Nihilismus und Fanatismus. Ausprägungen der Bedeutungssuche und ihre Verbindung zur Adoleszenz

Eine Untersuchung des Romans "Nichts was im Leben wichtig ist" von Janne Teller


Hausarbeit, 2020

19 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definitionen
2.1 Nihilismus
2.2 Fanatismus
2.3 Adoleszenz

3 Die Suche nach dem Sinn des Lebens in Nichts was im Leben eine Bedeutung hat
3.1 Pierre Anthons nihilistische Provokationen
3.2 Reaktionen der MitschülerInnen

4. Identitätsfindung und Fanatismus in der Adoleszenz

5 Nichts als Unterrichtsmaterial

6 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Eigentlich kämpft jeder gegen den Pierre Anthon in seinem eigenen Kopf.“, sagt Autorin Janne Teller in einem Interview mit der Zeit und erklärt damit, wie allgegenwärtig die Themen ihres Romans Nichts sind.1 Jeder Mensch sei in seinem Leben mit der Suche nach der Bedeutung und Angst vor Sinneslosigkeit konfrontiert, gehe damit nur unterschiedlich um, so Teller.2 In Nichts was im Leben wichtig ist wird eine Gruppe Jugendlicher gezeigt, die auf den Nihilismus ihres Mitschülers Pierre Anthon mit Fanatismus und Gewalt reagieren und zunehmend dabei verzweifeln, ihn von der Bedeutung des Lebens zu überzeugen. Der Roman wurde 2000 in Dänemark veröffentlicht und ist seit 2010 auch in deutscher Sprache erhältlich. KritikerInnen und PädagogInnen sind sich uneinig, ob die Themen, für die der Roman versucht Jugendliche zu sensibilisieren, die richtigen für das Klassenzimmer sind.3

Diese Arbeit hat das Ziel, das Ausmaß der Bedeutungssuche im Roman Nichts zu untersuchen und herauszuarbeiten, wie die fanatischen Reaktionen mit der Adoleszenz zusammenhängen. Aufgrund des begrenzten Umfangs, ist es jedoch nur möglich, sich den einzelnen Aspekten eingeschränkt zu widmen. Folgende Hypothese soll dabei untersucht und belegt werden:

Tellers Nichts zeigt das gewaltvolle Fanatische als Teil der jugendlichen Bedeutungssuche und dient mit der Thematisierung allgegenwärtiger Probleme als lehrreiche Unterrichtslektüre.

Um diese Hypothese am Ende zu belegen, werden im folgenden Kapitel 2 zunächst die Begriffe Nihilismus, Fanatismus und Adoleszenz definiert und reflektiert. Anschließend wird in Kapitel 3 Pierre Anthons Nihilismus analysiert und die Reaktionen der MitschülerInnen auf seine Provokationen untersucht. Im Unterkapitel 3.2.1 findet eine Analyse Platz, die den Fokus auf den fanatischen Umgang der Figuren legt, der im darauffolgenden Kapitel 3.2.2 durch das Erarbeiten der Merkmale Bedeutungswahn und Gewaltspirale noch näher beleuchtet wird. In Kapitel 4 soll dann die Verbindung von Fanatismus und Adoleszenz erwiesen werden, um die Handlungen der Figuren mit ihrer Entwicklungsstufe zu erklären. Der 5. Teil dieser Arbeit dient abschließend dazu, den Roman als potenzielles Unterrichtmaterial näher zu beleuchten und Qualitätsmerkmale, als auch mögliche Kritikpunkte aufzuweisen.

2 Definitionen

2.1 Nihilismus

Der Nihilismus bezeichnet eine Geisteshaltung, die moralische Werte und Normen und Sinngehalte des Daseins radikal negiert.4. Der Begriff geht zurück auf das lateinische Adverb ‚nihil‘, das übersetzt ‚nichts‘ bedeutet.5 In der Welterfahrung des Nihilismus sind die Sinnlosigkeit des Bestehenden und das existenzielle Nichts zentral. AnhängerInnen empfinden Zielsetzungen und Bemühen aller Menschen als nutzlos und betonen die Bedeutungslosigkeit. Der Begriff des Nihilismus versucht komplexe Wahrnehmungen und Einstellungen zusammenzufassen und zu vereinfachen. Nihilismus kann sich in unterschiedlichsten Arten und Stärken äußern und „wurde im Laufe seiner Geschichte für […] verschiedenartige […] philosophische Richtungen verwendet“.6 Es gibt also nicht einen Nihilismus, sondern eine große Spannbreite an Nihilismen.7

2.2 Fanatismus

Fanatismus ist eine enge und streitsüchtige Geisteshaltung, die oft überbewertete Ideen mit „rücksichtsloser Starrheit“ und „blindem Eifer“ versucht zu verbreiten.8

Laut Gunter Hole seien dabei vier Merkmale „Ausdruck der […] fanatischen Dynamik“. FanatikerInnen haben neben dem Bedürfnis der Selbstbestätigung und der absoluten Gültigkeit der vertretenen Idee zudem das Bedürfnis nach aggressiver Durchsetzung und „striktem Durchhalten der eigenen Linie“.9 Abhängig von der Literatur wird zwischen verschiedenen Arten des Fanatismus unterschieden. Um im Rahmen dieser Arbeit zu bleiben, wird ausschließlich genauer auf den Gruppenfanatismus eingegangen. Gruppenfanatismus ist dort auffindbar, wo radikale Vorstellungen und Vorhaben gewaltsam durchgesetzt werden und den Kern der Gruppenideologie darstellen. Besonders junge Menschen und schwankende Charaktere lassen sich von der scheinbaren Kraft der Gruppe beeindrucken und werden schnell in ihren Sog gezogen.10 Innerhalb der Gruppe tragen dabei Faktoren wie Angst vor Ausschluss, Gruppenkontrolle und Strafandrohung bei Nonkonformität zur Radikalisierung bei.11 Es ist anzumerken, dass sich Fanatisches in unterschiedlichen Arten und Ausmaßen zeigen kann und meist individuell ausgeprägt ist. So mag „jeder Definitionsversuch […] bestimme Aspekte des Fanatischen […] hervorheben, ohne je die ganze Bandbreite des Phänomens erfassen zu können“.12

2.3 Adoleszenz

„Die Adoleszenz gilt […] als jene Phase, die den Abschied von der Kindheit und den Eintritt ins Erwachsenenalter bezeichnet“.13 Sie wird, je nach Autor, in weitere Phasen geteilt, was in dieser Arbeit allerdings zu weit greifen würde. Angenommen wird, dass sich die Adoleszenz in der Zeitspanne vom elften bis zum 25. Lebensjahr vollzieht.14 Die Jugendlichen beschäftigen sich vermehrt mit ihren Fähigkeiten, Überzeugungen und „emotionalen Phänomenen wie Stolz, Scham und Schuldgefühlen“.15 Darüber hinaus sind Identitätsbildung, Selbstkonzeptualisierung und Selbstwahrnehmung charakteristisch für diesen Lebensabschnitt.16 Es ist anzumerken, dass Entwicklungen von Kindern individuell ablaufen und teils verzögert, verfrüht, verlangsamt oder schneller ablaufen können. Grundannahmen, die der Begriff der Adoleszenz impliziert treffen somit nicht auf jedes Kind zu.

3 Die Suche nach dem Sinn des Lebens in Nichts was im Leben eine Bedeutung hat

Neben Kant hat unter anderem besonders Nietzsche den Ausdruck ‚Sinn des Lebens‘ geprägt. Nietzsche sieht die Frage nach dem Sinn des Lebens als eine Grundfrage an und spricht „vom Wert des Daseins […] [und] Lebens“.17 Seine Ausführungen zum Nihilismus lassen sich als Weiterführung seiner Beschäftigung mit der Sinnesfrage interpretieren. Die Passage in Antichrist „So zu leben, dass es keinen Sinn mehr hat, zu leben, das wird nun zum Sinn des Lebens.“ verdeutlicht dies.18

3.1 Pierre Anthons nihilistische Provokationen

Auch die Figur Pierre Anthon im Roman Nichts beschäftigt sich mit der Bedeutung des Lebens und kommt zu dem Entschluss „Nichts bedeutet irgendwas [..] deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun“.19 (N 9) Mit nihilistischen Ausrufen wie diesen provoziert er seine MitschülerInnen und löst eine Gegenbewegung aus. Dies betont auch Christoph Hellenbroich im Unterrichtsentwurf des Deutschen Taschenbuch Verlags und schreibt, dass Pierre Anthon die Entwicklung mit seinen Provokationen beschleunige und sie zu ihrem bitteren Ende treibe.20 Nach Eike Brock sei der Nihilismus vor allem das, was mit dem Akt des Nichtens in Verbindung zu bringen ist.21 Derartige Verhaltensweisen sind auch bei Pierre Anthon zu erkennen. Überzeugt verkündet er „Alles ist egal“ und „lieber im Nichts sitzen als in etwas das nichts ist“. (N 11, 20) Er schreibt dem Leben Bedeutungslosigkeit zu, konfrontiert seine KlassenkameradInnen mit Aussagen wie „Es gibt nichts, was irgendwas bedeutet“ und schlussfolgert „wenn nichts etwas bedeutet, ist es besser, nichts zu tun, als etwas zu tun“. (N 110, 22) und “wenn der Tod keine Bedeutung hat, dann deshalb, weil das Leben keine Bedeutung hat“. Diese „Leugnung jedes Sinns“ ist laut Eike Brock charakteristisch für den Nihilismus, welcher somit deutlich im Roman nachweisbar ist.22 Das Hervorheben der Vergänglichkeit ist weiterer Teil von Pierre Anthons Ausrufen, so betont er die Flüchtigkeit von Verliebtheit und erzählt auch später im Roman „[…] alle Welt blickt auf Tæring. Im nächsten Moment ist Tæering vergessen, und alle Welt ist irgendwo anders“. (N 42, 113) Behauptungen dieser Art unterstreichen den Eindruck seiner nihilistischen Einstellung.

[...]


1 Susanne Gaschke: „Lehrer sagten, dieses Buch ist schädlich“. https://www.zeit.de/kultur/literatur/2010-08/janne-teller (5. August 2010).

2 Vgl.ebd.

3 Claudia Voigt: Verführung zum Nihilismus. https://www.spiegel.de/kultur/literatur/umstrittener-jugendroman-verfuehrung-zum-nihilismus-a-709274.html (26. Juli 2010).

4 Nihilismus. In Metzlers Online Lexikon Philosophie. https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/nihilismus/1428 (2008).

5 Nihil. In Langenscheidts Online Wörterbuch. https://de.langenscheidt.com/latein-deutsch/nihil (2020).

6 Eike Brock: Nietzsche und der Nihilismus. Berlin: De Gruyter 2015, S. 8

7 Vgl. ebd., S.8.

8 Günter Hole: Fanatismus. Der Drang zum Extrem und seine psychologischen Wurzeln. Freiburg im Breisau, Basel, Wien: Herder 1995, S. 37.

9 Vgl. ebd., S. 51

10 Peter Conzen: Fanatismus. Psychoanalyse eines unheimlichen Phänomens. 1. Aufl. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 2005, S. 74.

11 Vgl. ebd., S. 33, 74f.

12 Vgl. ebd., S. 32

13 Carsten Gansel: Moderne Kinder- und Jugendliteratur. Ein Praxishandbuch für den Unterricht. Berlin: Cornselen Scriptor 1999, S. 114.

14 Vgl. ebd., S. 114f.

15 Hans Dieter Mummendey: Psychologie des ‚Selbst’. Theorien, Methoden und Ergebnisse der Selbstkonzeptforschung. Göttingen: Hogrete Verlag 2006, S. 101ff.

16 Vgl. ebd., S. 100.

17 Fredrik Agell: Die Frage nach dem Sinn des Lebens. Über Erkenntnis und Kunst im Denken Nietzsches. Paderborn, München: Wilhelm Fink Verlag 2006, S. 137.

18 Vgl. ebd., S. 139.

19 Janne Teller: Nichts was im Leben wichtig ist. 15. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2012, S. 9. Im Folgenden zitiert mit der vorangestellten Sigle ‚N‘ und Seitenzahl.

20 Marlies Koenen (Hrsg.): Bedeutung als Sinn des Lebens. Fanatismus und Gewalt; Gruppendruck und Rivalität; Erwachsenwerden und Konflikt der Generation; Werte in der pluralen Gesellschaft. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2012 (Unterrichtspraxis Reihe Hanser 62517), S.8.

21 Brock: Nietzsche und der Nihlismus, S. 8.

22 Koenen: Bedeutung als Sinn des Lebens, S. 9.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Nihilismus und Fanatismus. Ausprägungen der Bedeutungssuche und ihre Verbindung zur Adoleszenz
Untertitel
Eine Untersuchung des Romans "Nichts was im Leben wichtig ist" von Janne Teller
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,3
Jahr
2020
Seiten
19
Katalognummer
V1159581
ISBN (eBook)
9783346556363
ISBN (Buch)
9783346556370
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nihilismus, Fanatismus, Janne Teller, Adoleszenz, Nichts was im Leben wichtig ist
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Nihilismus und Fanatismus. Ausprägungen der Bedeutungssuche und ihre Verbindung zur Adoleszenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159581

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