Einkauf 4.0. Die Digitalisierung im Einkauf


Bachelorarbeit, 2020

64 Seiten, Note: 1,8

Anonym


Leseprobe


I. Inhaltsverzeichnis

I. Inhaltsverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

III. Abkürzungsverzeichnis

1 Motivation und Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen

2.1 Historische Entwicklung des Einkaufs
2.2 Einordnung und Aufgaben des Einkaufs
2.2.1 Zentrale Einkaufsorganisation
2.2.2 Aufgaben des Einkaufs
2.3 Probleme im traditionellen Einkauf
2.4 Digitalisierung und Industrie 4.0
2.4.1 Digitalisierung
2.4.2 Industrie 4.0

3 Der Weg zum Einkauf 4.0
3.1 Abgrenzung zum Einkauf 3.0
3.1.1 Merkmale des Einkaufs 3.0
3.1.2 E-Procurement
3.2 Auswirkungen der Digitalisierung
3.2.1 Chancen und Möglichkeiten
3.2.2 Risiken und Herausforderungen
3.3 Vision des Einkaufs 4.0
3.3.1 Digitalisierungsstrategie
3.3.2 Implementierung
3.3.3 Ziele
3.4 Change-Management

4 Elemente der Digitalisierung im Einkauf
4.1 Technologien
4.1.1 Big Data & Predictive Analytics
4.1.2 Automatisierung von Einkaufsprozessen
4.2 Lieferantenmanagement
4.2.1 Lieferantenvernetzung und -auswahl
4.2.2 Hürden und Schwierigkeiten
4.3 Einkäufer in einer digitalen Welt
4.3.1 Zukünftige Rolle und Aufgaben des Einkäufers

5 Ausblick: Tendenzen in der Zukunft

IV. Literaturverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wertschöpfungskette nach Porter

Abbildung 2: Stufen des Industrie 4.0-Entwicklungspfads

Abbildung 3: Die vier Stufen der Industriellen Revolution

Abbildung 4: Entwicklungspfad des Einkaufs

Abbildung 5: Die Grundidee des E-Procurement

Abbildung 6: Zielkomplex eines strategischen Einkaufs 4.0

Abbildung 7: Teufelskreis durch schlechtes Change Management

Abbildung 8: Lieferantenportfolio für den Einkauf 4.0

III. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Motivation und Aufbau der Arbeit

„Nichts wird bleiben wie es war.“1 Das Thema Digitalisierung prägt das Leben in jeder Hinsicht, sei es im Alltag oder auf der Arbeit. Was vor Jahrzehnten unvorstellbar war, ist heutzutage unabdingbar, denn Dinge wie ein Smartphone, das Internet, Online-Shopping oder Social Media sind tägliche Begleiter des Privatlebens. Neben Privatpersonen können und müssen auch Unternehmen Chancen und Vorteile der Digitalisierung nutzen, wobei sie aber auch gleichzeitig mit neuen Herausforderungen rechnen müssen. Denn sowohl Privatnutzer als auch Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass die Digitalisierung riskant ist und das Thema Datenschutz bzw. -sicherheit stets vor Augen gehalten werden sollte.2

Zusammen mit dem Ausdruck der „digitalen Revolution“ fällt oftmals auch der Begriff Industrie 4.0. Mithilfe von digitalen Technologien der Industrie 4.0, ist es möglich die Vernetzung im Unternehmen sicherzustellen. In diesem Kontext müssen Unternehmen ihre Prozesse und die Organisation anpassen sowie neue Technologien einführen, damit sie den digitalen Wandel nicht verpassen, um somit dem Wettbewerb standzuhalten. Ein Grund dafür, warum manche Unternehmen nicht den Schritt in Richtung Einkauf 4.0 wagen, ist der Vorgänger E-Procurement. Dessen Einführungsprojekte damals waren nicht erfolgreich, sodass dem Nachfolger nicht genügend Interesse entgegengebracht wurde.3 Folglich verpassen viele Unternehmen die Digitalisierung oder sehen keine Notwendigkeit in der Einführung neuer Technologien.4

Das Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist, die Chancen und Herausforderungen, sowie die Strategieansätze der Digitalisierung zu skizzieren. Zugrunde gelegt werden Aspekte, die ein effizientes Change-Management ausmachen, um das Potenzial von Einkauf 4.0 auszuschöpfen, um eine erfolgreiche Implementierung zu realisieren.5

In erster Linie ist es essenziell die Entstehung und Bedeutung von Einkauf 4.0 darzulegen. Auf dem Weg dahin müssen vorab die Begriffe Industrie 4.0 und Digitalisierung näher betrachtet werden, um somit das nötige Vorwissen zu vermitteln. Demnach werden im zweiten Kapitel die Grundlagen für die Thematik betrachtet. Zunächst wird in Kapitel 2.1 die historische Entwicklung des Einkaufs dargelegt. Darauf aufbauend wird in Kapitel 2.2 die Einordnung und die allgemeinen Aufgaben des Einkaufs erläutert.

Kapitel 2.3 umfasst die Probleme des traditionellen Einkaufs und erklärt, weshalb dieser nicht zeitgemäß ist. Kapitel 2.4 beschäftigt sich mit der digitalen Entwicklung, also den Begriffen Digitalisierung und Industrie 4.0. Hier werden zunächst die Entstehung und Bedeutung derer erklärt. Darauf aufbauend wird die Beziehung zwischen der Digitalisierung und Industrie 4.0 beleuchtet. Kapitel 3 analysiert den Werdegang des Einkauf 4.0. Dazu gehört zunächst die in Kapitel 3.1 dargelegte Abgrenzung zum Vorgänger „Einkauf 3.0“ bzw. E-Procurement. In Kapitel 3.2 werden die Konsequenzen der Digitalisierung näher betrachtet. Hier werden sowohl Chancen und Möglichkeiten als auch Herausforderungen und Risiken auf dem Weg zum Einkauf 4.0 gegenübergestellt. Kapitel 3.4 beschäftigt sich mit der Vision, insbesondere mit der nötigen Einkaufsstrategie und den damit verbundenen Zielen. Um die Vision von Einkauf 4.0 zu realisieren ist ein erfolgreiches Change-Management notwendig, das in Kapitel 3.4 behandelt wird.

Kapitel 4 beinhaltet wichtige Elemente des digitalisierten Einkaufs. Dazu gehören die Technologien in Bezug auf Digitalisierung und Treiber von Industrie 4.0. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Betrachtung des Lieferantenmanagement in Kapitel 4.2. Kapitel 4.3 analysiert die Aufgaben und die Rolle der zukünftigen Einkäufer einer digitalisierten Einkaufsabteilung.

Die Arbeit schließt mit einem Ausblick und den Tendenzen in der Zukunft in Kapitel 5 ab.

2 Grundlagen

2.1 Historische Entwicklung des Einkaufs

„Einkaufen kann jeder!“6, heißt es bis heute noch im Volksmunde und lässt die Aktivitäten des Einkaufs relativ simpel und unspektakulär erscheinen. Doch wer sich etwas ausführlicher mit der Materie auseinandersetzt, bekommt schnell das Gefühl, dass das professionelle Einkaufen von Waren und Dienstleistungen so gut wie keine Gemeinsamkeiten mit dem „Shopping“ im Alltag zu tun hat.7

Historisch betrachtet beschäftigte sich der Einkauf in Phasen der Entwicklungs- und Absatzorientierung mit der Materialanschaffung und damit verbunden diese zu geringen Preisen zu besorgen. Das primäre Ziel der Unternehmen war also, die Materialbeschaffung in der erforderlichen Menge und Qualität, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und zum bestmöglichen Preis bereitzustellen. Es handelt sich hierbei um den reinen Einkauf, der keine strategischen Aufgaben beinhaltet, also die operative Abwicklung der Beschaffung umfasst.8

Unter anderem auch Porter, der bekannt für seine Theorie der Wertschöpfungskette im Jahre 1986 ist, ordnete den Einkauf als eine Teilfunktion der Beschaffung ein und stellte diese als „unterstützende Funktion“ dar.9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wertschöpfungskette nach Porter

Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon (o.J.), Onlinequelle.

Der Einkäufer damals hatte demnach wenig Freiraum und ihm wurden lediglich Aufgaben zugeschrieben, die ebenso von Schreib- und Bürokräften erledigt werden konnten. In diesem Sinne entstand womöglich auch der anfängliche Ausdruck „Everyone can do purchaising“.10

Erst gegen Ende der 80er Jahre setzte José Ignacio López de Arriortúa die ersten Fußstapfen in der strategischen Entwicklung der Beschaffung und der des Einkaufs. Nachdem Jack Smith, Europachef von Opel, die Bedeutung eines effizient gemanagten Einkaufs und den enormen Anteil der Materialkosten im Unternehmen durchblickte, gelang es López de Arriortúa durch Verbesserungen und mit Hilfe seiner „Krieger“ bei General Motors und Volkswagen deutliche Erfolge im Einkauf zu erzielen.11 Somit wurde mit dem ständigen Wandel im Gange der Globalisierung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Umwandlungen schnell klar, dass der traditionelle Einkauf, sowie die Beschaffung in diesem Sinne nicht mehr ausreichend waren und erweitert werden müssen.12 Seither hat der Einkauf an Wert und Aufmerksamkeit gewonnen und bildet als eine eigenmächtige Funktion die Schnittstelle zu Lieferanten und Beschaffungsmärkten von Unternehmen.13 Trotz vieler Veränderungen und erweiterter Aufgaben des Einkaufs, werden die Begriffe Einkauf und Beschaffung in der Literatur dennoch als synonym verwendet.14

Da die Globalisierung und damit verbunden auch die Digitalisierung in der heutigen Zeit immer mehr fortschreiten und kein Ende in Sicht ist, stehen die Unternehmensbereiche, insbesondere der Einkauf, unter einem großen Veränderungszwang. Die Erkenntnis und Akzeptanz der erforderlichen Veränderungen seitens der Unternehmen sind vorhanden, doch wie und in welchem Umfang sich der Einkauf ändern wird ist ihnen noch nicht bekannt. Betroffen davon ist die Einkaufsstrategie bis hin zum Lieferantenmanagement, Mergers & Acquisitions oder Neuregelungen in der Unternehmenshierarchie.15

2.2 Einordnung und Aufgaben des Einkaufs

Die Aufgaben, der Aufbau und die Organisationsform einer Einkaufsabteilung im Unternehmen können nicht konzeptionell bzw. im Vorfeld bestimmt werden. Zum einen sind sie von „unternehmensspezifischen kritischen Erfolgsfaktoren“16 abhängig, zum anderen bilden sich diese aus früheren Stadien heraus. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, Vergleiche zwischen Unternehmensstrukturen zu ziehen. Im Folgenden wird die zentrale Einkaufsorganisation, ihr Tätigkeitsbereich und die Unterscheidung von anderen Unternehmensbereichen näher untersucht.17

2.2.1 Zentrale Einkaufsorganisation

Die Literatur unterscheidet zwischen zwei extremen Organisationsformen im Einkauf, der zentralen und der dezentralen. Die zentrale Einkaufsorganisation, oder auch Zentraleinkauf genannt, ist für den gesamten Beschaffungsprozess des Unternehmens verantwortlich. Es gibt also nur eine gemeinsame Einkaufsabteilung, die von der Planung bis hin zur Kontrolle, alle möglichen Beschaffungsmaßnahmen allein durchführt. Der Aufbau und die Struktur des Unternehmens bei der Gestaltung sind dabei nicht ausschlaggebend. Der zentrale Einkauf ist also für Gesellschaften, Werke und Unternehmen und Konzerne mit sowohl einer als auch mehreren Organisationseinheiten durchsetzbar.18

Die Vorteile, die der zentrale Einkauf mit sich bringt, sind beispielweise:

- Bedarfsbündelung sowohl bereichs- als auch standortübergreifend, um Preisvorteile zu sichern
- Bessere Verwaltung und Entwicklung von Personalkapazitäten und Qualifikation durch die Bündelung in einer Abteilung
- Einkaufsprozesse und Spezifikationen lassen sich einfacher führen und steuern
- Bündelungen anhand Wissens - und Informationsaustausch möglich
- Gute Erfolgskontrolle durch einheitliche Kennzahlen
- Optimierte Lieferantenverhandlungen und Disposition durch Bedarfsbündelung
- Klare Verantwortlichkeiten, sowohl abteilungsintern als auch -extern
- Transparenz von Controlling und Beschaffungsaktivitäten19

Bei der dezentralen Einkaufsorganisation gibt es für jeden Standort bzw. jede Geschäftseinheit eine eigene Einkaufsabteilung, die eigenverantwortlich ist und keinerlei Koordination mit den anderen Abteilungen hat. Im Extremfall kommt dies vor, wenn keine ausgebildeten Einkäufer zum Einsatz kommen und die Beschaffung von den Mitarbeitern der Bedarfsträger selbst in Angriff genommen wird. Je nach Unternehmensgröße, Komplexität der Organisation und des Aufbaus wird es jedoch schwierig dieses System beizubehalten. In diesem Fall ist es sinnvoll, mehrere Einkaufsabteilungen zu bilden, welche in den Organisationseinheiten der Verbraucher stationiert sind und sich somit nur mit der Abwicklung der Bedarfe derer beschäftigt.20

In der Praxis sind rein zentrale oder dezentrale Einkaufsorganisationen kaum mehr vorzufinden. Stattdessen werden in vielen Unternehmen, durch Optimierung und Kombination, die Vorteile beider Extremformen in der hybriden Einkaufsorganisation vereint. Die Risiken werden dabei gezielt außer Betracht gelassen. Strategische, komplexe Aufgaben wie die Markt- und Lieferantenanalyse, das Einkaufscontrolling und die Entwicklung der Einkaufsmethoden und -systeme werden dem Zentraleinkauf zugeschrieben. Die operativen Beschaffungsmaßnahmen werden seitens fachspezifischer Einkaufsorganisationen im Bereich der Verbraucher-Organisationseinheiten durchgeführt.21

Je nach Zielsetzung des Unternehmens ist die Wahl der einen oder anderen Organisationsform sinnvoll. An dieser Stelle spielt die Integration in die Unternehmensstrategie eine wichtige Rolle. Wichtig bei der Wahl ist die Sicherstellung zu den anderen Unternehmensbereichen und der erforderliche Informationsfluss. Wie die gewählte Organisationsform letztendlich ausschaut, hängt von kritischen Einflussgrößen wie beispielsweise der Unternehmensgröße, der Anzahl der Geschäftsbereiche und der Ausgestaltung dieser einzelnen ab. Ebenso wichtig ist der Grad der Globalisierung bzw. der Regionalisierung im Unternehmen.22

2.2.2 Aufgaben des Einkaufs

Welche Aufgaben durch den Einkauf übernommen werden, ist abhängig vom jeweiligen Unternehmen. Aus diesem Grund liegt in der vorliegenden Arbeit der Fokus auf den Kernaufgaben des Einkaufs. Diese werden sowohl in der Literatur als auch in der Praxis unterschiedlich definiert. Die klassische Aufgabe des Einkaufs innerhalb des Unternehmens ist die Verfügbarkeit von benötigten, aber nicht selbst produzierbaren Gütern zu gewährleisten.23

Doch darüber hinaus leistet der Einkauf mehr als das Selbstverständliche, sodass er sein Potenzial nutzt, um neben operativen Aufgaben auch strategische Aufgaben zu erledigen.24 Während strategische Aufgaben die langfristigen Tätigkeiten umfassen, sind die operativen Aufgaben für administrative Tätigkeiten am Tagesgeschäft verantwortlich. Operative Aufgaben können beispielsweise die Bestellabwicklung, Reklamationen, Terminarbeiten, Rechnungsprüfungen und Auftragsbestätigungen sein.25

Zu den strategischen Kernaufgaben zählen unter anderem die termingerechte Sicherstellung in der Beschaffung, die Bedarfsermittlung, Bestellabwicklung und Disposition, Einkaufscontrolling sowie das strategische Einkaufsmanagement. Aber auch die Analyse und Bewertung der Make–or-Buy Frage, das Lieferantenmanagement sowie rechtliche Aufgaben wie Vertragsverhandlungen fallen darunter.26

Darüber hinaus gibt es weitere strategische Aufgaben, die weniger zum Tagesgeschäft zählen. Dazu gehören das Global Sourcing, Prozessoptimierungen mit Hilfe von E-Procurement und Weitere, die die Anforderungen eines Projektmanagers an den Einkäufer stellen.27 In Unternehmen mit standortübergreifenden Einkaufsabteilungen gehört auch die Bedarfsbündelung und die Standardisierung der IT-Systeme zu den Aufgaben, was wiederum eine Supply Strategie voraussetzt.28

Um die Effizienz im Einkauf zu steigern lassen sich Prozesse durch den Einsatz digitaler Beschaffungs-Tools automatisieren bzw. dezentralisieren, wodurch die Einkäufer bezüglich der Routineaufgaben, insbesondere der operativen Aufgaben entlastet werden und sich somit auf die strategischen Aufgaben konzentrieren können. Dazu zählen Bedarfsermittlungen und -anforderungen, Bestellübermittlungen aber auch die Kontrolle des Wareneingangs. Hierbei soll der Einkauf kein Kostenfaktor mehr sein, sondern stattdessen ein Erfolgsfaktor, wobei der Fokus auf der Prozessorientierung liegt. Dadurch sollen digitale Prozesse unterstützt werden. Auch die Lieferantenbeziehungen sollen folglich besser durchdacht werden, sodass der Kostenpunkt nicht mehr einziges Auswahlkriterium ist. Stattdessen spielen die Gesamtleistung ebenso wie die Gesamtkosten eine wesentliche Rolle für die Zusammenarbeit. Demnach bringt der „neue“ Einkauf Eigenschaften wie Qualität, Kundenorientierung, Zukunftsorientierung, Strategie und Innovation mit sich.29

Eine weitere Aufgabe des Einkäufers ist das Managen von Konflikten in Themen wie Kosteneinsparungen oder -reduzierungen sowohl unternehmensintern gegenüber Entwicklung und Qualität als auch extern den Lieferanten gegenüber. Durch die Schnittstellenfunktion des Einkaufs steht dieser intern und extern in Kontakt mit vielen Bereichen und muss ebenso eine gewisse Kooperationsfähigkeit mit einbringen und letztendlich zielorientierte Entscheidungen treffen.

Es steht außer Zweifel, dass die fortgeschrittene Globalisierung die internationale Kommunikationsfähigkeit der Einkaufsabteilung voraussetzt, denn diese kümmern sich um die Lieferantensuche und ergreifen in diesem Sinne Initiative. Während früher die Anforderungen an den Einkäufer ausschließlich operativ waren, gilt es nun neue Techniken sowie Vorgehensweisen vorzustellen und Vorschläge beim Vorstand einzureichen oder auch Workshops durchzuführen.30

Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden nach ausführlicher Recherche die für diese Arbeit relevanten Tätigkeiten des Einkaufs näher betrachtet. Dazu gehören das Bedarfsmanagement und die Bestellabwicklung. Die Einkaufsstrategie (Kapitel 3.3.1) und das Lieferantenmanagement (Kapitel 4.2) und werden separat betrachtet.

Das Bedarfsmanagement im Zeitalter der Digitalisierung ist eine zentrale strategische Aufgabe der Einkaufsabteilung. Die neuen Beschaffungsobjekte sind Teil der Vernetzung und müssen demnach ausgelegt sein. In diesem Kontext ist es gut möglich, dass bestimmte Objekt- und Warengruppen neu etabliert werden müssen und Lieferanteninnovationen entdeckt, entwickelt und in das eigene Produktportfolio miteinbezogen werden.

Auch die Bestellabwicklung steht unter Einfluss neuer digitaler Technologien. Dank der Datenübertragung in Echtzeit ist es möglich, dass die Bedarfsermittlung und die Auslösung der Nachbestellung zeitgleich eintreten. Während im E-Procurement die Bestellungen noch manuell getätigt und erst dann automatisiert wurden, werden intelligente Einkaufssysteme autonom die Bedarfe analysieren und somit auch die Bestellungen auslösen. Der Automatisierungsgrad im E-Procurement stellt eine Prozessunterstützung dar, doch im Einkauf 4.0 entwickelt sich dieser zu einer „End-to-end“ Prozessabwicklung durch die vorhandenen intelligenten IT-Systeme.

Im Sinne der Beschaffungsmarktforschung w erden wichtige Marktinformationen gesammelt, aufbereitet und weitergeleitet, um somit Entscheidungen zu treffen. Auch in diesem Sinne gibt es intelligente analytische Systeme, die große Mengen an Daten (Big Data Analytics) verarbeiten, prognostizieren und Entscheidungen (Predictive Analytics) treffen werden und somit die Arbeit von Menschen abnehmen werden.

Gleichermaßen kann der Einkauf Make-or-Buy-Entscheidungen und Vertragsvereinbarungen mit Hilfe von intelligenten Systemen autonom und in Sekunden Aktiengeschäfte abschließen. Dennoch ist eine Einsicht als Entscheider möglich, falls dies von Nöten ist.31

Die Einkaufsmarktanalyse umfasst den gesamten Markt des Unternehmens, wobei durch die wachsende Globalisierung dies auch Unternehmen und Firmen weltweit sein können. In diesem Sinne wird der betroffene Markt auf gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und umweltbezogene Aspekte und Veränderungen untersucht, um somit sichere Geschäfte und Verträge abschließen zu können. Dazu zählen insbesondere Wechselkurse, Rohstoffindizes und Kostenentwicklungen (siehe Kapitel 3.3.1).32

Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass im Einkauf der Zukunft digitale Technologien, besonders die strategischen Aufgaben, beeinflussen, verändern oder gar übernehmen werden. Bislang waren bestehende Systeme nur unterstützend, nun aber werden die intelligenten Systeme sowohl zukünftige Daten auswerten können als auch „ganzheitliche und autonome Echtzeit-Aufgabenerledigungen des Einkaufs anbieten“.33

2.3 Probleme im traditionellen Einkauf

Früher war der Einkäufer für einfache, überschaubare Tätigkeiten zuständig, die problemlos per Telefon oder auf Papier durchgeführt werden konnten. Diese traditionelle Art des Einkaufs ist auch heute noch in kleinen Unternehmen auffindbar, deren Einkaufsvolumen geringgehalten wird, bzw. die nicht bedingt am Wettbewerb teilhaben. Jedoch birgt er in der Praxis auch viele Probleme und wird als ineffizient betrachtet, was wiederum zu Beeinträchtigungen des Einkaufsprozesses führen kann.34

Probleme, die der traditionelle Einkauf bewältigen muss, sind unter anderem:

- Reiner Zentraleinkauf
- Manuelle Abwicklung der Einkaufsprozesse auf Papier
- Fehlende Unterstützung des strategischen Einkaufs, stattdessen Unterstützung des operativen Einkaufs, zum Beispiel Bestellabwicklung
- Abwicklungen außerhalb der Rahmenverträge
- Hohe Anzahl an „Klein- und Kleinstaufträgen“35

Demzufolge wird der papiergebundene Einkauf als sehr kosten- und zeitaufwendig beschrieben, was wiederum damit zusammenhängt, dass der Prozess manuell durchgeführt wird und somit auch fehlerbehaftet ist.36

Laut Dolmetsch verschwendet diese Art von Einkauf enorm viel Zeit für Routineaufgaben, anstatt sich dem strategischen Einkauf und Aufgaben mit höherer Wertschöpfung zu widmen. Zu der Routinearbeit zählt unter anderem die Organisation, Verwaltung von Lieferantenkatalogen, die Lieferanten- und Produktsuche, so wie die manuelle Verbuchung von Dokumenten, für die ein Einkäufer laut einer Studie 35% seiner kostbaren Arbeitszeit investiert.37 Demzufolge entstehen laut der Hacket Group 76% der Kosten einer Bestellung durch administrative Tätigkeiten.38

Aufgrund der Verankerung im traditionellen Einkauf, demgemäß auch in der Beschaffung, mangelt es in vielen Unternehmen an gewissen Standards für deren Prozesse. Anhand einer Standardisierung jedoch, können Kosten und Fehlerquoten reduziert, Bestellungen einfacher abgewickelt und Großaufträge getätigt werden.39 Hierzu bedarf es den Einkäufern mehr an Kompetenzen und Befugnissen, sodass dieser Zugang zu den benötigten Informationen hat, um anschließend eigenmächtig mittels dem ihm gestellten System, Bestellanforderungen zu erstellen.40

Um die Probleme im Einkauf zu beheben, müssen also die Prozesse im operativen Einkauf erleichtert werden, wohingegen der Schwerpunkt auf die strategischen Einkaufsprozesse verlegt werden muss. Diese Veränderungen, welche erhebliche Einsparungen mit sich bringen, können durch den Einsatz von E-Procurement erzielt werden. Die E-Procurement-Lösungen werden in Kapitel 3 näher erläutert.

2.4 Digitalisierung und Industrie 4.0

Die Digitalisierung und Industrie 4.0 prägen uns in der aktuellen Zeit immer mehr. Besonders die Digitalisierung gilt als Megatrend und sorgt weltweit für große Veränderungen, weswegen sie auch als „Klimawandel der Wirtschaft“ bezeichnet werden kann.41 Dieser Wandel ist seit 1980 sowohl in der Gesellschaft, aber auch in der Arbeitswelt deutlich bemerkbar. Im Alltag sind es Bestellungen über das Internet oder die Urlaubsbuchung per Mausklick. Auf der Arbeit wird statt Hilfsmitteln auf dem Schreibtisch nur noch der ein Laptop benötigt.42

Im folgenden Kapitel werden die Begriffe Digitalisierung und Industrie 4.0 nähergebracht, wie diese sich in den letzten Jahren entwickelt haben. Anschließend wird deren Einfluss sowie deren Bedeutung für den Einkauf dargelegt, demnach die Geburt des Einkaufs 4.0 vorgestellt.

2.4.1 Digitalisierung

Jahrhundert für Jahrhundert prägen die Begriffe wie Industrialisierung, gefolgt von der Urbanisierung, die Historie und haben noch bis heute Auswirkungen. Ein weiterer Begriff, der für Bewegung in unserer heutigen Zeit sorgt, fiel Ende des 20. Jahrhunderts, die Digitalisierung.43

Die Digitalisierung beschreibt die Transformation analoger Größen in eine digitale Speicherung bzw. einen Prozess, der mit Hilfe von digitalen Technologien Veränderungen mit sich bringt. In Bezug auf die vierte industrielle Revolution bedeutet diese unter anderem ein vermehrter Einsatz von digitalen Technologien sowohl im privaten Alltag als auch im Geschäftsleben. Aber auch für die Entwicklungen in der Automobilindustrie, Telekommunikation oder Dienstleistungen spielt sie eine bedeutende Rolle. Demgemäß fallen in diesem Kontext oft die Begriffe Computerisierung und Informationszeitalter.44

Ferner gilt Digitalisierung als Fundament von Industrie 4.0, wie das Reifegradmodell in der unteren Abbildung zeigt. Die Stufen Computerisierung und Konnektivität sind Begriffe der Digitalisierung und bilden die Grundbausteine auf dem Weg zur vierten Industrialisierung. Eine erfolgreiche Digitalisierung ist also die Voraussetzung für die folgenden vier Stufen „Sichtbarkeit“, „Transparenz“, „Prognosefähigkeit“ und „Adaptierbarkeit“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Stufen des Industrie 4.0-Entwicklungspfads

Quelle: Schuh u.a. (2017), S. 16.

Abschließend muss betont werden, dass Digitalisierung gewinnt immer mehr an Bedeutung und gilt im Unternehmenskontext als „Veränderung von Geschäftsmodellen durch die Verbesserung von Geschäftsprozessen aufgrund der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken“.45 Des Weiteren bildet sie den Grundbaustein für Industrie 4.0, um somit die Vernetzung zu gewährleisten.46

2.4.2 Industrie 4.0

Noch bevor die dritte industrielle Revolution abgeschlossen ist, wurde erstmals auf der Hannover Messe im Jahre 2011 die Industrie 4.0 angekündigt. Die vierte industrielle Revolution basiert aus Cyber-physischen Systemen (CPS) , also intelligenter, technischer Systeme, die laut der deutschen Bundesregierung als Zukunftsprojekt betitelt wurde.47 Die früheren industriellen Revolutionen galten als „Komplex von technischen Neuerungen“, die hauptsächlich durch Maschinen und mechanische Kräfte zum einen die menschliche Geschicklichkeit und zum anderen die menschliche und tierische Kraft ersetzten sollten. Somit gehörte „Handwerk und Manufaktur“ der Vergangenheit an, sodass das „Fabriksystem“ in der Wirtschaft etabliert wurde (siehe Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die vier Stufen der Industriellen Revolution

Quelle: Kagermann et al. (2013), S. 17.

Die vierte industrielle Revolution hingegen basiert zusätzlich auf neuen Entwicklungen, die einerseits interbasierte Technologien und industrielle Prozesse miteinander verknüpfen und andererseits die menschliche Kommunikation und Denken in Geschäftsprozessen digitalisiert. Im Zentrum steht dabei die digitale Vernetzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.48 Das Revolutionäre in der Thematik ist also, dass digitale Anlagen in einer vernetzten Welt zusammengeführt und große Datenmengen in sehr kurzer Zeit erfasst, ausgewertet und gesteuert werden können.49 Menschliche Eingriffe in Prozesse werden reduziert, wohingegen die teilautonome oder gar autonome Steuerung im Vordergrund steht, die letztendlich von Maschinen oder Systemen eigenständig bedient werden sollen. Die Bezeichnung Industrie 4.0 hinterlässt den Eindruck, dass dies nur für die Industrie gilt, doch die vierte industrielle Revolution findet durchaus auch in anderen Bereichen statt, somit ist diese in allen Produktlebenszyklen von Forschung & Entwicklung über Einkauf bis hin zur Produktion überall auffindbar.50

[...]


1 Schwalbach (2018), S. 7.

2 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 3.

3 Vgl. Stoll (2008), S. 256; Biffi/Sacco (2009)

4 Vgl. Weber et al. (2018), S. 7.

5 Vgl. Held/Koch (2019), S. 496.

6 Kaufmann (2002), S. 5.

7 Vgl. Krampf (2014), S. 1.

8 Vgl. Stoll (2008), S. 2.; Weber/Kabst (2012), S. 166.

9 Vgl. Weber/Kabst (2012), S. 14.

10 Vgl. Kaufmann (2002), S. 5.

11 Vgl. Versteeg (1999), S. 12; López (1998), S. 90 f.

12 Vgl. Koppelmann (1998), S. 277 f.

13 Vgl. Kleemann/Glas (2017), S. 13.

14 Vgl. Large (2013), S. 22 f.

15 Vgl. Fröhlich/Lingohr (2010), S. 15.

16 Krampf (2014), S. 125.

17 Vgl. Krampf (2014), S. 125 f.; Reinelt (2010), S. 32.

18 Vgl. Reinelt (2010), S. 33.

19 Vgl. Richard/Berg (o.J.), S. 8; Büsch (2013), S. 316; Appelfeller/Buchholz (2011), S. 158 f.

20 Vgl. Krampf (2014), S. 12; Reinelt (2010), S. 34.

21 Vgl. Richard/Berg (o.J.), S. 8; Reinelt (2010), S. 35; Appelfeller/Buchholz (2011), S. 161.

22 Vgl. Krampf (2014), S. 125 f.; Pellengahr et al. (2016), S. 8; Appelfeller/Buchholz (2011), S. 159.

23 Vgl. Krampf (2014), S. 5.

24 Vgl. Pfützenreuter (2009), S. 11.

25 Vgl. Richard/Berg (o.J.), S. 7.

26 Vgl. Kummer et al. (2009), S. 18 f.; Richard/Berg (o.J.), S. 7.

27 Vgl. Pfützenreuter (2009), S. 11.

28 Vgl. Heß (2010), S. 27 f.

29 Vgl. Richard/Berghoff (2016), S. 54; Richard/Berg (o.J.), S. 7.

30 Vgl. Krampf (2014), S. 93 f.

31 Vgl. Kleemann/Glas (2017), S. 9 f.

32 Vgl. Merk (1962), S. 15.

33 Vgl. Kleemann/Glas (2017), S. 9.

34 Vgl. Dickmann (2012), S. 8; Dolmetsch (2000), S. 11.

35 Vgl. Flicker/Höller (2001), S. 20.

36 Vgl. Nenninger (1999), S. 13.

37 Vgl. Dolmetsch (2000), S. 11.

38 Vgl. Nekolar (2003), S. 3.

39 Vgl. Dolmetsch (2000), S. 12.

40 Vgl. Dolmetsch (2000), S. 12 f.; Wannenwetsch (2004), S. 180.

41 Vgl. Efficio (2018), S. 15.

42 Vgl. Rassow (2014), Onlinequelle.

43 Vgl. Bendel (2015), Onlinequelle.

44 Vgl. Bendel (2015), Onlinequelle; Lehmann (2014), S. 4; Kieviet (2019), S. 1.

45 Deloitte & Touché GmbH (2013), S. 8.

46 Vgl. IT Verlag für Informationstechnik GmbH (2019), Onlinequelle.

47 Vgl. Steinhoff (2016), S. 1.

48 Vgl. Bortis (o.J.); Schentler/Schlünsen (2016), S. 85.

49 Vgl. Giersberg (2016), Onlinequelle.

50 Vgl. Bendel (2018), Onlinequelle; Kümpel et al. (2019), S. 5.

Ende der Leseprobe aus 64 Seiten

Details

Titel
Einkauf 4.0. Die Digitalisierung im Einkauf
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
Note
1,8
Jahr
2020
Seiten
64
Katalognummer
V1160045
ISBN (eBook)
9783346569516
ISBN (eBook)
9783346569516
ISBN (eBook)
9783346569516
ISBN (Buch)
9783346569523
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bachelorarbeit, Einkauf, Einkauf 4.0, 4.0, Digitalisierung, e-Procurement
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Einkauf 4.0. Die Digitalisierung im Einkauf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1160045

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