Minoritäts-Majoritäts-Unterschiede. Wirksamkeit von Kontakt zur Reduktion von negativen Intergruppeneinstellungen

Ein systematischer Literaturreview


Bachelorarbeit, 2021

106 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsklärung „Kontakt“, „Minorität“, „Majorität“
2.2 Kontakthypothese von Allport
2.3 Intergruppenkontakttheorie von Pettigrew
2.4 Theorie der sozialen Identität von Tajfel
2.5 Integrated Threat Theory von Stephan
2.6 Bedürfnisbasiertes Modell der Versöhnung von Nadler und Shnabel
2.7 Begriffsklärung „Multikulturalismus“ und „Polykulturalimus“
2.8 Fazit und Fragestellung

3. Methode
3.1 Ein- und Ausschlusskriterien
3.2 Recherchevorgang
3.3 Einbezogene Quellen

4. Ergebnisse
4.1 Forschungsfrage 1
4.2 Forschungsfrage 2
4.3 Forschungsfrage 3

5. Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse der Forschungsfrage 1
5.2 Interpretation der Ergebnisse der Forschungsfrage 2
5.3 Interpretation der Ergebnisse der Forschungsfrage 3
5.4 Limitationen der Studien
5.5 Limitation und Stärken dieses Reviews sowie praktische Implikationen

Literaturverzeichnis

Pressemitteilung

Anhang

Anhang A

Anhang B

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 . PRISMA-Flussdiagramm für die verschiedenen Phasen der Literaturrecher- che des Reviews Anhang B

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht über die Studien des systematischen Literaturreviews zu den Mino­ritäts-Majoritäts-Unterschieden in der Wirksamkeit von Kontakt zur Reduktion von nega­tiven Intergruppeneinstellungen (in alphabetischer Reihenfolge nach Autorinnen) Anhang A

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Positiver Kontakt ist ein effektives Werkzeug, um negative Intergruppeneinstellungen ab­zubauen. In dieser Abschlussarbeit wurden anhand von 22 empirischen, quantitativen und qualitativen Primärstudien als Ergebnis einer systematischen Literaturrecherche Unter­schiede von Majoritäts- und Minoritätsgruppen in der Effektivität von Kontakt zur Reduk­tion negativer Intergruppeneinstellungen in hoch konfliktären und machtasymmetrischen Kontexten analysiert. Auch wurden diese Unterschiede im Kontext des indirekten Kontakts beleuchtet, und die Rolle des Multi- und Polykulturalismus bei Intergruppeneinstellungen von Minoritäts- und Majoritätsgruppen in Bezug auf die Effektivität von Kontakt wurde untersucht. Die Ergebnisse der ersten Suchanfrage über die Datenbank EBSCOhost zeigten einen komplexen Zusammenhang zwischen Kontakt und Intergruppeneinstellungen. Ei­nerseits gab es signifikante Zusammenhänge zwischen direktem positivem Kontakt und Reduktion von negativen Intergruppeneinstellungen, andererseits fielen die Effekte für Mi­norität schwächer aus. Über eine zweite Suchanfrage wurde das Potential des indirekten Kontakts identifiziert, jedoch waren die Ergebnisse inkonsistent und der indirekte Kontakt war nicht so effektiv wie erwartet. Auch hier zeichnete sich ein komplexer Zusammenhang und die Langzeiteffekte des vorgestellten Kontakts erwiesen sich als inkonsistent. Positiver erweiterter Kontakt war häufiger und einflussreicher im Vergleich zu negativem erweiter­ten Kontakt. Auch führte E-Kontakt mit einer homosexuellen Frau bei heterosexuellen Männern zur Reduktion von Intergruppenangst, was wiederum mit weniger sexuellen Vor­urteilen oder Vermeidung der Fremdgruppe einherging, bei heterosexuellen Frauen hatte E-Kontakt jedoch keinen Effekt. Die Ergebnisse der dritten Suchanfrage zeigten, dass Multi- und Polykulturalismus sich als effektive Konstrukte zur Reduktion negativer Inter­gruppeneinstellungen sowohl für Minorität, als auch für Majorität in Bezug auf Kontakt erwiesen haben. Es ist erstrebenswert, insbesondere in konfliktären und feindlichen Kon­texten, das Hochschulwesen als eine wichtige Schnittstelle für Etablierung positiverer Be­ziehungen zwischen Minoritäts- und Majoritätsgruppen zu betrachten und positive Intergruppeneinstellungen gezielt zu fördern. Auch wäre Wissensvermittlung, welche sich auf Unterstützung des Multikulturalismus und Reduktion von Bedrohungsempfinden fo­kussiert und gleichzeitig Intergruppenkontakt stärkt, insbesondere für Majoritätsgruppen empfehlenswert.

1. Einleitung

Prejudice, unless deeply rooted in the character structure of the individual, may be reduced by equal status contact between majority and minority individuals in pursuit of common goals. The effect is greatly enhanced if this contact is sanctioned by institutional supports (i.e., by law, custom or local atmosphere), and provided it is of a sort that leads to the perception of common interests and common humanity between members of the two groups (Allport, 1954, S. 267).

Kontakt ist der Grundbaustein des menschlichen Zusammenlebens. Darüber hinaus dient er der Reduktion von negativen Intergruppeneinstellungen, wie z. B. Vorurteilen und Feindseligkeit (Allport, 1954; Williams, 1947). Der Kontaktbegriff ist untergliedert in „di­rekten“ und „indirekten“ Kontakt (Dovidio et al., 2011; Vezzali et al., 2014; Wright & Aron, 2010). Eine weitere Differenzierung findet auf der Valenzdimension statt: es wird zwischen positivem und negativem Kontakt unterschieden (Pettigrew & Tropp, 2013).

Allport (1954, 1971) hat mit seiner Kontakthypothese, nachdem er sie von Williams (1947) aufgegriffen und verfeinert hatte, einen der bedeutendsten Meilensteine in der Ge­schichte der Sozialpsychologie geschaffen (Brewer & Brown, 1998). Diese besagt, dass häufiger Kontakt zu Mitgliedern anderer Gruppen unter spezifischen Bedingungen die Vor­urteile gegenüber diesen Gruppen reduziert (Allport, 1954). Anschließend entwickelte Pet­tigrew (1998) auf deren Basis die Intergruppenkontakttheorie, die als Prozessmodell die relevanten situativen Bedingungen des Kontakts und die zeitliche Dimension in den Fokus rückt.

In der heutigen Ära der Globalisierung kommt es zu einem zunehmendem Transfer zwischen den Ländern, Grenzen verschwimmen und es treffen immer mehr unterschiedli­che Ethnien aufeinander (Bornewasser, 2009). Dies kann jedoch auch Probleme mit sich bringen, wie z. B. Unsicherheiten angesichts fremder Norm- und Wertesysteme und die damit verbundenen potentiell negativen Intergruppeneinstellungen. Ein weiterer Faktor, der zu enormen Spannungsverhältnissen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen kann, ist die Migration. Laut UN-Flüchtlingsagentur waren in den letzten Jahren rund 68.5 Mil­lionen Menschen gezwungen, ihr Heimatsort zu verlassen (UNHCR, 2017). Die Flücht­linge kamen unter anderem aus Syrien (6.3 Millionen), Afghanistan (2.6 Millionen) und Süd Sudan (2.4 Millionen). Die Mehrheit floh in die Türkei (3.5 Millionen) und Pakistan (1.4 Millionen), in Deutschland gab es in den Jahren 2013 bis 2017 über eine Million auf­genommene Flüchtlinge (Statistisches Bundesamt, 2018). Migration führt zu erhöhter Diversität und Heterogenität in der Gesellschaft. Im Jahr 2019 verzeichnete Deutschland rund 26% ihrer Bevölkerung mit einem Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt, 2020). Daraus ergeben sich Minoritätsgruppen in der Majorität der Gastgesellschaften und damit ein erhöhter Bedarf an Intergruppenbeziehungen und Interdependenzen zwischen unterschiedlichen Statusgruppen, um die soziale Kohäsion aufrechtzuerhalten (Lutterbach, 2019).

Ziel dieser Abschlussarbeit besteht nun darin, die Unterschiede zwischen den Mi- noritäts- und Majoritätsgruppen im Hinblick auf die Effektivität des Kontakts systematisch zu untersuchen, um die daraus resultierenden Mechanismen zur Reduktion negativer Inter­gruppeneinstellungen näher zu beleuchten. Nach Darstellung der relevanten theoretischen Grundlagen und des aktuellen Forschungsstandes werden darauf basierend Forschungsfra­gen abgeleitet. Anschließend werden Methoden, die für dieses systematische Literaturre­view verwendet wurden, aufgezeigt und Analyse der Ergebnisse und deren Auswertung dargestellt. Die Diskussion der Ergebnisse und die daraus folgenden Empfehlungen für die weitere Forschung und Praxis schließen die Arbeit ab.

2. Theoretischer Hintergrund

Im vorliegenden Kapitel sollen zur Annäherung an die Forschungsfragen die theo­retischen Grundlagen dargestellt und der heutige Forschungsstand erläutert werden. Zu­nächst erfolgen die Definitionen von „Kontakt“, „Minorität“ und „Majorität“ und daraufhin wird die Kontakthypothese von Allport (1954) vorgestellt. Nachfolgend wird Pettigrews (1998) Intergruppenkontakttheorie als Erweiterung der Kontakttheorie von All­port (1954) behandelt. Die Theorie der sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1979, Turner et al., 1987) und daraufhin die Integrated Threat Theory (Stephan et al., 2000) werden vorge­stellt, und es wird auf das bedürfnisbasierte Modell der Versöhnung von Nadler und Shna­bel (2008) eingegangen. Anschließend erfolgen die Definitionen „Multikulturalismus“ und „Polykulturalismus“ und am Ende des Kapitels werden die Forschungsfragen abgeleitet, um die Forschungslücke zu adressieren.

2.1 Begriffsklärung „Kontakt“, „Minorität“, „Majorität“

Aufgrund der Tatsache, dass Intergruppenkontakt, je nachdem, wie die Gruppen be­schaffen sind, sowohl zu positiven Outcomes, wie z. B. Kooperation, Vertrauen oder Wis­sensaustausch als auch zu negativen Folgen, wie z. B. Feindseligkeit, Intoleranz oder Bedrohungsempfinden führen kann (Tropp, 2016), hat die Sozialforschung in den letzten Jahrzehnten sich zur Aufgabe gemacht, die Effekte des Kontakts auf die Intergruppenein­stellungen zu untersuchen. Dabei wird zwischen direktem und indirektem Kontakt unter­schieden. Während direkter Kontakt unmittelbar und in physischer Nähe stattfindet, wird bei indirektem Kontakt unter anderem zwischen erweitertem (Wright et al., 1997), vorge­stelltem (Turner et al., 2007), stellvertretendem (Mazziotta et al., 2011) oder E-Kontakt (White et al., 2018) unterschieden. Erweiterter Kontakt besagt, dass zum Aufbau positiver Intergruppeneinstellungen respektive zum Abbau von Vorurteilen allein die Kenntnis aus­reicht, dass Eigengruppenmitglied Freundschaft zu Fremdgruppenmitglied pflegt (Wright et al., 1997). Vorgestellter Kontakt (Crisp & Turner, 2009) beschreibt die mentale Simula­tion einer positiven sozialen Interaktion mit dem Fremdgruppenmitglied und stellvertre­tender Kontakt (Mazziotta et al., 2011) steht für das Beobachten von positivem Kontakt zum Mitglied einer Fremdgruppe in Anlehnung an die Sozialkognitive Lerntheorie (Band­ura, 1977). Unter E-Kontakt versteht man computerbasierte Interaktionen, bei denen die Mitglieder verschiedener Gruppen online miteinander in Verbindung treten (White et al., 2015). Darüber hinaus wird zwischen positivem und negativem Kontakt unterschieden. Während sich die Forschung in den letzten Dekaden überwiegend auf positiven Kontakt konzentriert hatte mit der Absicht, die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gruppen zu verbessern (Dixon et al., 2005), haben Paolini, Harwood und Rubin (2010) die Wich­tigkeit von negativen Kontakterfahrungen betont. Sie fanden heraus, dass negativer Kon­takt die Gruppenzugehörigkeit salienter macht als positiver Kontakt. Diesen Effekt nannten sie „valence-salience effect“ (Lutterbach, 2019).

Neben dem Fokus auf den direkten und indirekten Kontakt betont die neue For­schungsgeneration die Wichtigkeit des Gruppenstatus und die daraus resultierenden Unter­schiede in der Wirksamkeit des Kontakts (Tropp et al., 2016). Bobo (1999) räumt dem Gruppenstatus eine maßgebliche Rolle in Intergruppenbeziehungen ein, weil die Intergrup­peneinstellungen der Majoritätsgruppen oft mit Privilegien aufgrund ihres Status verbun­den sind, während die Einstellungen der Minoritätsgruppen durch ihre Wahrnehmung von Vorurteilen und Diskriminierung von Seiten der Majorität beeinflusst werden (Monteith & Spicer, 2000). Die Unterschiede zwischen Minoritäts- und Majoritätsgruppen in der Wahr­nehmung und Erfahrung von negativen Intergruppeneinstellungen können sich in unter­schiedlichen Ausprägungen von Emotionen wie z. B. Angst in Bezug auf Kontakt niederschlagen (Tropp, 2003). Aus diesem Grund ist es essenziell, sowohl die Minorität als auch die Majorität im Hinblick auf die Effektivität von Intergruppenkontakt zu untersu­chen.

2.2 Kontakthypothese von Allport

Die Sozialforschung, welche sich mit dem Intergruppenkontakt und der Reduktion von Ingroup-Bias respektive Förderung von Frieden und Versöhnung beschäftigt, reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück (Allport, 1954; Amir, 1969; Pettigrew, 1998). Damals domi­nierte die Sicht des „Sozialdarwinismus“ und man glaubte, dass Intergruppenkontakt die vorherrschenden Konflikte noch verschärfen könnte (Tropp & Pettigrew, 2005). In den 30ern haben Sims und Patrick (1936) als erste eine Studie durchgeführt, um die Effekte des Intergruppenkontakts zu untersuchen. Sie interessierten sich für die potentiellen Ver­änderungen in den Einstellungen von weißen Studierenden aus unterschiedlichen geogra­phischen Regionen der USA im Kontext der integrativen Erfahrungen an der Universität und fanden heraus, dass positiver Kontakt nicht zwangsläufig zur Reduktion von Vorurtei­len führte. In den nachfolgenden Jahren veränderte sich der Forschungsfokus und der Kon­text, in dem der Intergruppenkontakt stattfand, rückte mehr in den Vordergrund (Pettigrew & Tropp, 2006). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen formulierte Allport (1954, 1971) die Kontakthypothese und spezifizierte dabei vier Schlüsselkomponenten für optimalen Intergruppenkontakt: (1) ein in der Kontaktsituation vorhandener gleicher Status zwischen den Gruppen, (2) die Anstrebung gemeinsamer Ziele, (3) Kooperation zwischen den Grup­pen und (4) die Unterstützung des Kontakts durch Autoritäten, Normen und Gesetze. Als weitere Kontaktbedingung fügte Pettigrew (1998) die Möglichkeit, gruppenübergreifende Freundschaften zu schließen, hinzu. In einer groß angelegten Studie mit 3806 Befragten, welche sieben verschiedenen Nationalitäten angehörten und aus vier westeuropäischen Staaten kamen wurde gezeigt, dass Intergruppenkontakt, insbesondere in Form von grup­penübergreifenden Freundschaften, einen konsistenten negativen Zusammenhang mit Vor­urteilen aufwies, das heißt diejenigen, die solche „cross-group friendships“ hatten, berichteten mehr Sympathie und Bewunderung für die Fremdgruppe, als diejenigen ohne solche Freundschaften (Pettigrew, 1997).

Die Kontakthypothese von Allport (1954) löste eine Fülle von Forschungsarbeiten aus, welche allerdings auch zu widersprüchlichen Ergebnissen führten (Cook, 1984; Pat­chen, 1999; Pettigrew, 1998). Amir (1976) wies drauf hin, dass Kontakt unter bestimmten ungünstigen Bedingungen sogar die Vorurteile verstärken kann, z. B. wenn es zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb einer Kontaktsituation zum Wettbewerb kommt oder der Kontakt unfreiwillig ist. Stephen (1987) betonte die Komplexität der Beziehung zwischen Intergruppenkontakt und negativen Intergruppeneinstellungen. Der Kontakthintergrund, die Gruppenbeschaffenheit oder die Eigenschaften eines jeden Individuums in der Gruppe können sowohl zur Verstärkung als auch zur Hemmung der positiven Kontakteffekte bei­tragen (vgl. Patchen, 1999; Pettigrew, 1998; Riordan, 1978). Um Diskrepanzen in den For­schungsergebnissen zu adressieren haben Pettigrew und Tropp (2006) eine Metaanalyse durchgeführt, in welcher die Ergebnisse aus 515 Studien, welche eine Vielzahl an unter­schiedlichen Gruppen und Kontexten umfassten, berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass Intergruppenkontakt die Intergruppenvorurteile reduziert. Außerdem fanden die AutorInnen heraus, dass die von Allport formulierten Schlüsselkomponenten nicht es­senziell für positive Outcomes in Bezug auf Kontakt sind (Pettigrew & Tropp, 2006), denn die Stichproben, welche diese Komponenten nicht aufwiesen, zeigten trotzdem signifi­kante Zusammenhänge zwischen Kontakt und Vorurteilen. Im Rahmen einer Erweiterung der Kontakttheorie von Allport (1954) hat sich Pettigrew (1998) mit der Frage beschäftigt, warum intergruppaler Kontakt zu positiven Effekten führt, auch wenn in der Kontaktsitu­ation die Bedingungen von Allport (1954) nicht alle erfüllt sind. Im folgenden Abschnitt soll die Kontakttheorie von Pettigrew (1998) näher erläutert werden.

2.3 Intergruppenkontakttheorie von Pettigrew

Die Kontakthypothese wurde von Pettigrew (1998) neu formuliert und er entwickelte daraus ein Prozessmodell. Dieses Modell auf der Mesoebene ist in die Mikro- und die Makroebenen des Kontextes eingebettet - die Wahrnehmungen und Eigenschaften der Per­sonen sowie der gesellschaftliche Rahmen der Situation. Als Hauptmerkmale des Modells betrachtete Pettigrew (1998) dabei die essentiellen sowie erleichternden situativen Bedin­gungen der Kontaktsituation und die zeitliche Dimension. Dabei unterteilte er die Kon­takthypothese in drei Phasen: Dekategorisierung, saliente Kategorisierung und Rekategorisierung (Pettigrew, 1998). Zu Beginn des Kontakts nehmen sich die Personen als Individuen wahr, unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit und ohne Generalisie­rung. In dieser Phase sollen die persönlichen Identitäten und nicht die Gruppenidentitäten der einzelnen Individuen betont werden, um Angst zu reduzieren und Sympathie zu för­dern. Durch etablierten Kontakt werden die sozialen Kategorien der Personen fokussiert, um die Übertragung der positiven Gefühle auf die gesamte Fremdgruppe zu erreichen. Die letzte Phase ist die Rekategorisierung, in der die Gruppenidentitäten der Personen durch eine übergeordnete Gruppe ersetzt werden, wodurch die Gruppenidentitäten in ein integra­tives „Wir“ transformiert werden (Gaertner et al., 1993). Die positiven Erfahrungen auf individueller Ebene werden unter optimalen Situationsbedingungen auf die übergeordnete Gruppe übertragen, und es wird ein neues Gruppenverständnis in Form von „Wir-Gefühl“ ausgebildet (Gaertner et al., 1993), was idealiter zu maximaler Reduktion von Vorurteilen führt.

Pettigrew (1998) betonte die Bedeutung intergruppaler Freundschaften für die Ef­fektivität des Kontakts. In einer Vielzahl von Langzeitstudien wurde der Zusammenhang von intergruppalen Freundschaften und der Reduktion von Vorurteilen gegenüber der Fremdgruppe überprüft, wonach solche Freundschaften mit signifikant geringeren Vorur­teilen über die Zeit hinweg einhergingen (Binder et al., 2009; Levin et al., 2003; Swart et al., 2011).

Levin, van Laar und Sidanius (2003) führten eine Longitudinalstudie mit Daten von über 2000 weißen, asiatischen, lateinamerikanischen und afroamerikanischen Studieren­den durch und kamen zum Schluss, dass je stärker der Ingroup-Bias und die Intergruppen­angst am Ende des ersten Jahres bei den Probanden ausgeprägt waren, desto weniger Freunde in den Fremdgruppen hatten sie später bei gleichzeitiger Kontrolle von Einstel­lungen, Freundschaften vor der Collegezeit und anderen Hintergrundvariablen wie Ge­schlecht, Religion, sozioökonomischen Status, Nähe zu fremden Kulturen und politischen Konservatismus. Gleichzeitig konnten die Autorinnen zeigen, dass sich mit steigender An­zahl von Outgroup-Freundschaften im zweiten und dritten Jahr der Ingroup-Bias und die Intergruppenangst am Ende der Studienzeit reduzierte (Levin et al., 2003).

Die bisherige Ausführung des Intergruppenkontakts beschränkte sich auf direkten Kontakt. Im folgenden Abschnitt soll auf die Hypothese des erweiterten Kontakts (Wright et al., 1997) und auf die Hypothese des vorgestellten Kontakts (Crisp & Turner, 2009) als Beispiele für indirekten Kontakt näher eingegangen werden. Nach Wright (1997) kann allein das Wissen darüber, dass ein Mitglied der Eigengruppe eine Beziehung zu einem Outgroup-Mitglied hat, zu positiveren Intergruppeneinstellungen führen. In ihren Studien zeigten die Autorinnen, dass unabhängig von direktem Intergruppenkontakt weiße, latein­amerikanische und afroamerikanische Personen, die von einer größeren Anzahl von grup­penübergreifenden Freundschaften wussten auch positivere Intergruppeneinstellungen berichteten, als diejenigen, welche von einer geringeren Anzahl wussten (Wright et al., 1997). Die Autorinnen schlugen drei potentielle Mechanismen zur Erklärung der Bezie­hung zwischen indirektem Kontakt und Vorurteilen vor: (1) die FreundschaftspartnerIn der Eigengruppe dient als Vorbild für tolerantere und fürsorglichere Rahmenbedingungen für die Fremdgruppeninteraktion, (2) das Fremdgruppenmitglied dient als Vorbild, welches die negativen Intergruppeneinstellungen widerlegt und (3) das Wissen über die Nähe der gruppenübergreifenden Freundschaften führt zur partiellen Inklusion der Fremdgruppe (Wright et al., 1997). In weiteren Studien konnte auch der Effekt indirekter Freundschaften aufgezeigt werden (z. B. Turner et al., 2007; Pettigrew et al., 2007; Paolini et al., 2004). Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass es bereits ausreichend ist im eigenen Freundes­kreis intergruppale Freundschaften zu beobachten, um negativen Intergruppeneinstellun­gen entgegenzuwirken.

Oft ist es schwierig, direkten Kontakt zwischen unterschiedlichen Gruppen zu er­möglichen, beispielsweise in geographisch segregierten Settings wie Schulen (Hewstone et al., 2018; Hughes et al., 2013), segregierten Nachbarschaften (Schmid et al., 2009) oder in hoch konfliktären und machtasymmetrischen Settings (Husnu & Crisp, 2010, 2015). Auch psychologische Hindernisse wie z. B. Angst vor dem Treffen der Mitglieder einer Fremdgruppe oder Unsicherheit bezüglich einer erfolgreichen Interaktion (Mazziotta et al., 2011) könnten ein Problem darstellen. Vorgestellter Kontakt im Sinne einer mentalen Si­mulation eines positiven Intergruppenkontakts (Crisp & Turner, 2009) adressiert die phy­sischen und psychologischen Hindernisse des direkten Kontakts. Die zu interessierenden positiven Outcomes des vorgestellten Kontakts sind unter anderem verbesserte explizite und implizite Einstellungen (Turner & Crisp, 2010; Vezzali et al., 2012), positive Verhal­tensabsichten gegenüber der Fremdgruppe (Husnu & Crisp, 2010), Projektion positiver Ei­genschaften auf die Fremdgruppe (Stathi & Crisp, 2008), Vertrauen in die Fremdgruppe (Turner, West, & Christie, 2013) oder reduzierte Vorurteile und Intergruppenangst (Ku- chenbrandt, Eyssel, & Seidel, 2013). Die Hypothese des vorgestellten Kontakts wurde al­lerdings dahingehend kritisiert, dass die positiven Effekte nicht lang anhalten, wenig praktische Bedeutung haben (Bigler & Hughes, 2010) oder auch, dass die Effekte nur schwer replizierbar sind (Klein et al., 2014).

Die Faktoren, die nach Allport (1954) für die Wirksamkeit des Kontakts relevant sind, beziehen sich sowohl auf interpersonale als auch auf intergruppale Beziehungen (vgl. Hewstone & Brown, 1986). Den Rahmen für die Differenzierung der Wirksamkeit von Kontakt auf interpersonaler und intergruppaler Ebene bildet die Theorie der sozialen Iden­tität von Tajfel und Turner (Tajfel, 1978; Tajfel & Turner, 1986; Tajfel & Turner, 2004), welche als eine der prominentesten Theorien der Intergruppenbeziehungen (Abrams & Hogg, 1990) gilt und von vielen Sozialpsychologen zur Erklärung von Intergruppenphä­nomenen verwendet wird (z. B. Capozza & Brown, 2000; Hogg, 1995). Die Theorie der sozialen Identität kann somit als Framework zur Wirksamkeit der Kontakttheorie und zur Analyse von Intergruppenprozessen betrachtet werden (Jonas, 1998) und soll im nächsten Abschnitt zusammenfassend vorgestellt werden.

2.4 Theorie der sozialen Identität von Tajfel

Das Fundament der Theorie der sozialen Identität (Social Identity Theory, SIT) von Tajfel und Turner (Tajfel, 1978; Tajfel & Turner, 1986) bildet die soziale Identität als der­jenige Aspekt des Selbstbildes, der sich aus bestehenden Gruppenmitgliedschaften ergibt. Laut SIT wird die soziale Identität durch das Wissen einer Person, einer oder mehreren Gruppen anzugehören und der jeweiligen emotionalen Bedeutsamkeit dieser Zugehörig­keit bestimmt (Tajfel, 1978). Die Gruppe wird hier als eine Anzahl von Individuen defi­niert, welche sich als Mitglieder einer gleichen sozialen Kategorie wahrnehmen, dieselben Gefühle diesbezüglich teilen und einen gewissen Grad des sozialen Konsens ihrer Gruppe und ihrer Mitgliedschaft in dieser Gruppe erreicht haben (Tajfel & Turner, 1986). Die SIT besteht aus vier zusammenhängenden Kernprozessen: (1) soziale Kategorisierung, (2) so­zialer Vergleich, (3) soziale Identität und (4) positive Distinktheit (Tajfel, 1978). Der kog­nitive Kategorisierungsprozess dient der Ordnung und Vereinfachung der Umwelt, wobei dadurch die Segmentierung der sozialen Umwelt in die Eigengruppe, der man sich zuge­hörig fühlt und der Fremdgruppe, der man sich nicht zugehörig fühlt und somit ein Orien­tierungssystem in der Gesellschaft stattfindet (Tajfel, 1978; Berger & Luckmann, 1971). Die Wichtigkeit der Gruppe wird nach Tajfel (1978) in Anlehnung an Festingers Theorie sozialer Vergleichsprozesse (Festinger, 1954) durch Sozialvergleiche der Ingroup mit Re­ferenzfremdgruppen ermittelt, wobei es sich dabei um diejenigen Gruppen handelt, welche auf einer gewählten Vergleichsdimension ausreichend Ähnlichkeit aufweisen. Mit Hilfe dieser Vergleiche wollen Menschen eine möglichst positive soziale Identität in Bezug auf die Eigengruppe gewinnen, erhalten oder vergrößern, und der Begriff der positiven sozia­len Distinktheit kennzeichnet diese Differenzierung gegenüber der Fremdgruppen (Tajfel & Turner, 1986). Das Streben nach einer positiven sozialen Identität und die sich daraus ergebende positive soziale Distinktheit führen zu Ingroup-Bias, einer kognitiven Verzer­rung, bei der die Mitglieder der Eigengruppe positiver bewertet und behandelt werden als Mitglieder der Fremdgruppen (Tajfel & Turner, 1986). Den evidenzbasierten Rahmen der SIT bilden die experimentellen Befunde des Minimalgruppen-Paradigmas (minimal group paradigm, MGP). In diesem Paradigma gingen Tajfel, Billig, Bundy & Flament (1971) aufbauend auf Untersuchungen von Rabbie und Horwitz (1969) der Frage nach, welche Bedingungen für das Auftreten sozialer Diskriminierung zwischen unterschiedlichen Gruppen hinreichend sind. Die Versuchssituation sollte folgenden Kriterien genügen: (1) keine face-to-face Interaktion der Versuchsteilnehmenden innerhalb oder zwischen den Gruppen, (2) Anonymität der Gruppenmitgliedschaft, (3) Fehlen von instrumenteller und rationaler Verknüpfung zwischen der Art der Gruppeneinteilung und der Art des Verhaltens zwischen den Gruppen, (4) kein persönlicher Nutzen des verlangten Verhaltens und (5) die Verhaltensweisen stellen für die Versuchsteilnehmenden reale und wichtige Entscheidun­gen dar (Mummendey & Otten, 2002). Um den Effekt reiner Kategorisierung auf das In­tergruppenverhalten zu überprüfen wurden bei Tajfel et al. (1971) Versuchsteilnehmende zunächst nach ihrer Bevorzugung eines der Maler Klee oder Kandinsky befragt und ihnen wurde danach mitgeteilt, dass sie gemäß ihrer Favorisierung in eine der zwei Gruppen ein­geteilt wurden, wobei die tatsächliche Zuordnung zufällig erfolgte. Anschließend wurden sie gebeten, kleinere Geldbeträge unter zwei anderen Teilnehmenden aufzuteilen, von de­nen ihnen nur die Gruppenzugehörigkeit zur Eigen- oder Fremdgruppe mitgeteilt wurde, und es war ihnen auch nicht möglich, sich selbst das Geld zuzuweisen. Es gab keinerlei soziale Interaktion und die Versuchsteilnehmende hatten keines der Mitglieder der Eigen­oder Fremdgruppe bewusst als solches vorher wahrgenommen. Diese Gruppen waren folg­lich rein kognitiv und wurden als minimale Gruppen bezeichnet (Tajfel & Turner, 1986). Die Ergebnisse dieser Versuche zeigten, dass obwohl die Versuchspersonen eine gewisse Fairness an den Tag legten, sie dennoch auch unter den minimalen Bedingungen Personen der Eigengruppe bevorzugten, sogar dann, wenn ihnen mitgeteilt wurde, dass die Gruppen­zuweisung per Zufall geschah (Billig & Tajfel, 1973).

Die Benachteiligung, Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Fremdgruppen­mitglieder können auch durch die wahrgenommene Bedrohung zwischen unterschiedli­chen sozialen Gruppen erklärt werden. Im Nachfolgenden soll die Integrated Threat Theory von Stephan & Stephan (2000) näher erläutert werden.

2.5 Integrated Threat Theory von Stephan

Eine der schwerwiegendsten Problematiken in interkulturellen Beziehungen ist die Angst davor, dass die andere Kultur eine Bedrohung für die eigene darstellen könnte (Ste­phan et al., 2000) und basierend auf diesen Ängsten wurden Kriege ausgefochten oder die wahrgenommene Bedrohung interferierte mit diplomatischen, ökonomischen und interper­sonellen Beziehungen zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen. Dies wird durch eine Vielzahl an Untersuchungen belegt, die den Zusammenhang zwischen Angst und Bedrohung und negativen Intergruppeneinstellungen beschreiben (z. B. Esses et al., 1993; Curseu et al., 2007; Riek et al., 2006; Stephan et al., 2000; Stephan & Renfro, 2002; Stephan et al., 1998). Darüber hinaus können dadurch auch Einstellungen von Minoritäten und Majoritäten vorhergesagt werden (Stephan & Renfro, 2002). Stephan & Stephan (2000) schlugen vier Grundtypen der Bedrohung vor: (1) realistische Bedrohung, (2) sym­bolische Bedrohung, (3) Intergruppenangst und (4) negative Stereotype. Realistische Be­drohung kennzeichnet die tatsächliche Bedrohung der Eigengruppenexistenz, der politischen und wirtschaftlichen Macht der Eigengruppe und der physischen Unversehrt­heit und dem Wohlergehen der Eigengruppenmitglieder (Stephan et al., 2000). Symboli­sche Bedrohung entsteht durch die wahrgenommenen Differenzen in Moralvorstellungen, Normen, Werten, Standards, Überzeugungen und Einstellungen zwischen der Eigen- und Fremdgruppe (Stephan et al., 2000). Oft fühlen sich Menschen durch die Interaktion mit Fremdgruppenmitgliedern bedroht, weil sie beispielsweise Angst davor haben, zurückge­wiesen, blamiert, ausgelacht oder ausgenutzt zu werden (Stephan & Stephan, 1985), und diese Angst wiederum kann sich in negativen Intergruppeneinstellungen niederschlagen (Britt et al., 1996; Islam & Hewstone, 1993; Stephan et al., 1999). Und schließlich sind negative Stereotype implizite Bedrohungen, die sich durch die Erwartung negativer Kon­sequenzen aufgrund der Interaktion mit der Fremdgruppe äußern, weil die Fremdgruppen­mitglieder beispielsweise als aggressiv, unehrlich oder einfältig stereotypisiert werden, was wiederum Vorurteile nach sich ziehen kann (Esses et al., 1993; Stephen et al., 1994). Ste­phan & Renfro (2002) haben die ursprüngliche Integrated Threat Theory revidiert und ha­ben sie auf zwei Bedrohungsarten reduziert: realistische und symbolische Bedrohung, da negative Stereotype als Antezedenzien und die Intergruppenangst als Konsequenz der bei­den Bedrohungsarten identifiziert wurden. Darüber hinaus hat man weitere Bedrohungsar­ten ermittelt wie z. B. kriminelles Verhalten, das eine Bedrohung für die eigene Sicherheit darstellt (safety threat), ansteckende Krankheiten (health threat), Bedrohung der sozialen Kohäsion und Funktionsfähigkeit (threat to social coordination), Bedrohung der Freiheit und Rechte (rights threat) (Cottrell & Neuberg, 2005), Bedrohung durch Terrorangriffe (terrorist threat; Cohrs et al., 2005) und Gruppendistinktheit (distinctiveness threat; Branscombe et al., 1999). Diese Bedrohungsarten unterscheiden sich von symbolischer und realistischer Bedrohung und sagen negative Intergruppeneinstellungen vorher (Cottrell et al., 2010; Doosje et al., 2009; Esses et al., 2013; Jetten et al., 2004; Obaidi et al., 2018; Tartakovsky & Walsh, 2016; Uenal, 2016). Wahrgenommene Bedrohung wurde allerdings als eine der wichtigsten Prädiktoren von negativen Intergruppeneinstellungen identifiziert (Riek et al., 2006; Stephan, 2014) und es wurde festgestellt, dass sie Vorurteile besser vor­hersagt als die objektiven Messungen der Bedrohung (Stephan et al., 2009). Darüber hinaus differenziert man zwischen individueller Bedrohung, wenn beispielsweise der eigene Job gefährdet ist, und gruppenbasierter Bedrohung, z. B. wirtschaftliche Bedrohung, die die ganze Eigengruppe betrifft, wobei die letztere stärker mit Vorurteilen und Diskriminierung assoziiert ist (Maoz & McCauley, 2005; Onraet et al., 2013) insbesondere für diejenigen, die sich stark mit der Eigengruppe identifizieren (Bizman & Yinon, 2001; Tausch et al., 2007).

In den Anfängen der Intergrated Threat Theory war die Intergruppenbedrohung mit Angst assoziiert (Stephan & Stephan, 2000), später wurden allerdings mehrere verschie­dene negative Emotionen, wie z. B. Wut, Verachtung und Ekel mit der Bedrohung in Zu­sammenhang gebracht (Stephan et al., 2009). Neuberg und Cottrell (2002) schlugen diesbezüglich vor, dass spezifische Bedrohungsarten auch spezifische negative Emotionen hervorrufen, z. B. kann die Gefährdung der Sicherheit als eine existentielle Bedrohung des eigenen Lebens oder des Lebens von anderen Eigengruppenmitgliedern bewertet werden und dementsprechend Angst hervorrufen. Realistische Bedrohung kann als nicht legitimes Hindernis auf dem Weg zur Erreichung der Ziele bewertet werden und Wut auslösen, oder ansteckende Krankheiten können als potentielle Kontamination interpretiert werden und Ekel hervorrufen (Cottrell & Neuberg, 2005). Es ist allerdings zu beachten, dass Emotio­nen dynamischen Prozessen unterliegen und sich über die Zeit hinweg verändern können (Scherer, 2005; Smith & Mackie, 2006).

Die emotionalen Bedürfnisse, welche in Konfliktsituationen zwischen unterschied­lichen Gruppen entstehen, sollten befriedigt werden, bevor es zur Versöhnung kommen kann (Nadler, 2002; Nadler & Liviatan, 2006). Im nächsten Abschnitt wird auf das Bedürf­nisbasierte Modell der Versöhnung von Nadler und Shnabel (2008) näher eingegangen.

2.6 Das Bedürfnisbasierte Modell der Versöhnung von Nadler und Shnabel

Die Friedens- und Konfliktforschung, die nach dem Zweiten Weltkrieg sich gebil­det hatte, hat sich dem Ziel verschrieben, die lang anhaltenden Konflikte zwischen unter­schiedlichen Gruppen zu analysieren und die dahinterliegenden Prozesse zu erklären, um die Konflikte konstruktiv lösen zu können (Deutsch et al., 2006). Die Forschung hat sich überwiegend damit beschäftigt, sich den Konflikten von der materiellen Seite anzunähern, z. B. indem die Ressourcen der sich streitenden Parteien fokussiert wurden (Scheff, 1994) und dementsprechend wurde angenommen, dass sobald sich die Parteien geeinigt haben, es zur Konfliktlösung führen wird (Shnabel & Nadler, 2008). Allerdings wird in den sel­tensten Fällen ausschließlich um materielle Interessen gekämpft, sondern der Konflikt dreht sich oft um die sogenannten symbolischen Ressourcen, wie z. B. Ehre oder Anerken­nung und darum, wer der „Gute“ oder der „Böse“ ist (Shnabel & Nadler, 2015). Deshalb ist es wichtig für die Wiederherstellung friedvoller Beziehungen, sich nicht nur auf die vereinbarten Verträge zu konzentrieren, sondern auch die emotionalen Barrieren zu über­winden, die sich der Versöhnung in den Weg stellen (Shnabel & Nadler, 2015). Ein rele­vanter Mechanismus dafür ist der Zyklus der Entschuldigung und der Vergebung (apology­forgiveness cycle) von Tavuchis (1991), welcher die Beziehungen zwischen den Parteien nachhaltig verbessern kann. Er formulierte vier Bestandteile einer ernst gemeinten Ent­schuldigung: (1) die Notwendigkeit des schmerzvollen Erinnerns, (2) die Anerkennung der persönlichen Verantwortung, (3) der Ausdruck echten Kummers und echter Reue und (4) die direkte oder indirekte Selbstverpflichtung, sich künftig an die Regeln zu halten. Der Akt der Entschuldigung aus der Perspektive der Täter wird als eine Art Selbstbestrafung aufgefasst, weil sie die leidvollen Geschehnisse, welche sie als Mitglieder in einer morali­schen Gesellschaft in Frage stellen, nacherzählen, wiedererleben und um Vergebung bitten müssen (Tavuchis, 1991). Im Gegenzug sollten die Opfer sich der Entschuldigung anneh­men und Vergebung gewähren, um den Akt der sozio-emotionalen Versöhnung zu vollen­den (Shnabel & Nadler, 2008). Die Idee des Bedürfnisbasierten Modells der Versöhnung besteht darin, dass sowohl die Täter als auch die Opfer bestimmter psychologischer Res­sourcen bedürfen: die Täter haben das Bedürfnis nach Akzeptanz und die Opfer das Be­dürfnis nach Empowerment, denn die Beeinträchtigungen der psychologischen Ressourcen der Täter und Opfer während einer Viktimisierung sind asymmetrisch (Shnabel & Nadler, 2008). Die Opfer fühlen sich unterlegen in ihrer Macht (Foster & Rusbult, 1999), Ehre (Scheff, 1994), Selbstachtung (Scobie & Scobie, 1998) und wahrgenommener Kontrolle (Baumeister et al., 1994) und können Gefühle wie Wut gegenüber den Tätern entwickeln (McCullough et al., 1998). Auf der anderen Seite leiden die Täter unter einer moralischen Unterlegenheit (Exline & Baumeister, 2000; Zechmeister & Romero, 2002) und fühlen sich schuldig (Baumeister et al., 1994), beschämt (Exline & Baumeister, 2000) oder sind voller Reue (North, 1998). Ein erfolgreicher Austausch von Empowerment und Akzeptanz kann die Versöhnung auf zwei Wegen fördern (Shnabel et al., 2014). Erstens kann ein sol­cher Austausch die positiven Identitäten der Opfer und Täter wiederherstellen, indem die Labels „schwaches Opfer“ und „unmoralischer Täter“ beseitigt werden (Shnabel & Nadler, 2015). Zweitens implizieren die Akzeptanzbotschaften von Seiten der Opfer, dass sie sich an den Tätern nicht rächen oder sie meiden werden und im Gegenzug übermitteln die Er­mächtigungsbotschaften von Seiten der Täter, dass sie die Verstöße nicht wiederholen wer­den, weil sie angefangen haben, die Opfer wertzuschätzen, was auch zur Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens führen kann (Shnabel & Nadler, 2015).

In hartnäckigen Intergruppenkonflikten nehmen oft rivalisierende Parteien sowohl die Rolle der Täter als auch der Opfer an, wobei Mitglieder jeder Gruppe die Tendenz haben, sich so wahrzunehmen, als hätten sie mehr gelitten als die anderen (Noor et al., 2008; Noor et al., 2012) und verleugnen sogar die Verantwortung für den Schaden, den die Eigengruppe verursacht hat (Bar-Tal, 2000; Staub, 1998). Die Fokussierung auf die Vikti- misierung der Eigengruppe kann eine beträchtliche Herausforderung im Versöhnungspro­zess darstellen (Worthington, 2006), und ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin ist die Herausbildung einer Offenheit und Bereitschaft dazu, einen positiven direkten Intergrup­penkontakt zu etablieren (Mazziotta et al., 2014). Mazziotta und Kollegen (2014) sind der Frage nachgegangen, was dazu beitragen könnte, die Bereitschaft für gruppenübergreifen­den Kontakt nach Gewaltkonflikten, welche während des Bürgerkriegs in Liberia entstan­den sind, zu fördern. In einem Feldexperiment wurden 146 Teilnehmende, die zufällig an eine der Versuchsbedingungen verteilt wurden, dazu aufgefordert, über die Gewaltereig­nisse während des Krieges nachzudenken, die entweder von einem Eigengruppenmitglied begangen wurden (Täter-Fokus), oder gegen ein Eigengruppenmitglied (Opfer-Fokus). Die Übernahme der Täterperspektive führte zu einer höheren Bereitschaft zum Intergruppen­kontakt, größerem Bedürfnis nach Akzeptanz und höherer Empathie der Fremdgruppe ge­genüber, die Manipulation des Fokusses beeinflusste jedoch nicht das Bedürfnis nach Ermächtigung (Mazziotta et al., 2014). Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die bis- herigen Annahmen, dass die Übernahme der Verantwortung für die eigenen Taten im In­tergruppenkonflikt positive Effekte für die Intergruppenbeziehungen nach sich ziehen kann (Cehajic et al., 2009; Gausel & Brown, 2012; Gausel et al., 2012; Iyer et al., 2007; McGarty et al., 2005) und darüber hinaus unterstützen sie das Bedürfnisbasierte Modell der Versöh­nung dahingehend, dass Menschen, die anderen Gewalt angetan haben, ein größeres Be­dürfnis nach Akzeptanz haben als diejenigen, denen Gewalt angetan wurde (Nadler & Shnabel, 2008).

Welche Faktoren könnten noch zur Reduktion von negativen Intergruppeneinstel­lungen zwischen Minoritäts- und Majoritätsgruppen führen? In unserer heutigen Welt der fortschreitenden Globalisierung sollten Menschen mit einer proaktiven Haltung anderen ethnokulturellen Gruppen positiv begegnen und mit ihnen kooperativ interagieren was dazu führen kann, dass die Mitglieder der Majoritätsgruppen mehr Toleranz gegenüber ethnischen Minoritäten haben und die Mitglieder der Minoritätsgruppen weniger Diskri­minierung erfahren (Chen et al., 2016). Im nächsten Abschnitt soll auf die Begriffe „Mul- tikulturalismus“ und „Polykulturalismus“ als relevante Konstrukte näher eingegangen werden.

2.7 Begriffsklärung „Multikulturalismus“ und „Polykulturalimus“

Multikulturalismus als ein Konzept der kulturellen Vielfalt beschreibt das Vorhan­densein von unterschiedlichen ethnischen, kulturellen, Rassen-, linguistischen, religiösen und wirtschaftlichen Gruppen in der Gesellschaft und repräsentiert auch die Einstellungen oder Regelungen zur Gleichstellung von diversen Gruppen (Chen et al., 2016). Das Kon­zept der multikulturellen Ideologie besteht darin, dass Menschen ihre Aufmerksamkeit auf das Kennenlernen anderer ethnischer Gruppen richten, auf ihre Sitten und Bräuche, um die Leben, die Erfahrungen und die Perspektiven von diversen anderen besser zu verstehen (Ryan et al., 2007, 2010; Wolsko et al., 2000, 2006) und es stellen sich dabei zwei funda­mentale Fragen: funktioniert eine demokratische Gesellschaft besser im Kontext der Ein­heit oder Diversität? Wann verursachen die Intergruppenbeziehungen zwischen Gruppenmitgliedern mit sehr unterschiedlichen ethnischen Hintergründen Diskriminie­rung und Trennung, und wann fördern sie Gleichheit, interpersonelle Harmonie und Vor­urteilsfreiheit (Wolsko et al., 2006)?

Multikulturalismus wurde allerdings dahingehend kritisiert, dass indem Menschen die Distinktheit der ethnischen Gruppen innerhalb einer diversen Gesellschaft betonen, sie sich gleichzeitig auf das statische Getrenntsein der Kulturen fokussieren, was nicht der Realität entspricht und versehentlich sogar ihre Stereotype und Diskriminierung erhöhen kann (Bigler, 1999; Prashad, 2001). Anlehnend an diese Kritik wurde das Konzept des Polykulturalismus von den Historikern Robin Kelley (1999) und Vij ay Prashad (2001) vor­geschlagen, welches die Welt als konstituiert durch den Austausch der kulturellen Formen betrachtet. Laut diesem Konzept sind die Kulturen interaktiv und fließend und nicht sta­tisch und unabhängig voneinander, außerdem sind die individuellen Beziehungen zu den Kulturen komplex und unterliegen dem Wandel der Zeit (Flint, 2006).

2.8 Fazit und Fragestellung

Während die empirische Forschung viele Belege für die Effektivität des direkten Kontakts bei Intergruppenbeziehungen vorweisen kann, existieren nur wenige Studien, die hoch konfliktäre und machtasymmetrische Kontexte berücksichtigen (Ron et al., 2010), wie es in dem andauernden israelisch-palästinensischen Konflikt mit der jüdischen Majo­rität und der arabischen Minorität der Fall ist. Vorangegangene Forschung zum indirekter Kontakt unterstützt positive Zusammenhänge zwischen erweitertem Kontakt und positiven Intergruppeneinstellungen (Zhou et al., 2018), allerdings wurde der Fokus vornehmlich auf den positiven erweiterten Kontakt (Mazziotta et al., 2015) und die Perspektive der Majori­tät gesetzt (Vezzali et al., 2014; Zhou et al., 2018). In den empirischen Studien zum vorge­stellten Kontakt fehlt größtenteils der Fokus auf die Langzeiteffekte, auf die Miles und Crisp (2014) in ihrer Metanalyse aufmerksam machen. Die AutorInnen schlagen vor, die Dauer der Effekte des vorgestellten Kontakts zu adressieren. Darüber hinaus haben die wenigen Längsschnittstudien, die es gibt, überwiegend Kinder in Italien untersucht (Vez­zali et al., 2012; Vezzali et al., 2015;), was die Generalisierbarkeit auf Erwachsene und auf andere Länder in Frage stellt. Frühere Forschungsarbeiten zeigen außerdem, dass direkte Kontaktstrategien relativ schwer in hoch konfliktären Kontexten umzusetzen sind, weil in solchen Gesellschaften strukturelle Machtasymmetrien vorherrschen (Dixon et al., 2005), was den vorgestellten Kontakt in solchen Settings sinnvoll macht. Vedder (2017) schlägt vor, Multikulturalismus als einen Moderator in der Beziehung zwischen erweitertem nega­tivem Kontakt und negativen Intergruppeneinstellungen zu untersuchen mit der Annahme, dass niedrige Ausprägung des Multikulturalismus den negativen Effekt verstärken, eine hohe Ausprägung hingegen zum Abbau negativer Intergruppeneinstellungen führen kann.

Auf Basis des aktuellen Forschungsstandes und des weiteren Forschungsbedarfs wird die vorliegende Arbeit folgende Fragen anhand aktueller empirischer Literatur syste­matisch untersuchen:

Forschungsfrage 1: Welche Unterschiede zeigen sich zwischen Minoritäts- und Majori­tätsgruppen bei Kontaktbereitschaft und Intergruppeneinstellungen in hoch konfliktären machtasymmetrischen Kontexten am Beispiel des israelisch-palästinensischen Konflikts? Forschungsfrage 2: Welche Unterschiede zwischen Minoritäts- und Majoritätsgruppen zeigen sich bei indirektem Kontakt in Bezug auf Intergruppeneinstellungen?

Forschungsfrage 3: Welche Rolle spielen Multi- und Polykulturalismus bei Intergruppen­einstellungen von Minoritäts- und Majoritätsgruppen in Bezug auf die Effektivität von Kontakt?

3. Methode

In diesem Abschnitt wird gemäß den Anforderungen eines systematischen Litera­turreviews über die methodische Vorgehensweise berichtet. Beginnend mit den Ein- und Ausschlusskriterien, die zur Auswahl der empirischen Studien führten, wird der Recher­chevorgang und Auswahl von Primärstudien erläutert. Anschließend erfolgt ein kurzer Überblick der eingeschlossenen Primärstudien.

3.1 Ein- und Ausschlusskriterien

In dem vorliegenden Review wurden zur Sicherung des wissenschaftlichen Stan­dards ausschließlich empirische Primärstudien verwendet, die ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen hatten. Es wurden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlichte qualita­tive und quantitative englisch- und deutschsprachige Primärstudien zwischen 2010 und 2021 gesucht. Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten wurden nur Studien mit einer Stich­probe von Erwachsen (18 Jahre und älter) eingeschlossen. Im Sinne der 1. Forschungsfrage wurden nur diejenigen Studien ins Review mit einbezogen, welche im Kontext des israe­lisch-palästinensischen Konflikts den Einfluss des Kontakts auf die Intergruppeneinstel­lungen der Minorität und Majorität untersuchten. Analog dazu wurden für die 2. Forschungsfrage die Studien zum indirekten Kontakt und für die 3. Forschungsfrage die­jenigen zum Multi- und Polykulturalismus eingeschlossen. Ein weiteres Kriterium war eine ausreichend hohe Reliabilität der in den Studien verwendeten Messinstrumente mit einer internen Konsistenz von Cronbach's Alpha > 70. Ausgeschlossen wurden Studien, die keine Untersuchungen im Sinne der Forschungsfragen beinhalteten oder eine andere Stich­probe aufwiesen.

3.2 Recherchevorgang

Die Recherche wurde im August 2021 mit der Suchmaschine EBSCOhost mittels der Fachdatenbanken APA PsycArticles, APA PsycInfo, PSYNDEX Literature with PSYN- DEX Tests und Psychology and Behavioral Sciences Collection durchgeführt. Der Titel dieser Arbeit beinhaltet einschlägige Stichworte, die bei der Suche verwendet wurden. Zur Überprüfung der ersten Forschungsfrage (erste Suchanfrage, R1) wurde die Suchmaschine EBSCOhost mit den oben genannten Datenbanken aufgesucht. Um eine breite Trefferan­zahl zu generieren und gleichzeitig die Aktualität der Forschung zu gewährleisten, wurden empirische quantitative und qualitative Primärstudien, die zwischen 2010 und 2021 er­schienen sind und die Altersgruppe der Erwachsenen (18 Jahre und älter) beinhalten, vor­eingestellt so wie die beiden Sprachen (Englisch und Deutsch) und wissenschaftliche (Peer-Reviewed) Zeitschriften. Folgende Begriffe wurden mit Booleschen Operatoren ver­bunden: contact AND (minority OR majority) AND intergroup attitudes AND Israel. Da die Suche bei EBSCOhost gleichzeitig in verschiedenen Fachdatenbanken erfolgte, wurden Duplikate automatisch ausgeschlossen und es ergaben sich insgesamt 9 Treffer. Nach der Analyse wurde 1 Fachartikel ausgeschlossen, weil es sich um eine konzeptuelle Übersicht handelte, ein weiterer wurde verworfen, weil es sich um eine Stichprobe äthiopischer Stu­dierender handelte. 1 Studie wurde ausgeschlossen, weil die Stichprobe aus Jugendlichen (13 bis 17 Jahre) bestand und eine weitere wurde für die 2. Forschungsfrage verwendet, weil es sich um indirekten Kontakt handelte. Es wurden somit 5 Fachartikel mit insgesamt 6 Primärstudien ins Review eingeschlossen.

Zur Überprüfung der 2. Forschungsfrage (zweite Suchanfrage, R2) wurde ebenfalls die Suchmaschine EBSCOhost mit denselben Fachdatenbanken aufgesucht, die Voreinstel­lungen wurden beibehalten. Folgende Begriffe wurden mit Booleschen Operatoren verbun­den: (indirect contact OR extended contact OR imagined contact OR vicarious contact OR e-contact) AND (minority OR majority) AND intergroup attitudes. Es ergaben sich insge­samt 17 Treffer und nach der Analyse flossen 4 Fachartikel mit 7 Primärstudien in das Review ein, nachdem 4 Studien wegen Jugendlichenstichpobe, 1 wegen nur einer Minori­tätsgruppe und 7 wegen keinem indirekten Kontakt ausgeschlossen wurden. 1 Fachartikel wurde bereits für die 1. Forschungsfrage verwendet und somit ergab sich n = 7.

Analog wurde es zur Überprüfung der 3. Forschungsfrage (dritte Suchanfrage, R3) verfahren. Folgende Begriffe wurden mit Booleschen Operatoren verbunden: contact AND (minority OR majority) AND intergroup attitudes AND (polyculturalism OR multicultur­alism OR biculturalism). Es ergaben sich insgesamt 13 Treffer und nach der Analyse flos­sen 5 Fachartikel mit 9 Primärstudien in das Review ein, nachdem 8 Studien ausgeschlossen wurden, weil sie keinen Bezug zur Forschungsfrage hatten. Der gesamte Rechercheprozess wird in Abbildung 1 (Anhang B) dargestellt. Die Primärstudien sind in Tabelle 1 im Anhang A vorzufinden. Dabei sind die für Forschungsfragen relevante Infor­mationen zur Quelle, zum Studiendesign, Erhebungsland und -jahr, zur Stichprobe, zu den Messinstrumenten, Variablen, zentralen Ergebnissen, methodenkritischen Analyse und die dazugehörigen Forschungsfragen des Literaturreviews, überblicksartig aufgelistet.

3.3 Einbezogene Quellen

Es wurden insgesamt 22 Primärstudien mit konkretem Bezug zu den drei For­schungsfragen analysiert, welche im Literaturverzeichnis mit (*) gekennzeichnet sind. Eine Übersicht der Studien ist in Tabelle 1 im Anhang A einzusehen.

4. Ergebnisse

Das folgende Kapitel fasst die für das vorliegende systematische Literaturreview relevanten Untersuchungsziele der eingeschlossenen Primärstudien zusammen und erläu­tert die Ergebnisse mit Bezug auf die Forschungsfragen des Reviews.

4.1 Forschungsfrage 1

Den Anfang der 6 Studien, welche den Unterschied zwischen Minoritäts- und Ma­joritätsgruppen bei Kontaktbereitschaft und Intergruppeneinstellungen in hoch konfliktä­ren machtasymmetrischen Kontexten am Beispiel des israelisch-palästinensischen Konflikts überprüfen, bildet die Studie von Gilad et al. (2021). Die AutorInnen untersuch­ten die Auswirkung einer kontaktbasierten Intervention (Intergruppentreffen) auf die Wahr­nehmung der israelisch-jüdischen (Majorität) und israelisch-arabischen (Minorität) Vpn im Hinblick auf die arabisch-jüdischen Beziehungen in Israel im besonderen Kontext der Machtasymmetrie zwischen den beiden Gruppen. Die Stichprobe bestand aus insgesamt 63 arabischen (56 Frauen und 7 Männer) und 70 jüdischen Personen (53 Frauen und 17 Män­ner). Das mittlere Alter der Versuchspersonen (Vpn) lag bei M = 29.96 Jahren. Es gab 2 Versuchsbedingungen: Interventionsbedingung (N = 51) und Kontrollbedingung (N = 82). In der Interventionsbedingung wurden 19 arabische und 32 jüdische Vpn, die bereits an Intergruppentreffen teilgenommen hatten, via E-Mail für eine online-Umfrage rekrutiert.

In der Kontrollbedingung partizipierten 38 jüdische und 44 arabische ehemalige Studie­rende, die noch an keinem solcher Intergruppentreffen teilgenommen hatten. Die Vpn soll­ten eine online Fragebatterie beantworten, und dabei wurden auf jeweils einer bipolaren 7­stufigen Skala Wahrnehmung der Intergruppenbedrohung (threat perception), Fremdgrup­penvertrauen (outgroup trust), Bereitschaft zur Vergebung (willingness to forgive) und Konkurrenz um die Opferrolle (competitive victimhood) gemessen, wobei höhere Werte auch höheren Ausprägungen der zu messenden Konstrukte entsprachen. Als erstes wurden die Haupteffekte der Intervention und der Ethnie und ihre Interaktion auf die 4 Outcome- variablen mittels multivariater Varianzanalyse (MANOVA) getestet. Die 2 (Interventions­bedingung vs. Kontrollbedingung) x 2 (jüdische vs. arabische Vpn) MANOVA ergab einen signifikanten Effekt sowohl für die Intervention, F (4,126) = 2.69, p = .034, = .079 als auch für die Ethnie, F (4,126) = 18.41, p < .001, n = .369. Die Zwei-Wege-Interaktion (Intervention x Ethnie) war ebenfalls signifikant, F (4,126) = 14.83, p < .001, = .320. Als nächstes wurden univariate Varianzanalysen (ANOVA) separat für jede der 4 Outcome- Variablen durchgeführt. Für threat perception gab es einen marginal signifikanten Haupt­effekt für die Intervention, F (1,129) = 3.62, p = .059, n = .027, weniger Bedrohungsemp­finden in der Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe, M = 4.42 (SD = 1.97) vs. M = 5.28 (SD = 1.37). Der Haupteffekt für die Ethnie war signifikant, F (1,129) = 44.66, p < .001, n = .257, Minorität berichtete höheres Bedrohungsempfinden im Vergleich zu Majorität, M = 5.61 (SD = 1.17) vs. M = 4.36 (SD = 1.84). Die Zwei-Wege-Interaktion war signifikant, F (1,129) = 50.80, p < .001, n = .283, Minorität berichtete signifikant höhere Bedrohung in der Intervention als Majorität, M = 6.48 (SD = 0.54) vs. M = 3.20 (SD = 1.39), t(44) = 11.81, p < .001, d = 3.11. Für outgroup trust ergab sich ein signifikanter Haupteffekt nur für die Intervention, F (1,129) = 3.95, p = .049. n = .030, Vpn berichteten in der Interven­tion höheres Fremdgruppenvertrauen, M = 4.25 (SD = 1.55), als in der Kontrollbedingung, M = 3.64 (SD = 1.29). Die Zwei-Wege-Interaktion war ebenfalls signifikant, Minorität hatte in der Intervention weniger Vertrauen, als Majorität, M = 3.42 (SD = 1.66) vs. M = 4.75 (SD = 1.27), t (49) = 3.210, p = .002, d = .87. Derselbe Vergleich zwischen den beiden Gruppen in der Kontrollbedingung ergab ein signifikantes Ergebnis, jedoch in die entge­gengesetzte Richtung, M = 4.02 (SD = .93) vs. M = 3.19 (SD = 1.50), t (59) = 2.92, p = .005, d = .66, Minorität, die keinen Kontakt hatte, berichtete signifikant höheres Fremdgruppen­vertrauen als Majorität. Für outgroup forgiveness gab es einen signifikanten Haupteffekt sowohl für die Intervention, F (1,129) = 5.84, p = .017, n = .043, als auch für die Ethnie, F (1,129) = 1.449, p = .023, n2 = .011, in der Intervention wurde höhere Vergebungsbereit­schaft berichtet, M = 4.11 (SD = 1.84), als in der Kontrollbedingung, M = 3.32 (SD = 1.79), und die Minorität zeigte eine höhere Tendenz, der Fremdgruppe zu vergeben, M = 3.90 (SD = 1.73), als die Majorität, M = 3.37 (SD = 1.91). Die Zwei-Wege-Interaktion war signifi­kant, F(1,129) = 12.59, p < .001, n = .089. Für competitive victimhood gab es einen sig­nifikanten Haupteffekt für die Ethnie, F (1,129) = 24.57, p < .001, n = .160 und eine signifikante Zwei-Wege-Interaktion, F (1,129) = 29.11, p < .001, n = .184, die Minorität berichtete in der Intervention signifikant höhere Ausprägung von Konkurrenz um die Op­ferrolle verglichen mit Majorität, M = 5.41 (SD = 0.70) vs. M = 3.25 (SD = 1.27), t (49) = 7.865, p < .001, d = 2.11.

Gross & Maor (2020) untersuchten die Stereotype und Vorurteile, soziale Bezie­hungen und soziale Distanz von israelisch-jüdischer Majorität und arabischer Minorität, indem sie die Campusse der Blue Universität (20% arabischer Studierender) und der Orange Universität (1,9% arabischer Studierender) miteinander verglichen. Die Stichprobe bestand aus 200 Studierenden, 100 aus Blue und 100 aus Orange, darunter 68 % Frauen (58% jüdisch und 78% arabisch). Das mittlere Alter der Vpn lag bei M = 26.47 (SD = 6.07). Gemessen wurden die Qualität und die Quantität des Intergruppenkontakts (extent of contact) mit einem zweiteiligen Fragebogen (Voci & Hewstone, 2003), die Vorurteile mit einem Fragbogen (Ybarra & Stephan, 1994), welcher auf Hebräisch übersetzt wurde (vgl. Sabo, 2002), die Stereotype analog dazu (Ybarra & Stephan, 1994), die soziale Distanz ebenso (Ybarra & Stephan, 1994) und soziale Beziehungen zwischen arabischen und jü­dischen Studierenden (Nachum, 2006), wobei höhere Werte auch höheren Ausprägungen der zu messenden Konstrukte entsprachen. Jeder Fragebogen wurde jeweils in zwei Versi­onen angefertigt: einer für jüdische und einer für arabische Studierende. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanter Unterschied bei dem extent of contact, t (198) = 2.66, p < .001. Die Qualität und die Quantität des Kontakts war an der Blue (M = 59.55, SD = 18.28) höher als an der Orange (M = 52.34, SD = 9.93). Der Unterschied in der Religiosität war ebenfalls signifikant, x2 (3) = 30.90, p < .001, mit höherer Ausprägung an der Orange. Die Autorin­nen testeten die Hypothese, dass die Vpn an der Orange mehr Stereotype und mehr Vorur­teile gegenüber der Fremdgruppe haben würden, mittels multivariater Kovarianzanalyse (two-way MANCOVA) und es ergab sich in einem simultanen Test ein signifikanter Un­terschied zwischen den beiden Universitäten, F (2, 192) = 5.22, p < .001, n = .05. Es wur­den Varianzanalysen (ANOVA) für jede der abhängigen Variablen (AV) durchgeführt und es zeigten sich höhere Ausprägungen von Stereotypen, M = 5.43 (SD = 1.47) vs. M = 4.98 (SD = 1.51) und Vorurteilen, M = 5.78 (SD = 1.41) vs. M = 5.06 (SD = 1.63) unter den Vpn der Orange im Vergleich zu der Blue. Weiterhin wurde getestet, ob Vpn der Orange Uni­versität weniger soziale Beziehungen und höhere soziale Distanz zu Fremdgruppe berich­ten würden, ebenfalls mittels two-way MANCOVA, und es ergab sich in einem simultanen Test ein signifikanter Unterschied, F(3, 192) = 12.98, p < .001, n2 = .12. Die ANOVAs für jede der AV ergaben weniger soziale Distanz, M = 4.57 (SD = 1.96) vs. M = 5.95 (SD = 2.10) und mehr soziale Beziehungen, M = 2.97 (SD = 1.13) vs. M = 2.33 (SD = 1.12) an der Blue im Vergleich zu Orange. Um zu testen, ob die Intergruppeneinstellungen und so­ziale Beziehungen zwischen Majorität und Minorität an der Orange sich von denen der Blue unterschieden, wurden Interaktionsdaten aus einer two-way MANCOVA analysiert. In einem simultanen Test gab es einen signifikanten Interaktionseffekt von Universität und Ethnie auf die Intergruppeneinstellungen, F (2, 192) = 5.22, p = .01, n = .05, wobei nach Ausführung der ANOVAs für jede AV lediglich die Interaktion auf die Stereotype, F (1, 193) = 10.90, p = .01, n2 = .05, signifikant war. Darüber hinaus fand man nach Ausführung diskreter Einweg-Kovarianzanalysen für jede Universität bei gleichzeitiger Kontrolle des Geschlechts, des akademischen Grades und des Alters heraus, dass Minorität der Blue mar­ginal höhere Ausprägungen der Stereotype gegenüber Majorität hatte, p = .059.

In der nächsten Studie beschäftigte man sich mit der arabischen Minorität im isra­elischen Gesundheitssektor. Keshet & Popper-Giveon (2018) interviewte arabische Kran­kenpflegerinnen und arabische ÄrztInnen, um die rassenbasierten Erfahrungen des medizinischen Fachpersonals der Minorität im Kontext des Gesundheitsversorgungssys­tems der israelischen Majoritätsgesellschaft zu erforschen. Mit qualitativer Untersuchungs­methode, die es den Vpn ermöglichte, ihre Ansichten, Erfahrungen, Überzeugungen und Verhalten in dem oben genannten Kontext zu beschreiben, wurden Tiefeninterviews mit einer Schneeball-Stichprobe von 10 arabischen ÄrztInnen (9 männlich, 1 weiblich) im Al­ter von 25 bis 57 und 13 arabischen Krankenpflegerinnen (7 männlich, 6 weiblich) im Alter von 23 bis 60, zwischen 2013 und 2014 in öffentlichen israelischen Krankenhäusern durch­geführt. Es wurden 3 Ebenen untersucht: (1) Mikroebene des face-to-face Rassismus, (2) Mesoebene der institutionellen Diskriminierung und (3) Makroebene der diskriminieren­den Politik und Gesetzgebung. Weiterhin wurden die Erfahrungen der arabischen ÄrztIn­nen und arabischen Krankenpflegerinnen miteinander verglichen und es stellte sich heraus, dass auf Mikroebene überwiegend Krankenpflegerinnen über Erfahrungen, wie z. B. Be­handlungsverweigerung, verbale Angriffe und physische Gewalttätigkeit berichteten. Auf der Mesoebene berichteten überwiegend Ärztinnen über institutionelle Diskriminierung, z. B. während der Studienzeit in der medizinischen Fakultät, während der Facharztausbildung oder im Laufe ihrer medizinischen Karriere. Auf der Makroebene hat ein Arzt über politi­sche Diskriminierung in Bezug auf russisch-jüdische Mediziner berichtet, die aus der ehe­maligen Sowjetunion nach Israel immigriert sind und vom Gesundheitsministerium bei der Einstellung in den Krankenhäusern stets gegenüber arabischen ÄrztInnen priorisiert wur­den.

Ziel der nächsten Studie war es, die Einstellungen der israelisch-jüdischen Majori­tät gegenüber arabischer Minorität am Arbeitsplatz zu analysieren. Klein et al. (2018) un­tersuchte dazu 873 jüdische Vpn, die in Organisationen zusammen mit arabischen Arbeitnehmenden arbeiteten, 53% männlich and 47% weiblich, (M = 31, SD = 8.34), aus einer willkürlichen Stichprobe. 524 Vpn lebten im Zentralisrael und 348 in jüdischen Sied­lungen. Bezüglich der Religion waren 264 Vpn orthodox (30.2%), 320 traditionell (36.7%) und 287 säkular (32.9%). Die eingesetzten Fragebögen (Mollov & Lavie, 2001) enthielten folgende Einstellungsfaktoren: (1) direkte Einstellung: hier wurde die Bereitschaft gemes­sen, mit arabischen Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz Freundschaft zu schließen, (2) Wahrnehmung von Einstellung der arabischen Arbeitnehmenden den jüdischen gegenüber, (3) Kontaktbereitschaft, sich mit arabischen Arbeitnehmenden auch außerhalb der Arbeit zu treffen, (4) Allgemeine Einstellung, in Frieden miteinander zu leben und es wurde von 1 (trifft voll und ganz zu) bis 5 (trifft überhaupt nicht zu) gemessen. Des Weiteren wurden die Vpn gebeten, die Persönlichkeitseigenschaften der arabischen Arbeitnehmenden auf ei­ner semantischen Differenzialskala von 1 (positive Eigenschaft) bis 7 (negative Eigen­schaft), wie z. B. interessant vs. langweilig, zu bewerten. Die Skalen wurden umgepolt, so dass niedrige Zahlen negativen Einstellungen oder Persönlichkeitseigenschaften entspra­chen. Die Einstellungen gegenüber den Arbeitscharakteristika der arabischen Arbeitneh­menden wurden mit einem von den Autoren selbst konstruierten Fragebogen gemessen. Es wurde die Wahrnehmung der Arbeitsqualität und die Wahrnehmung der Investitionen der Regierung in Bezug auf die Unterstützung der Arbeitsfähigkeit der Minorität von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme vollkommen zu). Da es keine a priori festgesetzte Anzahl der Faktoren gab, wurde eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt und es ergaben sich ursprünglich 2 Faktoren, die 32% und 15% der Varianz aufklärten. Die Ergebnisse aus un­abhängigen t-Test Analysen ergaben Unterschiede in direkter Einstellung, t (870) = 3.309, p < .01, der Wahrnehmung, t (870) = 3.240, p < .01, und der Kontaktbereitschaft, t (870) = 2.789, p < .01, Majorität, die mit Minorität zusammenarbeitete, war eher bereit, Freund­schaften mit ihr zu schließen, sie fühlte, dass arabische Arbeitnehmende positivere Einstel­lungen den jüdischen KollegInnen gegenüber hatten, sie war eher bereit, Freundschaften außerhalb des Arbeitskontextes mit ihnen zu schließen im Vergleich zu Teilnehmenden ohne Kontakt. Allgemeine Einstellung, in Frieden miteinander zu leben und die Wahrneh­mung der Persönlichkeitseigenschaften waren hingegen nicht signifikant. Beide Gruppen hatten wenig Hoffnung auf friedvolles Zusammenleben (M = 2.59 für Vpn ohne Kontakt und M = 2.67 für Vpn mit Kontakt) und die Vpn mit Kontakt nahmen die Persönlichkeits­eigenschaften der Minorität sogar negativer wahr (M = 3.86) als diejenigen ohne Kontakt (M = 3.76). Mit Hilfe einer hierarchischen multiplen Regression wurde der Zusammenhang der Einstellungen im Allgemeinen (UV) und Wahrnehmung der Arbeitscharakteristika der arabischen Arbeitnehmenden (AV) unter Berücksichtigung des Geschlechts, Alters, Wohn­raums, der Religion, des sozioökonomischen Status und der traditionellen und universellen Wertevorstellungen untersucht. Vpn, die eher zur Freundschaft am Arbeitsplatz (ß = .653, p < .001) und außerhalb (ß = .707, p < .001) bereit waren, zeigten auch mehr Hoffnung auf friedvolles Zusammenleben (ß = .598, p < .001), positivere Wahrnehmung der Gewogen­heit der arabischen Population (ß = .581 , p < .001) und nahmen die Persönlichkeitseigen­schaffen positiver wahr (ß = .518, p < .001).

Razpurker-Apfeld & Shamoa-Nir (2021) untersuchten in zwei Studien die Dyna­mik, durch die temporäre motorische Annäherungs- oder Vermeidungsaktivierung während des Beobachtens eines Fremdgruppenmitglieds die Einstellung der Majorität gegenüber der Minorität beeinflusst. Mit dem Embodied Cognition Ansatz (Wechselwirkung zwischen Kognition, Sensorik und Motorik) wurde die motorische Annäherungs- oder Vermeidungs­aktivierung durch die Manipulation von arm flexion (temporäre implizite Kontraktion des Armbeugers durch Drückbewegung nach oben gegen einen Tisch, Ellenbogenwinkel 90°) und arm extension (temporäre implizite Kontraktion des Armstreckers durch Drückbewe­gung nach unten gegen einen Tisch, Ellenbogenwinkel 180°) realisiert und deren Einfluss auf explizite Intergruppeneinstellungen analysiert. Ersteres induziert Annäherungs-, Letz­teres Vermeidungsmotivation. In der ersten Studie wurden 60 jüdische Studierende an einer israelischen Universität, darunter 12 Männer und 48 Frauen, im Alter von 19 bis 49 (M = 25.5, SD = 5.1) rekrutiert, je 30 Vpn pro Experimentalbedingung. Basierend auf Stichpro­bengröße (n = 30 pro Gruppe) zeigte die Sensitivitätsanalyse mit G*Power (Faul et al., 2009) eine Effektstärke von d = .65 mit 80% Power in einem t-Test für unabhängige Stich­proben (a = .05, einseitig). Das Ethikvotum wurde eingeholt. Es wurde ein farbiges Bild einer männlichen arabisch-muslimischen Person in religiöser Kleidung und mit Symbolen (Kufiya - ein von Männern getragenes Kopftuch in arabischen Ländern und eine islami­sche Halskette mit Halbmond und Stern) präsentiert. Diese religiösen Symbole wurden in einem Prätest von 57 jüdischen Studierenden als signifikant zu arabisch-muslimischen Gruppe zugehörig bewertet, p < .001. Das Messinstrument war eine hebräische Version (Tur-Kaspa Shimoni & Schwarzwald, 2003) von Fragebogen zur Erfassung von Vorurtei­len (Stephan et al.,1999) und beinhaltete 14 emotionsbasierte Konstrukte: Feindlichkeit, Bewunderung (R-reversed), Mögen (R), Akzeptanz (R), Überlegenheit, Empathie (R), Ver­achtung, Hass, Sympathie (R), Zurückweisung, Wärme (R), Wertschätzung (R), Identifi­kation (R) und Besorgnis. Gemessen wurde auf einer Likert-Skala von 1 bis 10, höhere Werte entsprachen auch höheren Ausprägungen der zu messenden Konstrukte (nach Um­polung von 8 Items). Vpn wurden zufällig einer der Experimentalbedingungen (arm flexion oder arm extension) zugeordnet und mussten für drei Minuten das Bild anschauen, während ihre dominante Hand im Sinne der Instruktion aktiviert war. Danach füllten sie den Frage­bogen aus und gaben Informationen über ihr Alter, Geschlecht und Religiosität an. Die vorherige Analyse bestätigte, dass der Grad der Religiosität sich nicht signifikant zwischen den Gruppen unterschied (M iiexio,, = 5.53, SD ^ on = 3.51; M extension = 5.88, SDextension = 3.60), t (58) = - .381, p = .784. Auch unterschied sich die Verteilung der Männer und Frauen nicht signifikant zwischen den zwei Gruppen, x2 (1) = .417, p = .519. Die Ergebnisse aus einem t-Test für unabhängige Stichproben zeigten, dass arm extension (M = 6.52, SD = 1.44) mehr mit Vorurteilen der arabisch-muslimischen Fremdgruppe gegenüber einherging als arm fle­xion (M = 5.77, SD = 1.06), t (58) = - 2.281, p = .026, 95% CI [- 1.40, - 0.09], d = .59.

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Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Minoritäts-Majoritäts-Unterschiede. Wirksamkeit von Kontakt zur Reduktion von negativen Intergruppeneinstellungen
Untertitel
Ein systematischer Literaturreview
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
106
Katalognummer
V1160020
ISBN (eBook)
9783346570284
ISBN (Buch)
9783346570291
Sprache
Deutsch
Schlagworte
minoritäts-majoritäts-unterschiede, wirksamkeit, kontakt, reduktion, intergruppeneinstellungen, literaturreview
Arbeit zitieren
Ella Smirnova (Autor:in), 2021, Minoritäts-Majoritäts-Unterschiede. Wirksamkeit von Kontakt zur Reduktion von negativen Intergruppeneinstellungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1160020

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