Die mediale Stereotypisierung weiblicher Terroristinnen in Deutschland

Eine qualitative Frame-Analyse anhand von IS-Rückkehrer*innen


Bachelorarbeit, 2020

67 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Methodisches Vorgehen

2. Situativer Kontext
2.1. AktuellerForschungsstand
2.2. Begriffsdefinitionen
2.3. Situativer Rahmen - Kontext Rückkehrer*innen aus dem „Islamischen Staat"in Deutschland

3. Theoretischer Rahmen: Grundlagen und Konzepte von Frames und Stereotypen
3.1. Frames und der Framing-Begriff
3.2. Entstehung und Kategorisierung von (Geschlechter)-stereotypen
3.2.1. Stereotypisierung
3.2.2. Mediale Stereotypisierung von Geschlechtern
3.3. (Mit-)Täterschaftsthese nach Christina Thürmer-Rohr

4. „Die Rolle der Frau" im „Islamischen Staat"
4.1. „Hausfrau und Mutter"
4.2. Al-Khansaa Brigade
4.3. Recruiting und logistische Aufgaben
4.4. Zwischenfazit

5. Die qualitative Inhaltsanalyse als Methode der Frame-Analyse
5.1. Geschlechterkonstruktionen in medialen Terrorismusdiskursen
5.2. Aufbau der Methode der Frame-Analyse
5.2.1. Auswahl und Erklärung der empirisch untersuchten Medien
5.2.2. Kategorienbildung
5.3. Durchführung der gualitativen Inhaltsanalyse

6. Ergebnisse der Untersuchung

Fazit

Literaturverzeichnis

Quellen

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Stereotypisierungsmodell(Addicks u. a. 2012)

Abbildung 2: Ranking der auflagenstärksten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland im 3. Quartal 2020(Statista 2020)

Abbildung 3: Bildung der Kategorien. Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 4: Mediale Darstellung einer IS-Rückkehrerin durch die BILD-Zeitung (Stritzel & Pauly 2019)

1. Einleitung

„Farfrom being irrelevant, gender is crucial to understanding agency in terrorism- women (and men) live in a gendered world. But sex is not an explanatory variable- women and men do not terrorism differently based on their biological makeup. Instead, terrorist live in and terrorism occurs in gendered worlds." (Sjoberg 2011:235f)

Das Denken in zwei Geschlechtern und die damit verbundene Zuordnung von Verhaltens­mustern beeinflusst die gesellschaftliche Wahrnehmung. Die sozialen Geschlechterkon- struktionen und die bewusste und unbewusste Zuschreibung von Verhalten verzerren nicht zuletzt auch die Wahrnehmung von Terrorist*innen auf medialer Ebene. Wie Sjoberg auf­zeigt, ist die Beachtung von Gender im Zusammenhang mit Terrorismus in einer von Ge­schlechterrollen geprägten Gesellschaft relevant, jedoch sollte dem biologischen Ge­schlecht nicht ein bestimmtes Verhaltensmuster zugeschrieben werden. So haben sich drei wesentliche Argumente/Vorurteile in der Debatte um weibliche Terroristinnen gefestigt: Erstens wird behauptet, dass weiblicher Terrorismus ein neu aufkommendes Phänomen und nur vereinzelnd vorzufinden sei; zweitens erweise sich die Frau im Zusammenhang mit Terrorismus als kollektives Opfer; drittens entschieden sich weibliche im Gegensatz zu männlichen Terroristen fast ausschließlich aufgrund von persönlichen Motiven für terroris­tische Aktionen (Herrschinger 2017: 2).

Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Analyse der medialen Darstellung von IS-Rückkehrer*innen in Deutschland. Hierbei bezieht sich die Forschungsfrage aufden Zusammenhang von Terrorismus und Gender und die mediale Repräsentation von zurück­gekehrten Frauen des „Islamischen Staates" in Deutschland. So lautet die konkrete For­schungsfrage: Inwieweit werden geschlechtsspezifische Stereotypen von IS-Rückkehrer*in- nen medial reproduziert?

Um diese Frage zu beantworten, soll folgenden Überlegungen nachgegangen werden: Wie werden Frauen im Zusammenhang mit Terrorismus anhand des Beispiels der Rückkehre­rinnen des Islamischen Staates in Deutschland wahrgenommen? Wie werden sie medial dargestellt? Wie wird Geschlecht in aktuellen medialen Debatten repräsentiert? Welche Stereotypen lassen sich analysieren? Inwieweit werden Frauen, die in jeglicher Weise in Verbindung mit einer terroristischen Vereinigung, hier der „Islamische Staat", stereotypi­siert? Lässt sich überhaupt ein Muster erkennen? Und in welchem Zusammenhang steht dies mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Bewertung der Präsenz von Frauen im „Islamischen Staat"?

Mediale Wortschöpfungen wie „IS-Bräute"1 befeuern die Verharmlosung der Rückkehre­rinnen und tragen dazu zur sexualisierten und pauschalisierten Wahrnehmung dieser bei. Jedoch behindern Stereotype und die vermeintlich typisch weibliche Repräsentation von Frauen, die sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in jeglicher Form terroristischen Organisati­onen angeschlossen haben, die Prävention sowie ein tiefergehendes Verständnis dessen (Herrschinger 2017). Zudem ist es keinesfalls ein neues Phänomen und auch nichts unge­wöhnliches, dass Frauen aktiv am Terrorismus beteiligt sind. So finden sich von der Franzö­sischen Revolution bis zur Gegenwart Frauen in terroristischen Organisationen wieder (Hamilton 2007: 87).

Bewusst wird im Folgenden überwiegend nurvon den rückkehrenden Frauen die Rede sein, da der Fokus explizit auf zurückgekehrten Frauen, die bei terroristischen Organisationen beteiligt waren/sind und der Repräsentation derer auf medialer Ebene, liegt. Die Bachelo­rarbeit spezialisiert sich somit auf einen sozialwissenschaftlichen-feministischen Schwer­punkt.

Diese Erläuterung dient auch als Einführung in die komplexere Thematik und Ideologie, um ein Verständnis für die Heterogenität der Rückkehrerinnen zu schaffen. Bestandteil soll somit die Analyse von diskursiven Konstruktionen von Geschlecht in der Berichterstattung über die Rückkehrerinnen des Islamischen Staates sein. Dem zugrundeliegend muss be­tont werden, dass Medien eine wichtige Rolle in der gesamtgesellschaftlichen Meinungs­bildung einnehmen und somit auch die gesellschaftliche Geschlechterkonstruktion beein­flussen.

Durch die mediale Präsenz und die derzeit verzögerten Abschiebungen von Rückkehrerin­nen beispielsweise aus der Türkei nach Deutschland ist es wichtig, dieses Thema wissen­schaftlich aufzubereiten. Der Bayrische Rundfunk fragt sich, wie unschuldig und wie schul­dig Frauen sind, die aus dem Islamischen Staat zurückkehren und sich nun wieder in Deutschland aufhalten (Röhmel, 2019). Es wird zudem auf die lange historische Tradition des Framings von terroristischen Männern und Frauen verwiesen (vgl. Schraut 2019). Männlich konnotierte Taten werden medial und gesellschaftlich immenser aufbereitet, während von der Frau des Öfteren nur in Zusammenhang mit Kindern und deren Rückfüh­rung die Rede sei (Siefert 2017). Beispielsweise lässt sich anhand eines Bericht vom Deutschlandfunk aus dem Jahre 2017 erkennen, dass im Falle des Mannes die Radikalität der Mittelpunkt der Berichterstattung ist und dies bei Frauen in den Hintergrund rückt (ebd.). Nachdem nun die Relevant derThematik und der Aufbau dieser Arbeit kurz skizziert wurden, folgt im nächsten Kapitel ein genauerer Blick auf das methodische Vorgehen.

1.1. MethodischesVorgehen

Vor der Bearbeitung der Thematik sollte erwähnt werden, dass im Folgenden nur vom weiblichen und männlichen Geschlecht in Bezug auf die soziale Konstruktion von Ge­schlechtern im medialen Diskurs gesprochen wird. Es handelt sich jedoch nur um die soziale Konstruktion und soll keineswegs andere Gender diskriminieren. Hierbei kommt es zum epistemologischen Konflikt, da die Bearbeitung der Forschungsfrage nach geschlechtsspe­zifischen Stereotypen eine Reproduktion der Geschlechterbilder unausweichlich mit einzu­schließen scheint. So ist es in der Stereotypenforschung kritisch, dass sie das, was eigentlich kritisiert wird, in ihrer Forschung voraussetzt, beziehungsweise reproduzieren muss (Thiele 2016). Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Komplexität von Geschlechterverhältnissen zu zei­gen sowie die Stereotypen über diese, in dem Fall besonders die der „Frau", aufzubrechen.

Zum Einstieg der Arbeit wird zunächst der aktuelle Stand der Forschung vorgestellt, um einen Einblick in verschiedenen Forschungsstandpunkte der Thematik zu bieten. Gleichzei­tig soll damit die Relevanz der Arbeit untermalen werden. Nach der Einordnung in den For­schungsstand werden Schlüsselbegriffe definiert, die ein Verständnis der Thematik verein­fachen sollen. Durch diese Einführungen wird folgend der Situative Kontext besprochen. Dabei soll die Aktualität der Rückkehrerinnen aus dem „Islamischen Staat" sowie aktuelle Daten und Problematiken dargestellt werden. Darauf folgt der theoretische Rahmen der Arbeit, der sich mit der Definition von Frames sowie Stereotypen befasst. Zudem wird die mediale Stereotypisierung von sozialen Geschlechtern diskutiert. Anschließend dazu soll die (Mit-)Täterschaftsthese nach Christina Thürmer-Rohr. Darauf folgt die Beschreibung von möglichen Tätigkeiten der Frau im „Islamischen Staat". Nachdem die Theorie sowie die Rolle der Frau im „Islamischen Staat" charakterisiert wurde, folgt die qualitative Inhaltsan­alyse medialer Berichterstattungen auf geschlechterstereotypische Merkmale von IS-Rück- kehrer*innen.

2. Situativer Kontext

Das folgende Kapitel beschreibt den situativen Kontext der vorliegenden Arbeit, der für das Verständnis der Forschungsfrage unabdingbar ist. So wird zuerst der aktuelle Forschungs­stand einen Überblick über bisherige Ansätze und Erkenntnisse der Thematik bieten, je­doch auch auf die erheblichen Forschungslücken verweisen. Gleichzeitig legitimieren die bereits erbrachten Erkenntnisse und Theorien das Vorhaben dieser Arbeit. Darauf folgt eine kurze Erläuterung von ausgewählten Begriffen, die zu einem besseren Verständnis der gesamten Thematik beitragen. Danach wird der politische, soziale und rechtliche aktuelle Kontext der deutschen Rückkehrer*innen des „Islamischen Staates" vorgestellt und die po­litische Relevanz derer erläutert.

2.1. Aktueller Forschungsstand

Folglich wird der aktuelle Forschungsstand zum Thema Terrorismus und Geschlecht be­sprochen, um ein Verständnis für die Problematiken sowie die Brisanz der Thematik schaf­fen zu können.

In den letzten Jahrzehnten gewannen die Gender Studies immer mehr an Bedeutung und wurden mit anderen wissenschaftlichen Bereichen verknüpft. Neben den Gender Studies gewann auch die Forschungsfrage nach der unterschiedlichen Repräsentation von Frauen und Männern erst seit einigen Jahrzehnten an wissenschaftlicher Bedeutung (Thiele 2016: 5). Es lässt sich jedoch allgemein beobachten, dass Frauen unterrepräsentiert in wissen­schaftlichen Terrorismusforschungen dargestellt werden (Sjoberg 2009: 69). Oftmals wer­den Terrorismus oder Terrorist*innen als männlich konnotiert dargestellt und somit der Thematik eine ,männliche' Rolle zugesprochen(Spencer & Daase 2011; Sjoberg 2009; Schraut & Weinhauer 2014). Einschlägige bekannte Terrorismusforscher*innen wie Peter Neumann beschäftigen sich in Relation zu männlichen Kämpfern kaum mit der Thematik der Frauen im „Islamischen Staat" (Neumann 2015). Zudem sollte kritisch betrachtet wer­den, dass die wissenschaftliche Literatur in Bezug auf Frauen in gewaltbereiten Organisati­onen sich oftmals mit der Frage auseinandersetzt, welche Motive Frauen dazu anleitet,sich einer solchen Gruppe sich anzuschließen (Loken & Zelenz 2017: 48). In der Friedens- und Konfliktforschung wurde lange Zeit die empirische Relevanz von Geschlecht im Zusammen­hang mit Krieg und Frieden nicht hinreichend analysiert (Harders & Clasen 2019: 363). Das soziale Geschlecht, männlich wie weiblich, wurde lange Zeit nur für deskriptive Vorhaben, wie zum Beispiel Opferstatistiken, inkludiert. Diese Problematik spiegelt sich dementspre­chend auch in der öffentlichen Wahrnehmung wieder (ebd.).

Im Gegensatz zur politikwissenschaftlichen Forschung zu Krieg und Frieden, die sich meis­tens nicht mit der Kategorie des Geschlechts beschäftigt, ist es wichtig, aus feministischer Sicht, die Interdependenzen zwischen Geschlechterordnung und Krieg/Frieden zu betrach­ten (Nachtigall 2012: 33). Im Falle des zu untersuchenden Gegenstandes lässt sich die Re­levanz besonders betonen, um die Heterogenität der Rolle der Frau in terroristischen Or­ganisationen analysieren zu können. Im Zuge der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er und 1980er Jahre wurde der Wunsch nach der Untersuchung der Frau in den Massenme­dien gefordert (Thiele 2016: 234). Meist lassen sich Studien über Minoritätsgruppen im Zu­sammenhang zu Stereotypen und Medien finden, die eine Zuschreibung von Eigenschaften und sozialen Rollen darstellen (Thiele 2016). Gleichzeitig liegt der Fokus der kommunikati­onswissenschaftlichen Geschlechterforschung auf der „Rolle der Frau in den Medien" und verweist auf deren benachteiligte Stellung (ebd.: 235). Es stellt sich aus verschiedenen Gründen als schwierig heraus, über Frauen in terroristischen Tätigkeiten zu forschen. Unter anderem liegt es allgemein an dem bekannten Problem des Informationsmangels über em­pirische Daten (Davis 2017: 9). Dabei fehlen primäre Ressourcen von Informationen aus den jeweiligen Gebieten, da sich diese aufgrund der gefährlichen Lage in den Kriegsgebie­ten schwer herstellen lassen. Ein weiterer erwähnenswerter Aspekt wäre es, in einer zu­künftigen Studie den Unterschied und Vergleich zwischen jugendlichen Frauen und Män­nern, die die Ausreise zum „Islamischen Staat" vollziehen, zu den erwachsenen Ausreisen­den, aufzustellen.

Während die Literatur zur Rolle der Frau in islamistischen Organisationen im Vergleich zur männlichen Rolle spärlich ausfällt und es kaum wissenschaftliche Literatur zur medialen Darstellung von weiblichen Terrorist*innen des „Islamischen Staates" gibt, finden sich ver­gleichbare mediale Inhaltsanalysen zu Terrorist*innen historischer Ereignisse (Melzer 2009; Thalmann 1984; Nachtigall 2012). So beschäftigten sich zum Beispiel einige Analysen mit der NSU-Terrorgruppe und der medialen Inszenierung von Beate Zschäpe (Büttner u. a. 2012).

2.2. Begriffsdefinitionen

Ein gewisses Grundverständnis der Begriffe zur Problematik sollte im Rahmen dieses Kapi­tels gewährleistet werden, um im Folgenden ein Verständnis für die in der Forschungsar­beit benutzten Termini zu erlangen. Um Verständnisschwierigkeiten zu vermeiden, werden die wohl am häufigsten genannten kurz erläutert.

Der erste Begriff, den es zu entschlüsseln gilt, lautet Terrorismus. Eine genaue allumfas­sende Definition des Terrorismus erweist sich als schwierig und nicht umsetzbar, da dieser Begriff und seine Wortbedeutung in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird (Schraut & Weinhauer 2014: 7). Terrorismus sowie Antiterrorismus gehören zu einem der meist um­strittenen politischen Erscheinungen, zugleich wichtigsten Themenfelder der sicherheits­politischen Forschung (Spencer & Daase 2011: 25). So ist es auch nicht Ziel der kurzen Be­griffserläuterung Definitionen verschiedenerTerrorismusformen darzulegen oder gar eine Einordnung verschiedener Gewaltphänomene, die in der Öffentlichkeit als Begriff des „Ter­rorismus" bezeichnet werden, einzuordnen. Vielmehr soll die kurze Darstellung des Begriffs die Verständlichkeit der Thematik vertiefen, wenn während der Untersuchung von Terro­rismus sowie von Terrorist*innen gesprochen wird. Die Deklarierung des Handelns einer Gruppe als Terrorismus und folglich auch alsTerrorist*innen delegitimiert ihre Aktionen in Form von sozialen und politischen Bewegungen (Schraut & Weinhauer 2014:7). Grundsätz­lich als Annäherungsversuch lässt sich aus politikwissenschaftlicher Perspektive Terroris­mus als Form politischer Gewalt einordnen (Badr 2017: 25). Jedoch ist dabei wichtig die Begriffe „Terror" und „Terrorismus" zu unterscheiden. „Terror" bezeichnet die Gewalt durch eine totalitäre Staatsmacht, während „Terrorismus" eine nicht-staatliche Organisa­tion auszeichnet, die Gewaltjeglicher Form gegen den politischen Staat richtet, um diesen zu bekämpfen (Pfahl-Traughber2016:11).

Fortführend wird nun der Begriff „Islamischer Staat" vorgestellt. Mit dem „Islamischen Staat"2 definiert sich eine islamistische Terrororganisation bei dem sich deren Mitglie- der*innen zur radikalen Auslegung des sunnitischen Islams entscheiden (Said 2014: 13). Wenn vom „Islamischen Staat" die Rede ist, so wird darauf hingewiesen, dass es weder ein anerkannter noch geographisch existierender Staat ist. Viel mehr ist sie als eine jihadisti- sche Organisation zu verstehen, die sich als Maxime die Gründung eines „Islamischen Staa­tes" gesetzt hat (Bilal 2015). Der „Islamische Staat" ist das politische und militärische Ver­mächtnis des Dschihadisten Abu Musab al-Zargqawi (Neumann 2015: 76). Terrorismusfor­scher wie Neumann bezeichnen den „Islamischen Staat" als Produkt des Irakkrieges 2003 sowie des sogenannten Arabischen Frühlings, die Gründung wird häufig schon auf das Jahr 2000 gelegt(Neumann 2015: 76; Hanieh & Rumman 2018: 66). So wird diese als terroristi­sche Organisation wahrgenommen, die sich durch die gewaltvolle Präsenz und Besetzung verschiedenerTerritorien im Nahen Osten, besonders in Syrien und im Irak, kennzeichnet. Die Anfänge der Ausreise zur Unterstützung von dschihadistischen Organisationen im Na­hen Osten lässt sich mit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan datieren (Hanieh & Rumman 2018: 27). Hierbei entstand der Ausruf des „solidarischen Dschihads" bei dem explizit muslimische Ausländerinnen aufgefordert wurden den „Kampf" gegen den Wes­ten beizutreten (ebd.).

Um die Darstellung von Geschlechterrollen in der Medienberichterstattung analysieren zu können, bedarf es eine kurz Erläuterung des Begriffs „Geschlecht" und folglich „Geschlech­terrollen". Oftmals agiert die alltägliche Wahrnehmung wie selbstverständlich aus ge­schlechtlichen Perspektive und wird somit in Debatten und Diskursen jeglicher Art über­nommen. Diese Darstellungsform stellt sich jedoch als veraltet und stigmatisierend heraus. So sagte die Feministin Simone de Beauvoir schon 1949: „man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es." (de Beauvoir 2016: 334). Damit bezieht sie sich auf die gesellschaftli­chen Konstruktionen von Geschlecht und legte den Grundstein feministischerTheorien be­züglich Geschlechterrollen. Grundsätzlich ist es unumstritten, dass es ein biologisches Ge­schlecht gibt (englisch: sex) und ein durch gesellschaftliche Konstrukte geschaffenes sozia­les Geschlecht (englisch: gender) existiert. So lässt sich das soziale „Geschlecht" als sozio­logische Strukturkategorie definieren, da sie Individuen aufgrund ihrer Geschlechtsmerk­male unabhängig ihrer Handlungen sozial kategorisiert und unterscheidet (Bublitz 2000: 84).

2.3. Situativer Rahmen - Kontext Rückkehrerinnen aus dem „Islamischen Staat" in Deutschland

Im folgenden Kapitel sollen neben der Aktualität der Thematik auch die Gründe dargestellt werden, aufgrund welcher vorwiegend junge Menschen die Entscheidung treffen, sich in Deutschland zu radikalisieren und letztendlich zum "Islamischen Staat" auszureisen. Vor­erst wird zunächst die Behandlung der IS-Rückkehrer*innen auf politischer sowie rechtli­cher Ebene beschrieben. Dabei sollen Daten sowie Berichte aus Bundesinnenministerkon­ferenzen und Anträgen aus dem Bundestag herangezogen werden. Zudem werden ab­schließend einige soziale und politische Gründe für eine Radikalisierung zum Salafismus und damit auch eine mögliche Ausreise zum „Islamischen Staat" aufgezeigt, um den Le­serinnen einen umfassenden Einblick in den Kontext von Rückkehrerinnen aus dem „Is­lamischen Staat" präsentieren zu können.

„Der Umgang mit IS-Rückkehrerinnen.

Neulandfür unsere Gesellschaft und ihre Institutionen."

(Schirrmacher 2018)

Mit dieser Überschrift des Blog-Beitrages von Christine Schirrmacher (2018), Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Bonn, bedient sie sich einer These, die die Proble­matik der Behandlung aus dem „Islamischen Staat"-Rückkehrer*innen durch politische und juristische Institutionen und der sozialen Wahrnehmung ebendieser aufgreift. Historisch betrachtet, ist die Forderung nach Rückholung von ins Ausland zu einer terroristischen Or­ganisation gereisten Terrorist*innen in diesem Maße erstmalig. In der Vergangenheit gab es zwar Ausreiseaktionen von deutschen Terrorist*innen in Ausbildungslager, sogenannte Guerilla Lager, jedoch mit der Absicht nach Deutschland zurückzukehren.3 Jedoch sind weibliche Terroristinnen kein neues Phänomen sowie keine Seltenheit in der Geschichte (Herrschinger 2017: 2).

Um vorerst einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation von Rückkehrerinnen nach Deutschland aus den Kampfgebieten des „Islamischen Staates" gewinnen zu können, wird im Folgenden ein Umriss aktueller Zahlen und Daten wiedergegeben. Somit kann ein klei­ner Einstieg gewährleistet werden.

Laut dem Bericht der Innenministerkonferenz vom 10. September 2019 zum Thema „Um­gang mit Rückkehrern aus den jihadistischen Kampfgebieten, insbesondere Syrien und Irak" sind Stand Juni 2019 über 1050 Personen aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist, um jihadistische Organisationen zu unterstützen (BMI 2019: 1). Von etwa der Hälfte der Ausreisenden lassen sich eindeutige und damit strafbare Kampfhandlungen oder andere etwaige Unterstützung der terroristischen Organisationen nachweisen (ebd.). Laut einer Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der LINKEN im Bundestags bezüglich der Sicherheitsgefährdung von rückkehrenden Mitgliedern des „Islamischen Staates" vom 12.11.2019 gibt es etwa 122 zurückgekehrte Personen, die sich dieser Organisation ange­schlossen hatten (Bundesregierung 2019: 5).

Das Bundesinnenministerium stuft die Rückkehrerinnen in unterschiedliche Kategorien ein, betont jedoch auch, dass jeder Fall als Einzelfall betrachtet werden sollte (BMI 2019: 2). Die Rückkehrerinnen werden jedoch vorerst in eine von zwei Kategorien eingeordnet. Entweder gehen Ermittlungsbehörden davon aus, dass die Person weder vor noch nach ihrer Ausreise zum „Islamischen Staat" und der entsprechenden Rückkehr nach Deutsch­land keine bedeutende Rolle in der salafistischen Szene einnahm. In diesem Fall werden Ermittlungsverfahren - trotz der Kenntnisnahme, dass die jeweilige Person einen ehemali­gen Bezug zum „Islamischen Staat" vorweist-eingestellt (ebd.: 3). Wenn der oben genannte Fall jedoch nicht zutrifft, wird die jeweilige Person als Gefährder*in eingestuft. Hierbei wer­den die Gefährder*innen in drei weitere Unterkategorien geteilt (ebd.: 3). Diese Unterka­tegorien teilen sich laut der Kategorisierung der Bundesinnenministerkonferenz folglich ein in (BMI:3f):

1.) Rückkehrerinnen, die mit jihadistischen Absichten im Sinne der Ideologie des „Islami­schen Staates" zurückkehren oder die Absicht haben jene Vorhaben zu unterstützen.
2.) Rückkehrer*innen, die weiterhin eine extremistische Haltung einnehmen, sich jedoch nicht aktiv beteiligen.
3.) Rückkehrerinnen, die zunächst desillusioniert zurückkehren. Es besteht jedoch die Chance besteht sich dem Milieu wieder anzuschließen.

So lässt sich beobachten, dass dem Bericht zufolge eine mögliche Behandlung derThematik seitens der Bunderegierung nachzuverfolgen ist. Hierbei empfiehlt sich jedoch für andere Arbeiten die Effektivität sowie die Vorgehensweise der Bundesregierung bezüglich der Problematik kritisch zu analysieren. Es lässt sich bei der Auswertung der Quellen bezüglich des vorliegenden Kapitels feststellen, dass nahezu alle aktuellen Anfragen aus dem Bun­destags bezüglich der Rückkehrerinnen ihre Quellen in den Anfragen aus den Medienbe­richterstattungen entnehmen4 '

Gemäß des §129a des Strafgesetzbuches wird eine Person straffällig, die sich an der Bildung einer terroristischen Vereinigung beteiligt, auch wenn diese im Ausland5 tätig ist (Handle u. a. 2019: 4). Die Bandbreite der Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation beläuft sich demnach von einfachen logistischen Aufgaben bis hin zu aktiven Kampfhandlungen (Moldenhauer 2018). Der Umgang mit Rückkehrer*innen ist rechtlich sowie auf sozialer Ebene umstritten, wodurch sich diese Thematik als höchst komplex darstellt. Dementspre­chend ist es auch förderlich sich den Diskurs auf medialer Ebene anzuschauen und diesen zu analysieren. So erweist sich eine Analyse der allgemeinen medialen Repräsentation der Rückkehrerinnen als Grundlage für einen weiteren Diskurs. Nicht nur die allgemeine sprachliche Ebene der Medien verharmlost die Frauen des Islamischen Staates, sondern auch die Rechtsprechung. Hierbei soll angemerkt werden, dass es keinerlei Rechtsprechung für Beihilfe terroristisch motivierter Straftaten gibt (Straßer & Lenk 2019:336). Ein wichti­ges Argument des Auswärtigen Amtes, der die Rückholung und damit auch die Gerichts­barkeit deutscher Anhänger*innen des „Islamischen Staates" oftmals verhindert, ist die fehlende diplomatische Vertretung in Syrien aufgrund des Kriegsgeschehens (von der Heide & Kabisch 2020).

Oft sind es die ähnlichen Schicksale, weshalb junge Menschen sich in radikalen Gruppie­rungen wiederfinden (Käsehage 2018: 105). Sie gelten vor ihrer Radikalisierung als Prob- lemkinder/-jugendliche, eine Vielzahl von ihnen ist häufig polizeilich vermerkt, durch klei­nere Drogen- und/oder Raubdelikte, wie derVerfassungsschutz bestätigt (vgl. Vefassungs- schutz 2019: 12). Es kommen Faktoren wie eine zerbrechliche Identität, beispielsweise durch eine schwierige Kindheit, mangelndes Selbstwertgefühl, Ausgrenzungserfahrungen, Perspektivlosigkeit sowie die Unkenntnis über den Islam hinzu (ebd. P.12). Gerade die Aus­grenzungserfahrungen und Perspektivlosigkeit veranlassen die Entwicklung einer Abnei­gung gegen den Staat, wodurch die Personen anfälliger sind, sich radikalen Gruppierungen anzuschließen, die genau diese Abneigung gegen das westliche System predigen sowie dem Radikalisierten Ansehen versprechen. Um möglichst viele Anhänger*innen einer Ideologie in einer kurzen Zeit anzuwerben, bedarf diese einer Einfachheit, wie es zum Beispiel der Salafismus hergibt. So muss die ideologische Komponente möglichst einfach strukturiert sein und attraktiv präsentiert werden (Neumann 2016).

Wie bereits erwähnt, kann man nicht eine einzige und universelle Ursache für eine Radika­lisierung ausfindig machen. Vielmehr muss auf das Zusammenspiel verschiedener Faktoren geachtet werden. Es kann hierbei durchaus zu einer Melange einzelner Faktoren kommen. So zerfließen die Meso- und Mikro-Ebene ineinander und können nicht unabhängig vonei­nander als Antwort einer Radikalisierung herangezogen werden. Besonders wichtig ist es dabei, die soziale Meso-Ebene zu betrachten, die in Zusammenhang mit individuellen Ent­wicklungsprozessen sowie lokalen und globalen Geschehnissen steht (Logvinov 2017). Auf der Meso-Ebene, also der Gruppendynamik, unterscheidet man zwischen Pull- und Push­Faktoren für den Radikalisierungsprozess. Nicht selten spielt die fehlende soziale Integra­tion eine größere Rolle. So kommt es häufig vor, dass Ausgrenzung und das Gefühl nicht in das Bild der Gesellschaft zu passen, eine offene Tür zur Radikalisierung darstellen. Außer­dem ist die Islamophobie im Westen ein steigender Push-Faktor (ebd.: 32). Bekannte Pull­Faktoren beim Salafismus hingegen sind die salafistische Ideologie und der Islamische Staat als bekannte „Propagandastelle und Ideologie" (ebd.: 32). Auf der Mikroebene lassen sich, wie bereits erwähnt, also auch Persönlichkeits- und Identitätskrisen beobachten, die einen Radikalisierungsprozess verstärken (Frindte 2016). Diese greift die angesprochene grup­penbezogene Diskriminierung auf und verstärkt islamistisch-fundamentalistische Überzeu­gungen, die negative Emotionen gegenüber der „westlichen" Gesellschaft hervorruft(ebd.). Dadurch kann es sich dann zu großer Wahrscheinlichkeit, unter Einbezug anderer radikali­sierender Faktoren, zu einer Akzeptanz ideologisch fundierter Gruppengewalt kommen.

3. Theoretischer Rahmen: Grundlagen und Konzepte von Frames und Stereotypen

Stereotype und soziale Vorurteile bestimmen bewusst und unterbewusst das alltägliche Leben. Nicht nur im sozialen Umfeld konfrontieren sich Gesellschaften mit ihnen, sondern auch in den Medien auf verschiedenster Weise. Einleitend werden in diesem Kapitel die Grundlagen und Konzepte von Frames und Stereotypen beschrieben, um fortführend diese in der Frame-Analyse anwenden zu können. Zudem wird im direkten Bezug auf die Thema­tik der Arbeit die Mittäterschaftthese von Christina Thürmer-Rohr (2010) vorgestellt. So sollen zuerst Frames und ihre Entstehung sowie deren (Wechsel-)Wirkung auf mediale Ste­reotypen beschrieben werden. Nach der Grundlage des Framings wird das Verständnis der Stereotypen näher erläutert. Hierbei folgt erst die Definition des Begriffs (Geschlechter)- Stereotype sowie die Besprechung der Entstehung und der Kategorisierung dessen. An­schließend wird der Prozess der Stereotypisierung beschrieben. Nach der Begriffserläute­rung wird die Rolle von Medieninhalten, insbesondere deren Darstellung verschiedener Geschlechterrollen, in Bezug auf die Festigung verschiedener Sozialisationsprozesse darge­stellt. Anhand der Definition von (Geschlechter-)Stereotypen lässt sich dann fortführend der Prozess der Stereotypisierung erklären.

3.1. Frames und der Framing-Begriff

Der Begriff des Frames sollte vorab geklärt werden. Grundsätzlich muss jedoch betont wer­den, dass die Framing-Theorie und ihre Definition keinesfalls auf eine homogene Konzep­tion trifft. So finden sich verschiedene Ansätze und Theorien, die sich mit der Frage nach dem Konstrukt des oder eines Frames befassen. Gleichauf gibt es auch zahlreiche Ansätze der Frame-Analyse (Mayring 2010; Badr 2017; Oswald 2019; Matthes 2014; Wehling 2018; Goffman 1974; Fraas 2013). Trotz der heterogenen Definitionsansätze um die Thematik des Framings verfügt die Framing-Theorie über wesentliche Vorzüge, die vor allem auf der in­terdisziplinären sowie flexiblen Ebene beruhen (Badr 2017:177).

So gilt es nun für die vorliegende Arbeit - trotz der Heterogenität der wissenschaftlichen Ansätze des Framings - ein Begriffsverständnis von Frames herzustellen. Dabei spielt be­sonders die Form des Framings eine entscheidende Rolle. Unterschieden wird dabei zwi­schen bewussten und unterbewussten Zielen der Frames in ihrer Wahrnehmung (Oswald 2019: 20). Ihren Ursprung als Theorie findet das Framing in der soziologischen und politik­wissenschaftlichen Forschung, die sich durch die qualitative Analyse von Texten kennzeich­net (Badr 2017: 177). Fortführend nahm sich auch die Kommunikationswissenschaft die Behandlung der Thematik an und entwickelte dieses Paradigma indessen weiter. Erstmals beschäftigte sich der Sprachwissenschaftler Ervin Goffman im Jahre 1974 mit der Frame­Analyse (verständlich: Rahmenanalyse). Dabei ging Goffman von Frames als Interpretati­onsschemata, die es Individuen oder aber auch sozialen Gruppen ermöglichen, die Realität in soziale Konstrukte einzuordnen und demnach zu beurteilen (Goffman 1974: 8). Fortfüh­rend leiten Frames das Handeln von Individuen und sind somit zur Einordnung notwendig. Goffman argumentiert, dass die Einordnung notwendig sei, da die kognitiven Strukturen nach Organisationsprinzipien aufgestellt um alltägliche Situationen zu kategorisieren zu können (Fraas 2013: 262). Trotz der unterschiedlichen Definitionen und Anwendungen tritt dieses Merkmal als grundlegende Gemeinsamkeit auf. Zudem weisen Frames einen Dop­pelcharakter auf, indem sie sich auf der vorher benannten kognitiven sowie aber auch auf sozialer Ebene anordnen (ebd. 263). Oswald sowie Wehling betonen jedoch, dass sich diese Interpretationsschemata nicht im „natürlichen" Sinne begründen lassen, sondern immer auf gesellschaftliche Strukturen, hier Rollenbilder, berufen (Oswald 2019; Wehling 2018).

Immer häufiger finden sogenannte Frame-Analysen Platz in wissenschaftlichen Beobach­tungen zur medialen Berichterstattung. Hinzuzufügen ist, dass die Framing-Theor'ie beson­ders in der empirisch und quantitativ orientierten Kommunikationswissenschaft eine viel­fältige Verwendung findet (Badr 2017:177).

„Sprache bestimmt, wie wir unsere Umgebung und andere Menschen wahrnehmen, und mit welcher Leichtigkeit Informationen und Fakten von unserem Gehirn registriert wer-den. “(Wehling 2018:20f)

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling definiert Frames als einen Deutungsrah­men, der durch Worte oder Ideen aktiviert wird (Wehling 2018: 28). Des Weiteren werden Frames durch Massenmedien geformt und nehmen gleichzeitig eine entscheidende Rolle in dergesellschaftlichen Debatte ein (Matthes 2014: 9).

„Nicht Fakten, sondern Frames sind die Grundlage unserer alltäglichen sozialen, ökonomi­schen und politischen Entscheidungen."(Wehling 2018:45)

Sowohl Matthes als auch Wehling ordnen Frames im gesellschaftswissenschaftlichen Dis­kurs sowie in der sozialen Rollenbildung eine entscheidende Rolle zu (vgl. Matthes 2014: 9; Wehling 2018:45).

Hinsichtlich des zu untersuchenden Gegenstandes lässt sich mit der Aussage Wehlings fest­stellen, dass die mediale Darstellung, genauer gesagt der Frame, von weiblichen Terroris­tinnen eine übergreifende Wirkung auf politische sowie soziale Handlungen haben kann (Wehling 2018: 45). Diese These wird im Kapitel „Geschlechterkonstruktionen in medialen Terrorismusdiskursen" weiterführend behandelt. Grundsatz einer medialen Berichterstat­tung ist es, möglichst vielseitig über eine Thematik zu berichten. Oftmals lässt sich dies bei Themen wie der Klimakrise auch beobachten. Wie ist es jedoch mit der medialen Bericht­erstattung über Frauen, die dem IS in jeglicher Art und Weise angehörten und aus dem sogenannten heiligen Krieg nach Deutschland zurückgekehrt sind?

3.2. Entstehung und Kategorisierungvon (Geschlechter)-stereotypen

Aufbauend auf der Erklärung von Frames und ihrer Wirkung auf den (medialen) Diskurs bedarf es nun der Erläuterung von Stereotypen, die maßgeblich ein Produkt des Framings sind. Um sich fortlaufend der Analyse zu widmen, wie Frauen, beziehungsweise das soziale Geschlecht, medial dargestellt werden, bedarf es einer Beschreibung der Darstellung der Entstehung und Verankerung von geschlechtsbezogenen Stereotypen.

Stereotype gelten als sozial übermittelte und kulturell geteilte Vorurteile zu bestimmten Kategorien (Petersen und Six 2020:17). Folglich istjeder Mensch ein Mitglied vieler unter­schiedlicher sozialen Kategorien. Zugehörigkeit zu den verschiedenen Kategorien finden diejenigen, die aufgrund bestimmter Merkmale einer der gleichen Gruppe zugewiesen sind. Stereotype sind ein klassisches Alltagsprodukt, das sich in verschiedensten Formen zeigen lässt. So werden häufig bewusst oder unterbewusst beim Aufeinandertreffen von Personengruppen verschiedene Stereotype zu Tage gebracht (Sommer 2017: 27). Maßgeb­lich für die Zuordnung zu einer Gruppe sind bestimmte Merkmale, die vermeintlich „ty­pisch" für diese Gruppe sind. Unabdingbar findet dabei gleichzeitig eine Abgrenzung zu den „Anderen" statt. Diese „Anderen" entstehen durch unterschiedliche gesellschaftlich zuge­wiesene Charakteristika, wie zum Beispiel die Ethnie, die Religion, das Geschlecht oder aber auch die äußere Erscheinung einer Gruppe. Im vorliegenden Fall wäre das die Gruppe des weiblichen Geschlechts. Wie zutreffend diese Bilder sind, ist eine der zentralen Frage in den Kommunikations- und Medienwissenschaften (Thiele 2016). Klar ist jedoch, dass das vorhandene kognitive Schema einen bedeutenden Einfluss auf den Prozess der Wahrneh­mung nimmt (Thiele 2016). So ist das Hauptmerkmal von Stereotypen die Gliederung von Personen in soziale Kategorien, unabhängig von ihrer Konnotation, die wiederum Folgen für die Wahrnehmung, den Umgang und die Beurteilung derjenigen aufweist (Klauer 2020: 23). In Anlehnung an die Wahrnehmungsveränderungen durch Stereotype sind auch damit entstandene Erwartungen der Verhaltensweisen gekoppelt, die sich nur auf die Stigmati­sierung zurückführen lassen (ebd.: 23). Es lässt sich zwischen einer negativen Funktion, sprich Dysfunktion, und einer positiven Funktion von Stereotypen für Individuen und Grup­pen unterscheiden. Dysfunktionale Stereotypen erzielen die Exklusion der jeweiligen Gruppe, während positive Stereotypen Vorteile für die jeweilige Gruppe mit sich bringen können (Thiele 2016). Klauer argumentiert wie folgt: Je öfter ein bestimmtes Bild einer so­zialen Konstruktion bewusst oder unbewusst aufgenommen wird, desto mehr verfestigt sich dieses in der eigenen Wahrnehmung (Klauer 2020: 26f).

[...]


1 Es wird hierbei beispielsweise auf den Artikel von n-tv verwiesen: https://www.n- tv.de/panorama/IS-Braeute-berichten-von-Sexsucht-articlel9944480.html (zuletzt geöff­net: 6.9.2020)

2 Der „Islamische Staat" wird auch „Daesh" oder „Islamischer Staat im Irak und Sy- rien"(kurz: ISIS) genannt (Said 2015: 15).

3 Gemeint ist dabei die im Sommer 1970 nach Palästina ausgereisten Terrorist*innen der Roten-Armee-Fraktion, die sich eine achtwöchige Ausbildung durch die El Fatah unterzo­gen haben (Schulz 2007).

4 Verweis beispielsweise auf die kleine Anfrage im Bundestag, die in ihrer Vorbemerkung ihre Quelle von Artikel des Focus, des Spiegels und des Deutschlandfunks beziehen (Bundesregierung 2019).

5 In diesem Fall greift §129b des Strafgesetzbuches.

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Die mediale Stereotypisierung weiblicher Terroristinnen in Deutschland
Untertitel
Eine qualitative Frame-Analyse anhand von IS-Rückkehrer*innen
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
67
Katalognummer
V1161054
ISBN (eBook)
9783346561305
ISBN (Buch)
9783346561312
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mediale Stereotypisierung, geschlechtsspezifische Stereotypen, Terrorismus
Arbeit zitieren
Sophie Heins (Autor:in), 2020, Die mediale Stereotypisierung weiblicher Terroristinnen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1161054

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