhung oder ein -verzicht gefahren werden kann. Dabei ist kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Höhe der flexibilisierbaren Leistung und der Abrufdauer zu erkennen, d. h., mit zunehmender flexibilisierbarer Leistung nimmt die Abrufdauer nicht zwingend ab. Für ausgewählte Industriezweige (Glas-, Chemie-, Papier-, Metallindustrie) ergeben sich die größten Flexibilitätspotentiale bei Abrufdauern von ein bis zwei bzw. vier bis fünf Stunden. (Vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. iii)
Neben der Abrufdauer und der flexibilisierbaren Leistung sollte die Abrufhäufigkeit einer Flexibilitätsmaßnahme erfasst werden (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 5). Für die o. g. Industriezweige ergeben sich für die Hälfte der Potentiale Abrufhäufigkeiten von maximal vier Abrufen pro Monat (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. iii).
Die drei Größen sind ausschlaggebend für die Berechnung der flexibilisierbaren Energie. Dabei wird die flexibilisierbare Energie durch eine Änderung der Leistung stärker beeinflusst als durch eine Änderung der Abrufdauer (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. iii).
Die Kosten für Flexibilitätsmaßnahmen gliedern sich in (einmalige) Investitionskosten zur Erhöhung oder Herstellung des Potentials und Kosten zur Durchführung der Maßnahme (variabel und fix) (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 5). Die spezifischen Investitionskosten betragen für alle o. g. Wirtschaftszweige weniger als 2,50 (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 14). Mit zunehmender Laständerung steigen nicht die Fixkosten, aber die Vergütung, deshalb ist eine möglichst hohe Laständerung empfehlenswert (vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. 23).
Aktuell liegt der Investitionsfokus im Bereich Energieflexibilität auf Mess-, Regel- und Steuerungstechnik, folglich werden bereits vorhandene Flexibilitätspotentiale mobilisiert. Die Industrie und Forschung befinden sich noch nicht in der Phase der technologischen Weiterentwicklung, z. B. von flexibleren Prozessfahrweisen. (Vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. iii) Die Meta-Studie des Instituts zeigt, dass das Potential für den Lastverzicht ( ) höher ist als für die -erhöhung ( ). 90 % der Potentiale befinden sich im Bereich von + 250 MW bis – 750 MW. (Vgl. Institut für Energieeffizienz in der Produktion, Universität Stuttgart 2018, S. iii) Da jedoch – wie in Unterkapitel 2.1.1 beschrieben – Phasen des Stromüberschusses zunehmen werden, sollte in Lasterhöhungspotentiale investiert werden.
Für eine RLT-Anlage in der Lebensmittelindustrie wurde in einer Untersuchung von Sauer et al. (2018, S. 332 u. S. 403) kein Lasterhöhungspotential erkannt, was an technischen Restriktionen – der unveränderlichen Dimensionierung der Anlage – liegen mag. Es ergaben sich darüber hinaus folgende Ergebnisse: Die Leistung konnte um 15 % reduziert werden, ohne übermäßigen Einfluss auf das Raumklima. Die Aktivierungsdauer betrug weniger als eine Minute und die Abrufdauer 15 Minuten. Damit liegt die flexibilisierbare Energie pro Abruf bei rund 1,1 kWh, wobei aufgrund der Systemträgheit höhere Flexibilitätspotentiale zu erwarten sind. 15 % der Ventilatorleistung entsprechen einer Veränderung der Drehzahl um nur 2,5 %.
In der Literatur werden neben Kosten, flexibilisierbarer Leistung und Energie sowie Abrufhäufigkeit und -dauer noch vier weitere Aspekte genannt. Erstens sollte die Umschaltenergie, also die Energie, die eine Anlage benötigt, um zwischen dem Normalbetrieb und einer energieflexiblen Fahrweise zu wechseln, möglichst gering sein. Ein weiteres Maß dafür, wie geeignet eine Anlage für Energieflexibilitätsmaßnahmen ist, ist die Leistungsänderungsgeschwindigkeit. Wenn bei der Anlage in kürzerer Zeit eine größere Änderung der Leistungsaufnahme vollzogen werden kann, ist sie flexibler. Als Drittes gibt die Grenzzeit an, nach welcher Zeit sich ein Umschaltvorgang der Anlage amortisiert, d. h., nach welcher Zeit die Umschaltenergie durch eine Veränderung der Leistungsaufnahme kompensiert wurde. Je kürzer die Grenzzeit ist, umso besser. Nicht zuletzt ist die Steuerbarkeit des Energiebedarfs eine wichtige Kennzahl. (Vgl. Zäh et al. 2013, S. 640–641)
2.1.4 Speicherflexibilität
Speicherflexibilität bedeutet, dass Energiespeicher zum Ausgleich besonders starker Stromnetzschwankungen eingesetzt werden. Pumpspeicherkraftwerke sind am gängigsten, um im großen Maßstab über diverse Zeiträume hinweg Energie zu speichern und dann zur Verfügung zu stellen. (Vgl. Babatunde et al. 2020, S. 104) Speicherbetreiber können in Zeiten niedriger Preise und hohen Angebots überschüssigen Strom aus dem Netz abziehen. In Zeiten niedriger Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kann neben einer angebotsseitigen Erhöhung und einer nachfrageseitigen Senkung durch eine (teilweise) Entleerung von Speichern Strom bereitgestellt werden. (Vgl. Sauer et al. 2018, S. 182)
Kurz- bis mittelfristig können neben o. g. Pumpspeicherkraftwerken im dezentralen Maßstab Batterien eingesetzt werden (vgl. International Renewable Energy Agency 2018, S. 28). Wasserstoff ist eine saisonale Speicheroption, da grüner Wasserstoff in Elektrolyseuren aus Wasser unter Einsatz von Strom hergestellt und in das Gasnetz eingespeist werden kann. Voraussetzung für grünen Wasserstoff ist eine hohe Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. (Vgl. International Renewable Energy Agency 2018, S. 13)
In letzter Zeit wurde zwar stärker an großen Speichern im Übertragungsnetz und mittleren und kleinen im Verteilungsnetz geforscht, aber im Vergleich zu anderen Flexibilitätsoptionen sind die Investitionskosten für den Einsatz von Energiespeichertechnologien noch hoch (vgl. Babatunde et al. 2020, S. 104).
2.1.5 Transportflexibilität
Transportflexibilität bezeichnet die Fähigkeit, Strom zwischen verschiedenen Netzregionen transportieren zu können und so Angebot und Nachfrage auszugleichen (vgl. Sauer et al. 2018, S. 182).
Der große Vorteil der Transportflexibilität ist, dass sie die einzige Option ist, die eine überregionale Verteilung von Strom ermöglicht (vgl. Heffron et al. 2020, S. 5). In Deutschland müssen zukünftig große Stromabnehmer im Süden mit erneuerbarer Energie aus dem windreichen Norden versorgt werden, was einen Netzausbau zur Folge hat (vgl. Sauer et al. 2018, S. 177). Letzterer kann durch eine gute Standortplanung seitens der Stromanbieter reduziert werden. Völlig vermeidbar ist er allerdings nicht, da eine steigende Vernetzung europäischer Stromnetze zukünftig wichtiger wird (vgl. Sauer et al. 2018, S. 184). Ein Netzausbau stößt jedoch häufig auf Widerstand in der Bevölkerung.
Zusätzlich zum robusten, grenzüberschreitenden Übertragungsnetz können die Kommunikation zwischen und automatische Steuerung von Akteuren auf Verteilnetzebene zur Flexibilisierung beitragen (vgl. International Renewable Energy Agency 2018, S. 30). Diese sogenannten Microgrids zielen darauf ab, eine lokale Gruppe von Verbrauchern und Erzeugern sowohl zu verbinden als auch modular an ein externes Netz anzuschließen. Microgrids können Verluste der weiträumigen Übertragung und die Stärke des Netzausbaus minimieren. (Vgl. Ketter et al. 2018, S. 5)
2.1.6 Intersektorale Flexibilität
Nicht zuletzt dienen Schnittstellen zu anderen Sektoren – die sogenannte intersektorale Flexibilität – dazu, um zukünftig vermehrt anfallenden, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien umzuwandeln und anderweitig zu nutzen (vgl. Sauer et al. 2018, S. 182). Als Bindeglied zwischen den Sektoren dienen Power-To-X-Technologien, die einerseits die Stromnachfrage massiv erhöhen werden, andererseits eine Flexibilitätsoption offenbaren. Power-To-X bedeutet, dass mit Strom Wasserstoff (Power-To-Hydrogen) oder synthetische Kraftstoffe (Power-To-Fuel) zum Antrieb von Transportmitteln oder als Energieträger in der Industrie produziert werden können. Die Herstellung von Methan (Power-To-Gas), Methanol und Ammoniak (Power-To-Liquid) oder chemischen Ausgangsstoffen (Power-To-Chemicals) unter Zuhilfenahme von Strom ist ebenfalls möglich. Im Wärmesektor werden vermehrt strombetriebene Wärmepumpen eingesetzt (Power-To-Heat) und im Individualverkehr immer mehr Elektroautos gefahren (Power-To-Mobility). Aktuell sind die Power-To-X-Technologien noch sehr kostenintensiv (vgl. Heffron et al. 2020, S. 5) und befinden sich in der Forschungs- und Entwicklungsphase, was bedeutet, dass viele dieser Schnittstellen erst noch geschaffen werden müssen.
2.1.7 Schlussfolgerung
Da die Bedeutung der Angebotsflexibilität in den kommenden Jahren zwangsläufig abnimmt, es für eine Erhöhung der Transportflexibilität derzeit an Akzeptanz in der Bevölkerung mangelt, die Kosten der Speicher noch hoch und die Power-To-X-Technologien noch im Forschungsstadium sind, scheint die Nachfrageflexibilität derzeit eine sehr vielversprechende Flexibilitätsoption zu sein (vgl. Heffron et al. 2020, S. 5). Technische DSM-Ansätze wie der energieflexible Betrieb der TGA können eine sofortige Veränderung des Energiebedarfs in einem Produktionsbetrieb bewirken (vgl. Popp et al. 2015, S. 505). Ein weiterer Grund für die Flexibilisierung von RLT-Anlagen ist ihre durch i. d. R. statische Auslegungen verursachte Überdimensionierung. Nicht zuletzt besteht eine energiepolitische Notwendigkeit für die Flexibilisierung.
2.2 Lüftungstechnik von Trockenräumen und Produktionsbetrieben
2.2.1 Einsatz, Aufbau und Funktionsweise von Lüftungstechnik in Produktions-betrieben
Einsatz
Bewertungsmaßstäbe wie die Anforderungen an Behaglichkeit und Kosten sowie definierte Produktionsbedingungen bestimmen die Sollwerte des Raumklimas. Das Raumklima in Produktionsbetrieben wiederum wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst.
Die drei Systemkomponenten TGA, Produktionsanlagen und Gebäudehülle interagieren im Hinblick auf das Raumklima dynamisch miteinander, wie in Abbildung 4 veranschaulicht. RLT-Anlagen sind Teil der TGA. Dynamische Einflüsse auf das Gesamtsystem sind äußere Lasten wie das lokale Klima, die Jahreszeit und das Wetter sowie innere Lasten wie die Personenanzahl im Raum und die Nutzungsart (Produktionskapazitäten und -zeitpläne). Einerseits emittieren die Produktionsanlagen Medien, Abluft oder Wärme (innere Lasten) und äußere Lasten werden über die passive Gebäudehülle eingetragen, was die TGA ihrerseits aktiv ausgleichen muss, um die notwendigen Produktionsbedingungen bezüglich Temperatur, Feuchte oder Reinheit für die maschinellen und manuellen Prozesse sicherzustellen. Andererseits benötigt das Produktionssystem Energie und Medien, die die TGA bereitstellen muss. Zur Erfüllung ihrer Steuerungsaufgaben benötigt die TGA ebenfalls Energie. So macht der Bedarf der TGA mehr als ein Drittel des industriellen Energiebedarfs aus. (Vgl. Herrmann 2010, S. 229–330)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Wechselwirkungen auf Gesamtsystemebene des Produktionsbetriebs nach (Herrmann 2010, S. 330)
Oberstes Ziel von RLT-Anlagen ist es, die durch die Produktion selbst, die Menschen (vgl. Herrmann 2010, S. 330) und die Vorschriften gestellten (vgl. VDI 3802 Blatt 1, S. 3) raumklimatischen Bedingungen einzuhalten. Richtig eingesetzt dienen RLT-Anlagen dazu, energieeffizient Stoffgrenzwerte sowie weitere Anforderungen an die Arbeitsumgebung einzuhalten (vgl. VDI 3802 Blatt 1, S. 9). Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz oder Flexibilisierung der TGA sind eng verknüpft mit den relevanten Betriebsgrößen Kosten, Zeit und Qualität eines Produktionssystems. Teilweise sind die Ziele gegensätzlich, z. B. werden gewisse Leerlaufzeiten im Produktionssystem akzeptiert, um Strompreisspitzen zu vermeiden, was zwar die Energiekosten senkt, aber den Energieverbrauch, die Personalkosten und die Emissionen erhöht. (Vgl. Herrmann 2010, S. 334)
Der in dieser Bachelorarbeit betrachtete Produktionsbetrieb umfasst die Batterieproduktion, die aus der Elektrodenfertigung, Zellfertigung und -veredlung besteht. Wobei der Prozess der Zellfertigung, in dem der Elektrolyt aufgetragen wird, äußerst feuchteempfindlich ist, da das in den Batterien enthaltene Lithium, z. B. der Elektrolyt Lithiumhexafluorid, sehr gut mit Wasser reagiert (vgl. Ahmed et al. 2016, S. 490). Wäre die Luftfeuchte im Trockenraum zu hoch, würde das die Batteriekapazität oder -lebensdauer begrenzen und schlimmstenfalls zu Sicherheitsrisiken führen. (vgl. Vogt et al. 2021, S. 157) Als Maß für die Feuchtigkeit in Trockenräumen gilt die TPT. Sie beschreibt die Temperatur, bei der mit dem gegebenen Wassergehalt eine relative Luftfeuchtigkeit von 100 % erreicht wäre und Wasserdampf kondensieren würde. Für den großen Trockenraum der BLB sollen von montags 0 Uhr bis freitags 24 Uhr im Normalmodus (NM) relative Feuchten von ca. 0,1 % bei einer Raumtemperatur von 20 °C eingehalten werden. Das entspricht – 60 °C als Soll-TPT in der Zuluft. Am Wochenende befindet sich die Anlage im Sparmodus (SM), d. h., die Ventilatorvolumenströme werden abgesenkt und die raumklimatischen Anforderungen werden gelockert. Die Soll-TPT muss nur noch bei – 30 °C liegen.
Folgende Näherungsfunktion kann für die Berechnung der TPT für Raumtemperaturen größer 0 °C angenommen werden (vgl. Setzer, Prof. Dr. Max. J.):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aufbau und Funktionsweise
Wichtige Bauteile in RLT-Anlagen sind die Ventilatoren, die die Zu- und Abluft fördern. Außenluft tritt in die Anlage ein, durchläuft den ersten Ventilator und strömt als Zuluft in den Raum. Abluft wird dem Raum durch den zweiten Ventilator entzogen und als Fortluft in die Umgebung ausgestoßen. Die Wärme- und Kühlregister konditionieren die Außenluft je nach Temperaturbedarf, die Ent- und Befeuchter je nach Anforderungen hinsichtlich des Feuchtegehalts. Die Wärme- und Kühlregister übertragen Wärme mittels Wärmeübertragern zwischen der Luft und dem Medium im Wärme- bzw. Kühlkreislauf. Nicht zuletzt sind Wärmerückgewinnungsanlagen, die Wärme von der Ab- auf die Zuluft übertragen und so Energie für die Lufterwärmung einsparen, wichtige Bestandteile von RLT-Anlagen. Darüber hinaus gibt es Luftfilter und Schalldämpfer. Je nach Anwendungsfall werden die genannten und weitere Komponenten unterschiedlich zu RLT-Anlagen zusammengesetzt. Weiterführende Informationen zu Aufbau, Ausführungen und Funktionsweise der unterschiedlichen Komponenten finden sich in Fitzner (2008).
RLT-Anlagen gibt es in unterschiedlichen funktionalen Ausprägungen, die in Tabelle 1 aufgeführt sind.
Tabelle 1: Arten von RLT-Anlagen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2.2 Normen und Arbeitsvorschriften für Lüftungstechnik in Trockenräumen und Produktionsbetrieben
Aktuell gibt es noch keine Normen oder Arbeitsvorschriften für Lüftungstechnik in Trockenräumen. In Tabelle 2 werden Normen, Richtlinien und wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Lüftungsanlagen in Reinräumen, Laboratorien und Fertigungsstätten ausgewertet, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Trockenräumen in der Batteriezellfertigung aufzuzeigen.
Tabelle 2: Mögliche Vorschriften für Trockenräume
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es gibt zahlreiche Überschneidungen zwischen Anforderungen an RLT-Anlagen in Reinräumen, Laboratorien und Fertigungsstätten mit denen in Trockenräumen. Wesentlicher Unterschied ist, dass in Trockenräumen nicht mit einem explizit gefährlichen Stoff gearbeitet wird, sondern der Wassergehalt der Luft an sich eine Gefahr darstellt. Daraus erwachsen hohe Anforderungen an die RLT-Anlagen. Mit dem steigenden Bedarf an Elektrofahrzeugen und Batteriespeichern gewinnen Trockenräume zunehmend an Bedeutung. Nicht nur für Lithium-Ionen-Batterien, auch für Schwefelbatterien, sind sie essentiell (vgl. Erakca et al. 2021, S. 17). Die Entwicklung von Best-Practice-Beispielen oder Richtlinien zum Entwerfen von Trockenräumen und ihrer RLT-Anlagen wäre wünschenswert. Erste Empfehlungen geben Ahmed et al. (2016 S. 490 ff.) auf Basis eines virtuellen, also nicht validierbaren, statischen Modells. Ein elaborierteres Modell – dynamisch und validiert – entwickelten Vogt et al. (2021, S. 157 ff.). In letzter Zeit hat sich die Forschung an RLT-Anlagen in Batteriezellfabriken intensiviert, wie an den Veröffentlichungen von Vogt et al. (2021), Vogt und Herrmann (2021) und Erakca et al. (2021) zu sehen ist. Alle vier genannten Veröffentlichungen identifizieren Parameter, die den energieeffizienten Einsatz von RLT-Anlagen in Trockenräumen beeinflussen.
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