Bis heute fasziniert die tragische und anmutige Zwittergestalt der kleinen Seejungfrau. Hans Christian Andersen erschuf ein kunstreiches Naturmärchen, dessen melancholische Stimmung den Rezipienten noch immer zu fesseln vermag, und aus dem ganz die idealisierten Vorstellungen der Romantik sprechen. Als personifizierte Natur liebt und leidet das schöne Wasserkind. Die Bedeutung des weiblichen Wasserwesens ist ebenso ambivalent, wie das Element, dem es verbunden ist, denn fast immer geht das Leiden einher mit der zunächst lieblichen Gestalt der Wasserfrau. Ob sie Leiden bewirkt oder selbst ertragen muss ist von der jeweiligen Epoche und dem Kulturkreis abhängig, dem sie entwachsen ist. Die Wasserfrauen sind, wie auch immer sie heißen mögen, fester und uralter Bestandteil der Mythologie, Kunst, Literatur und sogar der Ahnenkunde. Zu allen Zeiten wusste man von Wasserwesen zu sprechen, deren Natur fast ausschließlich weiblich war. Bis heute umgibt sich die Nixe mit den großen Geheimnissen der Welt und ist hin und her gerissen zwischen den Elementen, den Menschen und Tieren. Ebenso hin und her gerissen war ich, als ich mich gezwungen sah, meine Themenwahl einzugrenzen, denn längst ist die Seejungfrau zu einem Symbolwert avanciert, der Metaebenen eröffnet und sich durchaus stimmungserzeugend verselbstständigt. Mir erschien es wichtig, mich mit der Bedeutung des liquiden Elementes selbst und den daraus resultierenden teilweise polaren Vorstellungen auseinanderzusetzen. Unter anderem werden auch die mythologischen Vorfahrinnen und Schwestern der kleinen Seejungfrau fokussiert, um ihre Gestalt innerhalb dieses mannigfachen Kontextes zu positionieren. Dabei soll ebenso klar heraus gestellt werden, dass Hans Christian Andersens Seejungfrau ein Kind der Romantik ist, bei dem auch der Leib-Seele-Dualismus und der daraus resultierende Konflikt, eine Rolle spielen wird. Die Sehnsucht und das Streben nach der Seele und ihre Bedeutung für eine unbeseelte, weibliche Natur stehen im Zentrum meiner Erörterungen. Natürlich kann dabei das Verhältnis der Geschlechter zueinander nicht außer Acht gelassen werden. Auch vom Schweigen soll die Rede sein und von der lautlosen Wirkung schöner Bilder, die über Sprachlosigkeit hinwegtäuschen soll.
Inhaltsverzeichnis
- Prolog
- 1. Das Wasser - Element der Ambiguität
- 1.1 Von den Wassern des Lebens und des Todes
- 1.1.1 Von den Wassern des Lebens
- 1.1.2 Von den Wassern des Todes
- 1.2 Personifizierte Weiblichkeit
- 2. Von den Wasserfrauen: Mythologische Ursprünge
- 2.1 Sirene und Seejungfrau
- 2.2 Die Schaum- Geborene entsteigt dem Meer
- 2.3 Metamorphosen: Dämonische Verführerinnen oder kindliche Naturwesen?
- 2.3.1 Dämonische Verführerin?
- 2.3.2 Kindliches Naturwesen?
- 3. Der duale Aspekt: Das Leib-Seele- Problem der kleinen Seejungfrau
- 3.1 Konstruierte Doppelnatur: Existenz zwischen Fischleib und Menschenfrau
- 3.2 Sehnsucht und Seele, ein fließendes Ich auf der Suche nach Identität
- 4. Die kleine Seejungfrau - Gesichtslose, idealisierte Weiblichkeit zu Gunsten eines romantischen Naturmärchens
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der ambivalenten Figur der kleinen Seejungfrau aus Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen. Sie untersucht die Bedeutung des Wasserwesens als personifizierte Natur und analysiert den Leib-Seele-Dualismus, der in der tragischen Geschichte der Seejungfrau zum Ausdruck kommt.
- Das Wasser als Symbol der Ambiguität: Leben und Tod, weibliche Kraft und Gefahr
- Mythologische Ursprünge der Wasserfrauen: Sirenen, Nixen und ihre Bedeutungen
- Der Leib-Seele-Konflikt: Die Seejungfrau zwischen Fischleib und Sehnsucht nach Menschlichkeit
- Die idealisierte Weiblichkeit in der Romantik: Die kleine Seejungfrau als Symbol der Sehnsucht und des Schweigens
- Das Verhältnis der Geschlechter: Das Streben nach einer Seele und die Bedeutung der Liebe
Zusammenfassung der Kapitel
Der Prolog führt in die Thematik ein und beleuchtet die Faszination, die die Figur der kleinen Seejungfrau bis heute ausübt. Er stellt die Ambivalenz des Wasserwesens und die Bedeutung des Leib-Seele-Konflikts in Andersens Märchen heraus.
Kapitel 1 analysiert das Wasser als Symbol der Ambiguität. Es beleuchtet die Wasser als Element des Lebens und des Todes sowie die personifizierte Weiblichkeit, die in der Wasserfrau zum Ausdruck kommt.
Kapitel 2 widmet sich den mythologischen Ursprüngen der Wasserfrauen. Sirenen und Seejungfrauen werden in ihrer Bedeutung und ihren Metamorphosen untersucht. Die Frage nach ihrer dämonischen oder kindlichen Natur wird beleuchtet.
Kapitel 3 befasst sich mit dem Leib-Seele-Problem der kleinen Seejungfrau. Die konstruierte Doppelnatur der Wasserfrau und ihre Sehnsucht nach einer Seele werden analysiert.
Kapitel 4 untersucht die Darstellung der kleinen Seejungfrau als idealisierte Weiblichkeit im Kontext des romantischen Naturmärchens. Die Rolle des Schweigens und die Bedeutung der Sprachlosigkeit werden beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Wasser, Weiblichkeit, Mythologie, Leib-Seele-Problem, Romantik, Symbolismus, Naturmärchen, Sehnsucht, Schweigen und Sprachlosigkeit.
- Arbeit zitieren
- Julia Kulewatz (Autor:in), 2008, "La femme poisson": Zwischen Übermacht und Ohnmacht - Vom Leib-Seele-Problem der kleinen Seejungfrau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116182