Hat sich Thomas Bernhard in der literarischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus tatsächlich radikalisiert? Es soll auf der Grundlage von Textanalysen und einschlägiger Forschungsliteratur untersucht werden, wie Bernhard sich im Laufe seiner Autorschaft literarisch im Bezug zum Nationalsozialismus entwickelt hat. Reiften seine Werke zu aufrüttelnden zeitkritischen Schriften heran oder wurden sie nur zu provozierenden Schimpftiraden, um eine verkaufsfördernde Medienpräsenz zu erreichen, wie ihm oftmals unterstellt wurde? Resignierte er in seinen letzten Werken und kam über Bloßstellungen und Beleidigungen nicht mehr hinaus oder wurde er immer radikaler und provokanter, um öffentlichkeitswirksame Diskussionen anzustoßen?
Thomas Bernhards Bedeutung als Autor von Weltrang und als einer der erfolgreichsten österreichischen Schriftsteller der Nachkriegszeit ist heute nicht mehr anzuzweifeln. Bereits das Zitat „In jedem Österreicher steckt ein Massenmörder“ im Titel dieser Arbeit zeigt, was für radikale und provokante Aussagen Bernhard seinen Figuren in den Mund gelegt hat. Auch er selbst hat sich nie vor öffentlicher Kritik gescheut und war dadurch eine umstrittene Person. Mit seinem letzten Theaterstück Heldenplatz zeigte er, dass die Themen Holocaust und Nationalsozialismus im Österreich der 1980er Jahre noch immer von großer Relevanz waren und sorgte für ausgedehnte Diskussionen in der Öffentlichkeit. Auch die aktuellen politischen Entwicklungen in Österreich und Europa zeigen, wie wichtig und relevant seine Literatur noch immer ist.
Bernhards Frühwerk scheint auf den ersten Blick eher unpolitisch und wenig radikal zu sein, während er sich in seinem Spätwerk immer offener politisch kritisch gab und besonders den bestehenden Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich kritisierte, wie der Skandal um Heldenplatz beweist.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen
- Fragestellung und Überblick zum Forschungsstand
- Geplante Vorgehensweise
- Biografische und historische Kontextualisierung
- Eine Kindheit zwischen Nationalsozialismus und Katholizismus
- Vom Herkunftskomplex geprägt
- Österreichs Schuldfrage und die Kulturpolitik nach 1945
- Ein Heimatdichter mit Negativblick
- Darstellungen des Nationalsozialismus bei Bernhard
- Von Frost bis Auslöschung. Ein Zerfall
- Die Ursache. Eine Andeutung
- Eine fiktionale Autobiografie?
- Textanalyse
- Heldenplatz
- Der Heldenplatzskandal – ein neuer Kulturkampf
- Textanalyse
- Ein Autor, der zur Reaktion verpflichtet
- Zusammenfassung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit analysiert die literarische Entwicklung von Thomas Bernhard im Kontext seiner Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Sie untersucht, ob sich Bernhards Werke im Laufe seiner Autorschaft zunehmend radikalisierten und ob er in seinen späteren Werken verstärkt zeitkritische Positionen einnahm. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob Bernhards Kritik am Nationalsozialismus über bloße Provokation hinausging oder lediglich ein Mittel zur Steigerung seiner medialen Präsenz darstellte.
- Die Entwicklung von Bernhards literarischem Stil und seiner Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus
- Die Frage der Radikalisierung in Bernhards Werken und ihre Relevanz für die österreichische Gesellschaft
- Die Rolle des Nationalsozialismus in Bernhards Biografie und seiner literarischen Produktion
- Die Rezeption von Bernhards Werken und der gesellschaftliche Kontext seiner Kritik
- Die Frage nach Bernhards literarischen Methoden und seiner Intention, die Öffentlichkeit zu provozieren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Fragestellung und den Forschungsstand zu Thomas Bernhard und seiner Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus darstellt. Anschließend wird Bernhards Leben und Werk in einen biografischen und historischen Kontext gesetzt, wobei die besondere Rolle Österreichs nach 1945 im Fokus steht.
Das dritte Kapitel analysiert exemplarisch Bernhards Werke "Frost", "Auslöschung" und "Heldenplatz" und untersucht, wie er den Nationalsozialismus thematisiert und literarisch verarbeitet. Im Mittelpunkt stehen die Frage nach der Radikalisierung seiner Werke und der Analyse seiner literarischen Methoden, um den Nationalsozialismus darzustellen.
Schlüsselwörter
Thomas Bernhard, Nationalsozialismus, Österreich, Literatur, Radikalisierung, Provokation, Kritik, Heldenplatz, Skandal, Textanalyse, Zeitgeschichte, Kulturpolitik, Schuldfrage, Nachkriegszeit, Autobiografie, Frühwerk, Spätwerk.
- Quote paper
- Linda Steinborn (Author), 2019, Zur literarischen Radikalisierung in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bei Thomas Bernhard, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1161032