Leseprobe
Inhalt
Fabula rasa
Vorbemerkungen
Lernziele
Sachanalyse und didaktisch-methodische Überlegungen
Mögliche zusätzliche Lehrer-Impulse
Textblatt
Arbeitsblatt
Antizipierte Lösungen zum Arbeitsblatt
Folie1
Folie 2
Hausaufgaben
Literaturverzeichnis
Fabula rasa
Tibeterick
Eine ältere Dame aus Teheran
Befahl einem Jüngling: "Tritt näher ran!"
Als er sie ganz nah sah,
Floh er gleich nach Lhasa
Zu einer, die brachte ihm Tee heran.
In vino veritas
"Lieber ein Leben in Nöten
Als weiter Tiere zu töten!"
Sagte ein Jäger
Nach dem zwölften Steinhäger.
Nun geht ihm die Beute halt flöten!
Etwas Kränkliches
Eine Krankenschwester tat mir kund:
"Hol' Dir 'nen Ball, so fest und rund!
Dann vergehen die Schmerzen,
Der Rat kommt von Herzen."
Den Ball, den hat heute mein Hund!
Dr. Bernd A. Weil
Vorbemerkungen
Fabel: von lateinisch fabula = »Erzählung«, »Sage«
1. Stoff- und Handlungsgerüst, das einem epischen oder dramatischen Werk zugrunde liegt.
2. Epische Kurzform: eine in Vers oder Prosa abgefasste, kurze Erzählung mit lehrhafter Tendenz, in der zumeist Tiere menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen verkörpern. In ihrem antithetischen Aufbau (gegensätzliche Einstellungen oder Verhaltensweisen zweier oder mehrerer Tiere), der Darstellung einer dramatischen Handlungsumkehr und der Ausrichtung auf eine wirkungsvolle Schlusspointe zielt die Fabel auf die Versinnbildlichung einer allgemein gültigen Sentenz, auf religiöse, moralische oder praktische Belehrung oder Kritik.
Lernziele
Die Schüler sollen
a) motivverwandte Fabeln inhaltlich verstehen und vergleichen können;
b) die jeweilige Intention des Autors beschreiben können;
c) die unterschiedlichen Rollen der Tiere und die damit verbundenen unterschiedlichen Lehrsätze der Fabeln beschreiben können;
d) die Bildebene (Handlungen der Tiere) von der Sinnebene (Bezüge zu den Menschen) differenzierend betrachten können;
e) den emanzipatorischen (aufklärerischen) Ansatz und den soziohistorischen Kontext in den Fabeln Lessings und Arntzens erkennen können;
f) die zum Teil mehrdeutigen Lehrsätze von Fabeln erkennen und in Sprichwörtern oder Redensarten wiedergeben können (à Hausaufgabe: Kafka );
g) Vergnügen beim Lesen, Analysieren und Vergleichen von Fabeltexten gewinnen können ( affektiver Lernbereich ).1
Sachanalyse und didaktisch-methodische Überlegungen
In der Unterrichtsstunde sollen die Schüler mehrere motivverwandte Fabeln von der Antike über die Aufklärung bis zur Moderne in Einzel- und Partnerarbeit miteinander vergleichen. Gerade weil die Konstellation des Fabelthemas von Wolf und Lamm den Ausgang vorausahnen lässt, sollen vor allem die inhaltlichen Veränderungen auf der Bildebene (Handlungen der Tiere) und auf der Sinnebene (Bezüge zu den Menschen) betrachtet werden. An motivgleichen Fabeln lässt sich sehr gut die Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte einer literarischen Form zeigen.2 Durch die Erarbeitung der Fabeleigenschaften an verschiedenen Textinhalten erfahren die Schüler eine allgemeine Struktur der Fabel ( induktive Methode ).
Der diachronische Vergleich einzelner Fabelmotive kann die geschichtliche Entwicklung der Fabel verdeutlichen. Motive wurden von verschiedenen Autoren in verschiedenen Epochen wieder aufgegriffen und variiert. Vorausgesetzt wurde dabei oft eine Leserschaft, welche die ursprünglichen Fassungen kannte. Die Variationen sollten Lesevergnügen bereiten und zum Nachdenken über die dahinter stehenden gewandelten philosophischen Anschauungen anregen. Moderne Fabeln kehren oft sogar die Moral oder die didaktischen Hinweise alter Fabeln nahezu in ihr Gegenteil um. Damit soll vermittelt werden, dass es in der modernen Gesellschaft keinen Konsens mehr gibt über moralische Ansichten und heute andere Wertvorstellungen Vorrang haben können. Beim Fabelvergleich sollten jeweils beachtet werden: die inhaltliche Veränderung, die formale Gestaltung (Vers, Prosa, Verkürzungen, Episierung u. a.) und die historische Situation. – Außerdem kann zum Beispiel an Fabeltexten von Luther oder Lessing die Entwicklung der deutschen Sprache untersucht werden.
In der Antike ist die Entstehung der Fabel verknüpft mit dem Aufsteigen der unteren Volksschichten. Aesop (6. Jh. v. Chr.) und Phaedrus (1. Jh. n. Chr.) zum Beispiel waren freigelassene Sklaven. Sie beschreiben in ihren Fabeln ihre gesellschaftliche Situation und geben Hinweise, wie man sich in dieser Gesellschaft verhalten muss.
In der Aufklärung spiegelt sich in der Entwicklung der Fabel der Aufstieg des Bürgertums. Besonders deutlich wird dies bei Lessing, der die Fabel nutzt zur Gesellschaftskritik.
[...]
1 Auf die Bedeutung des "Lernspaßes" im Lernprozess weist vor allem der Biochemiker Frederic Vester ausdrücklich hin: "Spaß und Erfolgserlebnisse sorgen für eine lernpositive Hormonlage und damit für ein reibungsloses Funktionieren der Synapsen und des Kontaktes zwischen den Gehirnzellen. Daher werden mit positiven Erlebnissen verknüpfte Informationen besonders gut verarbeitet und verstanden und ebenfalls wieder vielseitig (und somit 'anwendungsbereiter') im Gedächtnis verankert." (Vester, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen. Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann lässt es uns im Stich? München 41979, S. 142)
2 Vgl. Weil, Bernd: Fabeln: Verstehen und Gestalten, Frankfurt am Main 1982, S. 66ff.
- Arbeit zitieren
- Bernd A. Weil (Autor:in), 2021, Fabeln. Eine Unterrichtseinheit für die gymnasiale Oberstufe (Klasse 11), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159887
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