Exklaven und Enklaven

Und andere territoriale Anomalien


Fachbuch, 2008

137 Seiten


Leseprobe


Im internationalen, die Exklaven und Enklaven behandelnden Schrifttum stimmen die Meinungen über die geographische und völkerrechtliche Beschaffenheit einer Exklave bzw. Enklave nicht überein und werden somit oft unterschiedlich definiert. Es ist daher nicht verwunderlich, das die beiden Termini in der Öffentlichkeit häufig verwechselt und dann, z. B. von der Presse, auch falsch eingesetzt werden. Wie schon in vielen Ländern praktiziert, sollte in der Umgangssprache nur der Ausdruck Enklave benutzt werden, um Irrtümer zu vermeiden.

Jedoch findet sogar bei Fachverlagen und Fachautoren der Begriff Enklave nicht selten eine geradezu dilettantische Verwendung. So bezeichnet beispielsweise der Fischer Weltalmanach '90 den ägyptischen Küstenort Taba1), der seit dem Sechstagekrieg 1967 von Israel besetzt war und am 15.3.1989 an Ägypten zurückgegeben wurde, als Enklave, obwohl der Ort auf der beigefügten Karte in voller Breite an Ägypten grenzt und außerdem auch noch freien Zugang zum Meer besitzt. Es existieren zahlreiche weitere Beispiele für die grundverkehrte Verwendung des Terminus Enklave.

Im wissenschaftlichen Bereich muss jedoch genau zwischen Exklave und Enklave unterschieden werden, schon allein deshalb, weil bei weitem nicht immer eine Exklave gleichzeitig auch eine Enklave ist; auch im umgekehrten Sinne ist eine Enklave nicht immer auch eine Exklave. In diesem Fall ist die lexikalische Interpretation nicht suffizient und zwingt somit zu Ergänzungen durch Unterbegriffe, wobei als Zielsetzung gilt, mit möglichst wenigen Zusatzbezeichnungen auszukommen.

Unbedingt vermieden werden sollte eine verwirrende Anzahl von Ausdrücken, wie sie nicht selten von englischen und amerikanischen Autoren verwendet werden. So benutzen Robinson2) und Catudal3) zusätzlich zu den üblichen Termini »Normal Exklaves« und »Quasi- Exklaves« Formulierungen wie »Pene« ,-

»Virtual« - und »Temporaryexlaves« , wobei beide die gebräuchliche Bezeichnung Quasiexklave völlig unterschiedlich einsetzen. Geradezu wie die Quadratur des Kreises wirkt dabei der Einsatz des Ausdrucks »Pene-Exklave« parallel zum Begriff Quasiexklave. Der im englischen an sich schon äußerst selten benutzte Präfix »pene« (= almost), bedeutet soviel wie fast oder beinahe, und »quasi« etwa so viel wie halb. Diese Synonymie wäre eventuell noch verständlich, wenn mit »quasi«, also halb, eine

Themenstellung geographische Situation beschrieben werden soll, bei der ein Gebietsteil nur halb von einem anderen Areal umschlossen ist. »pene« und

»quasi« werden hier aber in völlig anderen Zusammenhängen benutzt, »pene« als Verkehrsexklave und »quasi« als ehemalige Exklave.

Gehörten Exklaven und Enklaven zum gewohnten Bild der politischen Landkarte des vornapoleonischen Europas, so setzte spätestens mit der Auflösung des alten Deutschen Reiches eine politische »Flurbereinigung« ein, der die Mehrzahl der Exbzw. Enklaven zum Opfer fiel. Der quantitative Rückgang der Exbzw. Enklaven ist so eine Folge der Entstehung des modernen Flächenstaates. In ihm sind Gebiete, die der Souveränität eines anderen Staates unterstehen, Fremdkörper. Exklaven und Enklaven sind heute archaische Überreste einer verschwundenen Struktur der Staatenwelt.

Die Zahl der internationalen Exklaven und Enklaven ist also heute stark zusammengeschrumpft, weshalb ihre Bedeutung hier in keiner weise artifiziell hochgespielt werden soll, zumal der wirtschaftliche Stellenwert der gegenwärtig bestehenden internationalen Exklaven und Enklaven nur gering zu bemessen ist.

Daran mag es unter anderem liegen, dass die zeitgenössische Völkerrechtsliteratur, aber auch die geographische Fachliteratur sich kaum noch mit den Exklaven und Enklaven befasst. Es gibt keine »allgemeine Theorie der Exklaven und Enklaven«, stattdessen nur separate Untersuchungen, tabellarische Auflistungen und andere

»Sammlungen« – die beiden letzten hauptsächlich im Internet.

Einige Autoren bezeichnen Exklaven und Enklaven als geographische Kuriositäten die aufgrund ihrer Geschichte ein Stück Vergangenheit sind und daher »irgendwie liebenswert bleiben sollten«. Das kann auf jene Exklaven und Enklaven projiziert werden, deren Probleme auf Verwaltungsebene vorkommen und eventuell auch noch auf einige internationale Exklaven und Enklaven innerhalb der EU, wie z. B. Baarle- Hertog-Nassau. Exklaven und Enklaven können jedoch trotz ihrer Antiquiertheit aufgrund ihrer geographisch exponierten Lage neben hinderlichem, aber banalen Verwaltungsmehraufwand auch die Ursache internationaler Konflikte sein. So haben Exklaven und Enklaven oftmals als derart große Störfelder gewirkt, daß sie zu Blockaden (Berlin, Gibraltar) und sogar zu kriegerischen Konflikten (Bergkarabach, Fischer Weltalmanach 189, 487–489, Goa, Ifni) führten.

Auch die Tatsache, dass immer noch neue Exklaven und Enklaven entstehen – gegenwartsnahe Beispiele sind das Gebiet um Königsberg (Kaliningrad, zu Russland), oder in Mittelasien und Kaukasien - hier bedingt durch die Auflö- sung der Sowjetunion – wirft das Problem der Exklaven und Enklaven wieder auf.

Das es, am Rande erwähnt, im Bereich von Enklaven und Exklaven häufig zu Kuriositäten kommt, wird bei der Beschreibung der einzelnen Teilstaatsgebiete sicherlich noch auffallen. Es kann nicht die Zielsetzung dieses Buches sein, neben den heute noch bestehenden internationalen Exklaven und Enklaven auch alle bestehenden nationalen Exklaven und Enklaven zu erfassen. Das gilt vor allen Dingen für die Entstehung und Entwicklung der Exklaven und Enklaven auf unterer Verwaltungsebene; hierzu wären genauere Studien notwendig. Ebenfalls nicht beabsichtigt ist eine vollständige Aufzählung aller historischen Exklaven und Enklaven zu bringen. Angesichts der Vielzahl der früheren Gebietseinschlüsse und Gebietsausschlüsse soll es genügen, schwerpunktmäßig ihre Entstehung aufzuzeigen und typische Situationen herauszustellen. Die hier beschriebenen Ausführungen könnten der Forschung als Denkanstoß dienen. Auch der Umfang der einzelnen Untersuchungen darf kein Bewertungskriterium für die behandelten Exklaven und Enklaven sein, da die zum Teil jahrelangen Recherchen von recht ungleichem Ausmaß waren. Es wird bei dieser Gelegenheit und nach einer solch langen Zeit der Nachforschungen erlaubt sein, auch einmal daraufhin zuweisen, dass die Ursachen für indiskutable oder völlig ausbleibende Informationen meist bei amtlichen Quellen (Botschaften, kommunale Verwaltungen) zu suchen waren, von denen sich nicht wenige im Umgang mit ihren überlegenen Beziehungen eine geradezu beschä- mende Arroganz leisteten.

Definition

Der Terminus Enklave hat seinen Ursprung im vulgärlateinischen und bedeutet etwa soviel wie

» festgenageltes Gebiet « bzw. im französischen

» Einschluss «; die gegensätzliche Definition gilt für den Begriff Exklave. In der Geschichte Europas wurde der Ausdruck Enklave im Vertrag von Madrid 1526 erstmalig benutzt.

Eine Enklave ist ein Gebiet eines Staates, das vom einem fremden Staatsgebiet, einschließlich dessen eventuell vorhandenen Territorialgewäs- ser, völlig umschlossen wird und deshalb der Zugang zu der Enklave nur bei Benutzung des jeweiligen fremden Landgebietes, Territorialgewässers oder Luftraumes möglich ist. Eine Enklave ist also ein Gebietseinschluss. Geht man vom strengen Wortsinne aus, so kann ein von mehreren Staatsgebieten umschlossenes Gebietsteil wohl als Exklave, nicht aber als Enklave bezeichnet werden4).

Somit sind alle Gebiete, die zwar vom Kernstaatsgebiet getrennt und vom Grundgebiet eines fremden Staates umschlossen sind, aber eigene Territorialgewässer (Küstengewässer, Küstenmeere) besitzen und somit freien Zugang zum Meer haben, keine Enklaven im Sinne der Determination, weil sie über die freie See und dann über ihre eigenen Hoheitsgewässer zu erreichen sind, ohne dass das Territorium des die Enklave umschließenden fremden Landes betreten werden muss. Wenn manche Autoren auch diese Gebiete zu den Enklaven zählen5), so wird demzufolge dabei nicht beachtet, dass dem Wortsinn nach nur ringsum von fremdem Staatsgebiet eingeschlossene Gebiete Enklaven sein können; es fehlt demnach hier die vollständige Einschließung, so z. B. Ostpreußen nach dem Ersten Weltkrieg, der zu Angola gehörende Distrikt Cabinda, die ehemals zu Südafrika gehörende Walfischbucht oder Gibraltar.

Alle Gebiete mit einer derartigen geographischen Konstellation sollten Quasienklaven genannt werden.

Für diese Gebiete ergeben sich in den meisten Fällen auch keine relevanten völkerrechtlichen Fragen bezüglich des Passagerechtes, da dem bei »echten« Enklaven auftretenden Problem des Passagerechtes zwischen Enklave und Mutterstaat in einem solchen Fall wegen des freien Zugangs zum Meer nur geringe Bedeutung zukommt.

Wenn der Kernstaat, wie es meistens der Fall ist, am Meer liegt, steht ihm also der Seeweg zu diesem Gebietsteil, zumindest in Friedenszeiten, jederzeit offen, und die Passage kann genauso unbehindert erfolgen wie zwischen Teilen eines geschlossenen Staatsgebietes. Folgerichtig muss man einem Gebietsteil die Enklaveneigenschaften auch dann absprechen, wenn über einen für den internationalen Verkehr geöffneten Fluss eine ungehinderte Verbindung mit dem Kernstaatsgebiet besteht, wie zum Beispiel die frühere Herrschaft Orange in Frankreich, die, in der Nähe von Avignon gelegen, Zugang zur Rhone hatte6).

Die alte Karte zeigt die Herrschaft Orange in Frankreich. Das Gebiet war über den Fluss Rhone zu erreichen. Somit handelte es sich hierbei nicht um eine Enklave; besser wäre hier von einer Quasienklave zu sprechen.

Problematisch würde die Situation erst dann, wenn der Zugang vom Wasser her einen unverhältnismäßig lange Strecke in Anspruch nehmen würde, wie beispielsweise die »neue« Quasiexklave Kaliningrad.

Der Verbindungsweg zu und von der Enklave kann in seltenen Fällen auch durch das Gebiet mehrerer Staaten führen, wie beispielsweise bei der früheren preußischen Enklave Neuenburg, die in der Schweiz lokalisiert war (Apropos Kuriositäten bei Exklaven und Enklaven: In dem vorliegenden Fall kam es zu der Konstellation, dass in einem Teil Preußens französisch gesprochen wurde!)

Wenn man wie oben davon ausgeht, dass zu einer Staatsgrenze immer die Territorialgewässer gehören, werden aus dieser Sicht einige Inseln zu Inselenklaven7). So liegen die sich selbst verwaltenden Normanischen – oder Kanalinseln in französischen Territorialgewässern und sind somit Inselenklaven. Inselenklaven sind meist auch Inselexklaven, es sei denn, sie sind wie im Falle der Kanalinseln selbstständig. Weitere Inselenklaven sind: Die zu Malawi gehörenden Inseln Chisamula und Likoma im Njassasee, in den Hoheitsgewässern Mozambiques gelegen.

Die Inselgruppen Kimnen und Matsu, die zu Taiwan gehören und der chinesischen Festlandsprovinz Fukien vorgelagert sind und von dieser in ihrem kürzesten Abstand nur 2310 Meter entfernt sind.

Die französischen Inseln St. Pierre and Miquelon; eingelegt in den kanadischen Territorialgewässern vor der Küste Neufundlands. Die drei südkoreanischen Inseln Paenuyongdo, Taechondo und Sochongdo, die in den Küstengewässern Nordkoreas lokalisiert sind.

Die kleinen spanischen Inseln Alhucemas, Chafannas und Penon de velez a de La Gomera, vor der Küste Marokkos und in dessen Hoheitsgewässern platziert.

Ehemals auch die Insel Kamaran, die vor der Wiedervereinigung der beiden Jemen-Staaten zur Volksrepublik Jemen gehörte, aber in den Hoheitsgewässern der Arabischen Republik Jemen lag. Nicht jede Insel, die in den Hoheitsgewässern eines fremden Landes liegt, ist automatisch auch eine Inselenklave oder Inselexklave. Beispiel hierfür ist der Stadtstaat Singapur. Das minitope Land liegt als Insel topographisch zweifelsfrei in den Hoheitsgewässern Malaysias. Beide Länder haben aber schlauerweise durch Vertrag die Straße von Johore in singapurische und malaysische Hoheitsgewässer aufgeteilt.

Enklaven können aber auch autonome Territorien sein, die vollständig von einem anderen Staat umfasst werden (z. B. San Marino, Lesotho, Vatikanstadt). Es handelt sich hier also um Enklavenstaaten. Genau genommen müssen dann Staaten, welche von einem fremden Staatsgebiet umschlossen sind, aber eigene Territorialgewässer besitzen und deshalb über einen freien Zugang zum Meer verfügen, als Quasienklavenstaaten bezeichnet werden, wie beispielsweise Monaco oder Gambia. Staaten, die nahezu vollständig von einen anderen Staat umgeben sind

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die zu Malawi gehörenden Inseln Chisamula und Likoma im Njassasee, in den Hoheitsgewässern Mozambiques gelegen. aber zu einem geringen Teil einen zweiten Staat tangieren, können weder als Enklavenstaaten noch als Quasienklavenstaaten bezeichnet werden, wie es z. B. bei Swaziland, Bangladesh und Djibouti der Fall ist.

Manche Autoren bezeichnen Staaten ohne Zugang zum Meer, die jedoch von mehreren Staaten umgeben sind, ebenfalls als Enklavenstaaten, z. B. Schweiz, Bolivien, Österreich etc.; etwa ein Fünftel der heute bestehenden Staaten sind Binnenstaaten, sog. Land-Locked States8). Diese Bezeichnung Enklavenstaat ist aus oben genannten Gründen, also bezüglich der geographischen Merkmale nicht gerechtfertigt (Farran, Schröder, Lauterpacht, Schweisfurth).

Ebenfalls nicht als Enklavenstaaten bzw. Quasienklavenstaaten können solche Landesteile gelten, die zwar geographisch die Voraussetzung für eine Enklave erfüllen, jedoch international nicht anerkannt werden oder wurden, wie die sog. ehemaligen Homelands (Bophuthatswana, Ciskei, Transkei und Venda) innerhalb der Republik Südafrika, mit eigener Regierung und Parlamenten, offiziell »Autonome Nationalstaaten«, d. h. Stammesgebiete der Afrikaner mit innerer Autonomie, welche im übrigen seit April 1992 faktisch wieder zur Republik Südafrika gehören.

Eine Exklave ist ein räumlich getrenntes Gebiet eines Staates, das vom eigenen Staat aus nicht zugänglich ist; es kann von einem aber auch von zwei oder mehreren fremden Staatsgebieten umgeben sein (hier als Beispiel noch einmal: Kaliningrad).

Eine Exklave ist im Gegensatz zur Enklave ein Gebietsausschluss. Von diesem Standpunkt aus betrachtet sind im erweiterten Sinne Inseln, die nicht in eigenen Hoheitsgewässern liegen unter bestimmten Voraussetzungen als Exklaven oder besser als Inselexklaven (z. B. die französischen Überseedepartements) zu bezeichnen. Somit sind auch Landesteile, die von Kernstaat abgeschlossen sind, jedoch Zugang zur freien See haben ebenfalls Exklaven. Siedentopf nennt hier als Beispiel die wohl bekannteste Exklave, Alaska, welche als 49. US-Bundesstaat vom Mutterland durch Kanada getrennt wird und – ohne dieses Territorium zu betreten – nur über die freie See zugänglich ist.

Es kommt vor, dass der abgelegene Teil eines Staatsgebietes zwar geographisch mit dem übrigen Kernland zusammenhängt, dieser Zusammenhang aber eine wirksame Verbindung nicht ermöglicht. Häufig sind diese Gebiete durch

Gebirgsketten (siehe bei Kleinwalsertal, Jungholz, Hinterriss, Bächental, ehemals auch die Talschaften Livigno, Samnaun und Sampuoir) oder durch Gewässer (siehe bei Point Roberts) vom übrigen Staatsgebiet getrennt, und die Schaffung einer direkten Verkehrsverbindung ist wirtschaftlich nicht vertretbar. So besitzt Bolivien das kleine Territorium Copacabana auf der Halbinsel Tiquina an der Westkü- ste des Titicacasees. Dieses Gebiet ist aufgrund der Grenzlinie zwischen Bolivien und Peru, die durch den See verläuft, dreiseitig vom peruanischen Hoheitsgebiet umschlossen und auf kürzestem weg nur über den See zu erreichen. Es besteht aber weder eine Fährverbindung, noch vereinigt eine Brücke den abgesprengten Gebietsteil mit seinem Mutterland Bolivien. So bleiben als Verbindungen nur der sehr lange Landweg via Peru oder das Flugzeug, welches jedoch in einem bitterarmen Land wie Bolivien ein sehr kostspieliges Transportmittel ist. Dementsprechend ist die infrastrukturelle Situation in dem abgetrennten Gebietsteil Copacabana noch wesentlich schlechter als sie im Kernland Bolivien ohnehin schon ist.

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Das Bild zeigt die Verkehrsexklave Copacabana auf der Halbinsel Tiquina an der Westküste des Titicacasees, die zu Bolivien gehört.

Die bei diesen Gebieten infolge ihrer geographischen Lage auftretenden Fragen sind weitgehend mit den Problemen der »echten« Exklaven identisch. Hinsichtlich der Verkehrsverbindungen zum übrigen Staatsgebiet unterscheiden sich diese Landesteile von den eigentlichen Exklaven aber dadurch, dass der Luftweg zum Hauptstaatsgebiet ohne Beeinträchtigung fremder Hoheitsrechte benutzt werden kann.

Da hier nicht die geographische, sondern ausschließlich die direkte Verkehrsverbindung mit dem Mutterland fehlt, sollte die Bezeichnung Verkehrsexklave verwendet werden. Auch die niederländische Provinz Seeland müsste als Verkehrsexklave bezeichnet werden, wenn sie nicht über durch einen Tunnel und drei ständig verkehrende Fähren mit dem Mutterland verbunden wäre; ohne diese Tunnelpassage und dem Fährverkehr wäre das Territorium nur über belgische Straßen zu erreichen. Derartige Gebiete werden häufig Halbexklaven genannt. Dieser Terminus sollte jedoch, wenn überhaupt, bei Gebietszipfeln oder Gebietsschläuchen Verwendung finden, die zwar nicht völlig, aber zum größten Teil vom Mutterland getrennt sind und bei denen eine direkte Verkehrsverbindung zum Mutterland besteht (Limburger Zipfel, Jestetter Gebietsschlauch, Caprivi-Zipfel, der südliche Teil Malawis etc., siehe im Kapitel Topographische Anomalien).

Die an der irisch-nordirischen Grenze befindlichen Verkehrsexklaven Drumully und Termon- Valley[l] sowie das nur über Frankreich zu erreichende italienische Tal Vall de Etroite sollen nachfolgend keine weitere Aufmerksamkeit finden, weil diese Gebiete nicht bewohnt sind und somit jeglicher Problematik entbehren. Solche unbewohnten Verkehrsexklaven existieren in vielen Ländern, so beispielsweise auch in den USA, dort wo der Mississippi sich als Grenze zwischen den Staaten schlängelt, aber auch international im kanadisch-amerikanischen Grenzverlauf bei »Nordwest Angle«, zwischen Manitoba und Minnesota[2].

In vielen Fällen gehören die Verkehrsexklaven nicht zum Zollgebiet ihres Staates. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass an der Grenze gelegene Zollausschlüsse stets auch Verkehrsexklaven sind. So war beispielsweise ein Teil des südbadischen Landkreises Walshut, und zwar das Gebiet von Jestetten (Halbexklave), von 1840 bis 1935 deutsches Zollausschlussgebiet, obwohl dieser Grenzzipfel Deutschland verkehrsmäßig angeschlossen war. Grund für diesen Zollausschluss war, dass das Gebiet um Jestetten wirtschaftlich nach Schaffhausen orientiert war und der Zollausschluss eine erhebliche Verkürzung der Zollgrenze zwischen Deutschland und der Schweiz zur Folge hatte, die Einsparungen bei der Zollüberwachung ermöglichte. Auch der umgekehrte Fall trifft nicht immer zu; so sind Verkehrsexklaven nicht grundsätzlich auch Zollausschlüsse, wie das

Beispiel Hinterriß zeigt. Als Verkehrsexklave war bis 1963 auch die 15 Kilometer südlich von Sonthofen gelegene deutsche Gemeinde Balderschwang anzusehen, die nur bei Benutzung österreichischen Gebietes eine Straßenverbindung mit dem Bundesgebiet besaß. Seit 1963 ist Balderschwang aber mit dem übrigen Bundesgebiet durch eine Straße verbunden, so dass der Ort nicht mehr als Verkehrsexklave bezeichnet werden kann. Balderschwang gehörte immer zum deutschen Zollgebiet.

Als Besonderheit, die heute der Vergangenheit angehört, sollen noch die jahreszeitlich bedingten Verkehrsexklaven erwähnt werden. Es handelte sich um jene Gebietsteile, bei denen im Winter die direkte Verkehrsverbindung mit dem zentralen Verwaltungssitz aufgrund von Witterungseinflüssen abgeschnitten war. So spielte sich z. B. der Verkehr zwischen dem Tessin und der übrigen Schweiz bis zur Vollendung des St. Gotthard-Tunnels im Jahre 1882 in der Winterzeit über italienisches Gebiet ab. Es müssen auch so genannte »Stützpunkte« als Exklaven bezeichnet werden, welche sich in fremde Hoheitsgebiete hineingelegt haben. Die spanischen Besitzungen (‘Presidios’ = feste Plätze) Melilla, Ceuta, Alhucemas, Chafarinas und Penon de Velez de la Gomera in Marokko sind hier zu erwähnen. Auch der amerikanische Marinestützpunkt Guantanamo auf Cuba und die relativ großen britischen Militärstützpunkte um Akrotiri im Süden und Ormidhia und Xylotymbou im Nordosten der Insel Zypern gehören hierzu.

Ähnlich wie mit den ehemaligen »Homelands« verhält es sich mit einem Gebietsteil an der Nordwestküste von Zypern: Der Inselstaat besteht heute faktisch aus zwei Teilstaaten, welche ökonomisch, administrativ und politisch voneinander unabhängig sind und von zwei verschiedenen Volksgruppen bewohnt wird. Es handelt sich einerseits um den griechisch-zypriotischen Teil (Republik Zypern), dessen Regierung mit ihrem Anspruch, ganz Zypern zu repräsentieren, international anerkannt ist[3] und andererseits dem Türkischen Föderationsstaat von Zypern oder Türkische Republik Nordzypern[4] im Norden der Insel, dessen einseitige Unabhängigkeitsproklamation vom 15.11.1983 nur von der Türkei anerkannt wird. Die Verfassung von 1963 ist faktisch nur noch für den griechischzypriotischen Teil der Insel gültig. Im nordwestlichen Küstenabschnitt Zyperns liegt ein vom Territorium des griechisch-zypriotischen Teils eingeschlossener Gebietsteil[5], der von der Türkischen Republik Nordzypern beansprucht wird, das türkische Dorf Erenköy (griechisch = Kokkina). Dieses acht Quadratkilometer große Territorium hat ca. 1200 Einwohner und ist über Yesilirmak nur auf dem Seeweg zu erreichen.

Die Quasiexklave Erenköy ist circa l0 Seemeilen von Yesilirmak (riech. = Limnitis) entfernt. Die griechisch-zypriotische Seite bestreitet die Existenz der Quasiexklave Erenköy mit der Begründung, das gesamte Gebiet der Insel Zypern sei im völkerrechtlichen Sinne Staatsgebiet der Republik Zypern und alle zyprischen Bewohner der Insel seien Staatsbürger dieser Republik.

Somit könne von einer Exklave im üblichen Sinne keine Rede sein. Solange der türkische Teil Zyperns völkerrechtlich keine Anerkennung findet, wird die Exklave Erenköy nur de facto existieren.

Man spricht aber nicht nur auf internationaler Ebene von Exklaven und Enklaven, sondern auch auf Landesund Gemeindeebene werden die beiden Begriffe in entsprechendem Sinne verwendet (»innerstaatliche« Exbzw. Enklaven«). So liegen z. B. in vielen Schweizer Kantonen Gebietssplitter andere Kantone[6]. Ein weiteres Beispiel wäre die Stadt Bremerhaven, die zusammen mit Bremen den kleinsten deutschen Stadtstaat bildet. Bremen und Bremerhaven werden durch niedersächsisches Territorium voneinander getrennt. Somit ist Bremerhaven eine Exklave des Bundeslandes Bremen und eine Enklave im Bundesland Niedersachsen[7].

In nahezu allen europäischen Ländern existieren derartige Exbzw. Enklaven. So legt sich beispielsweise das walisische Städtchen Flint als

Enklave im englischen Cheshire ein10). Auch Stadt-Enklaven sind bekannt: Die US-amerikanische Villenstadt Beverly Hills z. B., obwohl selbstständig, liegt völlig vom Gebiet der Stadt Los Angeles umgeben11). Es existieren sogar Stadtteil-Exklaven12).

In vielen Fällen sind Exklaven zugleich auch Enklaven. Diese wechselseitige Sicht ist aber dann nicht richtig, wenn – wie im Schema untengezeigt – ein ganzer Staat Enklave eines anderen Staates ist. Diese Situation würde in Europa z. B. auf die Vatikanstadt und auf die Republik San Marino zutreffen, weil beide Staaten auf italienischem Territorium liegen und dadurch Enklavenstaaten innerhalb Italiens sind. Ein weiteres Beispiel ist in Afrika das Königreich Lesotho, das ein Enklavenstaat innerhalb der Republik Südafrika ist.

In den häufigsten Fällen handelt es sich bei Exklaven und Enklaven um Gebietssplitter oder zumindest um kleine Gebiete; eine Exklave bzw. Enklave kann aber auch ein großes Territorium sein (Alaska). Die Bezeichnung Exklave und Enklave ist weder von der Entfernung derselben zum Kernstaat abhängig, noch von Grenzcharakteristiken oder Physiognomien.

Bei der Begriffsabgrenzung Exklave bzw. Enklave sollten neben den geographischen Merkmalen einzig die juristischen Kriterien bestimmend sein: Für die völkerrechtliche Eingliederung eines Gebietsteils als internationale Exklave oder Enklave ist entscheidend, dass die Gebietshoheit des Territoriums, welches die beiden zueinander gehörenden Areale trennt (also der Transitstaat), nicht aufgehoben ist und das das abgetrennte Gebiet Bestandteil des Mutterlandes ist.

Nicht jede Exklave ist automatisch eine Enklave, wie das folgende Schema zeigt:

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A1 und A2 = Exklaven von A, A2 = Enklave in C

Es muss sich also um solche Territorien handelt, die denselben politischen und nationalen Status besitzen wie die Landesteile des Mutterlandes und somit definitiv ein Teil dieses Landes sind. Hierbei beeinträchtigen Zollausschlüsse und Zollanschlüsse sowie teilweise Anschlüsse an das Verwaltungs-, Rechts-und Wirtschaftssystem des die Exbzw. Enklave umschließenden Staates die Souveränität des Mutterlandes über sein abgetrenntes Gebietsteil ebenso wenig, wie weggefallene Zollgrenzen.

Aus diesem Grunde können die von fremdem Staatsgebiet eingeschlossenen einstigen Kolonien und Protektorate bis auf Ausnahmen (z. B. Goa) nur bedingt als ehemalige Exklaven oder Enklaven (Kolonialexklaven -bzw. Enklaven) des Kolonialbzw. des Protektionsstaates betitelt werden, weil bei mehr oder weniger fortgeschrittener Souveränität dieser Gebiete die Frage, ob es sich noch um eine Exklave bzw. Enklave oder bereits um einen selbständigen (Enklaven)- Staat handelt, oft nur schwer zu beantworten ist. Bekannterweise gibt es Nationen, die aus einem Hauptgebiet und Inseln bestehen, die im Hoheitsgewässer dieses Hauptgebietes eingelegt sind, z. B. Italien mit Sizilien, Sardinien, Elba und weiteren kleinen Inseln. Bei anderen Ländern dagegen kann es vorkommen, dass das Mutterland ebenfalls Inseln besitzt, die aber weit entfernt vom diesem in verschiedenen Breitengraden liegen. So sind z. B. die Bewohner von Französisch Guajana, Guadeloupe (mit dem französischen Teil der Insel Saint-Martin), Martinique (gehörte eher zu Frankreich als Nizza!), Reunion, Saint Pierre und Miquelon, französische Staatsbürger. Die Gesetze und Verordnungen des Mutterlandes finden auch hier Anwendung; alle genannten französischen Überseedepartements sind Mitglieder der EU. Es scheint deshalb gerechtfertigt, die französischen Überseedepartements als Exklaven (Inselexklaven) zu bezeichnen.

Als ein weiteres Beispiel können hier die Kanarischen Inseln aufgeführt werden. Daraus ergibt sich, dass topographisch heterogen lokalisierte Gebietsteile eines Landes von unterschiedlichen Rassen bevölkert werden können und dennoch zu einer Nation gehören; deshalb muss die Physiognomie der Ex-bzw. Enklave nicht mit der des Kernstaatsgebiete übereinstimmen. Inseln, die in den Hoheitsgewässern des Mutterlandes liegen, sind keine Inselexklaven.

Außenbesitzungen eines Landes, die eine völlige oder überwiegende Selbstverwaltung besitzen, ohne jedoch Bestandteil des Mutterlandes zu sein, als Exklaven zu bezeichnen, ist unrichtig (z. B. die Faroerinseln). So wurde in den Medien das Territorium Macau häufig noch als portugiesische Exklave bezeichnet, als es schon lange keines mehr war. Macau, damals noch unter portugiesischer Verwaltung stehend, besaß schon lange administrative, wirtschaftliche, finanzielle und legislative Autonomie. Es gehört einschließlich der Halbinsel Coloane aufgrund der ratifizierten Deklaration vom 14.12.1984 zwischen der Portugiesischen Republik und der Volksrepublik China zum chinesischen Territorium[8] und ist demzufolge schon seit dem obigen Datum keine portugiesische Exklave mehr.

Ähnlich ist die Situation bei den unmittelbar mit der britischen Krone verbundenen Gebieten und den abhängigen Gebieten, wie z. B. die Kanalinseln, die Insel Man und Nordirland.

Die niederländischen Antillen mit den Inseln Curacao, Bonaire, Saba, Saint Eustatius, Saint Martin (niederländischer Teil) und Aruba sind selbstständige Teile des Königreiches der Niederlande mit eigener Regierung, Flagge und teilweise eigener Nationalhymne.

Französisch Polynesien besitzt ebenso innere Autonomie wie die zum dänischen Reich gehö- renden Inseln Grönland und Faröer oder die zu Finnland gehörenden, aber sich selbst verwaltenden Alandinseln.

Ebenso verhält es sich mit den von den USA abhängigen Territorien und autonomen Staaten (Puerto Rico, Marshallinseln, Mikronesien und Palau, Jungferninseln und die Nördlichen Marianen). Sie haben mit der USA Assoziierungsverträge abgeschlossen und als Gegenleistung für finanzielle Förderung außenund verteidigungspolitische Kompetenzen an die USA abgetreten. Bis auf die unorganisierten Territorien (Wake-Inseln, Baker-, Howlandund Jarvisinseln, Johnston-Atoll, Midwayinseln, Kingman Reef und Palmya, die direkt dem Innenoder dem Verteidigungsminister unterstehen, verfügen die abhängigen Gebiete über Regierungen, Parlamente und Verfassungen, wodurch sie keine Exklaven der USA im Sinne der Definition sind. Sie alle und noch andere, hier nicht weiter aufgeführte Gebiete sind keine Exklaven, allenfalls ehemalige Exklaven oder, in den meisten Fällen, Außengebiete.

Abschließend soll bezüglich der Definition der Exklaven und Enklaven den Freihäfen auf fremdem Staatsgebiet, den Kriegsgedenkstätten, den exterritorialen Grundstücken und ähnlichen Erscheinungen noch ein Wort zugedacht werden. Besitzt der Freihafen[9] einen direkten Zugang zum Meer oder zu einem internationalen Fluss, dann fehlt es bereits an der für eine Enklave erforderlichen völligen Einschließung. Existiert ein solcher Zugang nicht, so wäre eine weitere Voraussetzung zur Definition Exklave die, dass der Mutterstaat die territoriale Hoheitsgewalt über das Gebiet des Freihafens besitzt. An diesem Charakteristikum fehlt es allerdings, weil die Errichtung von Freihäfen einzig und allein eine wirtschaftliche Restriktion der territorialen Hoheitsgewalt des umschließenden Staates beinhaltet13). Der durch den Freihafen protegierte Staat darf zollfrei Güter einund ausführen, lagern sowie verladen, ohne dass der verpflichtete Staat seine Zollhoheit praktiziert. Jedoch behält der umschließende Staat die Souveränität über das Freihafengebiet, wodurch diesem die Bezeichnung Exklave abzusprechen ist. Diese Aussagen treffen auch auf Freibezirke[10] und Freiläger[11] zu. Freizonen[12] und zollfreie Gebiete[13] haben mit Exbzw. Enklaven ebenfalls nichts zu tun. Zollanschlussgebiete[14] und Zollausschlussgebiete[15] können Exbzw.

Enklaven sein, müssen es aber nicht.

Auch Kriegsgedenkstätten oder Denkmäler, welcher Art auch immer, in fremden Ländern sind keine Enoder Exklaven, zumal sie meist so klein sind, dass sie nicht weiter erwähnt werden müssen. Aber auch größere Gebiete solcher Art besitzen nicht die für die Begriffsbestimmung Exklave oder Enklave notwendige territoriale Souveränität. So stellte Frankreich nach dem ersten Weltkrieg Kanada ein 100 Hektar großes Gebiet nördlich der Stadt Arras, im Departement Pas de Calais zur Verfügung, um dort ein Denkmal für die in der Schlacht bei Vimy gefallenen kanadischen Soldaten zu errichten. Das Gebiet (Vimy Rigde) wird von kanadischem Personal verwaltet und die Verwaltung von kanadischen Steuern bezahlt. Es sind aber ausschließlich die französischen Rechte in Kraft und es besteht auch kein diplomatischer Status14).

Exterritoriale Grundstücke bzw. Gebiete wie Botschaftsund Gesandtschaftsgebäude und Militärkasernen sind ebenfalls keine Exbzw. Enklaven. Bei diesen Grundstücken ist das inländische Recht zwar in einigen wichtigen Elementen derogiert; die Gebietshoheit des jeweiligen Staates hat aber weiter Bestand15). Genauso verhält es sich mit einigen zum heiligen Stuhl gehörenden Gebäuden die extern der Vatikanstadt verstreut in Rom und um Rom herum liegen16).

Das trifft auch auf die von der Deutschen Bundesbahn auf Schweizer Gebiet allein oder gemeinschaftlich mit der schweizerischen Bundesbahn betriebenen Bahnhöfe zu, z. B. der Badische Bahnhof in Basel. Die Gebietshoheit der Schweiz über das Bahnhofsgelände ist sicherlich in bestimmter Beziehung reglementiert, aber nicht außer Kraft gesetzt17). Ähnliche Staatsservituten kommen vor bei Streckenabschnitten der Deutschen Bundesbahn auf Schweizer[16] und tschechischem Hoheitsgebiet[17] aber auch ohne deutsche »Beteiligung«, beispielsweise die Überquerung polnischen Territoriums durch die Staatsbahn der Tschechischen Republik oder der mitten in Genf lokalisierte Bahnhof Eauxvivies der Französischen Eisenbahn SNCF. Dasselbe gilt für den Bahnhof des Stadtstaates Singapur, der sich aufgrund von Platzmangel auf malaiischem Staatsgebiet befindet. Der Flughafen Basel, der sich ebenfalls aus Raummangel auf französischem Territorium befindet, ist bis auf einige Sonderregelungen der französischen Gebietshoheit unterstellt18).

Exbzw. Enklaven außerhalb des politisch-geographischen Bereichs, beispielsweise Sprachexklaven oder aus Kriegssituationen resultierende temporäre Gebietseinschlüsse, sollen hier nicht behandelt werden.

Geschichte

Im Unterschied zum mittelalterlichen Europa verfügt heute die große Mehrzahl der Staaten über ein zusammenhängendes Staatsgebiet.

Gebietsteile eines Landes, welche von fremden Territorien umschlossen werden, finden sich nur noch in vereinzelten Fällen. In erster Linie sind Exklaven und Enklaven Folge von historischen territorialen Relikten. Sie sind auf alte Herrschaftsund Eigentumsrechte zurückzuführen, deren Wurzeln in der feudalen Machtstruktur zu finden sind.

So bestanden Preußen und Deutschland nach dem Wiener Kongress 1815 anstelle des alten Reiches aus einem Bund von deutschen Staaten der sich aus 35 Fürstentümern und vier Städten zusammensetzte. Die Fürsten wollten eine sinkende Welt aufrechterhalten, in der sie in gottbegnadeter Herrlichkeit ungehindert über gefügige »Untertanen« schalten und walten konnten. Sie betrachteten ihren Landbesitz als persönliches Eigentum und erwarben oder veräußerten ihn ad libitum, ohne dass seine Bewohner darum gefragt wurden.

Fast jedes historische Ereignis zog damals eine Gebietsumverteilung mit sich. Das geschah inform von Erwerbungen zum bestehenden Herrschaftsgebiet, Zuweisungen oder Tausch gegen andere Hoheitsrechte aus Bündnissen, Kauf, Zerwürfnissen, etc. Ein Ergebnis also von Erfolgen, Misserfolgen und Zufällen in der langen Geschichte des Aufbaus eines eigenen Staatsgebietes. Die landesherrliche Willkür und deren dynastische Wechselspiele führten zu extremen Entwicklungen von Exklaven und Enklaven, deren Nachwirkungen noch heute in der Gliederung deutscher Verwaltungsbezirke sichtbar sind. So bestand z. B. das Fürstentum Schaumburg-Lippe (Residenzstadt Bückeburg) bis 1918 als Enklave inmitten des Königreich Preußen und war noch bis 1976, ungeachtet seiner kleinen Gebietsfläche (340 Quadratkilometer) ein eigener Landkreis. Bis 1972 (!) besaß der Landkreis Braunschweig die Exklave Thedinghausen, die 130 km (!!) von Braunschweig entfernt, südlich von Bremen lag. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden durch das

»Verdener Gesetz« die Gemeinden des Amtsbezirkes Thedinghausen zusammen mit einigen Gemeinden der Grafschaft Hoja dem Landkreis Verden eingegliedert (siehe auch »Die deutsche Exund Enklavensituation heute«).

Die ungewöhnliche Gestalt der meisten Schweizer Kantone (z. B. Solothurn) erregt immer wieder den aufmerksamen Betrachter der Schweizerkarte und erinnert an mittelalterliche Grenzverläufe. Es fällt häufig eine unharmonische Verteilung von Gewässern, Ebenen und Bergen auf, die in den wenigsten Fällen allein durch geographische Bedingungen verursacht wurden. Somit ist die Entstehung der Schweizer Exklaven und Enklaven (heute noch 26) das Ergebnis einer komplizierten Landaufteilung im hohen und späten Mittelalter und der frühen Neuzeit.

Auch die mittelalterlichen Vasallenstaaten waren teilweise Exklavenbzw. Enklavenstaaten, z. B. die Republik Ragusa (das heutige Dubrovnik) die von 1430 bis 1804 als ein Enklavenstaat innerhalb des osmanischen Reiches lag und dem tributpflichtig war.

Seltener ist die Entstehung von Exklaven und Enklaven aufgrund von modernen Ereignissen wie z. B. Berlin oder Scopusberg.

Geschichte

Einige Exklaven und Enklaven entstanden aus wirtschaftlichen Gründen, um Binnenstaaten einen Zugang zum Meer zu gewähren.

Exklaven und Enklaven sind anachronistisch-geographische Kleinfossilien.

Auf diese Art entstand 1885 die Exklave Cabinda, die von Angola abgetrennt wurde, um dem damaligen Kongo-Freistaat Zugang zum

Atlantik zu verschaffen. Gleiches gilt für Dorfgemeinschaften. Hier ist der ausreichende Anteil an Feld, Weide und Wald notwendig. Gemeideareale wurden und werden dementsprechend zersplittert sein und Exklaven mitumfassen.

So war es aus ökonomischen Gründen im Alpenraum wichtig, sich Anteile an den verschiedenen Höhenstufen zu sichern, woraus Exklaven und Enklaven resultierten, wie z. B. Gerra Verzasca mit einem Gemeindeteil in der Magadioebene; aber auch in Lichtenstein hat sich dieser Exklavenzustand noch weitgehend erhalten.

Auch die Entstehung der kolonialen Exklaven und Enklaven war ein Ergebnis wirtschaftlicher Überlegungen. Sie entwickelten sich häufig aus den Handelsniederlassungen, den Faktoreien.

Die Problematik der Exklaven und Enklaven

Exund Enklaven bilden eine Kuriosität im internationalen Recht, weil sie gegen das Prinzip verstoßen, wonach alles was sich innerhalb einer bestimmten Grenze befindet, diesem Staat angehört. Sie bilden somit eine relevante Ausnahme von der alten Maxime: »quicquid est in territorio, etiam est de territorio«. Aufgrund ihrer anormalen territorialen Erscheinung haben Exund Enklaven wiederholt als Störfelder zwischenstaatlicher Beziehungen gewirkt (z. B. Gibraltar, Mellila, Ceuta, Guantanamo, Kaliningrad, ). Sogar innerhalb desselben Staates, also auf Landesebene, wurden Enbzw. Exklaven zu derart großen Problemen, dass Militär eingesetzt wurde und zahlreiche Tote zu beklagen waren (Nagornyj Karabach in Aserbaidschan).

Die fremden Gebietssplitter sabotieren mit ihren Grenzen das Einheitsstreben eines Staates und damit seine nationale Souveränität.

Es ist verständlich, dass immer wieder Exklaven bzw. Enklaven von den Ländern, die sie umgeben, annektiert wurden (z. B. Goa, Ifni), nicht zuletzt auch deshalb, weil solche Gebietssplitter häufig kulturlandschaftliche Prägungen ausbilden, die jenen ihrer Mutterländer nahe kommen, so dass sie auch physiognomisch zur Abnormität wurden. Das lässt sich beispielsweise mehr oder minder auf die ehemaligen Kolonialexklaven Macao, Hongkong und Aden projizieren, in besonderer Weise aber auf die 1961 von Indien okkupierte portugiesische Kolonialexklave Goa. Das gleiche trifft auch auf Stützpunktexklaven wie beispielsweise Ceuta, Melilla und Guantanamo zu. Auch die Normanischenoder Kanalinseln tragen innerhalb der französischen Hoheitsgewässer unverwechselbar eine eigene, jedoch der britischen Art nahe stehende kulturlandschaftliche Prägung.

Enklaven und Exklaven ist selbst dann ein Störungspotential eingelegt, wenn sie von den betroffenen Staaten über ganze Zeitalter hinweg als zwangsläufig hingenommen wurden.

Ein Beispiel ist die Republik Gambia, die als Quasienklavenstaat vom Staat Senegal umschlossen ist. Die Ursache hierfür sind aus wirtschaftlichen, militärischen und politischen Erwägungen oftmals willkürlich gezogene destruktive Aufteilungsgrenzen, typisch für viele Nachfolgestaaten einstiger Kolonien. Gambias Grenzen trennen die bereits im Senegal liegenden Stromufer von der Nutzung des fließenden Wassers und schneiden auch den Lebensraum mehrerer afrikanischer Stämme. Gambia stellt somit als lang gestreckter Flussstaat das Herzstück jenes Territoriums da, welches den Staat Senegal bildet. Das Staatsgebiet Gambias reicht wie ein Dorn in das Gebiet von Senegal hinein und trennt dessen Südprovinz dadurch vom übrigen Lande ab. Dieser für Senegal unerträgliche Zustand wurde 1982 durch den Zusammenschluss mit Gambia zur Konföderation Senegambia beseitigt, wobei beide Staaten ihre Souveränität behielten; diese Konföderation wurde allerdings 1989 wieder aufgelöst.

Exund Enklaven sind mittelalterliche bzw. koloniale Relikte ohne Anspruch auf eine fortwährende Existenzberechtigung. Einige Enklaven- bzw. Exklavenbelastete Staaten haben deshalb wiederholt versucht, diese territoriale Anomalie auf Verhandlungswegen zu beseitigen, zumal Exklaven und Enklaven auch häufig als störend in der internationalen Verkehrsund Geldwirtschaft wirken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Staatsgebiet Gambias reicht wie ein Dorn in das Gebiet von Senegal hinein.

Deshalb sollten sie im gegenseitigen Einverständnis der betroffenen Staaten aufgelöst, adäquat ausgetauscht oder zumindest wirtschaftlich neutralisiert werden. Letzteres kann durch Zollausschluss bzw. durch Zollanschluss praktiziert werden (Büsingen, Jungholz, Kleinwalsertal), führt aber nicht zum eigentlichen Ziel, der Auflösung der Exklave bzw. Enklave. Rückgabe, Eingliederung (z. B. die ehemaligen Exklaven Macau, Hongkong, Gwadar) oder Gebietsaustausch, beispielsweise bei unbewohnten (Hohentwiel), aber auch bei bewohnten Exklaven und Enklaven sind geeignete Mittel zur Eliminierung dieser Störfelder und damit zur Beseitigung disharmonischer, zwischenstaatlicher Beziehungen.

Ein Gebietstausch soll anhand der ehemals in der Schweiz gelegenen, bewohnten deutschen Exklave Verenahof verdeutlicht werden: Der 43,47 Hektar große und aus drei Höfen bestehende Weiler Verenahof, dessen Geschichte bis heute nicht bis ins Letzte geklärt ist, war lange eine deutsche Enklave in der Schweiz, bis endlich am 23.11.1964 ein Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft erarbeitet wurde. In diesem verpflichtete sich Deutschland, den Verenahof gegen eine ebenso große schaffhauserische Bodenfläche an die Schweiz abzutreten. Deutschland erhielt im Gegenzug von Merishausen 30 Hektar im Beisental, von Opfertshausen 9,27 Hektar im hinteren Reiat und im Hirzenacker sowie 4,20 Hektar von Büttenhard am Gerstenbuck. Der Staatsvertrag trat mit dem 4.10.1967 in Kraft, wodurch bewiesen wurde, dass mittels wohlwollender nachbarlicher Zusammenarbeit auch jahrhundertelang existierende grenzgeographische »Territorialirrungen« bereinigt werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die ehemalige Exklave Verenahof wurde von Deutschland an die Schweiz abgetreten.

Häufig endet das Austauschbestreben jedoch an dem hartnäckigen Nationalismus der Exbzw. Enklavenbewohner und noch mehr an ihren

»Häuptlingen«. So hat z. B. Frankreich in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrfach erfolglos versucht, die spanische Exklave Llivia gegen seine Mitherrschaft über Andorra auszutauschen.

Die Zahl der Exbzw. Enklaven hat sich in den letzten Jahrhunderten stark reduziert; aus heutiger Sicht lässt sich jedoch nicht vorhersagen, wie lange der Rest dieser geographischen und völkerrechtlichen Abnormitäten noch Bestand hat. Die weitere Existenz der nicht europäischen Exbzw. Enklaven ist aus unterschiedlichen Ursachen fraglich. Im Vergleich dazu scheint die Lage der europäischen Enbzw. Exklaven so gereift zu sein, dass ihre Auflösung nur durch zwangsweise durchgeführte Gebietsveränderungen oder bei einer Staatenvereinigung im Rahmen einer progredienten europäischen Verständigung denkbar ist.

Die bei einer Analyse der völkerrechtlichen Stellung der Exklaven und Enklaven auftretenden Probleme werden natürlich immer durch die unterschiedliche Interessenlage der beteiligten Staaten gekennzeichnet sein. Der Mutterstaat oder Kernstaat wird immer bestrebt sein, seine Exbzw. Enklaven in gleicher Weise wie das Hauptland zu führen und zu verwalten, was jedoch nur bei ungehindertem Zugang zu den Exbzw. Enklaven möglich sein wird.

Andererseits wird sich der umschließende Staat verständlicherweise stets gegen jede Beeinträchtigung seiner territorialen Souveränität wehren und an der Elimination der Exbzw. Enklaven interessiert sein. Geographische Zersplitterungen werden immer mehr oder weniger große Rechtsfolgen nach sich ziehen und diese Rechtsfolgen werden primär in dem völkerrechtlichen Problem der Zugangssicherung bestehen (So gibt es ganz aktuell Probleme bei der Versorgung des Kaliningrader Gebietes).

Es muss deshalb nicht verwundern, dass die Frage der Zugangsrechte zwischen den isolierten Gebieten und dem Hauptlandgebiet eines der vordergründigen Themen der Exund Enklavenproblematik ist.

Die Exklaven und Enklaven im internationalen Recht

Obwohl die Intensivierung der Beziehungen zwischen den Staaten zu mehr multilateralen oder bilateralen Übereinstimmungen geführt hat, sind die Statuten über das internationale Recht der Exklaven und Enklaven sehr undeutlich. Die Rechtsverhältnisse der Gebietssplitter, also des Teilstaatsgebiets zum Mutterland, beruhen ausschließlich auf innerstaatlichem Recht. Doch bestehen nach dem Völkerrecht zwischen dem umgebenden Staat und der Exklave oder Enklave gewisse Rechtsbeziehungen, um die häufig komplizierten Gegebenheiten zu regeln. Das geschieht häufig (aber nicht immer) durch einen Staatsvertrag. Hierin werden besitzrechtliche Verhältnisse, Zollfragen wie u. a. Zollanschlüsse, Zollausschlüsse (Büsingen, Jungholz), Grenzprobleme, wie der freie Zugang zur Enklave, etc. festgelegt.

Besteht kein die gesamten Verhältnisse regelnder Vertrag (z. B. Campione), sind häufig zumindest bestimmte Sachlagen vertraglich geregelt, u. a. durch Grenzverträge, gegenseitige Erklärungen, Übereinkommen usw. Fehlen die vertraglichen Regelungen, so muss auf allgemein anerkannte Rechtsgrundlagen zurückgegriffen werden. Da die entsprechenden Ver- pflichVerpflichtungen auf dem betreffenden Territorium haften, spricht man von Servituten. Nur wenn der Verständigungswille beider Vertragspartner die eigenen Vorteile und Annehmlichkeiten in den Hintergrund rückt (vor allem die vielen »Extrawürste« für die Exund Enklavenchefs), kann das Leben für die Bewohner in den abgetrennten Gebietsteilen erträglich sein, wobei zumindest in den westeuropäischen Exklaven und Enklaven die Vorteile eindeutig überwiegen. Man kann sagen, dass durch die politische und wirtschaftliche Sonderstellung vieler Exbzw. Enklaven fast jeder ihrer Einwohner ungewollt ein Staatsrechtler ist.

Die völkerrechtliche Stellung der Exklaven und Enklaven

Die völkerrechtliche Stellung der Exbzw. Enklaven soll im Folgenden hauptsächlich durch Untersuchungen in den klassischen Exbzw.

Enklaven Baarle-Nassau-Herzog, Büsingen, Campione und Llivia dargestellt werden. Die bei diesen Gebieten auftretenden völkerrechtlichen Fragen decken sich überwiegend mit den Problemen der anderen Exbzw. Enklaven und auch mit denen der Exbzw. enklavenähnlichen Gebiete.

Die rechtlic hen, verwaltungsmäßigen und wirtschaftlichen Koppelungen der Exbzw. Enklaven an das Kernstaatsgebiet und an den umgebenden Staat.

Allgemeine Bemerkungen

Die Bewohner einer Exbzw. Enklave besitzen die gleichen staatsbürgerlichen Pflichten und Rechte wie die anderen Einwohner des Mutterlandes19), ergo wird dieses stets bemüht sein, die Exbzw. Enklave in juristischer, ökonomischer, und verwaltungsmäßiger Beziehung seinem Hauptstaatsgebiet gleichzusetzen. So erfahren z. B. die Exbzw. Enklaven von Baarle-Nassau- Herzog die gleiche Verwaltung und Behandlung wie die übrigen niederländischen bzw. belgischen Gebietet20). Auch Llivia ist in jeder Hinsicht dem spanischen Kernland gleichberechtigt[18].

Nicht selten aber ist die Einbeziehung der Exbzw. Enklaven in das Verwaltungs-und Wirtschaftssystem des Mutterlandes schwierig, weil manche Exbzw. Enklaven zu dem Wirtschaftszentrum des sie umgebenen Staates hin tendieren. Hier würden Zollschranken um die Exbzw. Enklave ihre Bewohner merklich benachteiligen. Auch wäre die Überwachung der Zollgrenze für den die Ex-bzw. Enklave umschlie- ßenden Staat unverhältnismäßig aufwendig21); so benötigte man zur Zollkontrolle um Büsingen 24 Beamte. Hier lassen sich durch einen kompletten oder partiellen Anschluss an das

Verwaltungs-, Rechtsund Wirtschaftssystem des einfassenden Staates derartige Komplikationen für die Ex-bzw. Enklavenbewohner umgehen oder verringern.

Zoll und Wirtschaft

Llivia und Baarle Nassau-Herzog sind Teile des Zollgebietes ihrer jeweiligen Mutterstaaten.

Jedoch entfielen jegliche Zollabgaben zwischen Belgien und den Niederlanden infolge einer seit dem 1. Januar 1948 zwischen den Benelux- Staaten geltenden Zollkonvention; wohl wurde der grenzüberschreitende Warenverkehr bis zum

1. Januar 1993 kontrolliert und registriert22). Die konfuse, derangierte Grenzlinie der Baarle- Exund Enklaven erlaubte nie eine Zoll-Überwachung23. Büsingen ist durch den deutschschweizerischen Vertrag von 23. November 1964 über den Zollanschluss Büsingens an die Schweiz schweizerisches Zollgebiet. Campione ist durch einen langjährigen Usus der schweizerischen und italienischen Behörden dem schweizerischen Zollgebiet gleichgestellt, ohne das eine Konvention besteht24).

Polizei und allgemeine Verwaltung

In Llivia wird die polizeiliche Funktion von spanischen Polizeibeamten wahrgenommen, in Büsingen fungieren deutsche, in Campione italienische Polizisten. In den Baarle-Exund Enklaven sind für die belgischen Gebietssplitter belgische – und für die niederländischen Landesfragmente niederländische Polizisten im Amt. Alle hier aufgeführten Exbzw. Enklaven haben eigene Gemeindebehörden.

Währung und Devisen

In den Baarle-Exund Enklaven wurde vor der Einführung des Euro sowohl mit belgischen Franken als auch mit niederländischen Gulden bezahlt. In Llivia galt als Valuta ausschließlich die Spanische Pesete[19]. In Büsingen und Campione ist infolge langjähriger Gepflogenheit bei Toleranz der beteiligten Ämter der Schweizer Franken das vorrangig verwendete Zahlungsmittel25) – obgleich in Büsingen auch nach dem Zollanschluss an die Schweiz der Euro das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel ist.

Öffentliche Versorgung und Verkehrsmittel

Die gesamte infrastrukturelle Versorgung Llivias erfolgt, genauso wie die Verkehrsverbindungen[20] von Spanien aus über eine kuriose neutrale Straße. Büsingen und Campione werden mit Elektrizität aus der Schweiz versorgt, Büsingen ist außerdem an die Wasserversorgung von Schaffhausen angeschlossen26) Campione besitzt eine eigene Quelle und entnimmt ergänzend Wasser aus dem Luganer See. Die BaarleExund Enklaven sind ausschließlich von der niederländischen Infrastruktur abhängig. Keine der untersuchten Exbzw. Enklaven haben einen eigenen Bahnanschluss, sie werden alle durch Busbzw. Schifffahrtslinien (Campione) versorgt27)

Behauptung der Machtansprüche des Kernstaates

Es erscheint aufgrund der erwähnten Faktoren oftmals sinnvoll, die Exbzw. Enklaven mehr oder minder dem Wirtschaftssystem des einfassenden Staates anzufügen. Damit aber der Zusammenhang zwischen dem Mutterstaat und der Exklave oder Enklave nicht noch mehr gelöst wird, muss das Hauptstaatsgebiet sich intensiv bemühen, die politische Solidarität zwischen ihm und der Exbzw. Enklave beizubehalten und zu protegieren. Die Gebietshoheit des Mutterstaates ist im Gebiet der Exbzw. Enklave in gleicher Weise wirksam wie im dem restlichen Staatsgebiet. Die Exbzw. Enklavenbewohner besitzen mit Ausnahmen (z. B. Zollausschlüsse, Zollanschlüsse, Befestigungsverbote etc.) die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Staatsangehörigen.

In den meisten Fällen handelt es sich bei Exbzw. Enklaven um relativ kleine Landesteile. Ergo werden die für die Exbzw. Enklaven kompetenten höhergestellten Ämter in dem Hauptstaatsgebiet zu finden sein. Die behördlichen Vorschriften und die Gesetze sowie alle Notwendigkeiten der Justiz können jedoch nur dann zur Anwendung gebracht werden, wenn für die Staatsorgane der Transit zu der Exbzw. Enklave garantiert ist.

Aber auch die anderen Einwohner des Mutterstaates werden an einem freien Zugang zu der Exbzw. Enklave interessiert sein und ebenso wollen sich die Exbzw. Enklavenbewohner ohne Schwierigkeiten in das Kernstaatgebiet begeben können[21]. In den meisten Fällen wird der die Exbzw. Enklave umgebende Staat versuchen, die Passage durch sein Hoheitsgebiet so weit wie möglich zu reduzieren, bzw. nach seinen Vorstellungen zu steuern. Er könnte nicht zu Unrecht besorgt sein, dass durch den Transit von Ausländern ungebetene Personen ins Land eingeschleust werden; er könnte auch befürchten, dass der andauernde Durchgang seine Gebietssouveränität gefährdet. Diese und noch andere Gründe könnten den umschließenden Staat dazu verleiten, durch ein Passageverbot die Exklave oder Enklave abzuriegeln, um diese so zum Anschluss an den einschließenden Staat zu zwingen. Es kommt somit zur Kollision zweier relevanter Interessen: einerseits der Anspruch des Transitstaates auf die alleinige Territoriumsüberwachung, andererseits der Wunsch des Mutterstaates, seine Exbzw. Enklave unbeeinträchtigt leiten und führen zu können. Folglich besteht für den Mutterstaat immer das Risiko des Verlustes seiner Exbzw. Enklave oder der subjektiven Behandlung des umgebenden Staates. Der Kernstaat muss infolgedessen um eine rechtliche Absicherung bezüglich eines dauernd gewährleisteten Zuganges von und zu der Exbzw. Enklave bemüht sein. Es soll nun in einem kurzen Abriss beschrieben werden, wie der Durchgangsverkehr durch den der Gebietshoheit eines fremden Staates unterstehenden Raum völkerrechtlich geregelt ist.

Die Transitrechte der Exklaven und Enklaven mit dem Kernstaatsgebiet.

Allgemeines

Es ist für den Mutterstaat partout eine Notwendigkeit, dass alle Gruppen von Zivilbeamten Zugang zu der Exbzw. Enklave haben, damit diese ihre Verwaltungsaufgaben erfüllen können und somit der Kernstaat seine Autorität behaupten kann. Um eine eventuell notwendig werdende Beibehaltung der öffentlichen Ordnung in der Exbzw. Enklave garantieren zu können, muss auch der Transit für Militär und Polizeibeamte und somit auch für Munition und Waffen garantiert sein. In der Staatenpraxis ergeben sich für Privatpersonen bezüglich des grenzüberschreitenden Verkehrs im Normalfall keine Probleme, so dass in diesem Fall ein unbegrenztes Zugangsrecht gefordert werden kann.

Staaten bilden gewöhnlich sowohl eine politische, als auch eine wirtschaftliche Einheit. Somit werden die Exbzw. Enklaven bestrebt sein, ihre Produkte auch mit dem Wirtschaftsraum des Kernstaatsgebietes austauschen zu können. Das Hauptstaatsgebiet muss darum den freien Handelsverkehr mit seine Exbzw. Enklave aufrechterhalten. Die Souveränität eines Staates umfasst das Landgebiet (einschließlich der Inlandgewässer – Flüsse, Kanäle, Seen), die Küstengewässer sowie der Luftraum28) über beiden. Demzufolge sind drei Arten des Durchgangsverkehrs zu differenzieren: Der Durchgangsverkehr durch die Küstengewässer, durch die Luft und über das Landgebiet. Aufgrund der geringfügigen Relevanz des Luftverkehrs für den Kontakt zwischen Exbzw. Enklave und dem Mutterstaat soll hier nur auf Fragen der Landpassage eingegangen werden. Die Frage des Zugangsrechtes durch die Küstengewässer eines fremden Staates zu einer Exbzw. Enklave stellt sich nicht, weil solche Küstengewässer immer zu den Exbzw. Enklaven gehören und somit vom Mutterland, welches in allen Fällen ebenfalls an der Küste liegt, erreicht werden kann, ohne fremdes Hoheitsgebiet passieren zu müssen (Quasienklaven).

Das Transitrecht aus der Sicht des Völkervertragsrechtes und des lokalen Gewohnheitsrechtes

Staatengemeinschaftliche Regelungen des Transitrechtes sind bisher nicht bekannt geworden. Die Frage, ob einem Staat gegenüber einem anderen Transitrechte, also die Befugnisse, das Territorium eines anderen Staates zu passieren, zukommen, ist schon lange Thema völkerrechtlicher Diskussionen. Sie wurde dabei, je nach dem Verhältnis der betroffenen Staaten zueinander und nach den Denkarten der Zeit über den Wert von Kontakten zwischen Staaten und deren Bewohnern, verschieden beantwortet und gehandhabt. Sie kommen zu dem Fazit, dass ein Zugangsrecht zu Exbzw. Enklaven aufgrund einer universellen Norm des Völkergewohnheitsrechts existiert. Dabei gehen sie davon aus, dass für die Annahme eines allgemeinen Völkergewohnheitsrechtes drei Voraussetzungen notwendig sind: Auf der einen Seite die zwei üblichen für die Bildung von Gewohnheitsrecht erforderlichen Voraussetzungen, nämlich die kontinuierliche Wahrnehmung eines gleichen Verhaltens in gleichen Situationen mit der Bewusstheit rechtlicher Bedeutung dieses Verhaltens, andererseits - und dies dokumentiert die Allgemeingültigkeit der Gewohnheitsnorm – muss dieses gleiche Verhalten bei diversen Staaten, nicht nur im Verhältnis zweier Staaten zueinander zutage treten.

Nicht aus universellem Völkergewohnheitsrecht, sondern aus allgemeinen, von den zivilisierten Nationen anerkannten Rechtsgrundsätzen, wollen andere Autoren die Existenz von Transitrechten nach Exbzw. Enklaven herleiten. Aus den Rechtsordnungen der zivilisierten Nationen ist das Institut des Notwegs bekannt. Dieser Rechtsgrundsatz wird auf die zwischenstaatlichen Beziehungen übertragen, und Passagerechte zwischen Ex.- bzw. Enklave und Kernstaatsgebiet werden aus einem internationalen Notwegrecht hergeleitet. Auch aus dem allgemeinen »Grundsatz der guten Nachbarschaft« werden Transitrechte zu Exbzw. Enklaven abgeleitet. Diese Autoren meinen, dass auf diesen Grundsatz das in seiner Existenz unbestreitbare (dem zivilrechtlichen Notwegrecht entsprechende) Transitrecht durch fremdes Staatsgebiet zur Durchführung von Staatsaufgaben in von diesem fremden Staatsgebiet umschlossenen Exbzw. Enklaven zurückgeht. Ein Recht, das nicht erst nach Vertrag festigt, sondern schon vom allgemeinen Völkerrecht als Folge eines Servituts gewährt wird. Die dritte Motivationsvariante für ein Transitrecht nach allgemeinem Völkerrecht zielt auf die Souveränität des Staates ab, zu dem die Exbzw. Enklave gehört. Dieser könne seine Hoheitsgewalt in der Exklave nicht ausüben, wenn ihm der Zugang zu ihr verwehrt wäre.

Erkenne ein Staat die Souveränität eines anderen Staates über eine Exbzw. Enklave innerhalb seines Gebietes an, müsse er dem anderen Staat auch den Verkehr mit seiner Ex-bzw. Enklave gestatten und der Abbruch aller Verbindungen wäre ein Angriff auf die territoriale Unversehrtheit.

Andere Autoren verneinen ein Exbzw. Enklaventransitrecht30). Sie räumen der Souverä- nität des die Exbzw. Enklave einschließenden Staates den ersten Rang ein, weil ein Durchgangsrecht zum Vorteil eines fremden Staates als ernsthafte Benachteiligung der Landeshoheit betrachtet werden muss31). Die Souveränität wird immer dann unzulässig beeinträchtigt, wenn ohne vertragliche Regelungen Staatsangehörige des anderen Staates Transitwege benutzen. Es sei jedem Staat völlig freigestellt, die Einund Ausreise von Ausländern zu regulieren, er könne auch beide Wege vollständig abriegeln. Demzufolge kommt für die Regelung der Verkehrsverbindungen zwischen den Exbzw. Enklaven und dem Mutterland den zweiseitigen vertraglichen Abkommen zwischen Kernstaat und umschließenden Staat größte Bedeutung zu. Diese Verträge unterteilen sich danach ob sie alle Aspekte des Transitverkehrs regeln oder sich, wie häufig, nur auf einige Punkte beziehen.

Oft ist es eine Frage der Auslegung, welche Art des Verkehrs man durch einen Vertrag als geregelt bezeichnet. Bei der Interpretation ist zu beachten, dass eine Beschränkung der Souverä- nität – und das ist ein solches Passagerecht immer – mit Vorbehalt auszulegen ist; Souverä- nitätsbeschränkungen, die nicht besonders abgemacht wurden, können nicht vermutet werden.

Die Regelung der Transitrechte in den untersuchten Exbzw. Enklaven BaarleHertog- Nassau, Campione, Büsingen und Llivia.

Die Untersuchung der Passagepraxis bei den oben genannten Exlaven bzw. Enklaven Baarle- Hertog-Nassau32), Büsingen33), Campione34) und Llivia ergab, dass der Transit von Privatpersonen bei allen Gebietssplittern erlaubt wird und das er mit Ausnahme von Llivia, wo eine vertragliche Voraussetzung besteht, auf örtlichem Gewohnheitsrecht basiert. Solange die Transitstaaten die Exbzw. Enklave de jure anerkannten, ist die Passage von Privatpersonen nie beschränkt worden. Das schließt aber nicht aus, dass die passierenden Personen von den Grenzbehörden überprüft werden und der umschließende Staat auch den Ablauf der Passage regelt.

Für Zivilund Polizeibeamte besteht bei den überprüften Exbzw. Enklaven ein Passagerecht. Zum Teil begründet es sich auf örtliche Gewohnheit, teils auf vertragliche Abkommen. Es ist hierbei auffällig, dass der Transit von Polizeibeamten öfter eine vertragliche Regelung findet, als die Passage von Zivilbeamten.

Letztere beruht bei den einzelnen Ex -bzw. Enklaven, mit Ausnahme von Büsingen36), auf derselben Rechtsgrundlage wie das für die Privatpersonen. Offenbar wird der Zugang bewaffneter und uniformierter Beamter vom Transitstaat eher als Minderung seiner Souverä- nität empfunden, als der Durchgang von Zivilbeamten und Privat-personen. Aus diesem Grund ist es wohl verständlich, das der einschließende Staat alle Anstrengungen machen wird, den Transit nach seinen Ideologien zu regulieren. Als noch stärkere Beeinträchtigung ihrer Gebietshoheit empfinden die umschlie- ßenden Staaten die militärischen Durchmarschrechte. Dort, wo eine Truppenpassage erlaubt ist, liegen besondere Situationen vor, welche die Bildung eines Truppenpassagerechts fördern, wie die neutrale Straße nach Llivia. So hielten sich gegen Ende des zweiten Weltkrieges einige hundert spanische Soldaten in Llivia auf37). Im Falle Büsingen ist der Transit deutscher Truppen, die unter militärischen Kommando stehen, durch Schweizer Hoheitsgebiet nur auf dem Eisenbahnwege gestattet, weil grundsätzlich nur auf diesem Wege gemäß eines Notenwechsels deutsche Truppen Schweizer Territorium überqueren dürfen.

In Büsingen existiert jedoch kein Bahnanschluss an Deutschland, somit besteht für die Exklave kein militärisches Durchgangsrecht. Bei Baarle- Hertog-Nassau ist weder bekannt, dass belgischen Truppen irgendwann der Durchmarsch nach Baarle Hertog erlaubt wurde, noch ein solcher Transit notwendig war. In der Exklave Campi-ne hat sich bisher kein italienisches Militär aufgehalten. Ebenso wenig besteht ein militärisches Transitrecht für den Landoder Wasser-weg. In Bezug auf das Durchführungsrecht für Handelswaren lässt sich konstatieren, dass für die Exbzw. Enklaven, die dem Zollgebiet des Mutterlandes angehören, ein unbegrenztes Warenpassagerecht existiert. Bei Llivia ist der unbeeinträchtigte und gebührenfreie Warentransit vertraglich gewährleistet. Im Vergleich dazu sind Campione und Büsingen dem Zollgebiet des Passagestaates angegliedert, der prinzipiell allein entscheidet, welche Waren in die Ex -bzw. Enklave einund ausgeführt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die geographische Lage der untersuchten »klassischen« europäischen Exklaven bzw. Enklaven

TEIL II

Die bedeutensten aktuellen und historischen Exklaven und Enklaven

Exklaven und Enklaven in Asien

Brunei

Das erst seitdem 01.01.1984 selbstständige Sultanat Brunei1) liegt an der Nordwestküste Borneos am nördlichen Rand des Sarawakgebirges.

Im Binnenland grenzt es direkt an den malayischen Bundesstaat Sarawak, der am Limbang- Fluss in einem schmalen Streifen bis ans Südchinesische Meer reicht, und hierdurch den Staatsraum Bruneis in zwei Teilgebiete trennt: In West-Brunei (mit den Bezirken Brunei-Muara, Sena-Belait und Tutong) und in die extrem unterentwickelte, nur über den Seeweg erreichbare Exklave Ost Brunei (Temburong-Distrikt). Hauptstadt ist Badar Seri Begawan. Brunei liegt ungefähr fünf Breitengrade nördlich des Äquators. Der Name Brunei ist auf das Sanskrit-Wort

»Bhourni« = Land, Erde, zurückzuführen. Portugiesische Seeleute machten daraus Borneo und projizierten den Namen dann später auf die gesamte Insel.

Die ortsansässigen Bewohner sind hauptsächlich Malaien. In den letzten Jahren sind viele Ausländer (Hongkong, Malaysia, Taiwan zugewandert. Insgesamt leben heute circa 230000 Menschen in dem 5765 Quadratkilometer großen Sultanat. Amtssprache ist malaiisch, der Islam spielt in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. Im 15. Fahrhundert ließen sich moslemische Malayen auf der Insel Borneo nieder und gründeten das Sultanat Brunei. Bald regierte das Sultanat die ganze Insel Borneo und einen Teil der Philippinen. Die kolonialen Aktivitäten der Portugiesen, Briten und Niederländer begrenzte den Herrschaftsbereich Bruneis immer mehr. 1842 wurde Sarawak dem Briten James Brooke übergeben. Brooke war im Auftrag des Sultans von Brunei Gouverneur von Sarawak.

1877 überlies Brooke Nordborneo (Sabah) der britischen Handelsgesellschaft British North Borneo Kompanie, zu dessen Gunsten Brunei auf seine heutige Größe zusammenschrumpfte. 1888 wurde Brunei britisches Protektoriat und zwei Jahre später annektierte Brooke das Limbang Tal und teilte damit das Sultanat in zwei Territorien. Im zweiten Weltkrieg war Brunei von Japan besetzt und wurde 1946 britische Kolonie. Die erste Verfassung mit weitgehender Autonomie wurde 1959 verabschiedet. 1962 kam es zu Unruhen wegen des geplanten, aber nicht vollzogenen Anschlusses Bruneis an Malaysia. In diesem Zusammenhang wurde die Verfassung außer Kraft gesetzt. Am 5.10. 1967 bestieg Sultan Muda Hassanal al Bolkiah den

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Thron und übernahm 1973 die Aufsicht über alle inneren Angelegenheiten. Am 1.1.1984 wurde Brunei selbstständig. Erdöl und Erdgas bilden die alles beherrschende Basis der Wirtschaft. Andere Industriezweige und die Landwirtschaft haben so gut wie keine Bedeutung. Das feucht tropische islamische Ölland ähnelt mit seinem Vermögen den Scheichtümern der Vereinigten Arabischen Emirate am Persischen Golf. Solange die Exporterlöse über Öl und Erdgag erwirtschaftet werden können, wird die Quasienklavenlage und auch die Teilung Bruneis keine Probleme aufwerfen, weil es dem Sultanat (und damit dem Sultan) in dieser Lage egal sein kann, ob es nun mehrerer Länder zum Nachbarn hat, oder nur von einem fremden Territorium umschlossen ist. Nach Expertenmeinung sind jedoch die Ölund Gasvorräte um nach der Jahrtausendwende erschöpft und Wirtschaftsstrukturen für die Zeit danach sind bisher in dem Öl-Wohlfahrtsstaat nicht erkennbar. Erst dann wird wohl für Brunei seine Quasienklavenlage zur Problematik, weil die Ideologie der verbotenen ehemaligen Partei »Barisan Kemerdekaán Rakyat«, nämlich der Anschluss Bruneis an Malaysia, mit großer Wahrscheinlichkeit wieder aufflackern wird. Das ist damit zu erklären, dass alles, was in Brunei konsumiert wird, vom Reis bis zum chromblitzenden Stra- ßenkreuzer importiert werden muss. Die häufig beschäftigungslose, aber vermögende Jugend, die fast alles kostenfrei erhält, wird wohl kaum einem progredienten Absturz in die Armut tatenlos zusehen, der nach dem Öl--Boom in Brunei mit Sicherheit stattfinden wird, zumal de facto der steinreiche Sultan Besitzer des Landes ist. Er gilt als reichster Mann der Welt.

Indien und Bangladesh

Indien (und Bangladesh) ist aus seiner historischen Situation heraus – abgesehen von den ehemaligen circa 700 Vasallenstaaten, den

»Native States« und deren Exund Enklaven während der Okkupation durch England (Britisch-Indien) – bis heute mit einem riesigen und diffusen Exund Enklavenbefallsmuster behaftet, welches mit Abstand einmalig ist, den Cooch Behar-Exund Enklaven2).

Heute besitzt Indien in Bangladesh ca. 125 (!) Exklaven, während zu Bangladesh ca. 95 Exklaven gehören, die von indischem Territorium eingeschlossen sind und an die beide Länder pathologisch festhalten. Unsere sich über mehrere Jahre hinausziehenden wiederholten Anfragen an Ämter und Universitäten, die wir entweder direkt oder über die jeweiligen Botschaften stellten, wurden mit dem Hinweis auf strikte Geheimhaltung grundsätzlich nicht beantwortet, obgleich zumindest ein Teil der Exklaven und Enklaven auf jeder detaillierten Karte der betroffenen Region eingezeichnet sind.

Hier soll wohl eher die eigene Unfähigkeit verdunkelt werden, diese traurige Exklavensituation nicht einmal in ihren groben Zügen entwirren zu können. Staaten, die bis in das 21.

Jahrhundert hinein ein solches, schon beinahe perverses Modell politischer Geographie nicht verändern, müssen sich, im Falle Indiens, die Frage stellen lassen, wieso die Indische Union beim Problem um die Rückgabe der portugiesischen Exund Enklaven Goa, Damao, Dadra und Nagar-Aveli (siehe bei Portugal) als geographischer Ausdruck Indiens auftrat, sich lange Zeit bitter über Portugals Festhalten an seine

»Überseeprovinzen« beklagte und die Problematik schließlich militärisch löste. Es werden hier Parallelen zu Spanien auffällig, welches ja heute noch mehrere Quasiexklaven und Inselexklaven in Marokko sowie die Exklave Llivia in Frankreich besitzt und diese mit konstanter Hartnäckigkeit an sich bindet, andererseits aber die Lage Gibraltars in schärfster Weise verurteilt (siehe bei Spanien).

Die Cooch Behar Exklaven

Jahrzehntelang andauernde, diverse Kriege im

18. Jahrhundert zwischen den Regierenden von Bengalen waren die Ursache für die Entstehung von circa 225 Exund Enklaven an der heutigen Nordostgrenze zwischen Indien und Bangladesh.

Gegen Ende der Kriege, dessen Daten nicht näher bekannt sind, waren Soldaten des Maharaja von Cooch Behar und seines Gegners, ein Untertan des Mogul Herrschers von Delhi, weit in das Gebiet des Feindes eingedrungen. Der anschließend unterzeichnete Friedensvertrag enthielt bewusst keine Bestimmungen, die einen gegenseitigen Rückzug regelte, wodurch »die Ehre« der beiden Herrscher geschützt blieb.

Somit wurde das okkupierte Gebiet beider Kriegsparteien zum Nationalterritorium eines Landes, das in einem anderen Staat liegt, also zu Exklaven und Enklaven.

Da die königlichen Staaten autonom waren, veränderte sich die Lage bezüglich der Exund Enklaven entlang Indiens Nordgrenze während der Zeit des britischen »Protektorats« über den Subkontinent nicht. 130 indische Exklaven (52,39 Quadratkilometer groß mit 13000 Einwohnern) waren in Pakistan eingeschlossen, als Indien 1947 unabhängig wurde. Auf der anderen Seite lagen 95 pakistanische Exklaven (30,72 Quadratkilometer und circa 11000 Einwohner) in Indien. Schon in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts warf die bengalische Regierung die Frage eines Austausches der problematischen Areale auf, aber bis Großbritannien den Subkontinent zerstückelte, passierte nichts. Danach wurde Cooch Behar der Indischen Republik angegliedert und der östliche Teil Bengalens wurde Ostpakistan inkorporiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Cooch Behar Exklaven im nördlichen Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesh.

Indien/Bangladesh

Die Verwaltung der indisch-pakistanischen Exund Enklaven war immer schon äußerst kompliziert. manchmal erledigte sich die Problematik aber auch ohne menschliche Steuerung, allerdings auf etwas makabere Art: 1882 verschwand die Exklave Dakurthat Daki-nirkuthi in Cooch Behar mit Mann und Maus, als ein Fluss unverhofft seinen Lauf änderte. Derartige Wandlungen von Flussläufen führten überhaupt häufig zu Veränderungen des geophysikalischen Gefü- ges des Landes, was dann wiederum nicht selten zu wechselseitigen territorialen Übergriffen der einzelnen Herrscher führte. Hinzu kam noch, dass eine definitive Grenzziehung der Exklaven und Enklaven oftmals nicht durchgeführt wurde und dadurch eine genaue Zuordnung der einzelnen Gebietssplitter zu Indien und Pakistan sehr schwierig war. Letztlich hemmten die sich ständig wechselnden politischen Beziehungen der beiden Länder, ihre für den Bestand der Exklaven so wichtige Effizienz über die Gebietssplitter probat ausüben zu können. Der erste relevante Versuch, die Aporie anzugehen, startete kurz nach der Entscheidung Großbritanniens, Indien zu verlassen. Am 30. Juni 1947 wurden zwei Grenzkommissionen, eine für Bengalen und die andere für Panschab ernannt. Die Bengalen- Kommission, die sich aus zwei Hindus und zwei Moslems rekrutierte, hielt ihre erste öffentliche Versammlung am 16. Juli ab, jedoch konnten die Kommissionsmitglieder die gegensätzlichen Ansprüche des Indian National Congress und der Muslim League nicht in Übereinstimmung bringen.

In den nachfolgenden Jahren wiederholten sich regelmäßig versuche, das Exklavenproblem zu lösen; sie alle scheiterten. Ein indisch-pakistanisches Transitabkommen von 1950 über einen freien Zugang zu den Exund Enklaven ging schon nach zwei Jahren in die Brüche, weil Pakistan den Kontrakt fallen ließ und einseitig ein Passsystem einführte. Auch als sich acht indische Exklaven mit dem Gebiet Jalpaiguri zusammenlegten, hatte sich an der Gesamtproblematik überhaupt nichts verändert. Bezüglich des Passagerechtes können hier bis heute grundsätzlich keine Vergleiche mit den europäischen Exklaven und Enklaven angestellt werden; ganz einfach deshalb, weil es zwischen den beiden Ländern überhaupt keine Passageabkommen gibt (siehe unten).

1958 gab das Nehru-Noon Abkommen zwischen Indien und Pakistan erstmals definitiv Anlass auf eine zufrieden stellende Lösung zu hoffen, weil erstmals die Premierminister beider Länder vereinbarten, die Ex-bzw. Enklaven dem Mutterstaat »ohne Forderung nach Ausgleich« zurückzugeben. Aber auch jetzt tauchten sofort neue Probleme auf: einige hochrangige Inder stellten die Legitimität in Frage, ohne einen Zusatzartikel zur Verfassung Nationalterritorium zu verändern. So gab der indische Präsident die Angelegenheit an das oberste indische Gericht weiter, welches entschied, dass tatsächlich ein Zusatzartikel notwendig sei. Die Verfassung wurde 1960 diesbezüglich geändert. Inzwischen hatte sich aber das Verhältnis zwischen den beiden Staaten – immer schon voller Spannungen – progredient verschlechtert, so dass sich Pakistan ganz einfach weigerte, den Austausch durchzuführen. So umschloss 1971 Pakistan nach kleineren Gebietskorrekturen (im Vertrag groß als »Disenclavement« terminiert) 120 indische Exklaven und in Indien legten sich immer noch 92 pakistanische Exklaven ein. Pakistans Führung hinderte indische Regierungsbeamte, Polizisten und Militär am Betreten ihrer Exklaven und die indische Regierung handelte im umgekehrten Sinne genauso; als z.B. im März 1965 zwischen den ursprünglichen Einwohnern und den Emigranten der kleinen pakistanischen Exklave Dahagram, die durch einen schmalen Landstreifen von Ostpakistan getrennt war, Unruhen ausbrachen, sendete Pakistan Polizeieinheiten zu dieser Exklave. Indien aber verweigerte den Polizisten die Passage durch sein Hoheitsgebiet (eine von Indien nicht nur im Fall der Cooch Behar Exklaven praktizierte Radikalmethode, siehe auch bei Portugal).

Der Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Westund Ostpakistan, der schließlich zur Gründung Bangladeshs führte, gab dem Exklavenproblem eine neue Betrachtungsweise und wieder einmal Anlass an eine Verbesserung der Exklavensymptomatik zu glauben. Die Ermordung des Bangladeshführers Sheikh Mujibur Rahman im August 1975 hat jedoch die Beziehungen zwischen Indien und Bangladesh bis heute massiv abgekühlt; es kam seither zu zahlreichen Grenzzwischenfällen, wodurch an eine Veränderung der Exund Enklavensituation überhaupt nicht zu denken ist. Beide Länder sind nicht nur annähernd in der Lage, die (zugegeben) komplizierte und für die Bewohner geradezu gefährliche und bedauerliche Exund Enklavensituation auch nur in ihren Grundzügen zu verbessern.

Stattdessen verdunkelt man gegenüber der internationalen Öffentlichkeit ganz einfach den

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Das Bild zeigt die abnorme Situation der Cooch Behar Exklaven im Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesh. Jeder kleinste Punkt stellt hier eine Exbzw. Enklave dar. mittelalterlichen Grenzstatus, indem z. B. auf mannigfaltige Recherchen bei allen nur denkbaren Ämtern und Institutionen »aus Gründen der Sicherheit« grundsätzlich nicht geantwortet wird. Durch die freundliche Mithilfe eines Redakteurs des Dhaka Courier zur Lage der zwei Bangladesh-Exklaven Dahagram und Angorpota kann hier stellvertretend für die über 200 anderen Exklaven und Enklaven im Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesh der heutige Status der Gebietssplitter aufgezeigt werden.

Dahagr am und Angorpota

Das Gebiet der beiden Exklaven umfasst 83,2 Quadratkilometer. Umgeben sind die Gebiete im Süden und Osten von Dhapra Hat und von Cooch Bihar, von Mekhaliganj im Norden dem Fluss Teesta und Dimla upazila von Bangladesh im Westen und Patgram von Bangladesh im Osten. Dazwischen liegt der Tin Bigha Korridor. Dahagram und Angorpota2) gehören zum Patgrambezirk des Lamonirhat Distrikts. Die beiden Exklaven, die auch gleichzeitig Enklaven sind, haben eine Bevölkerungszahl von 1 1000 Menschen und bilden eine Union mit drei Schulen, einer Madrasa, drei Tempeln und neun Moscheen. Es werden keine Steuern an die egierung von Bangladesh bezahlt. Die Justizbehörde hat kein Büro in den Exklaven und selten begeben sich Justizbeamte dorthin, um z. B. in einem Kriminalfall oder aufgrund eines Unfalls zu ermitteln. Die Schulen stehen wegen Geldmangel und Verfall der Bausubstanz kurz vor der Schließung, die Lehrer bekommen von der Regierung im Mutterland Bangladesh kein Gehalt; der Patgrambezirk überlässt seine Exklaven sich selbst, eine für europäische Exbzw.

Enklaven undenkbare Situation. Die Bewohner von Dahagram und Angorpota bezahlen in indischer Währung, seit die nahe gelegenen indischen Märkte die Bangladesh-Währung nicht mehr akzeptieren.

Die beiden Exklaven haben eine große Getreideproduktion, die auf indischen Märkten zu niedrigen Preisen verkauft werden muss, weil keine Transportmöglichkeit zum Mutterland Bangladesh besteht. Das bedeutet, auf die Bevölkerung projiziert, die Bewohner der zwei Exklaven können aufgrund vertraglich fehlender Passagewege nicht zu ihrem Kernstaat gelangen, außer in der Nacht, wobei sie große Risiken auf sich nehmen müssen, weil sie dann illegal eine 137 Meter lange Straße durch den indischen Tin Bigha Korridor passieren müssen. Der Tin Bigha Korridor steht unter dem Kuchlibari thana von Mekhaliganj (zu Indien). Das Korridorgebiet umfasst 4043 Quadratmeter. Es sind zahllose Versuche gemacht worden, den Korridor für Bangladesh zumindest passierbar zu machen. Keine der Übereinkünfte konnte bis heute wegen der indischen Opposition realisiert.

Mount Scopus

Mount Scopus, eine israelische Exklave (und Enklave) in Jordanien war das Resultat des arabisch-israelischen Krieges von 1948 – 49.

Da sich Jordanien widersetzte, die Entscheidung der Vereinten Nationen, Palästina anzuerkennen, fiel es 1948 in den neugegründeten Staat Israel ein und annektierte einen Teil Jerusalems, war aber nicht in der Lage, die israelischen Streitkräfte auf Mount Scopus aus der Stellung zu verdrängen.

Als dann die kriegsführenden Parteien am

3. April 1949 einen Waffenstillstand vereinbarten, wurde Mount Scopus zu einer israelischen Exklave. Die originär als Waffenstillstandslinie vorgesehenen geographischen Begrenzungen, die in der Übereinkunft von 1949 aufgestellt worden waren, wurden rasch auch zu den provisorischen politischen Grenzen. Der Scopusberg, der etwa 1,5 Kilometer östlich der Demakartionslinie zwischen Jordanien und Israel lag, umfasste eine Bibliothek, einen Soldatenfriedhof und einige alte Gebäude der Hebrew Universität.

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Die israelische Exklave Mount Scopus

Die hochexplosiven brisanten Kontroversen zwischen den Juden und Arabern sowie die geringe Differenz zwischen der Exklave und dem Mutterstaat Israel veranlassten die Reprä- sentanten der Vereinten Nationen und der USA, Israel eine Neuziehung der Grenze vorzuschlagen. Ein Plan beinhaltete den Vorschlag, die Exklave Scopusberg4) gegen ein 25 Kilometer von Jerusalem gelegenes jordanisches Gebiet namens Latrum auszutauschen. Die angespannten Verhältnisse zwischen den beiden Ländern verhinderten jedoch jegliche Verhandlungen, so dass die Konstellation des Scopusberg bis zum Sechstagekrieg 1967 Bestand hatte. Der siegreiche Kampf der Israelis um Jerusalem führte dann nach fast zwei Jahrzehnten zur Beendigung der Teilung dieser Metropole dreier Weltreligionen und damit auch zur Auflösung des Status der Exklave Mount Scopus. Etwa drei Wochen nach Beendigung des Krieges fasste die israelische Regierung einen förmlichen Beschluss: Das wiedervereinigte Jerusalem sollte fortan nicht nur unteilbar sein, sondern für immer auch die Hauptstadt des Staates Israel sein.

Oman

Die Exklave Musandam

Das Sultanat Oman5) nimmt die Südostecke der Arabischen Halbinsel ein. Das Land besitzt eine lange Küste zum Golf von Oman und zum Arabischen Meer. Südlich hat der Staat eine Grenze mit dem Jemen, im Westen verläuft die Grenze zu Saudi Arabien, die nicht festgelegt ist, durch die Wüste Rub el Khali. Nördlich grenzt das Sultanat an die Vereinigten Arabischen Emirate. Und eben deren sonderbare Grenzziehung (durch den »Vertragspartner« England) trennte die Provinz Musandam vom Sultanat Oman ab. Hierdurch ist die Exklave Musandam durch einen 80 Kilometer breiten Korridor vom Mutterland getrennt. Trotz der Trennung gehörte Musandam als Provinz schon lange vor 1970 (ab hier beginnt im Sultanat die Zeit des »modernen Wandels«, weil der Sultan von Maskat zu diesem Zeitpunkt gestürzt wurde [coup d' etat] und sein Sohn die Staatsgeschäfte übernahm und das Sultanat aus seiner mittelalterlichen Lethargie herausführte) zum Sultanat Oman. Historisch bestand eine Verbindung jedoch weniger zum omanischen Kerngebiet, sondern zu den Souveränen von Maskat. Die Beziehungen zwischen den Bewohnern der gebirgigen Halbinsel (Shihu Stämme) und dem Sultan von Maskat lassen sich dabei bis 1744 zurückverfolgen. In ihre Regierungszeit fallen erste Hinweise, dass die Bewohner Musandams eine Oberherrschaft Maskats akzeptierten. Der politische und wirtschaftliche Einfluss des Sultans auf Musandam war bis 1970 jedoch in seinen Wirkungen äußert begrenzt und nur durch eine marginale staatliche Präsenz und Verwaltung gekennzeichnet. Durch die Zugehö- rigkeit zum Sultanat war Musandam bis 1970 der gleichen selbst verordneten Stagnation und der Abgeschirmtheit von der Außenwelt unterworfen, wie alle übrigen Regionen des Landes. Dieser Zustand wurde 1970 abrupt beendet.

Das Hauptziel des heutigen Sultans und seiner (neuen) Regierung liegt in der Überwindung der durch die Isolation der Exklave (mit 80 Kilometer Entfernung zum Mutterland eine der am weitesten vom Kernland entfernten Exklaven überhaupt) aufrechterhaltenen Rückständigkeit Mittels eines westlich orientierten, aber omanischarabisch ausgerichteten Entwicklungsweges unter Ausnutzung der Erdöleinnahmen.

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Das Bild zeigt die omanischen Exklaven Musandam und Madha sowie die Satellitenenklave Nahwa (zum

Emirat Schardscha).

Zu Oman gehört noch die kleine Exklave Madha auf dem Gebiet der Vereinigten Arabischen Emirate, deren Existenz; ebenso wie die der » großen« Exklave Musandam, vermutlich Stammesallianzen mit dem Sultan von Maskat zu Grunde liegen. Innerhalb dieses Gebietes legt sich kurioserweise wiederum eine winzige Enklave names Nahwa, (Satellitenexklave) ein, die zum Emirat Schardscha der Vereinigten Arabischen Emirate gehört.

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Enklave in einer Enklave. Der Gebietssplitter Nahwa (VAR) innerhalb der omanischen Enklave Madha, die sich wiederum in die VAR einglegt.

Vereinigte Arabische Emirate (V A R)

Die Vereinigten Arabischen Emirate6) sind eine Föderation von sieben Emiraten auf der Arabischen Halbinsel. Das Gebiet grenzt im Norden an den Persischen Golf; im Nordosten an den Golf von Oman, dazwischen (auf der Halbinsel Ruus Al Dschibal) und im Osten an Oman, im Süden und Westen an Saudi-Arabien; die Landesgrenzen sind aber, außer im Nordosten, nicht festgelegt. Die Fläche beträgt 77540 Quadratkilometer (verschiedene Angaben) mit 220000 Einwohnern (verschiedene Angaben).

Hauptstadt ist Abu Dhabi in Abu Dhabi. Das Gebiet der Emirate umfasst den früher Piratenküste, später Vertragsküste genannten flachen Küstenabschnitt am Persischen Golf. Das Hinterland dieses Küstenstreifens ist bereits Teil der Sandwüste Rub al Khali. Im Nordosten reicht das Gebiet bis auf das Omangebirge hinauf und umfasst im äußersten Nordosten sogar dessen Ostfuß mit einem vorgelagerten schmalen Kü- stenstreifen am Golf von Oman. Die einzelnen Emirate sind:

Adschman

Bestehend aus drei kleinen Teilgebieten, eines an der Küste des Persischen Golfes als Quasienklave in Schardscha, zwei im Omangebirge, 260 Quadratkilometer, 8000 Einwohner.

Umm AI Kaiwain

Ebenfalls am Persischen Golf, nördlich an Adschman anschließend, 780 Quadratkilometer, 7000 Einwohner.

Vereinigte Arabische Emirate (VAR)

Ras Al Chaima

Bestehend aus zwei Gebieten, das eine am Persischen Golf zwischen Umm Al Kaiwain und der omanischen Exklave Musandam auf der Halbinsel Ruus al Dschibal, das andere im Omangebirge nördlich an Oman anschließend, 1700 Quadratkilometer, 48000 Einwohner.

Fudschaira

Bestehend aus drei Teilen, zwei am Golf von Oman, das größere (südlich der omanischen Exklave Musandam) bis weit in das Omangebirge hineinreichend, und eine Exklave nahe der Küste von Oman, 1300 Quadratkilometer. 13000 Einwohner. Eine weitere Exklave, etwas mehr westlich der oben genannten Exklave gelegen, wird gemeinsam mit dem Emirat Schardscha verwaltet.

Außerdem besitzt das Sultanat Oman ebenfalls noch die kleine Exklave Madha innerhalb der VAR, ziemlich genau nördlich auf halber Höhe zu seiner großen Exklave Musamdam (siehe oben bei Oman).

Bei den aufgeführten acht Exbzw. Enklaven handelt es sich teils um Oasen, teils um Ölgebiete. Vor der Gründung der VAR existierten zwischen den .Emiraten (die lange unter englischer »Verwaltung« standen) keine Grenzen, somit entstanden die Exklaven erst nach der Grenzziehung zwischen den einzelnen Emiraten. Der hier nur schwach erklärte historische Hintergrund und die sogar völlig fehlenden Informationen über den momentanen Status der Gebietssplitter liegt ausschließlich in der strikten Informationsverweigerung von Seiten der amtlichen Stellen in der VAR begründet; das trifft in gleichem Maße auf die Informationen über das Sultanat Oman zu. Die große Diskrepanz der Informationsfragmente (u.a. auch im Netz) lässt hier keine Behandlung zu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die verwirrende Exund Enklavensituation in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

O = Oman, A = Adschman, D = Dubai, AO = gemeinsame Verwaltung durch Adschman und Oman, F = Fudschaira, FS = gemeinsame Verwaltung durch Fudschaira und Schardscha, S = Schardscha.

[...]

Ende der Leseprobe aus 137 Seiten

Details

Titel
Exklaven und Enklaven
Untertitel
Und andere territoriale Anomalien
Autor
Jahr
2008
Seiten
137
Katalognummer
V116201
ISBN (eBook)
9783640177189
ISBN (Buch)
9783640179732
Dateigröße
5338 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Exklaven, Enklaven
Arbeit zitieren
Manfred Schmidt (Autor:in), 2008, Exklaven und Enklaven, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116201

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Titel: Exklaven und Enklaven



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