Anforderungen an ein Organisations- und Kommunikationskonzept. Internationales Nachwuchs-Scouting eines Fußball-Erstligaclubs aus einer der europäischen Top-5-Ligen


Masterarbeit, 2021

62 Seiten, Note: 2,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungshintergrund

3. Empirischer Teil
3.1 Literaturrecherche
3.2 Informelle Gespräche
3.3 Experten-Interviews
3.4 Fragebogen
3.4.1 Teilnehmer
3.4.2 Ablauf
3.4.3 Auswertung
3.4.3.1 Attribute und Scoutingformen
3.4.3.2 Externe soziale Faktoren
3.4.3.3 Einbettung
3.4.3.4 Involvierte Funktionen
3.4.3.5 Scoutingprozess
3.4.3.6 Dokumentation
3.4.3.7 Entscheidungsfindung und Führungsstil
3.4.3.8 Arbeitskultur
3.4.3.9 Erfolgskriterien
3.5 Einordnung der organisatorischen Anforderungen
3.6 Einordnung der kommunikativen Anforderungen
3.6.1 Formale Kommunikation
3.6.1.1 Meetings
3.6.1.2 Berichtswesen
3.6.1.3 Final Reporting
3.6.2 Kommunikation zur Entscheidungsfindung
3.6.3 Arbeitskultur - Kommunikation und Führungsstil

4. Diskussion
4.1 Schlussbetrachtung und Ausblick
4.2 Limitationen und weiterer Forschungsbedarf

5. Quellenverzeichnis
5.1 Literaturverzeichnis
5.2 Internetquellenverzeichnis

6. Anhang
6.1 Tabellenverzeichnis
6.2 Abbildungsverzeichnis
6.3 Fragebogen-Muster
6.4 Einwilligungserklärung Muster
6.5 Experten-Interviews

1. Einleitung

Die vorliegende Thesis im weiterbildenden Master-Studiengang „Unternehmenskommunikation und Rhetorik“ der Universität Koblenz-Landau geht der Frage nach, welche organisatorischen und kommunikativen Anforderungen sich im Rahmen des internationalen Nachwuchsscoutings bei einem Fußball­Erstligaverein aus einer der europäischen Top-Ligen ergeben und wie ein idealtypischer Prozess aussehen sollte. Zu den europäischen Top-Ligen im Fußball zählen nach dem UEFA-Koeffizienten die Länder Deutschland, England, Frankreich, Italien und Spanien (www.uefa.com).

Die Bedeutung einer Strukturierung des Scoutingprozesses wird unter anderem deutlich an der Vielzahl an verpflichtenden Funktionen, die als Beispiel die Deutsche Fußball-Liga (DFL) im Rahmen der Zertifizierung der Nachwuchsleistungszentren für deutsche Vereine aus den Lizenzligen vorschreibt (www.media.dfl.de). Diese Vorgaben und die Vielzahl an möglichen Beteiligten an dem Nachwuchsscoutingprozess machen es erforderlich, eine Priorisierung dieser Funktionen hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für den internationalen Scoutingprozess vorzunehmen und den sich daraus ergebenden Organisations- und Kommunikationsbedarf zu analysieren.

Darüber hinaus handelt es sich beim systematisch betriebenen, internationalen Nachwuchsscouting um einen Bereich, den die meisten Fußballvereine noch nicht in ihre Struktur implementiert haben, entsprechend stellen sich die Fragen nach der Einbettung bzw. dem Zusammenspiel mit dem Lizenz- und Nachwuchsscouting und dem konkreten Ablauf des Scoutingprozesses.

Im Rahmen dieser Thesis verstehe ich unter dem „Internationalem Nachwuchsscouting“ den Prozess von der Erstsichtung eines Spielers bis zum Abschluss einer Einschätzung des Spielers mit all seinen Facetten. Ausgenommen hiervon sind nachgelagerte Prozesse, wie etwa Vertragsverhandlungen mit der Spielerseite. Die Betrachtung und Analyse des Prozesses endet folglich mit dem Abgeben einer Verpflichtungsempfehlung oder -ablehnung bzw. der sportlichen Entscheidung der Entscheidungsträger.

Unter das internationale Nachwuchsscouting fallen für diese Master-Thesis alle Jugendspieler, die von ihrem Alter her spielberechtigt sind bis einschließlich U19, keine Einsätze für eine Lizenzmannschaft vorzuweisen haben und nach einem der beiden folgenden Kriterien gesichtet werden: Perspektive Lizenzmannschaft und/oder Wirtschaftsfaktor.

Eine Perspektive für die Lizenzmannschaft ist dann gegeben, wenn die Spieler dahingehend bewertet werden, dass sie in Zukunft aufgrund ihrer Fähigkeiten für die vereinseigene Lizenzmannschaft auflaufen können. Die Perspektive Wirtschaftsfaktor umfasst die Spieler, denen man den Sprung in die eigene Lizenzmannschaft nicht direkt zutraut, aber einen Weiterverkaufswert prognostiziert, der die entstandenen Kosten in Verpflichtung (Transferzahlungen, Ausbildungsentschädigungen, Unterbringungskosten, Gehälter) und Entwicklung übersteigt. Diese Definition wird untermauert von der Einschätzung von Larkin, Marchant, Syder & Farrow (2020, S. 1), die sagen, dass der Prozess der Talentidentifikation und Rekrutierung die Auswahl der talentiertesten Athleten beinhaltet, mit dem größten Potential, ein Elite-Athlet zu werden.

Insgesamt lässt sich in den europäischen Top-5-Ligen eine Entwicklung erkennen, die den verstärkten Fokus auf die Sichtung und Verpflichtung von europäischen Jugendspielern legt, die immer früher auch zu Einsätzen in den Lizenzmannschaften kommen und somit auch die Bedeutung des internationalen Nachwuchsscoutings zeigen. Ein weiterer Schritt Richtung verstärkter Einsätze von Jugendspielern in Spielen der Lizenzmannschaft ist das Anfang April von der DFL beschlossene Herabsetzen des Mindestalters für Einsätze in der 1. und 2. Bundesliga auf 16 Jahre.

Mit dem zunehmenden Fokus auf Nachwuchsspieler als wichtiger Bestandteil der Kaderplanung einer Lizenzabteilung steigen auch die Aufwendungen der Vereine für ihre Nachwuchsleistungszentren kontinuierlich an, was als weiterer Indikator für die steigende Bedeutung von Nachwuchsfußballern für die Profivereine anzusehen ist. Die folgende Studie der DFL (Deutsche Fußball-Liga) verdeutlicht diese Entwicklung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 01 Aufwendungen der Clubs in die Leistungszentren

Nehmen wir die Marktwertentwicklungen des Online-Portals „transfermarkt.de“ hinzu, ist das Verpflichten und Entwickeln von talentierten Nachwuchsspielern zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor für die Vereine geworden. Die Spieler Jadon Sancho, Christian Pulisic, Giovanni Reyna (alle Borussia Dortmund) und Florian Wirtz (Bayer 04 Leverkusen), die zu ihrem Verpflichtungszeitpunkt allesamt ohne Einsätze für eine Lizenzmannschaft waren, verdeutlichen die Bedeutung anhand ihrer Marktwertentwicklungen nach der Verpflichtung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 01 Marktwertentwicklungen Top-Jugendspieler

An dieser Stelle sollte jedoch erwähnt werden, dass die auf transfermarkt.de veröffentlichten Marktwertanalysen „zwar zu Argumentationszwecken in Verhandlungen eingesetzt werden können, eine Entscheidungsunterstützung im Vorfeld eines Spielertransfers hingegen nicht möglich ist“ (Ackermann & Follert 2018). Insofern sind die aufgeführten Marktwerte lediglich als Richtwerte anzusehen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Aufwendungen der Vereine für ihre Nachwuchsarbeit steigen, die Vereine immer früher jungen Spielern die Möglichkeit geben, in den Lizenzmannschaften zu spielen, und die Transfers von internationalen Nachwuchsspielern zugenommen haben, mit teils signifikanten Marktwertsteigerungen in den ersten Jahren nach ihrer Verpflichtung.

Zwar lassen diese Entwicklungen und Statistiken nicht alleine nur Rückschlüsse auf die steigende Bedeutung der Talentidentifikation zu, da dieser Prozess vielmehr als ein Zusammenspiel aus Talentsichtung und Talententwicklung anzusehen ist. Auch handelt es sich nach Baker, Schorer und Wattie (2018) bei der Identifizierung und Entwicklung von Top-Spielern um einen zeitintensiven und komplizierten Prozess, der unter Berücksichtigung der oben exemplarisch aufgeführten wirtschaftlichen Bedeutung das zunehmende Interesse an einem Verifizieren der organisatorischen und kommunikativen Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze, gerade auch für den Prozess des internationalen Nachwuchsscoutings, verdeutlicht.

Neben der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung sind im Zusammenhang mit dem internationalen Nachwuchsfußball auch rechtliche Einschränkungen zu berücksichtigen, die die Transfers von minderjährigen Spielern regeln und somit auch Einfluss haben auf die Sichtungsprozesse von Jugendspielern. Auf dieses Reglement der FIFA möchte ich im Folgenden kurz eingehen. Grundsätzlich erlaubt die FIFA internationale Transfers erst ab einem Alter von 18 Jahren. Folgende Ausnahmen ermöglichen einen Wechsel von Minderjährigen (Quelle: www.resources.fifa.com):

- Die Eltern des Spielers verlegen den Wohnsitz in das Land des neuen Vereins aus Gründen, die nichts mit dem Fußballsport zu tun haben
- Innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums sind Wechsel ab dem 16. Lebensjahr möglich, sofern eine adäquate fußballerische und schulische Ausbildung garantiert ist
- der Spieler wohnt höchstens 50 km von einer Landesgrenze entfernt und
- der Verein des benachbarten Verbands, für den der Spieler registriert werden möchte, liegt ebenfalls höchstens 50 km von der Landesgrenze entfernt. Die Distanz zwischen dem Wohnort des Spielers und dem Sitz des Vereins darf insgesamt höchstens 100 km betragen. In diesem Fall wohnt der Spieler weiterhin zu Hause, und beide Verbände müssen mit diesem Vorgehen explizit einverstanden sein.

Bei nationalen Wechseln von Minderjährigen gelten die aufgeführten Regelungen nicht, jedoch kann es hier auch länder- und/oder verbandsspezifische Einschränkungen geben, auf die im Rahmen dieser Thesis nicht weiter eingegangen wird. Auch können politische Veränderungen Auswirkungen haben auf die Sichtung und Verpflichtung von internationalen Nachwuchsspielern. Aufgrund des Austrittes Großbritanniens aus der EU beispielweise können britische Spieler erst mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres zu einem Verein in einem europäischen Land wechseln, und britische Vereine können EU-Spieler auch erst bei Erreichen des 18. Lebensjahres verpflichten. Darüber hinaus dürfen britische Vereine nur noch maximal drei ausländische U21-Spieler je Transferfenster verpflichten (www.thefa.com). Dieses Beispiel verdeutlicht die Auswirkungen von rechtlichen Maßgaben auf den Prozess des internationalen Nachwuchsscoutings.

2. Forschungshintergrund

Wie dargelegt, hat sich die Relevanz eines systematischen und gut strukturierten Nachwuchsscoutings sehr deutlich insbesondere aus den geschilderten wirtschaftlichen Gründen erhöht. Insofern müssen die Anforderungen an Organisation und Kommunkation in diesem Konstrukt sehr belastbar sein. Generell hat die Frage nach organisatorischen und kommunikativen Anforderungen unter idealtypischen Bedingungen in allen Branchen eine große Relevanz - und damit auch im Prozess des internationalen Nachwuchsscoutings. Entsprechend gibt es umfangreiche Literatur, vor allem zur internen Kommunikation als Teil der Unternehmenskommunikation (Beispiel: Claudia Mast, „Unternehmens­kommunikation: Ein Leitfaden“) und zur Mitarbeiterkommunikation (Beispiel: Sabine Einwiller, Sonja Sackmann und Ansgar Zerfaß, „Handbuch Mitarbeiterkommunikation“), auf die diese Thesis zurückgreift.

Konkrete Arbeitsabläufe im Hinblick auf die entsprechende Organisation und notwendige Kommunikation liefert Literatur vor allem aus dem Bereich des Projektmanagements wie zum Beispiel das Buch „Kommunikation im Projektmanagement“ von Matthias Freitag, auf das sich die vorliegende Master­Thesis mit stützt. Allerdings sollte hier beachtet werden, dass sich die Definition eines Projektes von dem Charakter des internationalen Nachwuchsscoutings unterscheidet. Nach der DIN 69901 handelt es sich bei einem Projekt um ein Vorhaben, „das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie zum Bsp.: Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen, Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben und projektspezifische Organisation“ (DIN-Normenreihe DIN 69901).

Sowohl zum internationalen Nachwuchsscouting als solches als auch zu organisatorischen und kommunikativen Fragen im spezifischen Bereich des Sportmanagements sind bislang keine Forschungen und wissenschaftliche Arbeiten bekannt oder veröffentlicht worden. Die Studie „A bioecological perspective on talent identification in junior-elite soccer: A Pan-European perspective“ von Reeves and Roberts aus dem Jahr 2019 beleuchtet das Umfeld aus Sicht eines Fußball­Talentes in einer Nachwuchsakademie und berücksichtigt hier auch das Scouting. Der Blick auf das Scouting zeigt hier auch Vorgehensweisen und Kommunikationswege auf, jedoch in einem sehr kleinen Rahmen.

Darüber hinaus existiert eine Reihe von Studien, die sich mit der Identifikation von Sporttalenten befassen. Aber dort widmet man sich mehr der sportwissenschaftlichen Frage, was ein Talent ausmacht und wie man es identifiziert. Fragestellungen zur Organisation und Kommunikation des Prozesses werden hier nicht behandelt. Auch im Hinblick auf die Messbarkeit des Erfolgs einer Scoutingabteilung gibt es bezogen auf den Fußball keine wissenschaftlichen Studien. Die Studie „You can beat the market: Estimating the return on investment for NHL team scouting“ von Schuckers und Argeris aus dem Jahr 2015 hat sich zwar mit der Messbarkeit des Erfolgs einer vereinseigenen Scoutingabteilung auseinandergesetzt, dies jedoch in einer anderen Sportart: im Eishockey und in der US-amerikanischen NHL (National Hockey League). In dieser Liga existiert ein zentrales Scoutingsystem („NHL Central Scouting Service“), das von der Liga selbst betrieben wird. Die Studie hat also dieses zentrale Scouting als Vergleichswert heranziehen können.

Das Auseinandersetzen mit organisatorischen und kommunikativen Anforderungen ist insofern relevant, da es in diesem wirtschaftlich bedeutenden Bereich nach aktuellem Stand keine vergleichbaren wissenschaftlichen Arbeiten gibt. Zudem handelt es sich bei Scoutingprozessen um Arbeitsabläufe, in die die professionellen Fußballvereine grundsätzlich keine Einblicke geben möchten.

Die Ermittlung von organisatorischen und kommunikativen Anforderungen an die Vereine durch das internationale Nachwuchsscouting stellt also eine erste Bestandsaufnahme im Hinblick auf die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen dar, um den Anforderungen gerecht werden zu können.

Will man übergreifende Anforderungen an das Scouting definieren, sollte man zuvor Rahmen und Ziele abstecken, wie ein Scouting idealtypisch aussehen sollte. Die vorliegende Thesis führt folglich nicht nur die Anforderungen auf, die die Vereine bewältigen müssen, sondern benennt auch die idealtypischen Bedingungen für eine sinnvolle Implementierung des internationalen Nachwuchsscoutings in den Verein. Insofern hilft diese Thesis, das internationale Nachwuchsscouting in den Verein zu integrieren und benennt die damit verbundenen Anforderungen.

Diese Thesis konzentriert sich auf die Ermittlung idealtypischer Bedingungen und die daraus entstehenden Anforderungen im Prozess des internationalen Nachwuchsscoutings, fokussiert auf den Prozess von der Erstsichtung bis zu einer Verpflichtungsentscheidung. Parallele oder nachgelagerte Rahmenthemen wie Vertragsgestaltung und Ablösethemen werden, wie in der Einleitung beschrieben, hier nicht erörtert.

Der Fokus der Master-Thesis lässt sich auf die Fragestellungen eingrenzen, in welcher Form dieser Scoutingbereich in die Vereinsstruktur eingebettet wird, welche Formen des Scoutings in den Prozess integriert sind, welche Funktionen im Gesamtverein mit welcher Relevanz und Rolle an diesem Prozess mitwirken sollten - wie also Kompetenzen und Verantwortlichkeiten verteilt sind - und wie sich dieser Prozess kommunikativ gestalten lässt auch im Hinblick auf eine entsprechende Dokumentation und Entscheidungsfindung.

3. Empirischer Teil

Im Rahmen der Thesis wurden verschiedene Methoden angewendet, um ein möglichst umfassendes Bild des internationalen Nachwuchsscouting zeichnen zu können hinsichtlich der Anforderungen an Organisation und Kommunikation unter idealtypischen Bedingungen.

3.1 Literaturrecherche

Dieser methodische Teil umfasst die Recherche von Fachliteratur in Form von gedruckten und digitalen Quellen. Im Rahmen dieser Thesis habe ich die systematische Recherche gewählt, bei der es um das zielgerichtete Suchen von entsprechender Literatur in Bibliothekskatalogen, Datenbanken und relevanten Fachzeitschriften geht. Als Datenbank wurde in erster Linie die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und Google Scholar genutzt. Mittels der Literaturrecherche gelingt ein aktueller Kenntnisstand zur vorhandenen Literatur. Das Risiko liegt in der Nutzung von falscher, zu weniger oder von zu viel Literatur.

3.2 Informelle Gespräche

Bei informellen Gesprächen handelt es sich um Kommunikation bzw. das Teilen von Informationen in zwangloseren Formen (www.betriebswirtschaft-lernen.net). Diese Form der Informationssammlung wurde während des gesamten Verlaufes der Arbeit an der Thesis durchgeführt und genutzt. Sie dient der Sammlung weiterer Informationen und Aussagen zu dem Umfeld, in dem das internationales Nachwuchsscouting eingebettet ist. Diese Gespräche wurden mit einem Personenkreis aus Eltern von Jugendspielern, Spielerberatern, Personen aus dem Sport-Medienbereich und Profifußballern durchgeführt. Die aufgeführten Personengruppen gelten als gut geeignete, indirekte Zielgruppen für dieses Thema. Mittels informeller Gespräche gelingt ein direkter Kontakt zu den aufgeführten Personenkreisen, und man erhält Input zu dem Prozess im internationalen Nachwuchsscouting. Es sollte jedoch beachtet werden, dass diese Aussagen stark subjektiv zu werten und schwer zu verallgemeinern sind.

3.3 Experten-Interviews

Die Experten-Interviews wurden durchgeführt mit Personen mit großer Expertise, hier lag ein Schwerpunkt auf dem Bereich der Relevanz von Daten im Scoutingprozess. Die Experteninterviews fanden digital statt, wurden aufgezeichnet und im Anschluss anonymisiert transkribiert (siehe Anhang). Insgesamt liegen 2:49 h Audiodaten vor, transkribiert auf 18 Seiten mit 6197 Wörtern. Der Vorteil einer Durchführung von Experten-Interviews liegt in dem hohen Informationsgehalt und der geringeren Verweigerungshaltung aufgrund der persönlichen Atmosphäre; nachteilig könnte sich auswirken, dass die Experten in ihren Aussagen allgemein bleiben und ihr Wissen nur bedingt preisgeben wollen.

3.4 Fragebogen

Der angewendete Fragebogen stellt den größten und wichtigsten methodischen Teil dieser Master-Thesis dar. Vorteile in der Nutzung eines Fragebogens als Methode legen in der guten Zusammenfassung der erhobenen Daten und der Möglichkeit, viele Befragungen vornehmen zu können, was die Datengrundlage erweitert und stichfester macht. Eine bestimmte Anzahl von Befragungen senkt auch das Risiko, dass eine Einzelaussage eine zu hohe Wertigkeit erhält. Trotz der Aussagekraft aufgrund der Größe des Teilnehmerkreises bleibt dennoch das Risiko der Subjektivität der gewonnenen Daten.

3.4.1 Teilnehmer

Insgesamt haben 28 männliche Teilnehmer den Fragebogen beantwortet aus den Bereichen Lizenzscouting (n=12), Nachwuchsscouting (n=7), Nachwuchs (n=5) und Management (n=4). Die Teilnehmer bringen eine große berufliche Fußball-Expertise aus Deutschland (n=19), England (n=4), Belgien (n=2), Italien (n=1), Spanien (n=1) und Niederlande (n=1) ein. Die Altersspanne der Teilnehmer liegt zwischen 24-63 Jahren mit einem durchschnittlichen Alter von 41,6 Jahren. Die berufliche Erfahrung liegt zwischen 3 und 37 Jahren und im Durchschnitt bei 15 Jahren.

Um verschiedene Blickwinkel zu gewährleisten, wurden die Teilnehmer zu 1/3 aus den Fußball-Bereichen Nachwuchs und Management ausgewählt und zu 2/3 aus den Bereichen Nachwuchs- und Lizenzscouting, um einen Schwerpunkt auf das Scouting zu legen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Befragung waren mindestens drei Jahre Berufserfahrung im Fußball.

3.4.2 Ablauf

Die Bearbeitung des Fragebogens fand im Rahmen eines digitalen Gespräches statt (n=26), die restlichen Teilnehmer (n=2) haben den Fragebogen ausgefüllt und anschließend digital zugesendet. Die digitalen Gespräche hatten eine durchschnittliche Länge von 58:20 Minuten, was einer Gesamtlänge von 25,22 h entspricht. Im Vorfeld wurden die Teilnehmer über den Ablauf und das Ziel der Befragung informiert. Die Teilnahme war freiwillig, was auch durch eine schriftliche
Einwilligungserklärung (siehe Anhang) einschließlich eines Widerrufrechts bestätigt wurde. Die Interviews fanden auf Deutsch oder Englisch statt, entsprechend der gewünschten Kommunikationssprache der Teilnehmer. Die Teilnehmer wurden darauf hingewiesen, dass sie bei der Beantwortung der Fragen keine Bestandsaufnahme aus ihrem aktuellen Vereinen darlegen, sondern die Fragen nach ihren idealtypischen Vorstellungen beantworten sollten. Der Fragebogen setzt sich aus drei Teilen zusammen. Im ersten Teil geht es um die Abfrage allgemeiner Daten, der zweite Teil beschäftigt sich mit Fragen rund um die Organisation des internationalen Nachwuchsscoutings, und der dritte Teil befasst sich mit Fragen zur Kommunikation.

Insgesamt wurden offene und geschlossene Fragen gestellt, zudem fand die Likert- Skala Anwendung (Skala von 1 bis 5). Diese Skala ermöglicht eine große Detailgenauigkeit im Erfassen der abgefragten Meinungen.

3.4.3 Auswertung

3.4.3.1 Attribute und Scoutingformen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 02 Gewichtung der Attribute und Scoutingformen

Die Auswertung der Scoutingformen bezogen auf die jeweiligen Attribute zeigt die umfassenden Anforderungen an die modernen Fußballer und somit auch die hohen Anforderungen an eine systematische Sichtung. Die Auswahl der Attribute wird in der Sportwissenschaft vielfältig diskutiert. Die Unterteilung in physische, psychische, technische und versteckte Attribute basiert auf der Studie „Establishing consensus of position-specific predictors for elite youth soccer in England“ von Roberts, McRobert, Lewis und Reeves (2019).

Zwar erhält das Livescouting die höchste Bedeutung, aber auch Videoscouting und Datenscouting, gerade im Hinblick auf die Erfassung von physischen Spielerdaten, sind von Bedeutung. Deutlich wird zudem, dass vor allem psychische und versteckte Eigenschaften gefragt sind. Hier stellt sich die Frage, inwieweit diese auf einem Fußballplatz sichtbar sind, was zusätzliche organisatorische Anforderungen an den Sichtungsprozess mit sich bringen kann.

3.4.3.2 Externe soziale Faktoren

Es wird auch deutlich, dass die Teilnehmer der Befragung den externen sozialen Faktoren eine große Bedeutung zuschreiben: Sie erhielten eine Wichtigkeit von 4,32. Unter externen sozialen Faktoren wurden im Rahmen der Thesis der elterliche Erziehungsstil, das Eltern-Spieler-Verhältnis, der Lebensstil und das soziale Umfeld des Spielers genannt. Das bedeutet, dass der Scoutingprozess sich nicht nur mit den Fähigkeiten des Spielers auf dem Platz auseinandersetzt, sondern auch weitere Faktoren außerhalb des Platzes berücksichtig werden und in die Informationssammlung mit einfließen.

Bei der Frage nach den Informationsgebern, über die diese externen sozialen Faktoren am ehesten beziehungsweise am sinnvollsten zu erhalten sind, werden der Spieler selbst (4,43), die Familie des Spielers (3,96), Mitspieler/Mitarbeiter aus dem Verein des Spielers (3,54), Ansprechpartner aus Schule/Ausbildung (3,50), Recherche in den sozialen Medien (3,28) und Mitarbeiter anderer Vereine (3,25) mit einer überdurchschnittlichen Wichtigkeit genannt.

So ist zum Beispiel TN 2 zu nennen, der über den „Informationsgeber“ Spieler sagt: „Insofern ist dieser sehr wichtig, weil man viele Informationen erhält in direkten Gesprächen mit dem Spieler über Schule, Hobbys, Familie, Charaktereigenschaften und Einstellung zum Sport.“ TN 7 äußerte sich zum Thema Familie des Spielers: „(Sie sind) als zusätzliche Quelle und Hintergrundinfo wichtig (sozialer Background, emotionale Prägung, ...)“ Und TN 6 äußerte sich über den Bereich Schule/ Ausbildung: „Ansprechpartner aus der Schule bzw. Ausbildungen zeigen die Persönlichkeitseigenschaften des Spielers in einer zweiten Identität. Es ist unheimlich wichtig zu erfahren, wie der Spieler in diesem Umfeld agiert.“

Hingegen wird Spielerberatern (2,64), Online-Medien (2,50) und Sport-Journalisten (2,00) nur eine geringe Bedeutung in diesem Prozess zugewiesen. Die geringe Bedeutung der Sport-Journalisten bei der Informationsbeschaffung deckt sich auch mit den Eindrücken aus den informellen Gesprächen. Dies wird untermauert durch das Zitat aus einem informellen Gespräch mit einem Sport-Journalisten: „Meiner Meinung nach haben Sportjournalisten kaum noch Bedeutung in Bezug auf den

Scoutingprozess, auch weil die Vereine in der heutigen Zeit, u.a. durch die zunehmende Digitalisierung, die Informationen flächendeckend selbst erfassen. Gerade die Scouts bringen dann oft das Netzwerk mit, um alle Informationen zu besorgen. Früher hingegen war es gängig, dass zwischen Verein und Sport­Journalisten ein regelmäßiger Austausch stattfand.“

Bei der Frage nach dem Zeitpunkt der Informationssammlung externer sozialer Faktoren hält die Mehrzahl der Teilnehmer einen durchlaufenden Prozess (n=14) für am sinnvollsten, jedoch sollte in der Regel vorher ein grobes sportliches Bild des Spielers vorliegen (Mitte: n=6/nach sportlicher Einschätzung: n=7). Das ermöglicht, dem Meinungsbild aus dem Fragebogen nach, die Scoutingprozesse möglichst effektiv/effizient zu gestalten, weil der organisatorische Aufwand geringer gehalten werden kann.

Bei der Frage nach der Funktion/Person im Verein, die diese Informationen einholt, halten es die meisten Teilnehmer für sinnvoll, dass dies auf mehrere Schultern verteilt wird (n=23), was die Frage nach einer entsprechenden Koordinierung aufwirft. TN 5 äußert sich hierzu: „Es sollte auf mehreren Schultern verteilt sein, zum Beispiel nach Expertise. Das bedeutet, dass die Person mit der entsprechenden Erfahrung im Social-Media-Bereich hier auch federführend recherchiert.“

3.4.3.3 Einbettung

Das systematische Betreiben eines internationalen Nachwuchsscoutings ist ein Bereich, den einige professionelle Vereine für sich gerade erst neu entwickeln oder hier noch keine klare Struktur oder Einbettung vorgenommen haben. Aus diesem Grund sollten sich die Teilnehmer mit der Frage auseinandersetzen, wie sich das Scouting im Hinblick auf ein systematisches und standardisiertes Vorgehen am sinnvollsten in die Scoutingstruktur implementieren lässt. Die Teilnehmer sprechen sich für eine Einbettung in das Lizenzscouting aus (n=16), jedoch wird auch das Nachwuchsscouting (n=8) und das Führen als eigenständiger Bereich (n=8) öfters genannt. Die Auswertung zeigt erneut auf, dass es in Bezug auf das internationale Nachwuchsscouting noch wenig Erfahrungswerte und damit kein einheitliches Bild gibt.

Grundsätzlich wurde von den Teilnehmern jedoch aufgeführt, dass es in jedem Fall ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen Lizenz- und Nachwuchsscouting geben sollte, wie TN 4 exemplarisch erläutert: „Wenn man U15-Spieler lange sichtet mit dem Ziel, diese in die Lizenzmannschaft zu bringen, sollte bei der Lizenzabteilung die Oberhand liegen ... Die Verbindung mit dem Juniorenscouting muss vorhanden sein.

[...]

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Anforderungen an ein Organisations- und Kommunikationskonzept. Internationales Nachwuchs-Scouting eines Fußball-Erstligaclubs aus einer der europäischen Top-5-Ligen
Note
2,2
Autor
Jahr
2021
Seiten
62
Katalognummer
V1161567
ISBN (eBook)
9783346579843
ISBN (Buch)
9783346579850
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Scouting Nachwuchs Fußball Organisation Kommunikation
Arbeit zitieren
Benjamin Schunk (Autor:in), 2021, Anforderungen an ein Organisations- und Kommunikationskonzept. Internationales Nachwuchs-Scouting eines Fußball-Erstligaclubs aus einer der europäischen Top-5-Ligen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1161567

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