Soziale Ungleichheit, Schule und Bourdieu

Bourdieu in der gegenwärtigen Bildungsdebatte


Hausarbeit, 2020

12 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Soziale Ungleichheit
2.1. Versuch einer Einordnung Bourdieus in den Kontext der Ungleichheitsforschung

3. Schule als soziales Feld

4. Aktualität

5. Fazit

6. Literatur

1. Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit der Theorie Pierre Bourdieus im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem. Vorab ist festzuhalten, dass sowohl der Begriff „soziale Ungleichheit“, als auch die Forschungen Pierre Bourdieus an sich sehr komplexe und umfangreiche Themengebiete darstellen. Dies macht eine detaillierte Darstellungsweise auf acht Textseiten zu einem unmöglichen Vorhaben. Lediglich ein Blick auf die Bildungs- und Ungleichheitsdebatte und auf die Sicht Bourdieus soll gegeben werden. Die in der Präsentation zuvor erarbeiteten theoretischen Grundlagen dienen als Hintergrundwissen, um die hier behandelte Thematik der Bildungsungleichheit in Zusammenhang mit Bourdieu verstehen zu können. Es folgt ein Versuch, die wissenschaftliche Arbeit Bourdieus in den Kontext der Ungleichheitsforschung einzuordnen. Grundlegende Ausgangsfragen sind: was ist soziale Ungleichheit, wo finden wir diese in unserem Bildungssystem und was hat Pierre Bourdieu damit zu tun? Es macht Sinn, sich zunächst den Begriff der sozialen Ungleichheit einmal genauer anzusehen. Was versteht man in der Wissenschaft unter sozialer Ungleichheit und welchen Blickwinkel nimmt hier Bourdieu im Zusammenhang mit Bildung ein? In Punkt 3. wird die Institution Schule als soziales Feld auf den Grundlagen der Feldtheorie Bourdieus grob skizziert. In wieweit Bourdieu heute noch aktuell ist, wird in 4. herausgearbeitet. Ein kurzes Fazit im Schlussteil beleuchtet die wesentlichen Erkenntnisse des Erlernten und rundet die Ausführungen ab.

2. Soziale Ungleichheit

„Wir sprechen immer dann von sozialer Ungleichheit, wenn Menschen (immer verstanden als Zugehörige sozialer Kategorien) einen ungleichen Zugang zu sozialen Positionen haben und diese sozialen Positionen systematisch mit vorteilhaften oder nachteiligen Handlungs- und Lebensbedingungen verbunden sind.“ (Berger 2009, S.13). Menschen verfügen über einen ungleichen Zugang zu sozialen Plätzen in der Gesellschaft, welche systematisch mit vorteilhaften oder nachteiligen Handlungs- und Lebensbedingungen verbunden sind (vgl. ebd., 2009, S. 15). Nach Solga handelt es sich bei der sozialen Ungleichheit um "überindividuelle Ungleichheiten in der Verteilung von Handlungsressourcen sozialer Gruppen, die durch das Verhalten und Denken des Einzelnen nicht kurzfristig beeinflusst werden können" (vgl. ebd., 2009, S. 15). Zu einer ungleichen Verteilung von Ressourcen zählen auch beispielsweise außerschulische Bildungsangebote und die daraus resultierende ungleiche Teilhabe an der Gesellschaft, sowie ungleiche Bildungschancen. Solga, Powell und Berger definieren Determinanten sozialer Ungleichheit als „soziale Merkmale von Personen (wie zum Beispiel das Geschlecht, das Bildungsniveau, die soziale Herkunft), die Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen definieren, die wiederum Grundlage für Vor- oder Nachteile in bestimmten Handlungs- und Lebensbedingungen darstellen“ (Berger 2009, S. 16). Soziale Ungleichheit entsteht demnach durch soziale Prozesse, „durch die die Zugehörigkeit zu bestimmten Sozialkategorien in einer Art und Weise sozial relevant wird, dass dies zu Vor- und Nachteilen in anderen Lebensbereichen (Dimensionen) führt“ (ebd. 2009, S. 19). Weiter definieren Solga, Powell und Berger Determinanten sozialer Ungleichheiten als „Merkmale, die eine Zuweisung zu sozialen Positionen einer Gesellschaft bewirken“ (ebd. 2009, S. 18). Um einen Einfluss auf diese Determinanten zu nehmen, müsse es zu grundsätzlichen Änderungen in den Verhaltensweisen und sozialen Beziehungen kommen. Es sind also nicht einfach bloß Unterschiede im Sozialgefüge, auf denen soziale Ungleichheit aufbaut. Vielmehr sind es sämtliche Voraussetzungen, die zu Vor- bzw. Nachteilen beim Erreichen gewisser sozialer Stellungen, sowie beim Zugang zu Ressourcen (z.B. Bildung) führen. Soziale Ungleichheit kann als eine Folge komplexer gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge und Wandlungsprozessen angesehen und somit nicht einfach „abgeschafft“ werden. Theorien sozialer Ungleichheit untersuchen Ursachen von dauerhafter und systematischer Reproduktion von Ungleichheiten. Dabei sind gesellschaftlich verankerte Unterschiede nicht immer mit Vor- und Nachteilen bzw. mit Asymmetrien in den Handlungsbedingungen der Menschen verbunden. In Abgrenzung zum Begriff der sozialen Ungleichheit spricht man hier von „sozialer Differenzierung“ (vgl. ebd., 2009, S. 17). Soziale Ungleichheit wird dadurch stabilisiert, dass Ressourcen wie Kapital, Bildung, Macht etc. regelmäßig und dauerhaft gleichen Gruppen zu- bzw. abgesprochen werden. Dadurch ergeben sich Vor- und Nachteile für diese sozialen Gruppen, was wiederum zu einem Machtgefälle zwischen den sozialen Gruppen führt (vgl. ebd., 2009, S. 13 f.). Dieses Machtgefälle ist ein relevanter Bestandsteil unserer kapitalistischen Gesellschaft, da auf diesem der Wohlstand begründet liegt. Würden sämtliche Unterschiede im Sozialgefüge beseitigt werden, wäre das Ergebnis eine andere Gesellschaft. So stellt der Kapitalismus (etwa durch Leiharbeit, Outsourcing, unsichere Arbeitsverhältnisse etc.) einen relevanten Mechanismus bezüglich der Verteilung von- und den Zugriff auf Ressourcen dar. Aber auch andere Gesellschaftssysteme wie der Feudalismus oder der Sozialismus in der DDR (wo die Zugehörigkeit zur Partei mit besserem Zugang zu Ressourcen einherging) erzeugten soziale Ungleichheit. Es besteht also die Theorie, dass soziale Ungleichheit von der Gesellschaft erzeugt wird und die Gesellschaft sie daher auch verändern könnte. In diesem Licht betrachtet erscheint die Forderung von Bourdieu (und auch von Marx und Engels), soziale Ungleichheit generell zu beseitigen, als Aufruf zur gesellschaftlichen Umstrukturierung. Als normativer Begriff impliziert soziale Ungleichheit also auch eine Form der Gesellschaftskritik. Viele große Denker, vor allem in der Soziologie, befass(t)en sich umfassend mit sozialer Ungleichheit. „In der soziologischen Terminologie wird immer dann von Ungleichheit gesprochen, wenn als ,wertvoll‘ geltende ,Güter‘ nicht absolut gleich verteilt sind“ (Hradil 2001, S. 29) Nach Stefan Hradil liegt soziale Ungleichheit dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung im sozialen Beziehungsgefüge von den „wertvollen Gütern“ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten (Hradil 2001, S. 30). Allerdings sind nicht alle Vor- und Nachteile Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit, sondern nur jene, die in gesellschaftlich strukturierter und verallgemeinerbarer Form zur Verteilung kommen. Ihre Bindung an gesellschaftliche Beziehungen und Positionen unterscheidet nach Hradil soziale Ungleichheiten von anderen Ungleichheiten (vgl. Hradil, 2001, S. 29). Auch nach den Erkenntnissen von J.J. Rousseau ist soziale Ungleichheit gesellschaftlich produziert und somit auch grundsätzlich veränderbar. Soziale Ungleichheit ist demnach als eine vom Menschen gemachte und somit auch von Menschen veränderbare Grundtatsache gesellschaftlichen Lebens in unterschiedlichen Formen anzusehen (vgl. Sünker in Thole et al., 2015, S. 294).

2.1. Versuch einer Einordnung Bourdieus in den Kontext der Ungleichheitsforschung

Inwiefern moderne westliche Gesellschaften immer auch Klassengesellschaften sind, ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der Soziologie eine umstrittene Frage. Bourdieu bezieht hier eindeutig Stellung: auch moderne Gesellschaften sind Klassengesellschaften. Allerdings konstituieren sich diese nicht nur durch ihre ökonomischen Ressourcen, sondern auch durch ihre kulturellen Praktiken. Für Bourdieu basiert Herrschaft in modernen Gesellschaften nicht nur auf ökonomischer, sondern auch auf symbolischer Macht. Indem er also die legitime Kultur (und damit die Kultur der Herrschenden) einer umfassenden Kritik unterzieht, kritisiert er auch die subtilen symbolischen Herrschaftsmethoden moderner Gesellschaften. In seinem wohl bekanntesten Werk „Die feinen Unterschiede“ zeigt er, welchen spezifischen Standpunkt Intellektuelle im sozialen Gefüge einnehmen und warum sie zur herrschenden Klasse gehören. Die theoretischen Konzepte, die hinter den Begriffen „Habitus“, „Feld“ und „Kapital“ stehen, entwickelte Bourdieu in mehreren Arbeiten in den 1970er-Jahren. Mit seinem Habitus-Konzept versucht Bourdieu, den Dualismus zwischen strukturalistischer Gesellschaftstheorie und individualistischer Handlungstheorie zu überwinden. Er verwirft damit sowohl strukturalistische Vorstellungen, die den Menschen ausschließlich als gesellschaftlich determiniert beschreiben, als auch die existenzialistische Bestimmung des Menschen als „zur Freiheit verdammt“ im Sinne Jean-Paul Sartres. Wenn es um den Zugang zu sozialen Ressourcen wie z.B. Bildung geht, spielt die soziale Herkunft nach Bourdieu eine große Rolle; sie ist ausschlaggebend bei der Herausbildung des Habitus: Handels- und Denkmuster sowie Verhaltensweisen sind damit in gewisser Weise festgelegt in einem Dispositionsraum. Diesen Raum völlig zu verlassen oder gar durch Fleiß bzw. Anstrengung neu zu gestalten wäre nach Bourdieu wohl kaum möglich (vgl. hierzu insg. Bourdieu, 1979). Nach ihm werden die sozialen Strukturen in ihrer Ungleichheit sowohl von der Gesellschaft, als auch von der Schule in der Gestalt bewahrt, dass die sozial niederen Klassen ihren Erwartungshorizont an die aktuelle Struktur anpassen, ohne sich eine Befreiung zuzutrauen: „So trägt alles dazu bei, diejenigen, die, wie man sagt, „keine Zukunft haben“, zu „vernünftigen“ oder, (…), zu „realistischen“ Erwartungen, was sehr oft heißt, zum Verzicht auf das Hoffen anzuhalten“ (Bourdieu 2001, S.8). Bourdieu zielt darauf ab, den meritokratischen Begabungsmythos, mit dem oftmals der wahre Ursprung der Ungleichheit verschleiert wird, zu entkräften. Sein Beitrag zur Debatte um den Ursprung der Chancenungleichheit (der Schüler) ist als bedeutend zu bezeichnen, vor allem, weil er durch die theoretische Darlegung der verschiedenen Kapitalsorten die Perspektive auf die Problemlage erweitert. Er befreit sich von einem Kapitalbegriff, der ausschließlich von der Ökonomie bestimmt wird und legt durch die Analyse anderer Kapitalformen, insbesondere durch die Entfaltung des kulturellen Kapitals den eigentlichen Kern des Themas frei: Die wichtigste Ursache der Ungleichheit ist weder in unterschiedlichen Begabungen, noch in unterschiedlichen Geldinvestitionen, sondern in der Chancenungleichheit zu suchen, der die Kinder bereits vor dem Eintritt in die Schule ausgesetzt sind. Die Diskrepanz zwischen den Chancen erklärt sich größtenteils aus den unterschiedlichen Vorräten kulturellen Kapitals innerhalb der verschiedenen familiären Milieus. Inkorporiertes Kapital (u.a. Bildung) ist als Bestandteil des Habitus an das Individuum gebunden und an dessen soziale Herkunft, in welcher das kulturelle Kapital erworben wird. Die Weitergabe durch die primäre Sozialisationsinstanz der Familie erfordert Zeit und Geld. Bildung als inkorporiertes Kapital bedarf Investitionen, die nicht in allen Familien gleich gut bewerkstelligt werden können. Bei der „Sozialen Vererbung“ nach Bourdieu spielt darum die soziale Herkunft eine Schlüsselrolle. Die Akkumulation kulturellen Kapitals von Geburt an ist die Voraussetzung zur Aneignung jener Kompetenzen, die einen entscheidenden Einfluss auf die späteren schulischen Leistungen haben. Reibungslos und ohne Unterbrechung kann inkorporiertes kulturelles Kapital nur in solchen Familien weitergegeben bzw. akkumuliert werden, welche über ein hohes Maß an Kulturkapital verfügen, sodass „die gesamte Zeit der Sozialisation zugleich eine Zeit der Akkumulation ist“ (Bourdieu 1983, S. 188). Dies bedeutet aber nicht, dass Bourdieu die Schule von der Schuld an der Problematik befreit; er kritisiert die Institution Schule aufs Schärfste, gerade weil sie eine wesentliche Mitverantwortung für die Reproduktionsfähigkeit bestehender sozialer Strukturen der Ungleichheit trägt. Getreu dem Titel seines Aufsatzes „Die konservative Schule“ wirft Bourdieu der Schule vor, die Chancenungleichheit zu konservieren, sie zu wahren, anstatt Schülerinnen und Schülern die Chance zu ermöglichen, sich aus ihrem sozialen Milieu zu befreien. Eine gute Pädagogik dagegen müsste es als oberstes Ziel ansehen, die vorschulischen Unterschiede im kulturellen Kapital zu kompensieren und somit „allen die Mittel an die Hand zu geben, all das zu erwerben, was unter dem Anschein der „natürlichen“ Begabung nur den Kindern der gebildeten Klassen gegeben ist.“ (Hradil 2001, S.10)

3. Schule als soziales Feld

Der Begriff Feld beschreibt in der allgemeinen Feldtheorie Pierre Bourdieus ein gesellschaftliches System, in welchem mehrere autonome Felder existieren, wobei jedes Feld eine abgrenzbare Funktion in der Gesellschaft einnimmt. Eigenständige Felder sind Justiz, Religion, Gesundheit aber auch Bildung und viele weitere. Beispielsweise ist ein Akteur im literarischen Feld jeder, der Literatur erzeugt (vgl. Bongaerts, 2008, S.124). Für Bourdieu hat die grundlegende Funktionsweise von Feldern auf der strukturellen Ebene klare Regeln und Gemeinsamkeiten. In seiner Feldtheorie beschreibt er diese Gemeinsamkeiten, die in allen Feldern auftreten (vgl. Diaz-Bone, 2010, S. 49). Die Feldtheorie bietet daher ein Gerüst an Konzepten und Theoretisierungsvorschlägen zur Analyse von einzelnen gesellschaftlichen Feldern. Diese Felder sind als Mikrokosmos zu sehen, welche spezifischen sozialen Gesetzen gehorchen, die von den Akteuren des jeweiligen Feldes selbst bestimmt werden. Wichtig ist die Aussage, dass der Mikrokosmos (also das Feld) "relativ autonom" ist, sich jedoch niemals vollständig von den Zwängen des Makrokosmos lösen kann (vgl. Bourdieu, 1998, S. 18). Der Begriff der Autonomie ist für Bourdieu insofern wichtig, als dass er die gesamte Ausgestaltung des Feldes prägt. Von Autonomie kann man sprechen, wenn das Feld die Fähigkeit besitzt, äußere Zwänge zu brechen bzw. sie zu verändern. Als äußere Zwänge gelten, neben Gesetzen, vor allen Dingen Zeit und Geld. Je autonomer ein Feld ist, desto eher kann es äußere Zwänge verändern (vgl. ebd., 1998, S.19). Ein Feld umfasst alle Akteure, die einen Beitrag im jeweiligen Feld leisten. Ein wichtiger Aspekt bei der Frage der Mitgliedschaft eines Feldes wird mit dem Begriff der Illusio eingeführt, nämlich das Interesse, eine Position im Feld zu besetzen, mittels derer der Akteur oder die Akteurin Einfluss auf das Feld und seine Akteure und Akteurinnen hat und in diesem Sinne auch an Macht gewinnt (vgl. Fuchs-Heinritz/König, 2005, S. 145). Jedem Feld ist eine Eigenlogik als eine Art Grundgesetz immanent, welche Bourdieu als „Nomos“ bezeichnet. Diese Eigenlogik stellt eine Übereinkunft der am Feld Teilnehmenden über die Spielregeln dar. Eine solche Übereinkunft über die „richtigen“ Spielregeln kann sich allerdings als Illusion erweisen. Nach der Feldanalyse von Barlösius ist der Nomos des Schulsystems die individuelle Bildungsfähigkeit des Individuums. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Teilnahme der Schüler/innen auf diesem Feld erzwungen ist, weshalb davon auszugehen ist, dass sich nicht alle „Feldteilnehmenden“ am Nomos der individuellen Bildungsfähigkeit orientieren. Phänomene, wie Unterrichtsstörungen und Schulabsentismus oder Leistungsverweigerung weisen darauf hin, dass aus Sicht mancher Schüler/innen nicht individuelle Fähigkeiten, sondern viel eher strukturelle Machtgefälle den Kern von Schule darstellen (vgl. Van Essen, 2013, S.51). Die soziale Herkunft der Schüler/innen übt auch auf der Ebene des sozialen Feldes wirkungsmächtigen Einfluss aus. Wie in allen sozialen Feldern, existieren auch in der Schule feldinterne Macht- und Positionskämpfe um bevorzugte und benachteiligte Positionen. Abweichende Verhaltensmuster im Feld Schule basieren häufig auf der „Diskrepanz zwischen lebensweltlich relevanter und institutionell geforderter Bildung“ (Grundmann et al. 2010, S.55). Dies kann aus Sicht der Schüler zu einer alternativen Entscheidungssituation für oder gegen die Schule führen, welche wiederum die gesamte soziale Identität involviert. Problematisch hierbei ist, dass das Leistungsversagen im institutionellen Bildungskontext dem Einzelnen zur Last gelegt wird (vgl. ebd., S.56).Insofern besitzt der Nomos der individuellen Fähigkeit im Feld Schule eine dermaßen mächtige Wirksamkeit, dass alle Personen im Feld von ihm betroffen sind, selbst diejenigen, die sich ihm verweigern (vgl. Van Essen, 2013, S.52). Durch die gesetzliche Verankerung kommt die hohe Bedeutsamkeit, welche der individuellen (und damit auch milieuspezifischen) Bildungsfähigkeit zugesprochen wird, zum Ausdruck. So heißt es beispielsweise im nordrhein-westfälischen Schulgesetz: „Die Fähigkeiten und Neigungen des jungen Menschen (…) bestimmen seinen Bildungsweg. Der Zugang zur schulischen Bildung steht jeder Schülerin und jedem Schüler nach Lernbereitschaft und Leistungsfähigkeit offen.“ (Schulgesetz NRW 2010, S.2) Bourdieu spricht hier von der „Illusion der Chancengleichheit“ (Bourdieu/Passeron 1971) Wie bereits weiter oben erwähnt, ist es eines der Ziele Bourdieus, ebendiesen Begabungsmythos, welcher sogar als scheinbarer Leitgedanke im Schulgesetz steht, zu entkräften. Seine Erkenntnisse stehen also dem offiziellen Leitbild von Schule in der Praxis gewissermaßen gegenüber. Es gilt nach wie vor: „Die Wahrscheinlichkeit, zur sogenannten Risikogruppe von Schülerinnen und Schülern zu gehören (…) hängt von Merkmalen der sozialen Herkunft ab.“ (Ehmke et al. 2004, S.253). Mit Bourdieus Worten: „(..)die Primärerziehung muss in Rechnung gestellt werden, und zwar je nach dem Abstand zu den Erfordernissen des schulischen Marktes (…).“ (Bourdieu 1971, S.76)

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Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Soziale Ungleichheit, Schule und Bourdieu
Untertitel
Bourdieu in der gegenwärtigen Bildungsdebatte
Note
1,5
Autor
Jahr
2020
Seiten
12
Katalognummer
V1160876
ISBN (eBook)
9783346560599
ISBN (Buch)
9783346560605
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bourdieu, Soziale Ungleichheit, Schule, Soziales Feld, Habitus, Bildung
Arbeit zitieren
Sina Krehl (Autor:in), 2020, Soziale Ungleichheit, Schule und Bourdieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1160876

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