Das Trampolinturnen ist eine recht junge und seit kurzem auch olympische Sportart. Im Spitzenbereich gehören Dreifachsalti mit eingebauter Längsachsendrehung bereits zum Standard-Repertoire. Die Wettkampfübungen des Leistungssports bestehen aus zehn verschiedenen Sprüngen; Mehrfach-Vorwärts- und -Rückwärtssalti zumeist mit Mehrfach-Schrauben. Um auf zehn verschiedene und dennoch schwierig und ästhetisch wirkende Elemente zu kommen, muß der Springer die Bewegungen in unterschiedlicher Körperhaltung (gebückt, gestreckt, gehockt) und v.a. die Schrauben zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Bewegung turnen. Dennoch sehen die Sprünge für den Laien `irgendwie alle gleich´ aus, und so werden Spitzenspringer manchmal gefragt: „Wie schaffst du das nur? Kommst du da nicht auch ´mal durcheinander?“
Leider muss die Antwort mancher Athleten hierauf "Ja" lauten. Plötzlich können Sprünge, die zuvor schon viele hundert Male geturnt wurden, nicht mehr abgesprungen werden. Nicht selten werden andere Sprünge geturnt, als der Athlet sich vorgenommen hatte (z. B. Salto mit zwei Schrauben, anstatt Schraubensalto). Oder die Bewegung beginnt normal, wird aber mittendrin abgebrochen. Manchmal kann ein Turner keine Ansprünge mehr machen, ohne ständig einen Salto rw zu turnen.
In der Fachsprache des Trampolinturnens hat sich für diese Erscheinungen der Begriff Blackout durchgesetzt. Obwohl im englisch-amerikanischen Bereich auch der Begriff `Lost-Skill-Syndrome´ kursiert, bevorzuge ich in dieser Arbeit die Bezeichnung Blackout (BO) - nicht nur, weil er inoffiziell schon ein Fachbegriff ist, sondern auch weil mir für ein derart komplexes Thema dieser relativ offene Begriff angebrachter erscheint.
Da nicht nur ich, sondern noch viele anderer Leistungssportler mit diesem Phänomen mehr oder weniger in Konflikt geraten sind und noch werden - einige geben deswegen den Sport sogar auf - und, weil es in der Literatur bislang so gut wie gar nicht behandelt wurde, möchte ich mich nun damit auseinandersetzen. Ich denke, daß es dringend notwendig ist, etwas Licht in das Dunkel des Blackout-Phänomens zu bringen, und daß der Schleier der Neurose von den Betroffenen genommen wird.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Bewegungstheoretischer Bezugsrahmen
1.1 Abgrenzung von der Kybernetik
1.1.1 Entstehung unterschiedlicher Bewegungsauffassungen...
1.1.2 Digitaler Mensch?
1.1.3 Kybernetik und Regelkreise
1.2 Ganzheitlicher Ansatz
1.2.1 Der Bewegungsbegriff
1.2.2 Bewegungshandlungen als Beziehung zwischen Mensch und Welt
1.2.3 Die Bewegung als Gestalt
1.2.3.1 Die Gesetze der Gestalt
1.2.3.2 Gestalt und Form
1.2.3.3 Bewegungsgestalt und Bewegungsform
1.2.4 Der Gestaltkreis
1.2.5 Innere Bilder
1.2.5.0 Exkurs zum Bewußtsein
1.2.5.1 Die Bewegungseinstellung
1.2.5.2 Die Reafferenzfigur
1.2.5.2.1 Die visuelle Orientierung
1.2.5.2.2 Der Zeitsinn
1.2.5.3 Das Bewegungsengramm
1.2.6 Lernen und Üben in schöpferischer Freiheit
1.2.6.1 Lernen als Organisationsprozeß
1.2.6.2 Maximen des Übens
1.2.6.3 Schöpferische Freiheit als erstrebenswerter Zustand des Sich-Bewegenden
Ichhaftigkeit als Behinderung freien Sich-Bewegens
1.3 Bewegungsformen im Trampolinturnen
1.3.1 Translations- und Rotationsbewegungen
1.3.2 Bewegungsformen des Wettkampfsports
1.3.3 Bewegungs- bzw. Sprungphasen
2. Das Phänomen des Blackout im Trampolinturnen
2.1 Definition und Schilderung
2.1.1 Blackout
2.1.2 Abgrenzung zu ähnlichen Erscheinungen
2.1.3 Erscheinungsarten des Blackout
2.2 Versuch einer theoretischen Eingrenzung - motorische Handlungsfehler
2.2.1 Merkmale des motorischen Handlungsfehlers
2.2.2 Entstehungsmöglichkeiten von Handlungsfehlern
3. Untersuchung
3.1 Fragestellung
3.2 Methode
3.3 Durchführung
3.3.1 Die geplante Voruntersuchung
3.3.2 Die narrativen Interviews
3.4 Ergebnisdarstellung und -interpretation
3.4.1 Beschreibung der Fälle
3.4.1.1 Erscheinungsarten und Entwicklungen
3.4.1.2 Betroffene Sprünge
3.4.2 Bezug der spezifischen Situation im Training zur Entstehung
3.4.3 Zusammenhang zur allgemeinen Lebenssituation
3.4.4 Die Rolle der Ichhaftigkeit bei ersten Fehlversuchen
3.4.5 Die Rolle der Ichhaftigkeit bei der Entwicklung eines BO
3.4.5.1 Angst vor dem Unvorstellbaren
3.4.5.2 Angst vor körperlichen Schäden
3.4.5.3 Angst vor dem Versagen
Das Verhalten der Trainingspartner
3.4.6 Zusammenhang zu den allgemeinen Trainingsbedingungen und den Lehr- und Lernmethoden
3.4.7 Innere Vorgänge
3.4.7.1 ... vor der BO-Bewegung
3.4.7.2 ... während der BO-Bewegung
3.4.7.3 ... nach der BO-Bewegung
3.4.8 Die Ähnlichkeit der Sprünge und das Problem der trennscharfen Codierung
4. Fazit
4.1 Zusammenfassende Erklärungsversuche
4.1.1 Die ersten Fehlhandlungen
4.1.2 Die Verfestigung
4.1.3 Die Erweiterung
4.2 Folgerungen für die Trainingspraxis
4.2.1 Prophylaxe
4.2.2 Rehabilitation
4.2.2.1 Der Kampf gegen die Ichhaftigkeit
4.2.2.2 Gewöhnung verhindern und Unterscheidung erleichtern
5. Schluß
6. Anhang
Literaturliste
Abkürzungen/ Erklärungen
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Verzeichnis der Sprünge
Graphische Darstellung der Genese von Bewegungen inklusive des
Lernprozesses
Rundschreiben Voruntersuchung
Leitfäden der Interviews
Hinweise für den Interviewten
Phänomenologische Analysen der Interviews
0. Einleitung
Das Trampolinturnen ist eine recht junge und seit kurzem auch olympische Sportart, welche Bewegungserfahrungen ermöglicht, die in kaum einer anderen Sportart gemacht werden können. Man kann für einen Augenblick die Schwerkraft überwinden und sich dabei mit viel Übung auch noch in verschiedene Richtungen drehen und überschlagen. Im Spitzenbereich gehören Dreifachsalti mit eingebauter Längsachsendrehung bereits zum Standard-Repertoire. Die Wettkampfübungen des Leistungssports bestehen aus zehn verschiedenen Sprüngen; Mehrfach-Vorwärts- und -Rückwärtssalti zumeist mit Mehrfach-Schrauben. Um auf zehn verschiedene und dennoch schwierig und ästhetisch wirkende Elemente zu kommen, muß der Springer die Bewegungen in unterschiedlicher Körperhaltung (gebückt, gestreckt, gehockt) und v.a. die Schrauben zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Bewegung turnen. Dennoch sehen die Sprünge für den Laien `irgendwie alle gleich´ aus, und so werden Spitzenspringer manchmal gefragt: „Wie schaffst du das nur? Kommst du da nicht auch ´mal durcheinander?“
Auch ich selber habe Trampolinturnen als Leistungssport betrieben. Ich möchte nun von drei Begebenheiten, die mir in dieser Zeit widerfuhren, erzählen. Als ich gerade 13 Jahre alt war, hatte ich mich für einen großen internationalen Jugendwettkampf qualifiziert. In der Vorbereitung studierte ich eine neue Übung ein, die jedoch relativ unsicher blieb. Immer wenn ich den richtigen Absprungpunkt für den Beginn der Kür nicht fand, stoppte ich mit einem Salto rw das Anspringen. Als ich dann im Finale des Wettkampfes stand, fand ich meinen Absprung wieder nicht und machte den Salto rw, obwohl ich genau wußte, daß dies nicht erlaubt war und als Übungsbeginn gewertet werden würde (was ich natürlich nicht wollte). Keiner verstand mein Verhalten, am wenigsten ich selber. Im Training danach passierte es mir immer wieder, daß ich bei den Ansprüngen unbeabsichtigt einen Salto rw machte. Einige Wochen später war ich mir plötzlich `unsicher´ beim Schraubensalto. Ich wußte nicht, wie ich es anstellen sollte, diesen Sprung, den ich schon nahezu 1000mal gemacht hatte, zu turnen. Ich konnte ihn scheinbar grundlos nicht mehr und mußte ihn wieder ganz neu lernen. Wiederum einige Wochen danach passierte es mir einmal, daß ich anstatt Barani (Salto vw gestreckt mit halber Schraube) einen 1 ¾ Salto vw mit Landung auf dem Rücken machte. Das geschah dann immer öfter, bis ich überhaupt nicht mehr in der Lage war, einen Barani zu turnen, und stattdessen immer 1 ¾ Salto vw machte. Und das war noch nicht alles! In der schlimmsten Phase machte ich bei jedem Versuch, einen der verschiedenen einfachen Vorwärtssalti zu turnen, mindestens 1 ¾ Saltodrehungen. Gelegentlich machte ich dann sogar Doppelsalto rw anstatt einen einfachen Salto rw zu turnen. Es ist leicht nachzuvollziehen, daß ich in dieser Phase kein sehr glücklicher Mensch war. Was war da mit mir los?
In der Fachsprache des Trampolinturnens hat sich für diese Erscheinung der Begriff Blackout durchgesetzt. Obwohl im englisch-amerikanischen Bereich auch der Begriff `Lost-Skill-Syndrome´ krusiert, bevorzuge ich in dieser Arbeit die Bezeichnung Blackout (BO) - nicht nur, weil er inoffiziell schon ein Fachbegriff ist, sondern auch weil mir für ein derart komplexes Thema dieser relativ offene Begriff angebrachter erscheint.
Da nicht nur ich, sondern noch viele anderer Leistungssportler mit diesem Phänomen mehr oder weniger in Konflikt geraten sind und noch werden - einige geben deswegen den Sport sogar auf - und, weil es in der Literatur bislang so gut wie gar nicht behandelt wurde, möchte ich mich nun damit auseinandersetzen. Ich denke, daß es dringend notwendig ist, etwas Licht in das Dunkel des Blackout-Phänomens zu bringen, und daß der Schleier der Neurose von den Betroffenen genommen wird.
Um dem Problem wirklich auf den Grund zu gehen, halte ich es für unerläßlich, das Empfinden und die Meinung der Betroffenen genauer zu betrachten. Aus diesem Grund habe ich mit Sportlern und Trainern gesprochen bzw. narrative Interviews geführt, die mit dem Blackout in Berührung gekommen sind. Damit der Interpretation dieser Gespräche ein fundierter theoretischer Bezugsrahmen zugrunde gelegt werden kann, werde ich im ersten Schritt der Arbeit ausführlich über die für den Untersuchungsgegenstand wichtigen Punkte einer qualitativen Bewegungslehre referieren. In diesem Ansatz wird die Bewegung auf in der Sportwissenschaft nicht ganz übliche Weise betrachtet. „Sie erscheint nicht nur als `Tatbestand in der Welt´, sondern ebenso als von menschlicher Subjektivität in seiner Bedeutung hervorgebracht.“ (Prohl/ Seewald 1995, 7) Dem Leser mag der Umfang dieses Teils der Arbeit bei einem Blick in das Inhaltsverzeichnis überproportional vorkommen, allerdings halte ich dieses Ausmaß für notwendig, damit die Begriffe bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse nicht noch extra erklärt werden müssen. Außerdem werden hier bereits Aussagen der Befragten für die Beschreibung trampolinspezifischer Vorgänge einbezogen. Bevor ich dann zur Untersuchung und der Ergebnisinterpretation komme, werde ich das Phänomen Blackout noch einmal näher beschreiben und zudem eine eventuell nützliche Theorie zu motorischen Handlungsfehlern ansprechen. Im letzten Abschnitt werde ich dann versuchen, die Ergebnisse noch einmal zu einer allgemeinen Theorie zusammenzufassen und daraus Hinweise für den Umgang mit Blackoutproblemen im Training abzuleiten.
1. Bewegungstheoretischer Bezugsrahmen
Jeder Wissenschaftler betrachtet seinen Untersuchungsgegenstand von einer bestimmten Position. Dabei existieren in der heutigen Forschung zur menschlichen Bewegung v. a. zwei Positionen.
Da ist zum einen der Standpunkt des außenstehenden Beobachters, bei dem die Bewegung des Körpers im Mittelpunkt des Interesses steht. Durch die Eingliederung anderer Wissenschaften werden dann die Phasenstruktur oder andere sichtbare qualitative Merkmale der Bewegung möglichst objektiv betrachtet. Die Physik und die Biomechanik untersuchen Orts- und Lageveränderungen des Körpers und seiner Teile und dabei auftretende Kräfte, während die Physiologie und die Motorikforschung ihr Zustandekommen zu erklären versuchen.
Von einem anderen Standpunk aus wird besonders das Erleben des sich-bewegenden Menschen betrachtet. Dabei ist besonders seine Wahrnehmung von Bedeutung. Es wird danach gefragt, wie und warum der Mensch welche (Bewegungs-) Handlungen in seiner Umwelt vollzieht. Seine Absichten, Entwürfe, Erwartungen, Gedanken u. a. werden dann mit der Körperbewegung behandelt.
1.1 Abgrenzung von der Kybernetik
Im folgenden wird es darum gehen, wie diese beiden Standpunkte - es gibt sicherlich viele Schattierungen und Mischformen, die davon abgeleitet werden können, hier jedoch nicht besprochen werden - zustande gekommen sind, welchen ich in dieser Arbeit nicht einnehmen werde und Gründe dafür.
1.1.1 Die Entstehung unterschiedlicher Bewegungsauffassungen
In einem Beitrag während eines Symposiums zur Sportmotorik[1] beschrieb Jan W.I. Tamboer die „Entstehungsgeschichte des Bewegungsproblems“ (vgl. 1997, 23ff.), die ich nun versuche nachzuzeichnen.
Um die Entstehung unterschiedlicher Auffassungen bezüglich der menschlichen Bewegung herzuleiten, ging der Autor weit in die Geschichte der Philosophie zurück; zu Aristoteles. Dem Griechen zufolge (und im Gegensatz zu seinem Lehrer Plato) „setzen sich alle Dinge aus zwei Prinzipien zusammen: `Form´ und `Materie´. Mit dem Form-Prinzip meinte er das teleologische Prinzip, ohne das `Materie´ keine Realität darstellt und dem sie ihr Ziel und ihre Bestimmung entlehnt“ (a.a.O., 24) (Hervorhebungen vom Autor). Von besonderer Bedeutung ist hierbei, daß Aristoteles die Form nicht gesondert von der Materie, d. h. nicht außerhalb des Subjekts betrachtete, sondern für ihn war sie eine dem Wesen innewohnende Sinnbezogenheit. V. a. bei Menschen und Tieren kommt zu dieser Sinnbezogenheit eine starke Spontaneität, so daß sie in der Lage sind, sich selbst zu bewegen. „Spontane Aktivität, Zielgerichtetheit und `Bezogenheit zu etwas´ sind im aristotelischen Denken [...] inhärente Merkmale der lebendigen Wirklichkeit“ (ebd.). In dem Form-Prinzip des griechischen Philosophen ist das wiederzufinden, was mehrere hundert Jahre später in den Humanwissenschaften - und auch bei einigen wenigen Bewegungswissenschaftlern - durch den Begriff Intentionalität beschrieben wird.
Bereits zum Ende des Mittelalters wurde diese Auffassung zugunsten der entstehenden Naturwissenschaften verworfen. Durch Männer wie Galilei, Kepler oder Newton entstand ein mechanistisches Weltbild, das bestimmt war durch kausale Zusammenhänge und die Isolierbarkeit aller Teile. Tamboer spricht hier von einer „ Substantialisierung der Wirklichkeit“ (a.a.O., 25), welche besonders durch Descartes mit dem Menschen in Beziehung gebracht wurde. Er eröffnete den Weg des Dualismus von Subjekt und Welt, wenn er behauptete, „daß `Zielgerichtetheit´ und `Sinngebung´ nur noch zugeteilt werden könnten an eine separate Substanz [...], die vom materiellen Körper strikt getrennt gedacht“ werden muß (ebd.). Der Franzose ist auch dafür mitverantwortlich zu machen, daß es zu einer „radikalen Spaltung des `sinnvollen Verhaltens´ in eine `subjektive Innen-Welt´ und eine `objektive Außenwelt´“ (ebd.) kam, und daß das maschinenanaloge Körperbild sich gegen das ursprüngliche, anthropomorphe durchsetzte.
So entstanden zwei unterschiedliche Traditionen in den Humanwissenschaften, die sich auch in der Bewegungswissenschaft niederschlugen. Allerdings ist hier die „aristotelische Tradition“ (a.a.O., 26), die sich auf Intentionalität, Sinn und Bedeutung im Zusammenhang zur Einheit von Mensch und Welt beruft, mit ihrem hermeneutischen Untersuchungsansatz nicht zu großer Bedeutung gelangt. Vielmehr ist es die „galileische Tradition“ (ebd.), welche die Analysierbarkeit (durch Isolation) und Gesetzmäßigkeit (kausale Zusammenhänge) aller Geschehnisse voraussetzt und somit auf einem substantiellen Wirklichkeitsbild basiert, die die Wissenschaft der Bewegung heute mit einer empirisch-analytischen Vorgehensweise bestimmt. Häufig liegt den aktuellen Forschungsansätzen folglich ein Körperbild mit eher substantiellem Charakter zugrunde, denn „man glaubt, den Körper unabhängig von der Umgebung beschreiben zu können. Eine Trennung von Mensch und Welt ist mit diesem Körperbild direkt verbunden“ (a.a.O., 26f.). Dieses Körperbild hat eine Auffassung von Bewegung zur Folge, in der menschliches Sich-Bewegen reduziert wird auf die Veränderung von Ort und Lage des Körpers bzw. seiner Teile; auf Körperbewegung. Das Verhältnis zur Umwelt gilt dabei als „extrinsisch“ und wird erst in die Überlegungen einbezogen, wenn es um die Erforschung der Ursachen oder Wirkungen solcher Körperbewegungen geht. Unabhängig davon versucht man der Regelung und Steuerung der Bewegung näher zu kommen, und beschreibt diese dann kybernetisch, in Form von Regelkreismodellen in verschiedenen Ebenen.
Bevor ich auf diese Anschauungen näher eingehe, möchte ich noch einmal auf das hinter ihnen stehende Menschenbild zurückkommen. Tamboer kommt zu der Folgerung, „daß der Körper als Instrument oder Bewegungsapparat ins Blickfeld kommen kann. Besonders die Verwendung von Maschinenmetaphern wie `Uhrwerk´, `Dampfmaschine´, `Radio´ und `Computer´ ist in diesem Rahmen verlockend“ (a.a.O., 27). Da wir im Computerzeitalter leben und u. a. deshalb die Computermetapher wohl am geläufigsten ist, möchte ich diese zunächst in Frage stellen.
1.1.2 Digitaler Mensch ?
M. E. kann eine Maschine - und ein Computer ist nunmal eine - nicht ernsthaft mit einem lebenden Organismus verglichen werden, und schon gar nicht mit dem höchstentwickelten. Hierzu möchte ich nun hauptsächlich drei Gründe anführen.
Der vornehmliche Grund, aus dem ein Vergleich von Computer und Mensch irreführend ist, ist die Intentionalität des Menschen, die dem Computer (und allen anderen Maschinen) fehlt. Diesem Unterscheidungsmerkmal können viele andere untergeordnet werden.
Ein Automat[2] kann sich nicht aus freiem Willen[3] und aus der Situation heraus für oder gegen etwas entscheiden. „Wie zahlreich und wohlgestaltet sie auch sein mögen, alle Verzweigungsmöglichkeiten von Computerprogrammen sind unveränderlich festgesetzt“ (Glaser 1997, 27), und zwar vom Menschen. Für ihn bzw. für uns haben die Dinge Bedeutungen, wir handeln aus einem ureigenen Sinnzusammenhang heraus. Wir deuten bestimmte Situationen als Probleme und entwickeln daraus Aufgaben. „Eine Maschine kann zwar Probleme lösen, aber keine Probleme stellen, hat Einstein zu Recht gesagt“ (Buytendijk 1967, 187).
Das zweite Hauptunterscheidungsmerkmal des Menschen zur Maschine, das ich hier nennen möchte, ist sein Bewußtsein (s. auch 1.2.5.0). Ein Computer ist sich wohl kaum bewußt, was er tut, und weiß nichts über sich, er hat nur Daten.
„Das Bewußtsein ist mehr als ein bloßer Datenfilter. Wäre ein Computer fähig, zu jedem Zeitpunkt eine kleine Auswahl der von ihm gerade bearbeiteten Daten sinnvoll zu einem Gedanken zusammenzufügen, so würde dies ohne Zweifel als außergewöhnliche Intelligenzleistung gelten. Bewußtsein wäre ihm deswegen noch nicht zuzubilligen. -- Denn im Hirn ist alles Bewußte zwangsläufig mit Empfindungen versehen. Sie färben jeden Gedanken, jede Wahrnehmung und jedes Urteil, ein Phänomen, das sich in rätselhafter Weise der objektiven Beschreibung zu entziehen scheint“ (Der Spiegel 1996, 196).
In dieser Aussage wird auch der dritte wesentliche Kontrast des Menschen zum Computer deutlich; die Emotionalität. Alles, was wir denken oder tun wird mitbestimmt durch Empfindungen und Emotionen.
Weitere Unterschiede - wie z. B. bezüglich der Informationsspeicherung (Computer: seriell - Mensch: parallel), der Informationskontrolle (Computer: zentral - Mensch: verteilt) oder der Leistung (Computer: schnell/ genau - Mensch: langsam/ störanfällig) (vgl. Daugs 1994, 24f.) - sollen hier nicht näher beschrieben werden, denn ich denke, es ist durch die drei von mir als wesentlich erachteten Unterscheidungsmerkmale bereits klar geworden, daß eine Analogie zwischen Mensch und Computer unhaltbar ist. Nun aber zurück zu den Folgen eines solchen Menschenbildes.
1.1.3 Kybernetik und Regelkreise
Schon bei Plato taucht das Wort Kybernetik auf, das er für die Fähigkeit des Herrschens, also für die Steuerung der Staatsgeschicke, gebrauchte. Als wissenschaftlichen Begriff für die Lehre von Regulationen im allgemeinen festigte Wiener Kybernetik 1958, wobei er diese Regulierungen sowohl Organismen, als auch Maschinen in gleicher Weise zuschreibt (vgl. Buytendijk 1967, 183). Sie enthält verschiedene Gebiete: Informationstheorie, Informationsverarbeitung, Speichern von Instruktionen, Verschlüsselung von Instruktionen, Programmieren, Aufnehmen von Wahrscheinlichkeitsverhältnissen in ein Programm, u. a. (vgl. ebd.). All diese Gebiete tauchen sowohl in der Sinnesphysiologie, als auch in der Genetik, der Neurophysiologie, der Verhaltenslehre, u.a. als Erklärungshilfe auf. „Die Kybernetik wurde `eine Brücke zwischen den Wissenschaften´“ (a.a.O., 184). Die Physiologen beispielsweise erstellen „durch die Untersuchung der Prozesse in den morphologischen Strukturen de[n] Vergleich mit mechanischen und maschinellen Verhältnissen [...]. Überzeugend zeigt sich dies in den Versuchen, eine neurophysiologische Erklärung der Verhaltensweisen, Wahrnehmungen, Erinnerungen usw. zu geben“ (Buytendijk 1967, 182). Dazu sagt Volger: „Der kybernistischen Auffassung unterliegt ein naturwissenschaftlich-technologisches Wissenschaftsverständnis, mit dem der Verlust des Subjekts verbunden ist“ (1990, 110). Auch Buytendijk ist der Meinung, daß die Kybernetik die Subjektivität des Menschen „formalisiert“. Begriffe wie Verhalten, Beschließen, Ausführung, Störung und v. a. Plan, Information, Programm, Regulation, Steuerung, usw. sind von dieser Formalisierung stark betroffen.
„Die Kybernetik ist eine moderne und allgemein anerkannte Art der Formalisation von Lebensäußerungen, wobei diese als Prozesse verstanden werden, die in ihrem gesetzmäßigen Verlauf in der physikalischen Zeit organische Regulationen, Verhaltensweisen von Tier und Mensch nachahmen“ (1967, 185).
Der erfolgreiche Einzug der Kybernetik in die Sportwissenschaft fand v. a. durch Meinel und Schnabel statt. Sie entwickelten ein Regelkreismodell mit einem „Geflecht von inneren und äußeren Regelkreisen“ (Trebels 1993, 24), welche die Koordination der Bewegung ermöglichen (sollen). Hierbei sind die Rückmeldungen der Sinnesorgane, von Meinel/ Schnabel Analysatoren genannt, besonders wichtig. Sie liefern sensorische Rückmeldungen, welche dann über einen Ist-Soll-Wert-Vergleich zur Verbesserung bzw. Genauigkeit der Bewegung führen (sollen) (vgl. ebd.). „Den Analysatoren rechnet Schnabel sensorische Zentren in verschiedenen Hirngebieten des Projektionsfeldes der Hirnrinde zu, in denen aufbereitend Information verarbeitet wird“ (Volger 1990, 113). Genau an dieser Stelle wird das Modell `baufällig´, denn die wichtigste Frage, was die Verarbeitung ist oder wie sie sich vollzieht, bleibt ungeklärt. Auch die Rolle der Analysatoren selbst ist kritisierbar. „Wenn Schnabel nähmlich die neurophysiologischen Funktionen der Analysatoren für identisch hält mit dem mentalen Ereignis der Körper- und Bewegungswahrnehmung, so zeigt sich darin eine radikal materialistische Auffassung von mentalen Phänomenen“ (a.a.O., 111). Im gleichen Zusammenhang hält Trebels es für nicht zulässig, „Wahrnehmungen auf das Aufsammeln vorgegebener `objektiver´ Sinnesdaten zu reduzieren. [...] Unsere Sinne sind - wie unser Verhalten - durch intentionale Gerichtetheit mitbestimmt“ (1993, 24). Pathetischer drückt sich Leist bei der Frage aus; „Wie konnte man in der Kommunikations- und Lerntheorie[4] die Begriffe Signal und Information verwechseln ?“ (1997, 4) Gemeint ist, daß in der Welt vorgefundene Signale nicht objektiv aufgenommen werden, sondern subjektiv mit Bedeutung belegt, ausgewählt und erst dann als Information dienlich werden.
Weiterhin lassen sich folgende Aspekte - zusammengefaßt - nicht mit dem Regelkreismodell und anderen kybernetischen Erklärungsversuchen der menschlichen Selbstbewegung vereinbaren.[5]
¨ Beim Menschen bleibt die Variabilität des Verhaltens trotz der Auswertung früherer Erfahrungen erhalten. „Während jedoch der Automat [...] zunehmend festgelegt wird - er kann dann z. B. nicht mehr zugleich gut, schlecht oder falsch“ agieren (Ennenbach 1989, 67).
¨ Der Mensch hat ein Wissen um die eigene Bewegungsgeschichte und das aktuelle Bewegungsniveau. Dieses Metawissen beeinflußt sein Verhalten zu jedem Zeitpunkt, was bei Maschinen nicht der Fall sein wird.
¨ Das menschliche Bewegungsverhalten wird mitbestimmt durch ein Wertbewußtsein (Christian[6]), was jedoch nicht heißt, daß die Bewegung nach technischen Analysen, wie sie Maschinen erstellen würden, `wertvoll´ sein muß.
¨ Der sich-bewegende Mensch folgt einer subjektiven Zeitstruktur, die transzendent ist zur physikalischen Zeit.[7] Diese subjektive Zeitstruktur wird bestimmt durch die Bedeutung von bereits Geschehenem (retrospektiv) und Erwartetem (prospektiv).
¨ Der Mensch kann völlig Neues lernen, während z. B. Computer nur in ihrem Programm präziser werden. Das Besondere am Menschen ist, „daß dieser Kenntnisse und Methoden in großer Zahl erwirbt, nicht nur durch Anwendung und Auswertung vorhandener Programme [...], sondern auch durch Neukonstruktion. Er läßt sich z. B. in ungewohnte Denk-Bewegungen ein und sieht plötzlich neue, überraschende Zusammenhänge, die nicht `programmiert´ waren, vorher nie `gezogen´ wurden. Der Computer dagegen kann immer nur bereits `Gezogenes´ oder im Programm sonst noch Vorgesehenes verwerten“ (Ennenbach 1989, 68).
Buytendijk und Christian bringen die Problematik der Gleichstellung von Mensch und Maschine in der Kybernetik (und damit auch in Regelkreismodellen) auf den Punkt:
„Wer nicht gerade dem dogmatischen Physikalismus verfallen ist, weiß, daß nur das Lebewesen - also ein `Selbst´ von positionalem Charakter - `sich´ verhalten kann und nicht ein biophysikalisch erklärtes Nervensystem [...]. Es ist ferner unmöglich, das Erleben auf Vorgänge im Nervensystem zu reduzieren, und schon die Tatsache, daß ein physisches Geschehen nie als intentionales Bewußtsein gedacht werden kann, läßt uns fragen, wieweit müssen wir der Idee einer grundsätzlichen Analysierbarkeit der Lebensvorgänge mittels technischer Begriffe und Vorstellungen entgegenkommen“ (1963, 97, Hervorhebungen vom Autor)
1.2 Ganzheitlicher Ansatz
1.2.1 Der Bewegungsbegriff
Wie auch Ingeborg Heidemann möchte ich nun zunächst „die Frage nach dem Begriff der Bewegung“ (1965, 395) stellen, um den Bewegungsbegriff, der dieser Arbeit zugrunde liegt, zu verdeutlichen.
Der Begriff der Bewegung wird sehr vielfältig verwendet. Er wird nicht nur für Gegenstände oder Lebewesen gebraucht, sondern auch das Gemüt kann bewegt werden, sowie das Wollen oder das Denken.
„Diese Frage [die nach der Bewegung] ist nicht damit zu beantworten, daß die Bewegung physikalisch bestimmt wird: als Veränderung des Orts oder der Lage eines Körpers. Sie ist aber auch nicht damit zu beantworten, daß wir sie als Urphänomen setzen, allem Lebendigen eigen, so daß Leben Bewegung ist und die Gesetze der Bewegung die Gesetze des Lebens sind“ (ebd.).
Zwischen diesen beiden extremen Positionen gibt es sicher noch viele abgemilderte Auffassungen von Bewegung, die mehr zur einen oder zur anderen Position tendieren. Wenn der Begriff der Bewegung[8] in manigfaltiger Weise und in unterschiedlichen Bereichen (Politik, Geschichte, Sport, Musik, Leben, Arbeit, Maschinen, u.v.a.m.) benutzt wird, so braucht wohl jeder Bereich einen eigenen Bewegungsbegriff, allerdings darf dieser nicht in sich geschlossen sein, sondern muß offen bleiben für allgemeine, umfassende Aspekte des ursprünglichen Begriffs. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Bewegungsbegriffen sind also fließend.
Der Begriff der Bewegung des Menschen muß antithetisch verstanden werden (vgl. Heidemann a.a.O., 396). Er beinhaltet sowohl das objektive Geschehen, die Welt, als auch das subjektive Handeln, den Menschen. „ Menschliche Bewegung ist Bewegtwerden - menschliche Bewegung ist Selbstbewegung “ (ebd.). Klages überbrückt diesen scheinbaren Widerspruch, indem er die Einheit von Mensch und Welt in der Bewegung treffend beschreibt: „äußeres Geschehen induziert inneres Geschehen, und dieses induziert die Eigenbewegung“ (1960, 1047).
Die äußerlich sichtbare Bewegung ist Anzeichen für eine innerliche, welche wiederum ihren Ursprung in der vom Menschen gedeuteten Umwelt hat. Menschliches Bewegen ist immer auch `Verhalten´, und dieses „schließt einen `wer´ (Subjekt), der sich verhält, ein, und eine `Welt´ (Situation), auf die das Verhalten bezogen ist“ - so entsteht „ein Dialog zwischen Mensch und Welt“; eine Beziehung (Tamboer 1979, 15). Das Gelingen bzw. die Vollkommenheit einer Bewegung kann nur gemessen werden an der Situation und der Aufgabe, wobei die Aufgabe im Menschen selber entsteht und dabei bezogen ist auf seine Deutung der Situation. Sowohl die Aufgabe als auch die Situation bestimmen also die innere Zusammensetzung der Bewegunggestalt. Ihre Zusammensetzung ist deshalb aber keineswegs von vornherein festgelegt und variiert auch von mal zu mal, denn es kommt darauf an, daß die einzelnen Teile zu einer Gestalt geordnet sind und im Gleichgewicht stehen. Zu dieser Ordnung tragen innere Kräfte bei, die im Menschen ursprünglich vorhanden sind.
Menschliche Bewegung kann also als Beziehung und als Gestalt aufgefaßt werden.
„In ihren Erscheinungen sind Bewegungen prägnante, von der Zeit bestimmte Wahrnehmungsgestalten, ihrem Wesen nach sind sie Beziehungen zwischen dem Ich und der Welt. Der innere Drang zum Bewegungskönnen, der im freiwilligen Üben sich zeigt, ist nichts anderers als der Wunsch, im Dialog mit der Welt die eigene Beziehung zur Welt zu harmonisieren“ (Volger 1990, 126).
Hierzu läßt sich noch ihre Betrachtung als Form ergänzen[9] (vgl. Volger 1995, 157). Bewegung als Form bezieht sich auf ihre äußerlich sichtbare Ausführung, also die Orts- und Lageveränderungen des Körpers und/ oder seiner Teile. Sie beschreibt die Technik der Bewegung und wird z.B. durch die Biomechanik erforscht. Jede Form einer Bewegung ist ursprünglich entstanden aus einer Idee. Schon Aristoteles sprach von der Idee als Form, die durch die Erfahrung des Menschen in seinem Geiste entsteht und so überdauernd wird (vgl. Gaarder 1993, 130f., sowie Volger 1996, 5). Die Idee ist gekennzeichnet durch gewisse Eigenschaften, die den jeweiligen Formen gemein sind. Der Salto rw ist also eine im menschlichen Geiste vorhandene Idee, die durch ihre Verwirklichung - das Turnen eines Salto rw - kurzfristig zur Form des Saltos wird. Oftmals werden solche Ideen von Bewegungen als homologe, starre Formen und als Ausführungsdoktrinen mißverstanden. „Die Form kann aber auch als gelungene Schöpfung, als Vollendung einer Idee gesehen werden, deren Nacherfinden und Beleben eine bereichernde ästhetische Erfahrung verspricht“ (Volger 1996, 5).
Mit diesem Teil des Bewegungsbegriffes[10] werde ich mich später im Zusammenhang mit der Bewegung als Gestalt mehr beschäftigen. Zunächst möchte ich jedoch den Bewegungsaspekt `Beziehung´ näher betrachten.
1.2.2 Bewegungshandlungen als Beziehung zwischen Mensch und Welt
„Bewegungen können auch als Beziehung gedacht werden. Damit ist die Beziehung des Menschen zur Welt gemeint [...].“ (Volger 1995, 157)
Die Anschauung der Bewegung als Beziehung, wie sie hier schon mehrfach angesprochen wurde, ist u. a. aus der „handlungstheoretischen Perspektive“ Tamboers (1997, 28ff.) herauszulesen. Er faßt die menschliche Bewegung als Handlung auf und spezifiziert sie als `Bewegungshandlung´. Diesem Begriff steht der Begriff `Körperbewegung´ gegenüber (vgl. auch Tamboer 1994). Letzterer beschreibt lediglich die objektiv sichtbare Art und Weise der Bewegung, also Orts- und Lageveränderungen des Körpers, oder die Form der Bewegung. Während den Körperbewegungen ein substantielles Körperbild zu Grunde liegt, gilt für die Bewegung als Handlung ein relationales Körperbild. In diesem relationalen Körperbild wird auch die Bewegung als Beziehung manifestiert, denn es beschreibt die „intrinsische Relation des menschlichen Leibes mit der Welt“ (Tamboer 1997, 29), oder anders ausgedrückt geht es um die Intentionalität des Menschen bzw. seine Bezogenheit auf die Welt. Diese Intentionen bzw. Absichten des Menschen werden durch seine Handlungen verwirklicht.
Allerdings sind nicht alle Handlungen gleichzeitig Bewegungshandlungen. Was muß also gegeben sein, um von Bewegungshandlungen sprechen zu können? Tamboer nennt drei „notwendige Voraussetzungen [...]:
1. Es muß sich um eine primär auf Ortsverändern gerichtete Intentionalität handeln [wobei `Ortsverändern´ als eine spezifische zeit-räumliche Veränderung im Hinblick auf die Umgebung aufgefaßt wird];
2. die Umgebung wird in für das Ortsverändern relevanten Begriffen bezeichnet werden müssen [zum Beispiel etwas, um damit zu rollen, um darin oder darauf zu klettern, um davon hinunter zu springen];
3. die Art des Ortsveränderns wird in Begriffen von zeit-räumlichen Verhältnissen näher spezifiziert werden müssen [zum Beispiel langsam, schnell, nach oben, nach unten, vorwärts, seitwärts und so weiter]“ (1994, 47).[11]
Im ersten Punkt geht es darum, daß die Bezogenheit auf etwas zuerst die Veränderung des Ortes und der Lage betreffen sollte: anlaufen zum Doppelminitramp auf dem Läufer; springen auf dem Trampolin; landen auf der Matte. Die zweite Voraussetzung beschreibt, daß die Wahrnehmung der Umgebung mit ihrer Deutung in Bezug auf das Ortsverändern einhergeht: 8 Meter Hallenhöhe, um die Kür zu schaffen; 20 Meter Anlauf , um zu beschleunigen und die Geschwindigkeit in Höhe umzusetzen (DMT); das gut werfende Trampolin, um mehr Höhe zu erreichen. Die letzte Komponente behandelt die Form der Bewegung bzw. die Modalität der Orts- und Lageveränderungen und weist darauf hin, daß diese in Bezug auf Raum und Zeit näher beschrieben werden muß: rechtzeitig öffnen; genug Saltorotation erzeugen; hoch genug springen. Diese raum-zeitlichen Verhältnisse sind jedoch direkt abhängig von den anderen beiden Komponenten. Wenn man z. B. nach der nötigen Sprunghöhe oder dem nötigen Saltoschwung fragt, so sind diese natürlich abhängig von dem geplanten Sprung, aber eventuell auch von der vorgegebenen Hallenhöhe oder der Gerätbeschaffenheit. Im Zusammenhang der raum-zeitlichen Verhältnisse sei auch bereits angedeutet, daß die Betrachtung der Zeit aus rein physikalischer Sicht unzureichend ist.[12]
Zum Abschluß der Betrachtung des Begriffes der Bewegungshandlungen und seiner Voraussetzungen aus Tamboers Sicht möchte ich noch darauf hinweisen, daß diese Voraussetzungen sich im Wettkampfsport nicht allein aus dem Menschen und der natürlichen Umwelt ergeben, sondern durch Normen und Regeln der jeweiligen Sportart mitbestimmt werden. Dies trifft besonders auf das Trampolinturnen als Wettkampfsport zu, da hier der ästhetische Rahmen und die Ausführungsbestimmungen eine dominierende Stellung einnehmen.
1.2.3 Die Bewegung als Gestalt
„Betrachten wir Bewegungen als Gestalten, so werden sie von inneren Kräften im freien Spiel dieser Kräfte zusammengefügt. Bei Störungen `heilen´ sie [u.U.] aufgrund ordnungsbildender Kräfte, die dem [...] Menschen innewohnen.“ (Volger 1995, 157)
Zu der Anschauung von menschlichen Bewegungen als Beziehung kommt ihre Betrachtung als Gestalt. Neben Volger, Tholey, u. a. war bereits Buytendijk der Meinung, daß „man die Bewegungen selbst, wie sie sich uns darbieten als dynamische Gestalten ansehen“ kann (1956, 41).
Der Begriff Gestalt hat in diesem Zusammenhang eine etwas andere Bedeutung, als im momentanen, allgemeinen Sprachgebrauch. Er beschreibt nicht in erster Linie die äußere Erscheinung oder die Form `von etwas´. Vielmehr geht es um eine Bedeutung des Wortes Gestalt, die erst um die Jahrhundertwende durch in Deutschland entwickelte, wissenschaftliche Theorien von Ehrenfels, Köhler, Wertheimer, u.a. Einzug in die Psychologie erhalten hat. Dieser Begriff nimmt vor allem auf den „inneren Bau, die Struktur, die Organisation“ (a.a.O., 31) `von etwas´ Bezug. Eine solche Gestalt besitzt also eine Organisation; eine Organisation, die die einzelnen Teile/ Glieder zu einem Ganzen ordnet. Dieses Ganze ist dann „nicht nur mehr als die Summe seiner Teile, sondern auch etwas anderes“ (a.a.O., 32).
1.2.3.1 Die Gesetze der Gestalt
Um die Gestalten näher zu beschreiben, faßte Buytendijk folgende Gesetze zusammen (vgl. a.a.O., 33):
1. „Der Primat des Ganzen“ (ebd.): Gestalten sind immer in erster Linie als Ganzes erkenn- und wahrnehmbar. „Je schwieriger die Wahrnehmung [...], um so mehr tritt die Totalgestalt hervor“ (ebd.).
2. „ In einer Gestalt bestimmen das Ganze und die Teile einander wechselseitig“ (ebd.): Die einzelnen Teile einer Gestalt sind alleine zumeist wenig aussagekräftig bzw. wertvoll. Erst durch ihre Ordnung zum Ganzen bildet sich eine bestimmte Gestalt. Jedoch auch das Ganze beeinflußt die Teile und ihre Zusammensetzung, so daß ein dialektisches Verhältnis entsteht. Dabei „heben sich die Teile nicht ab“ (ebd.), im Gegenteil, dadurch würde die Einheit der Gestalt gestört.
3. „Es gibt in einer Gestalt dominierende Teile“ (ebd.): Alle Teile einer Gestalt haben bestimmte Funktionen bezogen auf das Ganze, dabei sind manche „für die Gestaltqualität wesentlich [dominant], andere nebensächlich“ (ebd.).
4. „Gestalten unterscheiden sich nach der Bestimmtheit ihrer Organisation“ (ebd.): Die Qualität einer Gestalt bzw. ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen hängt von ihrem Grad der Strukturiertheit ab. Je `besser´ die Organisation, desto `stärker´ die Gestalt.
5. „Das Gesetz der `Prononciertheit´“ (ebd.): Hiermit soll ausgedrückt werden, daß Gestalten eine Neigung dazu haben, sich genau und scharf darzustellen bzw. „prononcierte Formen anzunehmen“ (ebd.).
Während man z. B. bei einem Kreis oder anderen Figuren von Raum- oder statischen Gestalten spricht, haben wir es, wenn es um Bewegung geht mit Zeit- oder dynamischen Gestalten zu tun.
1.2.3.2 Gestalt und Form
Im Gegensatz zur Gestalt ist die Form starr, unflexibel und zumeist äußerlich festgelegt. Besonders bei Störungen geformter Gebilde offenbaren sich die Unterschiede zwischen den Komponenten Form und Gestalt der Bewegung.
Um diese Unterschiede zu veranschaulichen, gehe ich vorerst noch einmal von der Bewegung weg und benutze als Beispiele eine Blechkugel (Form) und einen freischwebenden Wassertropfen (Gestalt) (vgl. Metzger 1962, 45ff.). Findet nun bei der starren Form eine störende Einwirkung von außen statt, „so ist diese Störung unabänderlich“ (a.a.O., 45). Die Beule in der Blechkugel wird sich nicht selbstständig wieder `ausbeulen´, sondern muß durch Eingriffe von außen wiederhergestellt werden. Im Gegensatz dazu kehrt ein Wassertropfen nachdem er `eingedellt´ wurde, sofort und selbständig wieder in die `Kugelform´ zurück. Er ist als Gestalt von inneren Kräften getragen und geheilt worden. Allerdings war bei ihm von der Störung nicht nur die Stelle der `Eindellung´ betroffen, sondern er verformte sich insgesamt, wodurch sich die Störung also auf alle Teile der Gestalt ausbreitete. Dem steht die Störung der Blechkugel entgegen, die auf die Stelle der Beule beschränkt bleibt.
Beeinträchtigungen von Gestalten wirken sich also erstens auf die gesamte Gestalt aus, und sind zweitens „nicht - wenigstens nicht unter allen Umständen - unabänderlich“ (a.a.O., 46). Unter gewissen Umständen heilt auch die Störung der Gestalt nicht selbständig. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Störung von solchem Ausmaß ist, daß das Wesen der Gestalt zerstört ist, bzw., „wenn die Störung ein Ungleichgewicht der inneren Kräfte hervorruft“ (a.a.O., 47), und dadurch ihre Teile - und vor allem die dominanten - sich nicht mehr in die Gesamtordnung einfügen können.
Um Mißverständnisse zu vermeiden, möchte ich noch einmal verdeutlichen, daß Gestalten nicht unabhängig sind von ihrer Umgebung. „An der Art, wie [...] Gestalten sich ausbilden, sind vielfach auch feste Gegebenheiten beteiligt. Sie legen aber immer nur bestimmte Stellen des Ganzen fest und geben dieses im übrigen frei“ (a.a.O., 48). Beim Wassertropfen ist es die äußere Kraft `Luftwiderstand´, die die inneren Kräfte zur Bildung einer angemessenen Form und Struktur hervorrufen. Auch an der Formung der Gestalt sind also äußere Kräft beteiligt. Die Frage ist nun, „wieviel Freiheit ausreicht, um einem Ganzen den Charakter einer Gestalt zu verleihen“ (a.a.O., 48f.). Hierzu sagt Metzger weiter, daß es reicht, „wenn nur an einer einzigen passenden Stelle ein freier Kräfteaustausch stattfinden kann“ (a.a.O., 49), der zur Selbstregulation beiträgt. So wird auch deutlich, daß ein Geschehen nicht nur Gestalt oder nur Form sein muß. Es kann bezogen auf manche Merkmale mehr gestaltartig und auf andere eher formenhaft/ festgelegt sein. „ Zwischen Formen und Gestalten in dem hier festgelegten Sinn besteht [also] kein Ausschließungsverhältnis [...]: Man kann nicht behaupten, ein Gebilde oder ein Vorgang sei entweder das eine oder das andere“ (ebd.).
1.2.3.3 Bewegungsgestalt und Bewegungsform
Zurück zur Bewegung. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß auch die Bewegung als Form und als Gestalt gedacht werden kann.
Besonders Tholey bestätigt die These von der Bewegung als „dynamische Gestalt“ (Buytendijk). Er spricht den Bewegungen das „dynamische Prinzip“ zu, in dem es darum geht, „daß in allen Systemen, in denen ein freies Kräftespiel möglich ist, Tendenzen zur Entstehung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung ausgezeichneter Ordnungen bestehen“ (Tholey 1984, 25). Diese Tendenzen werden in der Gestalttheorie als `Tendenz zur Prägnanz´ oder zur guten Gestalt bezeichnet. Wie sind aber diese Prägnanztendenzen im Menschen zu erklären? Christian spricht in diesem Zusammenhang vom „Wertbewußtsein im Tun“ und möchte damit „ausdrücken, daß die Wertkomponente der Zustimmung oder der Ablehnung schon gegeben ist, selbst wenn gegenständliche Inhalte noch nicht deutlich sind oder zu sein brauchen“ (Trebels 1990, 14). Die inneren Kräfte, die zum Aufbau, zur Präzision und zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Bewegungsgestalten beitragen, sind also im Gefühl des Menschen. Anders ausgedrückt heißt dies, „daß es zu jedem Gefühl [...] eine ausgezeichnete oder prägnante Struktur gibt, in der dieses Gefühl am reinsten und zwingendsten verkörpert wird“ (Tholey 1987, 104). Um dieses Gefühl zu vervollkommnen, muß sich zwingend auch die Bewegungsgestalt präzisieren. Die Steuerung dieses Gefühls und damit auch der Bewegungsgestalt schreibt Volger der Leistung einer „transmodalen Wahrnehmung“ zu, die „über alle Sinne hinausgehend“ (1995, 169) ist, doch dazu später mehr.
Betrachtet man die Bewegung nun als Form, so habe ich bereits angedeutet, daß dies unterschiedlich geschehen kann. Da die Form einer Bewegung besonders im Trampolinturnen immer einer bestimmten Idee (bzw. bestimmten Sprüngen) entspricht, muß sie auch bestimmte wesentliche Eigenschaften dieser Idee aufweisen. Dies kann auch heißen, daß die Idee bzw. der Sprung nach einer bestimmten - biomechanisch ökonomischen - Technik ausgeführt wird; dennoch ist diese Technik nicht schon von vornherein festgelegt, sondern entsteht erst im Tun und ist immer wieder unterschiedlich. Die Idee des Doppelsaltos muß nicht in einer bestimmten Höhe und einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit ausgeführt werden, vielmehr können sich diese Komponenten auf sehr unterschiedliche Art und Weise zusammensetzen.[13] Also kann die Form der Bewegung nur einen gewissen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich die Ordnung zu einem relativ bestimmten Ganzen vollzieht (Bewegungsgestalt).[14] Als präzise, eindeutige Form kann eine Bewegung immer erst im Nachhinein beschrieben werden. Der vorgegebene Rahmen ist im Wettkampfsport Trampolin im Vergleich zu anderen Sportarten jedoch sehr eng gesteckt. Hier ist jeder einzelne Sprung eine Idee, die - zum einen durch die Biomechanik und zum anderen durch die Art der Bewertung - ziemlich genau bestimmt ist. Aber gerade das ist ja das Faszinierende an diesem Sport; einen Fliffisrudolf `voll auszuturnen´, zunächst einen Moment ansteigen, dann die Saltorotation beschleunigen und für 360° Saltorotation in eine bestimmte Position gehen (gehockt/ gebückt), zum richtigen Zeitpunkt die Saltorotation etwas bremsen durch Körperstreckung und gleichzeitiges einleiten der 1 ½ -fachen Schraube, frühzeitige Orientierung, um den nächsten Sprung anzuschließen. Da steckt kein Zwang dahinter. Diese Ideen möglichst perfekt zu verwirklichen, das ist es, was dem Turnenden ein Glücksgefühl bringt und ihn antreibt. Festzuhalten bleibt jedoch, daß es nicht eine idealtypische Form einer Bewegung gibt[15], sondern, daß die Idee der Bewegung jeweils unterschiedlich verwirklicht/ gestaltet wird. Wird dies nicht berücksichtigt, d. h. wird Bewegung als bis ins Detail festgelegte Form verstanden und versucht der Lehrende/ Trainer, dem Sportler diese Form aufzuoktroyieren, so wirkt sich das auch auf das Bewegungsverhalten des Sportlers aus. Sein Bewegungsgefühl, d.h. die Antizipation der transmodalen Wahrnehmung kann sich nicht frei entfalten (s. auch 1.2.5.2). Dies heißt auch , daß sich die inneren Kräfte der Bewegungsgestalt nicht frei austauschen können und somit die Selbstregulation eingeschränkt wird. Die Bewegung wird starr und störanfällig.
Die Wahrnehmung ist also für die Bewegungen des Menschen von besonderer Bedeutung, deshalb werde ich im folgenden ihre Rolle bei der Entstehung, im Vollzug und nach der Bewegung näher betrachten.
1.2.4 Der Gestaltkreis
Nachdem ich zu Beginn dieser Arbeit die Modelle aus der Kybernetik abgelehnt habe, möchte ich nun den Gestaltkreis als Erklärungshilfe zur Entstehung und Steuerung von menschlichen Bewegungen beschreiben. Wie auch Ennenbach (vgl. 1989, 150ff.), möchte ich dies modellhaft beginnen, was jedoch nicht bedeutet, daß ein Modell des Gestaltkreises[16] nur eine Weiterentwicklung der Regelkreismodelle ist. Vielmehr unterscheidet es sich grundlegend von den maschinen-analogen Konstruktionen, denn „es weist keinen Weg `von oben nach unten´ bzw. `von unten nach oben´, sondern [...] einen horizontalen, in dem Wahrnehmung (W) und Bewegung (B), Subjekt (S) und Objekt (O) unganze und daher auf einander angewiesene Partner sind“ (ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wahrnehmen und Bewegen - der Gestaltkreis (Modell)
Zum besseren Verständnis sollen nun einige Prinzipien des so oder anders abbildbaren Gestaltkreises - u.a. mit den Worten der frühen Vertreter dieser Theorie - näher erläutert werden.
Die Verbindung zwischen W und B steht für das dialektische Verhältnis von Wahrnehmung und Bewegung. Durch die Bewegung wird die Wahrnehmung ermöglicht, welche jedoch zugleich Voraussetzung für kontrollierte Bewegungen ist (vgl. auch Weizäcker 1950, 20);
„Es ist dabei nicht entscheidbar, wer sozusagen `angefangen´ hat, die subjektive Bestimmtheit einer Wahrnehmung oder die objektive Bestimmtheit einer Bewegung. Ebensowenig existiert hier ein Vorrang: Eines leitet das andere und umgekehrt. Subjektives (Wahrnehmung) drückt sich in Körpergeschehen und Körperliches
(Bewegung) im seelischen aus. Hier herrscht also kein eingleisiges Kausalschema, auch kein psychophysischer Parallelismus, sondern ein fortlaufendes und gegenseitig sich erhellendes, in sich geschlossenes körperlich-seelisches Hin und Her in kreisartiger Verbundenheit. Genau dies ist der `Gestaltkreits´“ (Buytendijk und Christian 1963, 101).
Desweiteren wird im Gestaltkreis dem Leitungsprinzip, welches die Reizweiterleitung in Anatomie und Physiologie beschreibt, ein Leistungsprinzip gegenübergestellt. Dadurch soll beschrieben werden, daß die Leistung eines biologischen Aktes (also auch der menschlichen Bewegung) auf verschiedene Art und Weise zustande kommen kann. Anders ausgedrückt geht man also
„von der biologischen Leistung aus, und um zu verstehen, wie diese Leistung verwirklicht wird, ist die Annahme notwendig, daß Strukturen und Funktionen nicht festgelegt sind. Das heißt: ein Körpergleichgewicht kann auf verschiedene Weise erhalten werden, der Gang ist keine Reflexkette, derselbe Muskel kann mehrsinnig verwendet werden. Also nicht durch die gesetzmäßige Gleichartigkeit, wie sie dem Reflex eignet, sondern durch die mögliche Verschiedenheit der Innervation und Koordination ist die Leistung garantiert“ (Buytendijk und Christian 1963, 98).
Bereits Weizäcker faßte diesen Umstand zusammen und sagte, „daß [...] für die Leistungen am besten ein Prinzip der Erreichung des gleichen Erfolges auf verschiedenen Wegen“ verwendet werden solle, „für die nervösen Funktionen aber am besten ein Prinzip der Leitung auf dem gleichen Wege“ (1950, 4).
Hier anzuschließen ist die „ Dialektik von Entwicklung und Beharrlichkeit im Gestaltkreis“ (Buytendijk und Christian 1963, 101). Durch ständiges Wahrnehmen und Bewegen treten Veränderungen auf, während sich zugleich Invarianten eines Objektes (Wahrnehmung und Bewegungsgestalt) herauskristallisieren (s. besonders die Linien von O nach S und umgekehrt, aber auch deren Verbindung zu W bzw. B).
„Insofern ist `Gestaltkreis´ ein Begriff, der gleichermaßen die Entwicklung (das `Gestalten´), wie das Beharrliche (die `Gestalt´) enthält. Die Vereinigung beider im übergreifenden Begriff `Gestaltkreis´ ist deshalb unabschaulich (komplementär) und ebenso spannungsgeladen wie die Spannung von `Werden´ und `Sein´“ (ebd.).
Das Herausbilden von Bewegungsgestalten verläuft sehr subjektiv, da bereits die Wahrnehmung intentional-selektiv geschieht.[17] Dieser Umstand wird durch den Begriff der Subjektivität in den Gestaltkreis aufgenommen.
„Die Subjektivität steht immer schon am Anfang, nämlich in der Bedingtheit dessen, was durch Wahrnehmung von vornherein ausgewählt, festgestellt und ergriffen wurde. [...] Daraus folgt: `Reiz´ ist nicht `Reiz´, sofern dadurch eine Reaktion notwendig und immer verbunden ist (dies wäre das Schema des Reflexes), sondern der Reiz wird nur dann wirksam, wenn er zur Anreicherung einer Objektbildung beiträgt. Vom Objekt kann also gar nicht getrennt vom Subjekt gesprochen werden, und deswegen ist der Begriff `Reiz´ folgerichtig nicht etwas objektiv Neutrales, sondern immer schon bedeutsamer, sinnvoller Gegenstand für ein Subjekt“ (ebd.).
Eine wesentliche, und für diese Arbeit wohl sehr bedeutende Aussage der Gestaltkreisschule ergibt sich aus der Gestalttheorie . Die ausgeführte Bewegungshandlung war vorher nicht exakt festgelegt. Vielmehr ist sie aus einem Handlungsraum[18] hervorgegangen, in dem die Bewegungsmöglichkeiten mehr oder weniger festgelegt sind.
„Was sich [...] auf ein spezielles Tun [...] einengt (regeltheoretisch zum `Programm´ oder zur `Führungsgröße´ wird), liegt vorweg nicht fest. Immer, und das ist wesentlich, kann der Vorgang zwar in rückläufiger Analyse [...] als geregelter beschrieben werden, Vornhinein liegt die Abfolge noch offen im Spielraum des Möglichen “ (Buytendijk und Christian a.a.O., 100, Hervorhebungen von den Autoren).
Dieser „Spielraum des Möglichen“ ist im Trampolinsport, verglichen mit anderen Sportarten, relativ klein. Er ist im Leistungssport allgemein schon durch die Gesetze der Biomechanik relativ eingeschränkt, im Trampolinturnen als kompositorische Sportart jedoch wird der Handlungsraum durch das Wettkampfsystem - alleine das Wort Pflicht mag dies verdeutlichen - weiter eingeengt. Dennoch bleibt bei diesen Vorgaben (wie Sprünge) ein gewisser Freiraum, der intentional bestimmt ausgefüllt wird und der auch - wie vielleicht besonders bei dem hier behandelten Phänomen - beinhaltet, daß der Mensch sich gegen eine Bewegungsidee bzw. für eine andere entscheidet.
„In der Willkürbewegung sind keine quantitativ faßbaren Eingangsgrößen bestimmend, sondern Intentionen, thematische und thetische Ordnungen, wobei `thematisch´ und `thetisch´ implikative Verbindungen von Bedeutungsgefügen sind [...]. Mit anderen Worten: Die Bedeutung, das Thema, der Wert, die Intentionen organisieren und werden organisiert“ (ebd.).
1.2.5 Innere Bilder
„Der sogenannte Plan der Handlung besteht sicher nicht in einer detaillierten Vorstellung ihres Verlaufs“ (Buytendijk 1956, 280).
Um eine gekonnte Bewegungshandlung aus zu führen, genügt - auch bei den komplexen Bewegungen des Trampolinsports - meistens eine Bewegungs einstellung und eine stabile Reafferenzfigur.[19] „Es scheint so, als ob allein der Vorsatz, einen bestimmten Sprung zu turnen, ausreicht [...]“ (Übelacker 1982, 43). Dabei ist der Vorsatz bzw. die Bewegungseinstellung nicht nur als innere Bereitschaft, sondern auch als symbolhafte, initiatorische Weisung für die Bewegung zu verstehen, während die Reafferenzfigur ein mitsteuerndes, nicht artikulierbares Bewegungsgefühl ist. Der Inhalt der Weisung und die Reafferenzfigur werden durch Wiederholung als Engramm gespeichert.
1.2.5.0 Exkurs zum Bewußtsein
Wenn ich mich hier dem `Urrätsel der Philosophie´ zuwende, so kann dies nur sehr oberflächlich geschehen. In dieser Arbeit ist natürlich kein Platz, um dieses Phänomen einigermaßen angemessen zu behandeln, denn es genügt nicht, zu analysieren oder zu versuchen, kausale Zusammenhänge zu erstellen und
„wer die Welt des bewußten Geistes auf physikalische Prozesse im Hirn zurückzuführen versucht, sieht sich unvermittelt scheinbar unauflösbaren Paradoxien gegenüber: Wie kann das materielle Gehirn etwas Nichtkörperliches wie Gedanken, Ideen oder Vorstellungen erzeugen? Wie soll umgekehrt die immaterielle Seele Einfluß nehmen auf den Körper? Wie kann der Wille zur Tat werden, wenn doch dazu Energie erforderlich ist, etwas, über das die Seele gerade nicht verfügt?“ (Der Spiegel 1996, 192)
Trotz dieser grundlegenden und scheinbar nicht beantwortbaren Fragen können Aussagen über das Bewußtsein gemacht werden. Besonders Wiemeyer (1994b, 145ff.) hat sich diesem Thema im Zusammenhang mit „Interne[r] Bewegungsrepräsentation“ zugewandt. Er faßt seine Überlegungen zum Bewußtseinsbegriff folgendermaßen zusammen.
„ Das Bewußtsein gibt es nicht. Mentale Prozesse bzw. bestimmte Objekte können im subjektiven Erleben mehr oder weniger deutlich existent sein. Dieses Erleben hat verschiedene Qualitäten (Unmittelbarkeit, Intentionalität, Intensität, Dauer, Selektivität, Einheitlichtkeit etc.). Die Begriffe `bewußt´ und `nicht-bewußt´ bzw. `unbewußt´ werden als Attribute mentaler Prozesse verstanden“ (a.a.O., 152).
Bewußtsein kann als Metakognition angesehen werden, d.h. als Kognition über kognitive Prozesse (vgl. a.a.O., 145). Weiterhin beschreibt dieser Begriff die unmittelbare, subjektive, momentan repräsentierte Erlebniswelt und ermöglicht innere Erfahrungen, Bewertungen, Denkprozesse u.a. (vgl. a.a.O., 146). Diese Vorgänge bzw. das Bewußtsein haben bestimmte Merkmale:
¨ Das Bewußtsein ist immer bezogen `auf etwas´. Diese Bezogenheit auf bestimmte Objekte ist sehr subjektiv und wird beschrieben durch den Begriff Intentionalität. Wiemeyer meint, „daß Aufmerksamkeit als selektive Gerichtetheit des menschlichen Bewußtseins eine funktionale Voraussetzung für geordnete Bewegungen ist“ (a.a.O., 157).
¨ Die Erfahrungen, die ins Bewußtsein gelangen, ergeben sich aus unterschiedlichen Komponenten der Wahrnehmung (s.u.), wie z.B. sehen, hören oder `fühlen´.
¨ Die Intensität bewußter Zustände kann sehr unterschielich sein. Ich kann mir unendlich viele Bewußtseinsstufen vorstellen, wobei der Übergang zum Unbewußten kontinuierlich und fließend ist. Diese Intensität hängt davon ab, wie stark die Aufmerksamkeit auf ein betreffendes Objekt gerichtet ist.
¨ „Das Bewußtsein weist das Merkmal der Enge auf, d.h. man kann nur eine Beschränkte Anzahl von Objekten gleichzeitig im Bewußtsein haben“ (a.a.O., 146, Hervorhebung vom Autor). Das Fassungsvermögen beträgt etwa sieben plus minus zwei Informationseinheiten (Items); daraus resultiert auch, daß es sehr langsam arbeitet (vgl. Der Spiegel 1996, 192).
¨ Die Inhalte des Bewußtseins verweilen dort nur eine bestimmte Zeit. Es wird angenommen, daß Emotionen eine längere Verweildauer im Bewußtsein haben als Kognitionen.
¨ Das Bewußtsein befaßt sich nur mit einem äußerst geringfügigen Teil (etwa 1%) der im Gehirn ablaufenden Prozesse (vgl. ebd.).
¨ Es besteht ein Zusammenhang zwischen Bewußtsein, Aufmerksamkeit und Automatisierung.
„Automatisierung läßt sich zusammenfassend als ein Prozeß charakterisieren, der dazu führt, daß Gedächtnisprozesse ohne Aufmerksamkeitszuwendung schnell und dennoch flexibel ablaufen können. Die Möglichkeit zum bewußten Eingriff bleibt bei der Bewegungsautomatisierung erhalten, ist aber immer mit der Gefahr von Leistungseinbußen verbunden [...]. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn Teile aus dem Ganzen isoliert werden [...]“ (Wiemeyer 1994b, 163).
Welche Hilfe leistet nun das Bewußtsein bei die Ausführung gekonnter Bewegungen? Menschliches Handeln wird durch die Erinnerung vergangener Erfahrungen beeinflußt. Diese Erinnerung verläuft weitgehend latent, d.h. unbewußt. „Bestimmte Anteile von Wissen können durchaus prinzipiell nicht bewußtseinsfähig sein [...] oder im aktuellen Handlungsvollzug nicht bewußt werden [...]“ (Wiemeyer 1994b, 167). Diese These wird v.a. durch die Beschränktheit des Bewußtseins (`Enge´, Langsamkeit), welche der großen Anzahl zu kontrollierender motorischer Aktivitäten gegenübersteht, bestärkt. Es muß also unterschieden werden zwischen explizit-deklarativen, d.h. kognitions- und bewußtseinsfähigen, und implizit-nichtdeklarativen, d.h. eher nicht-kognitions- und nicht-bewußtseinsfähigen Gedächtnisleistungen, die die Steuerung der Bewegung mittragen. Die wirklich gekonnten und problemlosen Sprünge sind nicht mehr bewußtseinspflichtig, d.h. sie werden nicht mehr bewußt gesteuert. Dies wird dadurch unterstrichen, daß das (kognitive) Bewußtsein während der Bewegung manchmal zusätzlich etwas anderes tun kann. So berichtet ein Springer: „... so beim Springen, da denkt man nicht so viel, dann denkt man über unnütze Sachen nach, wir machen z.B. manchmal ein Spiel, dann sagen wir bei der Pflichtübung bei jedem Sprung eine [Musikgruppe] auf“ (Sp.4).[20]
Resümierend vermutet Wiemeyer „die Existenz von Gedächtnisprozessen, die dem bewußten Zugriff ganz oder zumindest teilweise entzogen sind und dennoch verhaltenswirksam sein können“ (1994b, 173).
Welche Rolle können demnach Bewußtsein und Aufmerksamkeit bei der Beschaffenheit des inneren Zustandes während komplexer, gekonnter Bewegung(-sfolg-)en spielen? Nickel hat eine Untersuchung zu Sprungbewegungen so interpretiert, daß bewußte Kognitionen während der Flugphase abhängig sind von den biomechanischen Bedingungen. Er meint, daß heftige Translations- und Rotationsbeschleunigungen das Bewußtsein noch weiter einengen bzw. „eine kurzzeitige Lähmung der Bewußtseinstätigkeit“ (Nickel 1982, 72) bewirken können. Demzufolge kann das Bewußtsein bei der Beschaffenheit des inneren Zustandes während der `Extrembewegungen´ des Trampolinsports nur eine äußerst geringe Rolle spielen. D. h. die Aufmerksamkeit weist im Moment der gekonnten Bewegungshandlung keine pointierten Tendenzen auf. Vielmehr würde ich diesen Aufmerkamkeitszustand als ontisch sowie expansiv und vielperspektivisch beschreiben (s. auch 1.2.6.1). Daß komplexe, gekonnte Bewegungen keinen hohen Grad der Bewußtheit haben erkannte auch Millman (erster Trampolinweltmeister), und beschrieb dies - als auktorialer Erzähler und in epischer Form - folgendermaßen:
„... Und noch etwas [...] fiel mir auf. Als die [...] Athletin mit ihrer Übung anfing, verstummten plötzlich ihre Gedanken. Erst als sie die Kür beendet hatte, und an ihren Platz zurückging, kam ihr innerer Dialog wieder in Fluß. Im Augenblick der [gekonnten Bewegungshandlung] verstummt der Gedankenstrom der Sportler vollkommen“ (1987, 55).
Im Gegenteil, Denkprozesse während der Bewegungshandlung stören sogar ihre Gestalt. So Millman weiter:
„Ein [...] Athlet ließ sich, mitten im Aufschwung zum Handstand am Barren, durch ein Geräusch ablenken. Ich spürte direkt, wie seine Gedanken magisch von diesem Geräusch angezogen wurden. `Was ...?´ dachte er, während er seinen Absprung mit voller Drehung aus dem Handstand verpatzte“ (ebd.)
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß der Grad der Bewußtheit bei den komplexen Bewegungshandlungen des Trampolinsports äußerst gering ist bzw. sein sollte, denn Denkprozesse und Pointierungen der Aufmerksamkeit wirken sich negativ auf die Bewegungsgestalt aus.
1.2.5.1 Die Bewegungseinstellung
Die Bewegungseinstellung ist Initiator der Bewegung und beinhaltet zum einen eine innere Bereitschaft[21] und zum anderen einen inneren Befehl zur Bewegungshandlung. Der Befehl bezieht sich auf eine dynamisierte Bezeichnung der Bewegung und initiiert das Bewegungsengramm (s.u.): „... [da] hab´ ich garnicht überlegt, ich hab gesagt `Halb-ein-halb-aus´, und das hab´ ich dann gemacht“ (Sp.1). Eine solche dynamisierte Bezeichnung der Bewegung ist aus der Reduktion eines Bewegungsentwurfes entstanden, welcher wiederum die Aktualisierung eines Bewegungsmusters bezeichnet. „Bewegungsmuster sind, von einer Person bei Handlungen mit Erfolg benutzte und daher (gestalthaft) gespeicherte Bewegungsvorstellungen“ (Ennenbach 1989, 204).
Bei der Bewegungsvorstellung handelt es sich um einen bildhaften Bewußtseinsinhalt, der reduziert ist auf wenige Schwerpunkte/ Dominanten. Gemäß der Gestaltgesetze entstehen bei der Entwicklung eines inneren Bildes (einer Bewegung) „phänomenale [...] bewegungs- und situationsbezogene [...] Dominanten“ (a.a.O., 173). Die Dominanten, die sich auf die Bewegung selbst beziehen, nennt Ennenbach „ Bewegungskerne “. Buytendijk beschreibt diese als „ausgeprägte Momente“: „Bei einer automatisierten Handlung [...] [ist] der Bewegungsplan [...] stark schematisiert, enthält nur einige dominierende Momente des ganzen Verlaufs“ (1956, 280). So beschreibt ein Turner den Halb-ein-halb-aus folgendermaßen: „ansteigen - linken Arm zur Seite nehmen - einmal kurz eng werden - (raus-)strecken“ (Sp.1). Zudem gibt es „ Situationskerne “, welche sich auf die Wahrnehmung der Situation, wie z.B. die Körperlage im Raum, beziehen. Hierzu paßt die Aussage: „Du darfst dir den Sprung nicht vorstellen, du darfst dir nur das Gefühl vorstellen“ (Sp.1).Dies geschieht beim Trampolinturnen hauptsächlich durch kinästhetische und visuelle Orientierung (optischer Fixpunkt: Tuch, s. 1.2.5.2.1). Die Bewegungsdominanten - sowohl Bewegungs-, als auch Situationskerne - können in der subjektiven Wahrnehmung der Selbstbewegung stark abweichen von ihren biomechanisch ermittelten, tatsächlichen Schwerpunkten der Technikstruktur.[22] Die Bildung der Dominanten ist zumeist von Vorteil, weil das Bewußtsein bzw. die Aufmerksamkeit nicht mehr auf so viele `Teile´ gerichtet sein muß, sondern der Sich-Bewegende kann sich freier der Gesamtbewegung hingeben.[23] Dominantenbildung kann aber auch störend wirken, z.B. wenn dadurch für den Sich-Bewegenden schwierige Sequenzen in den Vordergrund rücken.
Die Bewegungsvorstellung ist also ein psychischer Vorgang, bei dem bisherige Bewegungserfahrungen zur Bildung von Dominanten führen, welche dann bewußt auf die aktuelle Situation bezogen werden. Aus einer weitgefaßten Bewegungsvorstellung entwickelt sich durch Übung und Erfolg ein enger gefaßtes, gespeichertes Bewegungsmuster, welches - solange keine `Sörungen´ vorliegen - als Bewegungsentwurf aktualisiert werden kann. Zumeist reduziert sich das Bewegungsmuster jedoch auf die dynamisierte Bezeichnung der Bewegung, die bei innerer Bereitschaft als Bewegungseinstellung zum Initiator der Bewegung wird. Diese Art der inneren Bilder, ob als dynamische Bezeichnung oder als Bewegungsvorstellung, stehen insofern in enger Verwandtschaft zur Reafferenzfigur, als daß auch sie auf der Speicherung von Reafferenzen (aus Bewegungen resultierende Wahrnehmungen) beruhen. Unterscheiden möchte ich sie vor allem durch einen höheren Grad der Bewußtseinsfähigkeit von dem im folgenden beschriebenen Sachverhalt.
1.2.5.2 Die Reafferenzfigur
Die Reafferenzfigur bzw. das Reafferenzbild kann als transmodales Bewegungsgefühl[24] beschrieben werden, das sich aus der allgemeinen transmodalen Wahrnehmung entwickelt. Hierbei wirken vor allem propriozeptive, kinästhetische, visuelle und Zeit- Wahrnehmungen.
U.a. Buytendijk ist der Meinung, daß eine solche Reafferenzfigur mitbestimmt wird durch „bei der Bewegung entstehende[..] sensible[..] Reize und Empfindungen“ und zur Steuerung der Bewegung beiträgt.
„Es ist nachgewiesen, daß die Lenkung des Bewegungsvollzugs zu einem großen Teil auf kinästhetischen und Tastempfindungen beruht. Beim Erlernen der Bewegungen müssen wir also die peripheren Eindrücke erfahren und aufbewahren. Manchmal folgen wir bei der Reproduktion einer Bewegung hauptsächlich den Bewegungsempfindungen in ihrer simultanen und sukzessiven Anordnung. Damit meinen wir den Gestalt-Charakter des Gesamtstroms peripherer Eindrücke“ (1956, 290).
Solche kinästhetischen, propriozeptiven und andere Wahrnehmungen (s.u.) werden dann bei Wiederholung der Handlung bewegungsspezifisch und gestalthaft „aufbewahrt“; als Reafferenzfigur. Es ist davon auszugehen, daß dieser Prozeß durch die Gerichtetheit des Menschen auf die Bewegung in der Situation auch noch eine Selektion der Wahrnehmungen aus dieser Vielzahl beinhaltet; eine Art Dominantenbildung wie bei dem bewußteren Prozeß der Bewegungsvorstellung. Ein Springer äußerte z.B.: „Ich öffne immer vom Gefühl her, das ist am besten... ich mach erst die Augen auf, wenn ich öffne“ (Sp.4). Das so gespeicherte Reafferenzbild führt dazu, daß die Teile der Gesamtbewegung transmodal antizipiert und durch innere Mitbewegung fließender gemacht werden. Diese transmodale Antizipation von ausgelesenen und gespeicherten Wahrnehmungen und die innere Mitbewegung sind im Trampolinsport, wo bei Mehrfachsalti mit Mehrfachschrauben eine Vielzahl von Wahrnehmungen in kürzester Zeit und unter außergewöhnlichen körperlichen Belastungen (Beschleunigung, Raum-Lage) zusammenkommen, von besonderer Bedeutung, um der `Enge´ und der Langsamkeit des Bewußtseins zu begegnen. Dadurch entsteht außerdem der Vorteil,
„daß bei Durchführung einer Bewegung mit zahlreichen passenden Mitbewegungen unangemessene Abweichungen einzelner Bewegungen keine Störungen verursachen, da die mit der Abweichung entstehenden veränderten Exafferenzen in dem durch die zahlreichen Mitbewegungen erzeugten stabilen Reafferenzbild `untergehen´ [...]“ (Ennenbach 1989, 198f.).
Die Exafferenzen dürfen allerdings auch nicht zu stark werden, da ansonsten während (oder eventuell auch schon vor) der Bewegung die Verbindung zwischen dem Übungselement und seiner spezifischen Reafferenzfigur abbricht. . „Wenn man zum falschen Zeitpunkt aufmacht, dann sieht man alles anders, dann ist man verwirrt“ (Sp.1). So können die folgenden Bewegungswahrnehmungen nicht mehr antizipiert werden, was wiederum einen starken, kurzzeitigen Kontrollverlust nach sich zieht, da die unerwarteten und deshalb `neuen´ Wahrnehmungen mehr Zeit bis zu ihrer Erkenntnis - und eventuell Einordnung in ein anderes Reafferenzbild - brauchen, als ein Sprung dauertDesweiteren werden starke Exafferenzen eine negative Beinflussung der Bewegung zur Folge haben, weil sie die Zentrierung der Aufmerksamkeit verschieben (s. auch 1.2.6).
„Wenn die erwarteten Wahrnehmungen nicht `eintreffen´, dann wird der Automatismus `unterbrochen´: [...] der Turner, der unerwartet zu wenig Schwung für ein Übungsteil hat, wende[t] plötzlich [seine] Aufmerksamkeit der veränderten Person-Umwelt-Konstellation zu: [Er] änder[t] [seine] Zentrierungsverhältnisse im anschaulichen Gesamtfeld“ (Wiemeyer 1994, 159).
Die Reafferenzfigur existiert jedoch „nur in der Wechselwirkung von Verhalten und Situation“ (a.a.O., 196); z.B. als Raum-Lage-Gefühl während eines Fliffis. Ihr Einfluß wird dabei allerdings kaum konstatiert. Ennenbach behauptet zwar, daß das Reafferenzbild bewußtseinsfähig sei (vgl. 1989, 203), jedoch schätze ich diese Fähigkeit - gerade bei den hochkomplexen Bewegungen des Trampolinsports - sehr gering und teilweise störend ein.
Die visuelle Orientierung und die Wahrnehmung der Zeit während der Bewegung als Bestandteile der Reafferenzfigur sollen nun näher betrachtet werden, da sie vermutlich für den Untersuchungsgegenstand von besonderer Bedeutung sind.
1.2.5.2.1 Die visuelle Orientierung
„Die Rolle der [visuellen] Orientierung [...] beim TS [Trampolinspringen] hat zentrale Bedeutung“ (Grünbaum 1979, 25). Dieser Aussage stimme ich weitgehend zu, auch wenn m. E. oft eine Überbewertung dieser Kontrollmöglichkeit (für den Turnenden) seitens der Trainer stattfindet, die wahrscheinlich zu einer gewissen Abhängigkeit der Turner führt; doch dazu später mehr (s. 3.4.6).
Der besondere Vorteil der visuellen Orientierung ist, daß sie im Vergleich zu den übrigen Sinneseindrücken zumeist relativ bewußt verläuft, oder zumindest relativ bewußtseinsfähig ist. So bietet sie eine Kontrollmöglichkeit für die Bewegung, die vor dem Sprung bereits kognitiv antizipiert werden kann, was ich allen anderen Eindrücken der Reafferenzfigur weitgehend abspreche. Diese kognitive Antizipation und die tatsächliche visuelle Orientierung geben dem Turnenden einen Großteil der Sicherheit, die er zur inneren Bereitschaft braucht.
Die visuelle Wahrnehmung ermöglicht es vorwiegend, daß „die Körperposition im Raum und das Ausmaß des Wanderns“ eingeschätzt werden können (Grünbaum 1979, 27). Aufgrund der `Enge´ und der Langsamkeit des Bewußtseins (s. 1.2.5.0), und somit auch der visuellen Orientierung, müssen die optischen Eindrücke bei Salto- und Schraubenrotationen antizipiert und intentional reduziert bzw. selektiert werden. Mit intentionaler Reduktion ist das Wählen eines optischen Fixpunktes gemeint. Die intentionale Selektion der visuellen Wahrnehmungen soll beschreiben, daß der Turnende beim bewußten Schauen während der Salti die Phasen selektiert, in denen es überhaupt möglich ist, den optischen Fixpunkt zu erschauen (s. Abb. 2), denn
„bei der größten Gruppe der geturnten Sprünge bestehen Orientierungsmöglichkeiten nur am Anfang der Bewegung und an deren Ende (Salto rw a, Salto rw b, Salto rw c, Fliffis, Halb-ein- Halb-aus, Doppelsalto rw, 1 3/4 Salto vw, Cody, Rudolf, Doppelschraube, usf.). Bei der zweitgrößten Gruppe dieser groben Einteilung kann die [visuelle] Orientierung während des ganzen Sprunges aufrechterhalten werden -wobei diese Möglichkeit nicht von allen Springern genutzt wird - (Barani, Schraubensalto, Babyfliffis, [...], Voll-Voll)“ (Grünbaum 1979, 26f.).
Das Wahl eines Fixpunktes, die zumeist auf einen Punkt auf dem Tuch fällt, und die Auslese der Phasen, in denen das Schauen möglich ist, sind deshalb so wichtig, weil der Versuch des Mitschauens auf die `vorbeifliegenden´ Wände und Decke (und anderer im Raum befindlicher Gegenstände) sofort ein Schwindelgefühl (verbunden mit starkem Kontrollverlust) hervorrufen würde, das jeder kennt, der schon einmal in einem schnellen Karussell mitgefahren ist.[25] Über den einmaligen Versuch alle möglichen optischen Eindrücke zu erfassen berichtet ein Turner: „Ich hab´ mich [...] auf das konzentriert, wo ich hingucke, und dann ging das so schnell, daß ich [...] die Orientierung verloren habe“ (Sp.4).
Bei der visuellen Orientierung als Teil der Reafferenzfigur werden also relevante Phasen selektiert. Weiterhin ist sie auf einen Fixpunkt reduziert und aufgrund gestalthafter Speicherung kognitiv antizipierbar. Obwohl sie im Feld der transmodalen Wahrnehmung relativ bewußt verläuft, ist ihre Selektion und Antizipation stark abhängig von der Wahrnehmung der Zeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2a: Blickkontakt am Anfang der Bewegung[26]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2b: Blickkontakt am Ende der Bewegung26
1.2.5.2.2 Der `Zeitsinn´
Auch die Zeitdauer während der Bewegungshandlung wird vom Sich-Bewegenden erfahren. „Die zeitliche Dimension gilt neben der räumlichen Dimension, der Intensitäts- und der Qualitätsdimension als eine der Grunddimensionen der Empfindung und damit auch der Wahrnehmung“ (Wiemeyer 1994b, 159). Allerdings gibt es für die Zeitwahrnehmung kein spezielles Sinnesorgan, wie z.B. die Augen bei der visuellen Wahrnehmung. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, gliedert sich die Wahrnehmung der Zeit besonders gut in die transmodale Wahrnehmung der Bewegung ein. Volger beschreibt den Zeitsinn
„als übergeordnetes Metasystem für Zeitwahrnehmung. Dieses Metasystem steht vermutlich in enger Verflochtenheit mit allen unseren sensorischen Systemen. Es ist durch die Gesamtheit der sensorischen Systeme entstanden und wird durch sie fortwährend weiterentwickelt“ (1990, 50, Hervorhebungen nachträglich).
Weiterhin wird die Wahrnehmung der Zeit einerseits von der Dichte der Ereignisse (Häufigkeit relativ zur Zeit) und andererseits von ihrer emotionalen Belegung beeinflußt. „Die Zeitdauer aktueller ereignisreicher Zeitintervalle wird - relativ zu ereignisarmen Zeitintervallen - als kurz erlebt [...]“ (Wiemeyer 1994b, 161). So ist anzunehmen, daß ein Barani subjektiv länger erlebt wird als ein Triffis, da im letzteren `mehr geschieht´. Daneben wirkt eine positive emotionale Belegung der Ereignisse beschleunigend auf das Erleben und eine negative Belegung verlangsamend. Um das Beispiel Barani/ Triffis wieder aufzugreifen, könnte eine eventuell vorhandene Angst das zeitliche Erleben des Triffis verlängern, wodurch sich der Unterschied reduzieren würde. Desweiteren verändert sich die Zeitwahrnehmung durch die Verbesserung und Stabilisierung der Bewegung; die phänomenale Zeit verlängert sich bei steigender `Automatisierung´[27] (vgl. a.a.O., 159). Das subjektive Erleben der Zeit während der Bewegung weicht also fast immer von der `normalen´ Zeit ab (s.u.). Ihre
„Zeitstruktur [die der Bewegung] entspricht also der erlebten, der dem Kontinuum der physikalischen Zeit transzendenten Zeit. Im sensomotorischen Umgang [...] bildet die werdende, sich gestaltende Bewegung eine eigene Zeit: die `Ausführungszeit´“ (Buytendijk und Christian 1963, 101).
Wie wird nun diese Wahrnehmung Teil der Reafferenzfigur? Ähnlich wie bei den anderen Komponenten des Reafferenzbildes, wird bei Wiederholung spezifischer Bewegungen ihre Zeitstrukur gestalthaft gespeichert. Die zeitliche Organisation der Bewegung wird durch das Erkennen von Invarianten als Bewegungsgestalt - die ja von Buytendijk als „Zeitgestalt“ bezeichnet wird (vgl. 1956, 34) - `behalten´. Also werden „durch die wiederholten Vollzüge von Bewegungen nicht nur die wesentlichen invarianten Merkmale zum Besitz des Langzeitgedächtnisses [...], sondern auch gleichfalls ihre serielle und simultane Abfolgeorganisation“ (Volger 1990, 49).
Diese Zeitstruktur ist für das Beherrschen eines Sprunges von besonderer Bedeutung. Es genügt nicht, die einzelnen Sequenzen der Bewegung richtig auszuführen, sie müssen v.a. in eine zeitliche Ordnung eingegliedert werden; d.h. die Zeitstruktur muß stimmen. „Als Zeitstruktur verstehe ich dabei die zeitlich richtige, der idealtypischen Bewegung entsprechende Abfolge der Bewegungssequenzen“ (a.a.O., 48). Auch Prohl und Gröben halten die zeitliche Organisation für wichtig und verstehen den „Rhythmus als Bewegungsqualität“ (1995, 27ff.). Sie beschreiben diesen Rhythmus - der m.E. zum Begriff `Zeitstruktur´ (der Bewegung) analog ist - „als Folge in sich stringenter Bewegungsabläufe oder als `Verkettung von Gestalten´ [...], die erst durch subjektive Akzentuierung geschaffen wird“ (a.a.O., 36). Besonders im Trampolinturnen ist die genaueste zeitliche Organisation der Sprünge entscheidend. Ich muß genau wissen, wann ich bei einem Voll-aus die Schraube einleite oder wann ich einen Doppelsalto öffne, da sonst die innere (zeitliche) Struktur der Bewegung gestört ist und sich diese Störung auf den ganzen Sprung auswirkt. Dabei ist zu bedenken, daß die Zeitstruktur nicht immer die gleiche ist. Sie ergibt sich vielmehr aus anderen Komponenten der Bewegungsgestalt (Höhe, Rotationsgeschwindigkeit, u.a.). Deshalb ist die Wahrnehmung der Zeit als Teil der Reafferenzfigur nicht getrennt von anderen Komponenten der transmodalen Wahrnehmung zu denken. Um zu erkennen, wann ich einen Fliffis öffnen muß, hilft mir die gesamte Reafferenzfigur. Erst durch die transmodale Antizipation v.a. der kinästhetischen, propriozeptiven, visuellen und Zeit- Wahrnehmungen, wird es möglich den Zeitpunkt der Öffnung zu erfassen. Es ist also v.a. das Raum-Lage-Gefühl und die visuelle Orientierung, die mir zusammen mit dem Zeitsinn helfen, die Bewegung zeitlich richtig zu strukturieren.[28] Die Aussage eines Springers in Bezug auf den Doppelsalto rw spiegelt diese These in etwa wieder: „Du hockst an und dann kommt dieser Impuls und damm streckst du, du kannst den Doppelsalto auch mit Augen zu machen, da bin ich mir ganz sicher, du mußt halt vor der Landung wieder die Augen auf machen“ (Sp.1).
Volger stellt dem Zeitsinn die Bedingung der Bewußtheit (vgl. 1990, 50). M. E. findet die Wahrnehmung der Zeit - auch bei gekonnten Bewegungen - jedoch nicht immer vollständig bewußt statt. Vielmehr denke ich, daß die Zeitwahrnehmung bei Bewegungen sich auf weiter unten angesiedelten Stufen des Bewußtseins vollzieht, da sie auch kognitiv nicht restlos erfaßt werden kann. Dies beweist u.a. die Tatsache, daß Spitzenturner, die ihre (Trampolin-) Übung mental `durchgehen´ und dabei die Zeit `stoppen´, zu einem anderen Ergebnis kommen, als bei ihrer tatsächlichen Übung. Aus Erfahrung weiß ich, daß Abweichungen bis zu 40% (sowohl kürzer als auch länger) keine Seltenheit sind. Das Zeitgefühl ist also vor der Bewegung nicht kognitiv antizipierbar, es entfaltet sich erst in der Bewegung selber gemeinsam mit der gesamten Reafferenzfigur, und trägt dann zur transmodalen Antizipation bei. Aussagen wie „[da] bist du abgesprungen [und] das lief“ (Sp.1) oder „ich mußte nur den Anfang [machen] der Rest lief dann von alleine“ (Sp.4) bestätigen dies.
1.2.5.3 Das Bewegungsengramm
Der Begriff Engramm wird in der Literatur zur Sportmotorik häufig und leider auch vielfältig verwandt. Seine Bedeutung in dieser Arbeit ergibt sich aus dem bislang thematisierten, ganzheitlichen Ansatz der Bewegungslehre, und weicht daher vielleicht etwas von den vorherrschenden Auffassungen ab.
Das Bewegungsengramm ist m.E. ein gespeicherter Gedächtnisinhalt (einer gekonnten Bewegung) in Form einer dynamisierten Bewegungsbezeichnung und einer dazugehörigen Reafferenzfigur, die die Bewegung codieren. Im Lernprozeß und u.U. auch noch danach (s. 1.2.6) enthält das Engramm zusätzlich den gestalthaften Bewegungsentwurf, der mehr oder weniger auf Bewegungsdominanten reduziert ist.
„Bei wiederholter Durchführung [der Bewegung] bildet sich [...] ein Bewegungsmuster, das vor Beginn einer Übung [...] als Bewegungsentwurf aktualisiert wird. Schreitet die Übung fort und ist das Stadium des `Könnens´ erreicht, so ist die Übungsbezeichnung selbst dynamisiert und kann während der Handlung als innerer Befehl selbst gegeben werden, ohne daß noch ein Bewegungsentwurf aktualisiert wird. Die Bewegungs einstellung allein genügt - und [zudem] führt auch hier ein Reafferenzbild [...]“ (Ennenbach 1989, 206f.).
Das Bewegungsengramm beinhaltet nicht die Bewegung als feste Form, sondern als eine mehr oder weniger hoch organisierte, dynamische Gestalt.[29] Es äußert sich erst durch seine Aktivierung und Bezugnahme auf die Situation (nachträglich) als Bewegungsform.
Mit dem Engramm hat der Turner die Bewegung „virtuell bereits in sich, nur noch nicht in der Zeit entfaltet“ (Buytendijk 1956, 203). Es ist jedoch nur schwach bewußtseinsfähig oder zumindest sprachlich sehr schwer artikulierbar und ist somit eher als implizit-nichtdeklarativen Wissen zu bezeichnen. Ein Trainer drückt dies im übertragenen Sinne aus: „Der Körper weiß, wie der Sprung geht, der Kopf nicht“ (Tr.2). Außerdem kann es nur bei innerer Bereitschaft und relational zur Situation zur Anwendung kommen bzw. die Bewegung steuern. „ Der geübte Sportler weiß, was er bei einem [...] Sprung tun wird. Aber dieses Wissen offenbart sich erst im Tun, und auch subjektiv weiß man nur, daß man es weiß, indem man es tut. Wir bezeichnen das mit `etwas tun können ´ [...]“ (Buytendijk 1956, 203)).
1.2.6 Lernen und Üben in schöpferischer Freiheit
1.2.6.1 Lernen als Organisationsprozeß
Da der Prozeß des Lernens bei den Beschreibungen des Gestaltkreises und der inneren Bilder - zumindest latent - bereits beschrieben wurde, soll dies hier hauptsächlich zusammenfassend geschehen. Bei dieser Zusammenfassung möchte ich mich an Tholey (1984) orientieren, der „sensumotorisches Lernen als Organisation des psychischen Gesamtfelds“ versteht.
Ein solcher Prozeß der Organisation ist z.B. die Entstehung einer Reafferenzfigur. Dabei verwachsen die vielfältigen Empfindungen zu einem transmodalen Bewegungsgefühl. Durch Wiederholung von Handlungen werden Invarianten aus der transmodalen Wahrnehmung, die während der Bewegung auftritt, selektiert und gestalthaft gespeichert (s. auch 1.2.5.2). Hierzu gehört v.a. der Zeitsinn, der die Zeitstruktur der Bewegung gestalthaft beinhaltet. Das gespeicherte Reafferenzbild bewirkt beim Könner eine transmodale Antizipation der Bewegung; die innere Mitbewegung.
Auf einer höheren Stufe des Bewußtseins - jedoch nicht unabhängig von der Bildung der Reafferenzfigur - vollzieht sich ein weiterer Organisationsprozeß. Das wiederholte Ausführen einer Bewegung führt zu einem bildhaften Bewußtseinsinhalt, der sich immer weiter reduziert auf sogenannte Bewegungsdominanten (Bewegungskerne und Situationskerne). Aus der ursprünglich weit gefaßten Bewegungsvorstellung entwickelt sich durch Übung und dem damit verbundenen Erkennen von Invarianten ein enger gefaßtes, gestalthaft gespeichertes Bewegungsmuster. Treibende Kräfte sind dabei dem Menschen innewohnende Prägnanztendenzen bzw. mit Christians Worten das `Wertbewußtsein im Tun´ (s. 1.2.3.3). Das so entstandene Bewegungsmuster kann dann vor der Handlung als Bewegungsentwurf aktualisiert (ins Bewußtsein gerufen) werden. Beim Könner reduziert sich das Bewegungsmuster noch weiter zu einer dynamisierten Bezeichnung, welche die Bewegung bei innerer Bereitschaft initiiert (Bewegungseintsellung).
Durch Organisationsprozesse ensteht beim sensumotorischen Lernen also eine dynamisierte Bewegungsbezeichnung und eine Reafferenzfigur, die als gespeicherter Gedächtnisinhalt, als Bewegungsengramm, im Menschen vorhanden sind und die Bewegung codieren. Das Bewegungsengramm beinhaltet also eine Abbildung (je nach Könnensstand) der mehr oder weniger hoch organisierten Bewegung als dynamische Gestalt.
Neben diesen Organisationsabläufen findet auch ein Prozeß der Veränderung der Zentrierungsverhältnisse im anschaulichen Gesamtfeld[30] statt. Nach Kohl beinhaltet dieser Prozeß drei Stadien. „Das erste Stadium kann als `naives´ bezeichnet werden. Dabei ist die Aufmerksamkeit ganz dem Ziel zugewandt. Das anschauliche Ich hat phänomenal kaum Gewicht“ (1956, 82). In diesem Stadium befinden sich eventuell Kinder, die auf dem Schulhof unbekümmert Kunststückchen versuchen (Umwelt-Zentrierung). Sobald sie jedoch durch Mißerfolg darüber nachdenken, wie sie zum Erfolg kommen können, geraten sie, wie die meisten Sportler, in ein zweites Stadium; das Lern- und Übungsstadium. Hier „erfolgt ein dauernder Wechsel der Zentrierung. Die Aufmerksamkeit ist einmal hierhin, einmal dahin gerichtet. Sie wandert, geht einzelne Teile des Gesamtfeldes durch“ (ebd.). Dabei verlagert sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich in den Körper und seine Teile. Der Turner konzentriert sich z.B. auf die Armhaltung im Absprung oder auf die Kopfhaltung in einer bestimmten Flugphase (Ich-Zentrierung). Dies ist im dritten (Könnens-)Stadium nicht mehr nötig. Die Beherrschung der Bewegung ermöglicht es, daß „dem Ziel wieder seine alte Bedeutung zukommt, und das anschauliche Gesamtfeld sich unter neuen Bedingungen zuordnet. Die Abbildung des Zieles schafft dann von selbst die zu seiner Erreichung notwendige motorische Eistellung“ (ebd.). Die innere Bereitschaft aktiviert das Bewegungsengramm, aus dem sich die Bewegung als dynamische Gestalt (mehr oder weniger) frei entfalten kann. Hier entsteht eine Freiheit, die dazu führt, daß Ich und Umwelt in einem koordinativen Gesamtfeld verschmelzen (s. auch 1.2.5.0).
Diese Stadien sollen keineswegs eine kontinuierliche Entwicklung während des Lernprozesses darstellen. Vielmehr springt der Sich-Bewegende, auch der Könner, zwischen den Stadien. Im Folgenden wird es darum gehen, wie die hier beschriebenen Organisationsprozesse unterstützt und auf hohem Niveau gehalten werden können.
1.2.6.2 Maximen des Übens
Ein Begriff, der in den Ausführungen zur Bewegungseinstellung, zur Reafferenzfigur und zum Lernen zentrale Bedeutung hatte, ist `Wiederholung´. Durch vielfaches Repitieren eröffnen sich Erfahrungsmöglichkeiten, und bilden sich Invarianten. Der Begriff der Wiederholung beschreibt das Wesen des Übens und Trainierens. „Üben im Sport ist der Prozeß einer aktiven und reizvollen Auseinandersetzung des sich-bewegenden Menschen mit seiner Umwelt. Dabei ist die menschliche Bewegung einerseits als `Vermittlung zur Welt´ und andererseits als `Wahrnehmung der Welt´ zu verstehen [...]“ (Volger 1990, 69). So fördert das Üben die Organisationsprozesse im Gesamtfeld. Nach welchen Prinzipien dieses Üben und das dazugehörige Lernen geschehen soll, ist m.E. sehr gut von Tholey (1988) zusammmengefaßt worden. Diese „Prinzipien des Lehrens und Lernens sportlicher Handlungen aus gestalttheoretischer Sicht“ sollen nun zitiert und kurz dargestellt werden.
Das Prinzip der Erlebnisorientiertheit:
„Was hier zunächst interessiert, ist die erkenntnistheoretische Auffassung, daß nicht nur die subjektiv erscheinenden Vorstellungs-, Deutungs-, Gefühls- und Willensvorgänge sowie manche `privaten´ Körperempfindungen zum Erlebnisbestand gehören, sondern darüber hinaus die gesamt objektiv und intersubjektiv erscheinende Welt. Deshalb sollte jede Anweisung eines Lehrenden, so weit wie möglich, das Erleben des Lernenden berücksichtigen, indem er diesem sagt, was er in der subjektiv erlebten Innenwelt und der objektib erlebten Außenwelt tun sollte, um eine Sporthandlung in optimaler Weise zu erlernen“ (a.a.O., 97)
Biomechanische Erkenntnisse sollten also bei Instruktionen mit dem subjektiven Erleben des Lernenden zusammengebracht werden, denn „übendes Lernen geschieht in der für den Menschen einzig existierenden anschaulichen Welt. Es ist eine Lehrkunst, sich in diese Erlebniswelt des Lernenden hineinzubegeben“ (Volger 1990, 77). Nur so kann der Lehrende den Sich-Bewegenden zu Veränderungen seines Tuns anregen. Diese Anregungen sollten sich dabei auf biomechanische und andere sportartrelevante Kenntnisse zurückbeziehen.
Einer Turnerin, die den Fliffis `unterzieht´ bzw. nicht steigt und keine Höhe gewinnt, ist die Anweisung „Spring´ höher !“ wohl nicht sehr hilfreich. Stattdessen hielte ich „Laß Dich nach oben treiben“ oder eine Metapher, wie „Stell Dir vor, mußt über eine Styroporwand springen“ für angebrachter. Auch das Vormachen, bei dem der Lernende die vorgezeigte Bewegung innerlich mitmacht, ist wohl näher an der Erlebniswelt des Sich-Bewegenden als objektive Beschreibungen der `richtigen´ Bewegungsform. Eine weitere Möglichkeit bietet die episodische Instruktion, „bei der konditionierte und kognitive Schemata, die durch Erfahrung im Zuhören sowie durch Erfahrungen mit typischen Arten kausaler und temporaler Ereignissequenzen der Umwelt erworben worden sind“ (Volger 1990, 52), nutzbar gemacht werden. Ein Beispiel für eine Verbindung von metaphorischer und episodischer Instruktion zur Verbesserung der Beinspannung bzw. des ästhetischen Ausdrucks bei Trampolinübungen könnte so aussehen:
„Achterbahn: Stell Dir vor, Du bist ein Wagen in einer gefährlichen Achterbahn. Zwei kleine Schwestern (Deine beiden Beine) sitzen noch ganz fröhlich und locker im Wagen. Doch als die Fahrt (Deine Übung) beginnt, bekommen sie plötzlich große Angst, rücken ganz eng zusammen und drücken sich gegenseitig. Weil der Wagen so starke Kurven fährt, versuchen die beiden außerdem, sich kräftig zu strecken, um in dem Wagen ganz fest zu sitzen. - Erst als die Fahrt zu Ende ist, haben sie keine Angst mehr und werden wieder locker und gelöst.“
Das Prinzip der Ganzheitlichkeit:
Um Mißverständisse zu vermeiden, muß gesagt werden, daß hier nicht die strickte Einhaltung der Ganzheitsmethode propagiert werden soll. Vielmehr geht es darum, grundlegende Handlungsstrukturen einer Sportart, d.h. Handlungsgestalten, die in mehreren größeren Bewegungsgestalten eingebettet sind, zuerst bzw. bevorzugt zu üben. Welche dieser Handlungsgsestalten aber sind grunglegend? Dazu sagt Tholey:
„Diejenigen Handlungsstrukturen, die innerhalb einer Sportart vom Gesichtspunkt ihrer Erlernbarkeit, ihrer Transferwirkung, ihrer Variations-, Differenzierungs- und Entfaltungsmöglichkeiten, ihrer Sicherheit und ihres Anreizes für den Lernenden am ersten zu erlernen sind. bezeichne ich als `grundlegende Handlungsstrukturen´ [...]“ (1988, 98f.).
Diesen grundlegenden Handlungsstrukturen sollte also beim Üben besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sie eine positive Transferwirkung auf viele sportartspezifische Bewegungen haben.
Im Trampolinturnen sind solche grundlegenden Handlungsstrukturen zunächst `Körperspannung´, `aufrechtes Landen und Abspringen (mit aufrechter Armstellung)´, `Ansteigen´, `Kopfhaltung bei rw-Salti zunächst vorne´, usw.. Später werden dann v.a. Teilhandlungsgestalten in größeren Bewegungsgestalten zusammengefügt („kombinierte“ Sprünge). Diese sind besonders: `Halb-ein-Bewegung rw´, `Barani-Bewegung vw´ und `Mehrfachschrauben mit Saltorotation rw und vw´ (vgl. auch 1.3).
Das Prinzip der Sachlichkeit:
Der Trainer sollte sich bemühen, den Übenden zur Sachlichkeit anzuhalten. „Unter der Sachlichkeit [...] versteht man in der Gestalttheorie die Ausrichtung der Sinne und Aufmerksamkeit, der Gedanken und Gefühle, der Motivation und des Handelns auf das, was von der Gesamtlage gefordert wird“ (a.a.O, 100f). Ein Teil dieser Sachlichkeit kann als „innere Sammlung“ (Volger 1990, 73) beschrieben werden. Dabei wird „die Fähigkeit sich zu sammeln, d.h., ganz bei einer zu übenden Fertigkeit zu sein und über eine längere Zeit bei dieser Sache zu bleiben, [...] im Üben entwickelt und gefördert. Konzentration und innere Sammlung sind also `übbar´“ (ebd.,f.). Als Gegensatz zur Sachlichkeit gilt die Ich-Haftigkeit, doch dazu mehr im Zusammenhang mit der Schöpferischen Freiheit.
Das Prinzip der Variabilität:
„Bei den Lernenden zeigen sich nicht nur Tendenzen zur Vervollkommnung einer Handlungsstruktur, sondern auch zu deren Variation, wobei insbesondere von solchen Strukturen ein Anreiz ausgeht, die mehr an Können und Wagemut erfordern. Diese Tendenzen sollten von Lehrenden unterstützt werden. Durch kontinuierliche und strukturgerechte Variationen läßt sich eine unübersehbare Anzahl von Abwandlungen einer Grundstruktur entwickeln“ (Tholey 1988, 102f.)
Die Zentrierungsverhältnisse im anschaulichen Gesamtfeld sollten durch Einflußnahme des Lehrenden auf die Situation und/ oder auf die Aufmerksamkeitszentrierung des Sich-Bewegenden variiert werden. Mit Rücksicht auf die Lernstadien sollten im naiven Stadium eher ich-zentrierte Variationen entworfen werden („Achte auf die Haltung deines Kopfes/ deiner Arme!“), während im fortgeschrittenen Lern- und Übungsstadium v.a. umfeld-zentrierte Veränderungen vorgenommen werden sollten (Veränderungen der Raum- und Lichtverhältnisse, des Gerätes, der Sprunghöhe, der Sprungverbindung, usw.). Durch solche u.a. Variationen werden Invarianten der Bewegungsgestalt besser erkannt und `aufbewahrt´.
Jemandem, der bei Fliffis fast immer zu wenig Saltorotation hat und deswegen schlecht landet, eventuell zu früh schraubt o.a., ist vielleicht geholfen, wenn er den Fliffis mit Schiebematte einige Male absichtlich bis zur Rückenlandung `überdrehen´ soll. Diese ich-bezogene Veränderung bewirkt eventuell die Erkenntnis: „ So kann ich mehr Schwung mitnehmen.“ Jemandem, der den Fliffis immer sehr weit nach vorne turnt, könnte es helfen, einige Male direkt vor der Abdeckung/ Matte abzuspringen, mit dem Ziel, die Matte nicht zu berühren. Eine solche umfeld-bezogene Variation führt vielleicht zu der Einsicht, wie man auf der Stelle turnen kann.
Das Prinzip des Zusammenspiels von Eindruck und Antwort:
Im Verlauf der Arbeit ist die `Tendenz zur Prägnanz´ bereits häufiger angesprochen worden. Das `Wertbewußtsein im Tun´ (s. 1.2.3.3) und die der Bewegungsgestalt inhärenten Prägnanztendenzen (s. 1.2.3.1) führen durch Übung zur Verbesserung der Bewegung. Deshalb ist „der von der unmittelbaren Wahrnehmung ausgehende korrigierende Einfluß [...] viel wichtiger als nachträgliche Bewegungskorrekturen durch den Lehrenden“ (a.a.O., 104). Das Üben als wiederholtes Durchführen von Bewegungsabläufen ist also dem `Reden´ und `Erklären´ (externes bzw. verbales Feedback) weit überlegen. Manchmal muß ein Fliffisrudolf eben einfach nur `100mal´ gemacht werden, um ihn sicher `in den Griff zu bekommen´.
1.2.6.3 Schöpferische Freiheit als erstrebenswerter Zustand des Sich-Bewegenden
Die schöpferische Freiheit wird von Tholey (1988) als übergreifendes Lehr-Lern-Prinzip betrachtet. „Es beruht darauf, daß in allen offenen Systemen, in denen ein freies Kräftespiel möglich ist, Prägnanztendenzen zur höheren Organisation auf immer komplexerem Niveau führen“ (105). Da auch ich diesen Zustand im Zusammenhang mit komplexen menschlichen Bewegungen, und v.a. im Hinblick auf den Gegenstand meiner Untersuchung, für äußerst wichtig halte, wird er an dieser Stelle genauer betrachtet.
[...]
[1] 4. Symposium der dvs-Sektion Sportmotorik 1997
[2] Die Begriffe Computer, Automat und Maschine werden in dieser Arbeit analog benutzt, um den Gegensatz zu einem gewissen Menschenbild zu verdeutlichen.
[3] Allein der Begriff `Wille´ ist im Zusammenhang mit einer Maschine paradox.
[4] Auch die Regelkreismodelle von Meinel/ Schnabel sind hier einzuschließen.
[5] An dieser Stelle kann natürlich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Es sollen nur einige, offensichtliche Ungereimtheiten angedeutet werden.
[6] vgl. Trebels 1993, 24.
[7] Mehr zur Zeitstruktur in 1.2.5.2.2.
[8] Natürlich hätte ich diese Wortwiederholungen (`Begriff der Bewegung´) gerne vermieden, jedoch würden ähnliche Ausdrücke, wie `Terminus´, `Bedeutung´, o.ä., nicht den gleichen Sinngehalt haben.
[9] Die drei Betrachtungsweisen Bewegung als Beziehung, Gestalt und Form stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig.
[10] `Bewegung als Form´ kann wirklich nur als Teil einer Bewegungsauffassung gelten, da die Form alleine den Begriff Bewegung (s.o.) nicht ausfüllt.
[11] vgl. auch Tamboer 1997, 31.
[12] Mehr dazu in 1.2.5.2.2.
[13] Was sie ja de facto tun: Keine Bewegung ist wie die andere, jeder Doppelsalto rw ist anders.
[14] Vgl. auch das `Leistungsprinzip´ in 1.2.4.
[15] Dies läßt auch die Individualität der Menschen nicht zu. Allein der Körperbau müßte schon bei allen Menschen gleich sein, damit gleiche Voraussetzungen geschaffen wären.
[16] V. v. Weizäcker, Begründer des Gestaltkreises, sprach nicht von einem Modell, trotzdem glaube ich, daß Ennenbachs Versuch nicht verfälscht, und schließe mich ihm deshalb an.
[17] Vgl. hierzu auch die Aussagen von Volger, Trebels und Leist in 1.1.3, sowie Tamboers Begriff der `Intentionalität´ in 1.2.2.
[18] Leist spricht in diesem Zusammenhang von einem „generalisierten Pan [...], der eine Klasse von Bewegungen umfaßt und je nach spezifischer Ausgangslage und Zielsetzung in bestimmten Parametern modifiziert werden kann“ (1978, 94).
[19] Hierzu und zu anderen Aspekten der `inneren Bilder´ werden im folgenden vereinzelt beispielhafte Aussagen der von mir interviewten Sportler angeführt. Dies kann jedoch nur Auszugsweise geschehen, um die inneren Bilder bei den komplexen Trampolinbewegungen besser zu verstehen, sollte der Leser sich Teil `III. Bewegung vorher´ der Interview-Auswertungen der Sportler zu hilfe nehmen.
[20] Natürlich ist das Denken an andere Dinge während der Bewegungen nicht der Idealfall (s.u.), hier soll nur die Möglichkeit dazu aufgezeigt werden.
[21] Buytendijk nennt diese Bereitschaft „einen Willen [...], der [...] stehts die organisierende Kraft ist“ (1956, 282).
[22] Vgl. Interview-Auswertung von R.P., Punkt III. Bewegung, Innere Bilder vorher.
[23] Vgl. das zweite Lernstadium bei Kohl (1956), s. auch 1.2.6 in dieser Arbeit.
[24] Den Begriff `transmodal´ habe ich von Volger übernommen (vgl. 1995, 169f.). Er soll verdeutlichen, daß der Wahrnehmungseindruck während einer Bewegung über die Summe der Sinnesleistungen hinausgeht. „Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Teile“ (ebd.).M. E. ist dieser Begriff auch sehr gut auf die Reafferenzfigur als Bewegungsgefühl anwendbar, da diese sich ja aus der transmodalen Wahrnehmung entwickelt.
[25] Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, möchte ich kurz eine Begebenheit berichten, die sich kürzlich zugetragen hat. In einem Fernsehbericht zur Deutschen Meisterschaft 1996 sollte veranschaulicht werden, was ein Trampolinturner visuell wahrnimmt. Zu diesem Zweck hat man einem Aktiven eine Minikamera auf der Brust installiert, (Fortsetzung Fußnote 22) ...die bei `normaler´ Körperlage (aufrecht, Kopf oben) das Tuch aufnimmt. Bei Salto- und Schraubenrotationen waren dann natürlich die `vorbeifliegenden´ Wände, Decke und andere Gegenstände im Raum über das Kamerabild zu sehen. Der Kommentar dazu war sinngemäß: „Das ist die Sicht, die ein Trampolinturner hat.“ Dies kann wohl kaum stimmen, denn bei bloßem Anblick dieser Fernsehbilder wird einem geübten Trampoliner (z.B. mir) schnell schwindelig, obwohl hier nur bei Einfachsalti gefilmt wurde.
[26] Aus dem offiziellen Video der Trampolin-WM 1990 in Essen.
[27] Obwohl dieser Begriff mir aus den bereits beschriebenen Gründen (vgl. v.a. 1.1.2) unpassend erscheint wird er in dieser Arbeit manchmal benutzt, da er in der Literatur häufig verwandt wird (auch Buytendijk 1956, 293f.), und ein gänzliches auslassen des Begriffes `Automatisierung´ wohl kaum möglich ist. Eine ausführliche Besprechung des Begriffes möchte ich jedoch aus Platzgründen auslassen.
[28] Um Mißverständnisse zu vermeiden, möchte ich nochmal sagen, daß ich bei der Meinung bleibe, daß die Wahrnehmung und das Reafferenzbild transmodalen Charakter haben. Ich bin jedoch der Meinung, daß die hier angesprochenen Komponenten dabei eine dominierende Rolle spielen.
[29] Bis zu einem bestimmten Grad kann die Bewegung auch Charakterzüge der Form haben, was jedoch nicht wünschenswert ist und auf bestimmte Modalitäten der Übung hinweist (s.u.).
[30] „In gestalpsychologischer Terminologie spricht man herkömmlicherweise vom anschaulichen Gesamtfeld, wenn das Ich in das Erleben einbezogen ist [...]“ (Kohl 1956, 3)
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