Dramenanalyse von Fabian Ristau
Thema: Faust I „Kerkerszene“
Aufgabe: Arbeiten Sie anhand des Gesprächsverlaufs die Beziehung Gretchens zu Faust heraus und berücksichtigen Sie dabei die dramaturgischen und sprachlichen Gestaltungsmittel. Zeigen Sie am Beispiel der „Gretchenhandlung“ in Faust I, inwiefern Goethe das Stück im Untertitel zu Recht als „Tragödie“ bezeichnet hat.
In der letzten Szene des Dramas „Faust erster Teil“ geht es grundlegend um die Erlösung Gretchens. Faust und Mephisto drängen zur gemeinsamen Flucht aus dem Kerker doch Gretchen weigert sich. Sie verhält sich dabei zwiespältig. Sie schwankt zwischen absoluter Liebe zu Faust und innerlicher Verwirrtheit. Dabei ist ihr Ziel nicht die Flucht, sondern eine gemeinsame Zukunft mit Faust ohne dem Einfluss von Mephisto.
Faust ist ein zweiteiliges Drama, geschrieben von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Insgesamt schrieb er 30 Jahre daran. Im Mittelpunkt der Handlung steht Faust, der einen Pakt mit Mephistopheles geschlossen hat, um seinen Wunsch nach mehr Wissen zu befriedigen. Im Prolog schließen Gott und Mephistopheles zuvor eine Wette ab.
Grund dafür liefert Mephisto. Er ist unzufrieden mit seiner momentanen Machtposition im Himmel und möchte Gott in die Reserve locken und klagt Gott offen an. Während der Herr an das Gute in den Menschen glaubt und sagt das sie aus ihren Fehlern lernen, vergleicht sie Mephistopheles mit Tieren und sagt das sie ohne den Herrn viel besser leben würden. Mephisto geht sogar soweit zu sagen, dass alle Menschen im Inneren schlecht sind. Um seine These zu belegen, schlägt er vor es mit einer Grundfrommen Person zu versuchen und diese zum Bösen zu bekehren.
Die „Versuchsperson“ ist Faust. Da Faust ein Gelehrter ist, der sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigt und alles ergründen will, was die Erde und Universum zu bieten haben, schließt er den Pakt mit Mephisto ab. Der Inhalt des Paktes besteht darin, dass Mephistopheles Faust solange jeden seiner Wünsche erfüllt, bis er sagt: ,,Verweile doch! du bis so schön!" (Seite 48, Zeile 1700), woraufhin Mephistopheles Fausts Seele erhalten soll. Im laufe der Zeit wünscht sich Faust mehrer Dinge von unschätzbarem Wert. Der wohl bedeutendste Wunsch ist, die Verjüngung Faust mit Hilfe eines Hexentrunks.
Mit der neuen Jugend geht er gleich auf Frauensuche. Margarete soll seine Auserwählte sein.
Dies ist der Beginn der „Gretchentragödie“. Faust und Gretchen kommen sich mit der Zeit immer näher. Dies gibt Valentin den Anlass Faust zu attackieren, weil er Faust und Mephisto für gefährlich hält. Faust bringt ihn im Gefecht um und überredet Gretchen mit ihr zu nächtigen. Sie willigt ein und wird sogleich schwanger. Gretchen will das Kind allerdings nicht und bringt es um. Als Strafe dafür muss sie in den Kerker.
Faust, der erst jetzt davon erfährt, möchte sie jetzt mit Mephistopheles´ Hilfe befreien.
Die Kerkerszene spiegelt die physische und psychische Verfassung Gretchens nach dem Kindesmord wieder. Dabei steht der Kerker sowohl als Synonym für Dunkelheit und Einsamkeit aber auch als Weg zum Bösen und Abstieg in die Hölle. In Gretchens Fall ist es jedoch ein Tor zur Erlösung von Leid und Trauer. Inhaltlich lässt sich die Szene in 4 Teile gliedern: Zuerst (Zeile 4423-59) ist Gretchen verwirrt und glaubt, dass ihr Kind noch leben würde, dass sie es nicht umgebracht hätte und hält den hereintretenden Faust für den Henker. Danach, als Faust sagt: ,,Gretchen! Gretchen!" (Seite 131, Zeile 4460), und: ,,Ich bin´s" (Seite 131, Zeile, 4469), erkennt sie seine Stimme: ,,Das war eines Freundes Stimme" (Seite 131, Zeile 4461), und: ,,Du bist´s!" (Seite 131, Zeile 4470), und fasst wieder Hoffnung, erinnert sich an frühere Zeiten, als beide noch glücklich waren. Ständige Wiederholungen (Stilmittel) begleiten Fausts’ Worte. Er ist zusammen mit Mephisto der Antreiber der Szene und will alles schnell über die Bühne bringen. Im zweiten Teil (bis Zeile 4497), wendet sich alles zum negativen (ansteigende Katastrophe). Zunächst glaubt Gretchen noch an Faust doch dann spürt sie plötzlich seine Kälte: „Oh weh deine Lippen sind kalt“ Als Faust sie dann nicht küssen möchte, weiß sie, er würde sie nicht mehr lieben, wendet sich ab und verliert ihre eben neu entdeckte Hoffnung wieder. Im dritten Teil (bis Zeile 4573) erinnert sie sich dann wieder an ihre Tat, und betont, dass Faust auch nicht unschuldig sei, da er ihren Bruder tötete. Faust hingegen möchte von dem allen nichts wissen und versucht die Situation zu überspielen und damit Gretchen zu beruhigen „lass das Vergangene vergangen sein“ (z. 4518).Für Gretchen stellt dies eine unlösbare Aufgabe dar. Sie glaubt dennoch daran, dass Faust sie heute heiraten würde. Woraus allerdings nichts wird. Als sie ihre Taten vor dem Gericht Gottes gesteht teilt sie Faust noch die Aufgabe zu, ihre (Mutter, Bruder, Kind und Gretchen)Gräber zu pflegen. Im vierten Teil (Zeile 4574-4615) weiß Gretchen das der beginnende Tag ihr letzter sein würde, denn sie erfährt eine Vision, in der sie ihre Hinrichtung sieht. Mephisto mahnt immer wieder zur Eile doch Gretchen weigert sich mit allen Kräften gegen Mephisto und ergibt sich dem Gericht Gottes. Damit rettet sie sich schließlich selbst und kommt in den Himmel. Bevor sie stirbt sagt sie noch: ,,Wir werden uns wiedersehn" (Seite 134, Zeile 4585), was eine Art Hinweis für den zweiten Teil gibt, da sich dann Gretchen und Faust wieder begegnen. Damit endet zwar die „Gretchentragödie“, jedoch fängt die „Gelehrtentragödie“ erst richtig an. Im zweiten Teil nimmt die Handlung eine ganz neue Dimension an. Faust wendet sich dabei seinen Studien zu, die schließlich zum Größenwahn umschlagen.
Mephisto muss am Ende der Szene seine Niederlage eingestehen. Er hatte es nicht geschafft, Faust zur absoluten Zufriedenheit zu verhelfen. Vielmehr ist er zuletzt am Boden zerstört weil er lernen muss, dass trotz absoluter Macht und Weißheit das Leben ihre eigenen Gesetze schreibt. Gretchen hingegen geht als Siegerin vom Platz. Sie erkannte die Rolle Mephistos und entpuppt sich zuletzt auch noch als sein Gegenpart.
,,Was steigt da aus dem Boden herauf? Der! der! Schick ihn fort! Was will der an dem heiligen Ort? Er will mich!" (Seite 135, Zeilen 4601 bis 4603). Gretchen erkennt das böse in Mephistopheles und möchte, dass Faust sich von ihm abwendet. Dieser geht aber nicht auf ihre Warnung ein, sondern möchte immer nur, dass Gretchen mit ihm flieht. Wogleich man hinzufügen muss, dass sie keine Kenntnis vom Pakt der beiden besaß. Doch sie empfindet, dass Mephisto eine Bedrohung für ihre Liebe ist und dass Faust sich mit Mephisto zerstören würde und versucht alles, um ihn von Mephisto zu distanzieren. Dafür ist es jedoch schon zu spät und Gretchen muss ihn auf der Erde zurücklassen. Auffällig ist, dass in der gesamten Szene Faust und Gretchen aneinander vorbeireden. Während sich Faust ausschließlich mit der Flucht beschäftigt, schwelgt Gretchen in ihren Erinnerungen. Dabei erinnert sie sich an die schöne gemeinsame Zeit mit ihrem Faust, aber auch an ihre schreckliche Tat. Faust hingegen möchte ihr nur bei ihrer Flucht helfen, um sein Gewissen zu beruhigen, da er selbst auch schuld daran ist, dass Gretchen jetzt im Gefängnis sitzt. Faust unterstreicht hier seine egomanischen Züge „DU bringst MICH um“(Zeile 4518 f.), die auch schon in der ersten Szene zu sehen sind (setzt sich mit Erdgeist und anderen Göttern gleich). Gretchen lädt jedoch die Komplette Schuld auf sich allein und nimmt die Folgen ihres Handelns wie selbstverständlich hin: ,,Gericht Gottes! dir hab ich mich übergeben!" (Seite 131, Zeile 4605), wodurch sie schließlich auch gerettet wird, und in den Himmel kommt. Damit siegt sie automatisch über Mephisto. Gretchen ist anfänglich ein Kind, welches sich immer mehr zu einer Erwachsenden entwickelt. Faust allerdings ist mit seiner Entwicklung kein Stück gewachsen. Im Gegenteil. Dank Mephistos Beitrag, ist er nun mehr ein Egomane, der sich nur mit der Hilfe Mephisto am leben halten kann. Faust ist deutlich überfordert mit der Situation und versagt als Mensch auf ganzer Linie (Zeile 4596). Sein neu erlerntes Wissen über die Zusammenhänge des Lebens kann er nicht anwenden. Im Gegenteil er versteht die Menschen noch weniger als vorher. Es geht nicht in seinen Kopf warum Gretchen nicht mit ihm flüchten will. Dabei ist es doch recht einfach erklärt: Gretchen liebt ihn BEDINGUNGSLOS, wozu Faust nicht im Ansatz zu leisten im Stande ist. Gretchen hingegen erkennt die fatale Situation und versucht zu retten was noch zu retten ist. Retten kann sie sich allerdings nur noch selber. Durch die unterschiedliche Sprechweise der Dialogpartner wird die dramatische Zuspitzung betont. Während Faust mit verzweifelnden Aufforderungen auf das Tempo drängt: ,,Still! Still! ich komme, dich zu befreien." (Seite 130, Zeile 4424), spricht Gretchen längere Passagen in einem zwei gespaltetem Ton (Ständiger Wechsel zwischen Verwirrt - und Klarheit) mit kurzen Versen, die Visionen, Schilderungen und unbeantwortete Fragen ausdrücken. Der größere Redeanteil lässt auch auf die Bedeutung und Stärke Gretchens hinweisen Durch die Länge kommt es zu einer Zeitverzögerung, die den Gegenpol zu Faust bildet. Mephistopheles spricht ähnlich wie Faust in knappen Aufforderungen und Feststellungen: ,,Sie ist gerichtet" (Seite 135, Zeile 4611), drängt demzufolge auch auf das Tempo, zum Beispiel: ,,Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich." (Seite 135, Zeile 4606). Wieder sind es Wiederholungen, die das Tempo verschärfen. Für die bessere Verständlichkeit des Textinhaltes sind die Regieanweisungen äußerst beachtenswert: ,,Faust (wirft sich nieder). Ein liebender liegt dir zu Füßen" (Seite 131, Zeile 4451). Für die Darstellung der dramatischen Zuspitzung sind sie ebenfalls sehr wichtig: erst wälzt sich Gretchen auf dem Boden, dann kniet sie, steht auf, wirft sich nieder, springt auf (vgl.: Seiten 130 bis 131, Zeilen 4424 bis 4461). Durch diese Anweisungen wird auch ihre innere Zerrissenheit durch gut dargestellt.
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- Fabian Ristau (Autor:in), 2008, Goethe, Johann Wolfgang von - Faust I: Dramenanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116130